Der Radiobeitrag mit Bezugnahme auf das 1. Erlanger Symposium zur Familienbildung durch Samenspende, der Donnerstag (20.03.) auf Radio Corax gesendet wurde, kann im Sendearchiv nachgehört werden. Interviewpartnerinnen sind Brigitte Zypries, Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesjustizministerin, sowie Spenderkindermitglied Anne.
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Das Beispiel Großbritannien – vorbildhafte Regulierung der Reproduktionsmedizin und Achtung der Rechte von Spenderkindern
Reproduktionsärzte und Samenbanken, die nur anhand rudimentärer rechtlicher Regeln und ohne staatliche Kontrolle den Wunsch von Erwachsenen nach einem Kind bedienen und dabei meistens die Rechte der entstehenden Kinder ignorieren – so sieht die Situation momentan in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern aus. Dass es auch ganz anders geht, zeigt das Beispiel von Großbritannien.
Dort sind seit 2005 anonyme Samenspenden verboten – übrigens ohne dass die Zahl der Spender zurückging, sie ist im Gegenteil sogar gestiegen.
Wie sehen die rechtlichen Regelungen aus?
In Großbritannien sind neben Samenspenden auch Eizell- und Embryonenspenden und nicht kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt. Alle diese Aktivitäten werden von einer Regulierungsbehörde mit dem Namen Human Fertility and Embryology Authority („HFEA“) überwacht. Alle Reproduktionskliniken benötigen eine Lizenz der HFEA (sec. 4, 11 ff. HFE-Act) und müssen an diese bestimmte Daten weitergeben.
Die HFEA führt seit 1991 ein nationales Register mit allen reproduktionsmedizinischen Behandlungen, den davon betroffenen Patienten, Spendern und den daraus resultierenden Geburten. Hierfür speichert die HFEA jede Nutzung von Spendern über Kliniken (sec. 31 HFE-Act). Zwar findet ein Abgleich mit Melderegistern nicht statt, um zu erfahren, ob tatsächlich ein Kind als Resultat der jeweiligen Behandlung geboren wird. Die HFEA weiß aber von fast von allen mit Hilfe von Gametenspenden gezeugten Kindern, da sie von der jeweiligen Klinik erfährt, ob die jeweilige Behandlung tatsächlich erfolgreich war. Die Kliniken sind selbst interessiert daran, erfolgreiche Behandlungen an die HFEA zu melden, da nur solche für die Erfolgsstatistik zählen, die für die jeweiligen Kliniken veröffentlicht wird. Aus diesem Grund weisen die Kliniken ihre Patienten bereits bei der Behandlung auf das Erfordernis der Informationsweitergabe an die HFEA hin und fragen auch aktiv bei den Patienten nach. Teilweise lassen sie sich über den Behandlungsvertrag auch das Recht geben, bei dem behandelnden Frauenarzt nachzufragen.
Jede Person kann ab dem Alter von 16 Jahren bei der HFEA anfragen, ob sie mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung über eine Klinik entstanden ist und ob eine bestimmte Person, mit der sie eine intime Beziehung haben, mit ihr verwandt ist (sec. 31ZB HFE-Act). Spenderkinder können ab dem Alter von 16 erfahren, wie viele Halbgeschwister sie haben und bestimmte nichtidentifizierende Informationen über den Spender wie Geburtsdatum, Geburtsland, ethnische Zugehörigkeit, Größe, Gewicht, Augen- Haar- und Hautfarbe, Kinder erhalten (sec. 31ZA HFE-Act). Ab dem Alter von 18 können sie sich zu einer Kontaktaufnahme mit ihren Halbgeschwistern bereit erklären (sec. 31 ZE HFE-Act). Dies gilt jedoch nur für Kinder, die ab 1991 gezeugt wurden.
Spenderkinder, die durch Spenden nach dem 31. März 2005 gezeugt wurden, können ab dem Alter von 18 Jahren die identifizierenden Daten des Spenders erhalten (sec. 31ZA para 2a HFE-Act, sec. 2 para 3 Human Fertilisation and Embryology Authority (Disclosure of Donor Information) Regulations 2004). Dies wird erstmals im Jahr 2023 der Fall sein. Spenderkinder, die vor diesem Datum gezeugt wurden, erhalten nur dann identifizierende Informationen über ihren Spender, wenn ihr Spender auf Anonymität verzichtet. Bislang haben dies lediglich 126 Spender getan. Spenderkinder erhalten jedoch nicht-identifizierende Informationen über den Spender sowie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu Halbgeschwistern. Spenderkinder, die vor 1991 gezeugt wurden, haben dagegen nur wenige oder überhaupt keine Informationen über ihren Spender. Für sie existiert jedoch seit 2004 ein staatlich gefördertes Register, das Donor Conceived Register (früher bekannt unter dem Namen UK DonorLink), bei dem sich Spenderkinder und Spender registrieren lassen können und per DNA-Test auf Verwandtschaft abgeglichen werden.
Spender können sich über die Anzahl, das Geschlecht und das Geburtsjahr aller mit ihrer Hilfe gezeugten Kinder informieren (sec. 31ZD para 3 HFE-Act). Ein Spender darf nur für 10 Familien verwendet werden. Dies wird durch die HFEA überwacht und Verstöße sind äußerst selten. Die Eltern erhalten auf Anfrage Informationen über die Anzahl, das Geschlecht und das Geburtsjahr von Halbgeschwistern ihrer Kinder.
Rechtlich werden die Empfänger Eltern, die Spender sind dagegen keine rechtlichen Eltern (sec. 27-29 HFE-Act). Spender und Empfänger haben keine Ansprüche gegeneinander. Dies gilt jedoch nur für Samenspenden über die von der HFEA lizensierten Kliniken, bei privaten Samenspenden kann ein Samenspender auch rechtlicher Vater werden.
Die HFEA verpflichtet die von ihr lizensierten Kliniken außerdem, Spender und Empfänger über die Auswirkungen der Behandlungen zu informieren (sec. 13 para 6 C HFE-Act). Das beinhaltet Informationen darüber, dass die Eltern ihre Kinder im jungen Alter über ihre Abstammung aufklären sollten und wie sie dies tun können. Hierzu müssen die Kliniken standardisierte Informationen verwenden und weitergeben.
Wie kam es zu diesen fortschrittlichen rechtlichen Regelungen?
1984 empfahl ein Bericht des Untersuchungsausschusses zu Menschlicher Fruchtbarkeit und Embryologie (sog. Warnock-Report) die Einrichtung einer Behörde, die IVF und Embryonenforschung überwachen sollte. Aufgrund des Human Fertilisation and Embryology Act 1990 („HFE-Act 1990“) wurde im August 1991 die Regulierungsbehörde HFEA als weltweit erste dieser Art gegründet.
Der HFE-Act 1990 sah noch eine Anonymität von Spendern vor, unter anderem weil ansonsten ein Rückgang der Spender und rechtliche und emotionale Schwierigkeiten innerhalb der Familie befürchtet wurde. Allerdings schloss die Regierung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht aus, dass Spenderkinder in Zukunft einmal die Identität der Spender erfahren könnten.1 Auch riet der Warnock-Ausschuss von einer Geheimhaltung innerhalb der Familie ab und empfahl einen Zugang von Spenderkindern zu Basisdaten über den Spender ab dem 18. Lebensjahr.
Eine der Hauptaufgaben der HFEA war seit ihrer Gründung ist die Führung eines Registers über alle Spender, Empfänger und entstandene Spenderkinder. Spender wurden von Anfang an um zusätzliche Informationen gebeten die mit den Eltern und dem Kind geteilt werden können. Außerdem konnte jede Person im Alter von 18 Jahren eine Anfrage an die HFEA stellen, ob er oder sie mit Hilfe eines Spenders entstanden ist. Verlobte konnten anfragen, ob sie von demselben Spender abstammen.
In den 90er Jahren erschienen jedoch zunehmend Berichte von Spenderkindern, die von Problemen mit der Anonymität ihrer genetischen Eltern und der Art ihrer Aufklärung berichteten und die Ungleichbehandlung mit Adoptierten kritisierten.2 Auch das Donor Conception Network, eine im Jahr 1993 gegründete Elternorganisation, setzten sich für die Aufhebung der Anonymität von Spendern ein.3
Im Jahr 2000 klagten zwei britische Spenderkinder, Joanna Rose und EM, vor dem „England and Wales High Court“ gegen die HFEA auf Aufhebung der Anonymität der Spender wegen einer
Verletzung von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dem Recht auf Familienleben, und Art. 14 EMRK Gleichheit, wegen der Ungleichbehandlung in Vergleich zu adoptierten Personen. Das Gericht entscheid mit Urteil vom 26. Juli 2002 zunächst nur, dass Art. 8 EMRK einschlägig ist, behielt sich jedoch eine weitere Entscheidung bis zum Abschluss einer 2001 begonnenen Regierungskonsultation vor. Bereits diese Entscheidung stellte jedoch einen Erfolg in dem Angriff auf die Anonymität der Spender dar.
Nach Abschluss der Regierungskonsultation kündigte im Januar 2004 die Gesundheitsministerin Melanie Johnson in einer Rede an, dass die HFEA von 2005 an nur noch Spender akzeptieren würde, die mit der Bekanntgabe ihrer Identität an die von ihnen abstammenden volljährigen Kinder einverstanden wäre. Dies beinhaltet den vollen Namen, Geburtsdatum und -ort und die letzte bekannte Adresse.
Sie begründete diese Entscheidung vor allem mit der Ähnlichkeit der Situation von Spenderkindern zu Adoptierten, die Informationen über ihre Abstammung erhalten können und bei denen man früher ebenfalls davon ausging, dass die Adoption einen Bruch zu ihrer vorherigen Familie darstellte, der auch durch Informationen nicht überwunden werden sollte. Als wichtigen Grundsatz für die Infertilitätsbehandlungen setzte sie hinzu: „The interests of the child are paramount. We live in an age where, as technology continues to develop, our genetic background will become increasingly important.“ Und: „Clinics decide to provide treatment using donors; patients make a decision to receive treatment using donors; donors decide to donate. Donor-conceived children, however, do not decide to be born – is it therefore right that access to information about the donation that led to their birth should be denied to them?“
Die überwiegende Zahl der Kliniken und die British Fertility Society kritisierte die Entscheidung und äußerte (im Nachhinein unbegründete) Befürchtungen, dass die Zahl der Spender um bis zu 80 Prozent sinken könnte. Melanie Johnson äußerte jedoch bereits in ihrer Rede: „We can change the culture of donation“ – was sich im Nachhinein als wahr erwies.
Die angekündigten Änderungen wurden in der Human Fertilisation and Embryology Authority (Disclosure of Donor Informations) Regulation 2004 umgesetzt.
Die HFEA revidierte gleichzeitig auch ihre interne Politik. Nachdem sie zwischen 1991 und 2005 Kliniken lediglich verpflichtete, das potentielle Interesse der Kinder an Kenntnis ihrer Abstammung zu beachten und ob die zukünftigen Eltern auf diese Fragen vorbereitet sind, verpflichtete sie nun die Kliniken, die Wunscheltern zu ermutigen, gegenüber den Kindern offen mit der Entstehungsweise umzugehen.4
Alles gut in Großbritannien?
Ist in Großbritannien nun alles perfekt für Spenderkinder geregelt? Angesichts der Tatsache, dass das Verbot anonymer Spenden erst seit 2005 gilt und Spenderkinder, die vor 1991 gezeugt wurden, keinerlei Informationen über Spender und Verwandte erhalten können, kann man das nicht sagen. Man muss auch sehen, dass für Spenderkinder, die zwischen 1991 und März 2005 gezeugt worden sind, das Recht der Spender auf Anonymität höher bewertet wird als das Recht der Spenderkinder auf Kenntnis ihrer Abstammung. Da es sich hierbei um ein Menschenrecht der Spenderkinder handelt (so ja auch das Gerichtsurteil des High Court of England and Wales) und eine Ungleichbehandlung zu Adoptierten, ist diese Wertung zweifelhaft. Viele Spenderkinder würden es außerdem begrüßen, wenn sie zu Halbgeschwistern auch schon vor dem Alter von 18 Jahren Kontakt aufnehmen könnten.
Für viele Spenderkinder ist es jedoch eine Genugtuung, dass ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung zumindest für die Zukunft anerkannt wird und die Regierung versucht, den Interessen der vorher gezeugten Spenderkinder durch die nachträgliche Registrierung von Kontaktmöglichkeiten und der Unterstützung eines DNA-Registers zumindest ein bisschen Rechnung trägt. Allerdings sind gerade die staatlichen Zuschüsse in den letzten Jahren deutlich gekürzt worden, und dort arbeiten keine Personen mit einem sozialberatenden Hintergrund.
In Studien wird davon ausgegangen, dass die Möglichkeit, Informationen über den Spender zu erhalten, dazu führt dass Eltern offen und positiv mit dieser Form der Familiengründung umgehen.5 Daher ist davon auszugehen, dass Eltern in Großbritannien ihre Kinder häufiger aufklären als Eltern in Deutschland, wo das Recht von Spenderkindern auf Informationen über ihren Spender immer noch wenig geregelt ist und auch in den verschiedenen Kliniken deutlich anders gehandhabt wird. Auch in Großbritannien klären jedoch viele Eltern ihre Kinder immer noch nicht darüber auf, dass sie mit einer Samen- oder Eizellspende entstanden sind. Viele britische Spenderkinder würden daher begrüßen, wenn die Abstammung auf der Geburtsurkunde festgehalten würde. Hierzu gab es eine Initiative im Jahr 2008, die leider bei der Gesetzgebung bislang nicht berücksichtigt wurde. Auch die British Association for Adoption and Fostering setzt sich für dieses Ziel ein.
Ein Vorbild für Deutschland?
Für Deutschland sollte das britische System der Regulierung von Reproduktionskliniken als Vorbild dienen. Ich finde es immer wieder verwunderlich, dass man eine Methode, bei der Menschen erzeugt werden, ganz der Selbstregulierung durch die Ärzte überlassen hat, die natürlich erhebliche finanzielle Eigeninteressen haben und nicht qualifiziert dafür sind, die Auswirkungen auf den Familienbildungsprozess zu beurteilen. Aufgrund der lockeren politischen Steuerung der Reproduktionsmedizin in Deutschland befinden sich die individuellen Ärzte dagegen in einer Autoritätsposition, wie sie die Informationen über den Spender handhaben und wie sie die betroffenen Familien beraten. In der Praxis hat dies zu sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Erfassung und Aufbewahrung der Spenderdaten geführt.6 Die Untätigkeit des Gesetzgebers ist umso verwunderlicher, als dass dem Schutz von Embryonen – also Menschen, die möglicherweise gar nicht auf die Welt kommen – ein Gesetz mit Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften gewidmet ist, das Embryonenschutzgesetz. Auch dieses Gesetz wird jedoch nicht durch Regulierung überwacht, sondern es wird nur über die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft auf Verstöße reagiert.
Insbesondere wenn man sich die Internetseiten verschiedener Reproduktionsärzte, -kliniken und Samenbanken ansieht, stellt man fest, dass diese völlig unterschiedliche Informationen vermitteln. Viele schreiben überhaupt nichts über die psychosozialen Herausforderungen, die eine Samenspende auf die Familienbildung hat. Andere weisen gar nicht oder nur sehr zurückhaltend auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hin und stellen auch die rechtliche Lage unzutreffend dar. Manche versehen dies sogar mit Hinweisen, dass ihrer Meinung nach ein Verschweigen der Samenspende das Beste für die Familie ist. Angesichts solcher unzutreffender Informationen wäre eine Regulierungsbehörde, die die Tätigkeiten der Kliniken überwacht und die Bereitstellung bestimmter standardisierter Informationen für Spender, Empfänger und Kinder durchsetzen kann, absolut wünschenswert.
Vorbildhaft sind ebenfalls die Informationsmöglichkeiten für alle Beteiligte, insbesondere dass Spender nicht-identifizierende Informationen über die durch sie gezeugten Kinder erhalten können und Spenderkindern eine Kontaktaufnahme zu Halbgeschwistern vermittelt wird.
Andere Aspekte der britischen Gesetzgebung würden wir lieber nur angepasst in Deutschland übernehmen. Wie die britischen Spenderkinder stellt für uns die Eintragung des Spenders in das Geburtenregister entsprechend der Situation bei Adoptierten die beste Lösung dar, weil dann Eltern einen sehr deutlichen Anreiz haben, ihre Kinder über ihre Abstammung aufzuklären. Bei einem zentralen Register muss man ja erst einmal auf die Idee kommen, dass man nicht von den Eltern abstammt, um über eine Anfrage dann Klarheit zu erhalten.
Ein Recht von Spenderkindern auf Erhalt identifizierender Informationen über ihren Spender nur für die Zukunft einzuführen, wäre dagegen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich in Deutschland. Hier muss davon ausgegangen werden, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung von Spenderkindern gegenüber anderen Interessen überwiegt, insbesondere weil dieses Recht seit den 60er Jahren in Deutschland anerkannt ist und die entsprechenden Beschlüsse und Richtlinien der Ärztekammer seit 19707 darauf hinweisen, dass dem Spender keine Anonymität zugesichert werden kann.
- Blyth E (2008) Donor insemination and the dilemma of the unknown father. Bockenheimer-Lucius G, Thorn P, Wendehorst C (Hrsg.), Umwege zum eigenem Kind, Göttingen, S. 157 ff., S. 159. [↩]
- Turner A, Coyle A (2000) What does it mean to be a donor offspring? The identity experiences of adults conceived by donor insemination and the implications for counselling and therapy. Human Reproduction 15 (9): 2041-2051, 2045. [↩]
- Daniels K (2007) Anonymity and openness and the recruitment of gamete donors. Part 2: Oocyte donors. Human Fertility (4) 10 S. 223–231, S. 229. [↩]
- Blyth E, Langridge D, Harris R: Family building in donor conception: parents’ experiences of sharing information, in: Journal of Reproductive and Infant Psychology Vol. 28, No. 2, May 2010, 116–127, S. 116. [↩]
- Freeman T, Jadva V, Kramer W, Golombok S (2009) Gamete donation: parents’ experiences of searching for their child’s donor siblings and donor. Human Reproduction 24 (3): 505-516, 506. [↩]
- Klotz M (2013) Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956, S. 944, 946. [↩]
- Deutsches Ärzteblatt 1970, 1982. [↩]
Vortrag auf dem Symposium in Erlangen: Ein Recht auf Identität
Hier endlich der Vortrag, den ich am 22. November 2013 auf dem Symposium in Erlangen gehalten habe. Er wird im Frühjahr des Jahres auch in einem Reader zusammen mit den Vorträgen der anderen Referenten erscheinen. Sobald der Reader draußen ist, werden wir darauf natürlich noch einmal hinweisen.
Spenderkinder – ein Recht auf Identität
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich stehe hier vor Ihnen als Vertreterin des Vereins Spenderkinder, einer Interessenvertretung von durch Samenspende gezeugten Menschen. Zu meinem Hintergrund: ich bin 33 Jahre alt – sieben davon weiß ich, dass ich durch eine Samenspende an der Universitätsklinik Essen gezeugt wurde. Von der Ausbildung her bin ich Juristin und Politikwissenschaftlerin und wohne in Berlin. Auf der Internetseite unseres Vereins schreibe ich unter meinem Spitznamen Stina.
Als Vorbereitung für diesen Vortrag hat Herr Dr. Hammel mir mit auf den Weg gegeben, dass etwa 50 Reproduktionsmediziner anwesend sein werden, die mehrheitlich noch nie ein Spenderkind gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen haben. Insofern möchte ich mich ganz herzlich für die Gelegenheit bedanken, vor einer so relevanten Zielgruppe als unmittelbar Betroffene unsere Sicht auf Familiengründung mit Samenspenden darstellen zu können.
Jetzt sehen sie mich und stelle wahrscheinlich 3 Dinge fest: ich sehe ganz normal aus, habe keine zwei Köpfe, und ich bin eindeutig kein Kind mehr, sondern werde selbst bald Mutter. Das zeigt, dass wir Wunschkinder keine Kinder bleiben, sondern uns zu Erwachsenen mit eigenen Interessen entwickeln. Dazu gehört: wer bin ich – von wem stamme ich ab. Daher haben wir diesen Vortragstitel gewählt – ein Recht auf Identität.
Ich möchte Ihnen in diesem Vortrag die Arbeit unseres Verein vorstellen, und zwar folgendermaßen: ich werde ihnen zuerst ein paar Basisinformationen über unseren Verein und unsere Arbeitsbereiche geben. Dann möchte ich Ihnen fünf Grundaussagen vorstellen, die uns Spenderkindern in der Diskussion über Familiengründung mit Samenspende wichtig sind und die unseren Forderungen – die sie auf unserer Internetseite und in unserer Kurzdarstellung nachlesen können – zugrunde liegen. Diese sind:
1. Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil menschlicher Identität und ein Grundrecht.
2. Spenderkinder wurden um einen Teil ihrer Identität gebracht.
3. Reproduktionsmediziner tragen Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien und Menschen.
4. Spenderkinder-Familien sind keine ganz normalen Familien.
5. Auch der Samenspender trägt eine gewisse Verantwortung.
Zuletzt werde ich ein kurzes Fazit ziehen.
I. Der Verein Spenderkinder
Wir sind eine Interessenvertretung von durch Samenspende gezeugten Menschen in Deutschland und haben uns 2009 als nicht eingetragener Verein gegründet. In den zwei Jahren davor gab es uns bereits als losen Zusammenschluss, aber ohne rechtliche Organisation. Kennengelernt haben wir uns vor allem über die Internetseite www.spenderkinder.de.
Die Organisation als Verein bedeutet, dass wir nach innen demokratische Strukturen besitzen, einen gewählten Vorstand haben, wichtige Entscheidungen abstimmen und dass wir uns mindestens einmal jährlich persönlich treffen. Wir haben inzwischen über 50 Mitglieder zwischen 18 und 48 Jahren.
Manche finden unseren Vereinsnamen Spenderkinder etwas irreführend, weil wir alle erwachsen sind. Viele von uns stehen schon mitten im Berufsleben und sind selbst Eltern. Auf Englisch heißen Menschen wie wir „donor offspring“ oder „donor conceived. Hierfür gibt es leider keine entsprechenden deutschen Begriffe, und „Menschen die durch Samenspende gezeugt wurden“ klingt auf Dauer doch recht umständlich. Aber alle Menschen sind in der Beziehung zu ihren Eltern – wozu wir auch unseren genetischen Vater, den Samenspender zählen – ein Leben lang „Kinder“. Und genau um diese Beziehung zu dem Spender geht es uns bei diesem Namen. Er entspricht außerdem dem Namen unserer belgischen und niederländischen Pendants: donorkind.
Die Arbeit unseres Vereins erstreckt sich hauptsächlich auf drei Bereiche:
1. Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung
Zuerst möchten wir die Öffentlichkeit über eine Familiengründung mit Samenspende aus Sicht der hierdurch entstandenen Menschen, der unmittelbar Betroffenen, informieren. Eine der prägenden Erfahrungen für viele von uns war, dass bis vor einigen Jahren die Perspektive der Spenderkinder selbst nicht präsent war. Wir nehmen wahr, dass sich die Öffentlichkeit viel stärker mit Paaren mit Zeugungsproblemen identifizieren können – was vielleicht auch daran liegt, dass die Öffentlichkeit zum Großteil aus Erwachsenen besteht, die ebenfalls an eine Familiengründung denken oder diese hinter sich haben. Dadurch bedingt werden Kinder oft nur als Ziel und Ergebnis der Wunscherfüllung wahrgenommen. Dementsprechend werben die meisten Reproduktionskliniken mit niedlichen lachenden Babys. Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind als Ziel präsent, nicht aber der erwachsene Mensch, der es einmal wird, mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen.
Wir möchten daher Eltern, Ärzte und Spender dafür sensibilisieren, dass das Wissen um die genetische Abstammung wichtiger Teil der Identität von uns Spenderkindern ist – genau wie bei Adoptierten. Eltern möchten wir dazu ermutigen, ihre Kinder früh über ihre Entstehung durch eine Samenspende aufzuklären.
Das machen wir vor allem über unsere Internetseite, über die Mitwirkung an Medienberichten und auch über die Beratung per Email, da es einige Eltern gibt, die sich mit Fragen an uns wenden.
2. Lobbyarbeit
Der zweite Teil unserer Arbeit ist die klassische Lobbyarbeit – die Forderung von Änderungen, die unserer Ansicht nach im deutschen Recht erforderlich sind, um die Rechte von Spenderkindern zu schützen. Hierzu zählt insbesondere die Freistellung des Spenders von Unterhalts- und Erbansprüchen, aber auch eine verpflichtende Beratung der Eltern vor Inanspruchnahme einer Samenspende und eine stärkere Regulierung von Samenbanken und Ärzten bei der Dokumentation und Spenderauswahl, zum Beispiel bei der Zahl der durch einen Spender gezeugten Kinder.
3. Kontakt
Der letzte Teil unserer Arbeit ist die Förderung von Kontakt unter uns Spenderkindern. Wir tauschen Erfahrungen aus und suchen nach Halbgeschwistern und unserem Spender über den genetischen Test Family Finder einer US-amerikanischen Firma. Das machen wir auch international und vertiefen im Moment insbesondere die Kooperation zwischen Spenderkindern auf europäischer Ebene.
II. Was ist aus Perspektive der Spenderkinder wichtig?
Damit komme ich zum zweiten Teil meines Vortrags, nämlich den Grundaussagen, die aus der Perspektive von uns Spenderkindern wichtig sind.
1. Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil menschlicher Identität und ein Grundrecht
Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil menschlicher Identität und ein Grundrecht. Dieses Grundrecht gilt für alle – auch für Spenderkinder.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1988 ausdrücklich festgestellt, dass jeder Mensch das Recht auf Kenntnis über erlangbare Informationen über seine Abstammung hat.1 Dies war aber bereits seit den 60er Jahren herrschende juristische Meinung.2 Von diesem Rechtsanspruch abgesehen ist es Teil unserer persönlichen Geschichte und damit unserer Identität, durch eine Samenspende und damit eine dritte Person außerhalb der Beziehung unserer Eltern entstanden zu sein.
Oft wird uns entgegengehalten, dass doch die soziale Familie wesentlich wichtiger für die Entwick lung der eigenen Persönlichkeit sei. Wir möchten soziale und genetische Verwandtschaft nicht gegeneinander aufwiegen. Unsere Eltern sind unsere Eltern, egal ob wir genetisch verwandt sind. Keines unserer Mitglieder würde sagen, dass allein die genetische Verwandtschaft entscheidend ist. Aber wir haben das Gefühl, dass sie auch wichtig ist und dass sie zu uns gehört, und dass uns durch das Unwissen um die genetische Herkunft ein Teil unserer persönlichen Identität fehlt. Dieses Wissen über die genetische Herkunft ist für die meisten Menschen selbstverständlich. Sie wachsen damit auf, müssen es nie hinterfragen und sind sich daher der grundlegenden Bedeutung nicht bewusst.
Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil der Identität.3 Das zeigt sich auch auf der Ebene der Eltern. Aus diesem Grund – Bewahrung der genetischen Verwandtschaft – möchten viele Menschen auch möglichst gerne ein genetisch eigenes Kind bekommen. Und Reproduktionskliniken bemühen sich, diesen Wunsch zu erfüllen. Zur Not auch mit einer Samenspende, damit wenigstens ein Elternteil mit dem Kind genetisch verwandt ist. Und aus diesem Grund bekommt man im Krankenhaus nach der Geburt auch nicht irgendein Kind mitgegeben, sondern das Eigene. Für mich ist das immer noch der am schwierigsten nachvollziehbare Teil in der öffentlichen Debatte der Samenspende: dass der Wunsch von Eltern nach einem teilweise genetisch eigenen Kind als so selbstverständlich akzeptiert wird, der Wunsch der durch Samenspende gezeugten Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung, der doch auf dem gleichen Grundverständnis der Bedeutung von genetischer Abstammung für ein Individuum resultiert, so wenig.4
Die Bedeutung der genetischen Verwandtschaft setzt sich bei der Kindesentwicklung fort: Kinder werden von ihrer Geburt an ständig auf Ähnlichkeit zu ihrer näheren und entfernteren Verwandtschaft abgeglichen. Jeder von uns hat sicherlich schon einmal Sprüche gehört wie: Das hast Du von Papa, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm oder Вlut ist dicker als Wasser. Bei all diesen Sprüchen fragen wir Spenderkinder uns jedoch: von wem haben wir das wirklich? Wer ist dieser andere Mann?
Kein Mitglied unseres Vereins möchte mit dem Spender den sozialen Vater ersetzen. Beide gehören zu uns, beide haben einen Platz im Familiengefüge und wir möchten deshalb auch beide kennen. Uns ist bewusst, dass genetische Verwandtschaft die Erfahrungen und Erlebnisse nicht ersetzen kann, miteinander aufzuwachsen. Der Spender und wir sind uns erst einmal fremd. Das schließt aber nicht aus, dass man sich trotzdem ähnlich ist oder gut versteht. Das kann so sein, muss aber nicht. Manchmal werden wir gefragt, ob wir den Spender auch kennenlernen wollten, wenn er ganz anders ist, als wir ihn uns vielleicht vorstellen. Das beinhaltet zwei falsche Annahmen: das wir uns überhaupt Vorstellungen machen, und dass wir eine Art idealen Vater finden möchten. Es geht uns aber darum, diesen Teil von uns in unser Selbstverständnis zu integrieren – egal wie der Spender ist. Die in den Medien vielbeschworenen Unterhaltsansprüche spielen dabei für die Spenderkinder, die ich kenne, überhaupt gar keine Rolle. Aus diesem Grund setzen wir uns auch für die rechtliche Absicherung der Spender ein.
Weil dieses Wissen so grundlegend für unser Selbstverständnis ist, halten wir es für sehr wichtig, dass Eltern ihre Kinder so früh wie möglich über eine Zeugung durch Samenspende aufklären. Es gibt Schätzungen, dass nur etwa 5 bis 10 Prozent der Eltern, die ihre Kinder mit einer Samenspende bekommen, diese tatsächlich hierüber aufklären. Genau weiß man dies aber natürlich nicht, da allgemein noch nicht einmal Daten vorhanden sind, wie viele Kinder in Deutschland tatsächlich durch eine Samenspende entstanden sind. Bei einer späten Aufklärung oder einer zufälligen Entdeckung droht ein Vertrauensbruch.5 Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass es ein sehr schmerzhafter, teilweise stark belastender Prozess sein kann, etwas so wichtiges wie die Abstammung im Erwachsenenalter noch revidieren zu müssen.6
Noch schmerzhafter wird er dadurch, dass die Menschen, die uns so verletzen, diejenigen sind, denen wir vorher vertraut haben: die eigenen Eltern. Diese Erfahrung eines Vertrauensbruchs haben zum Glück nicht alle Mitglieder unseres Vereins machen müssen, da einige bereits im Kindesalter von ihrer Zeugung durch eine Samenspende erfahren haben. Aber auch sie möchten wissen, von wem sie abstammen.7
Die Problematik der späten Aufklärung ist aus dem Bereich der Adoption gut bekannt.8 Dort ist die Aufklärungsrate in Deutschland mittlerweile mit geschätzten 90 Prozent deutlich höher – wahrscheinlich deswegen, weil die genetischen Eltern in einem amtlichen Dokument, dem Geburtenregister, festgehalten werden.9
2. Spenderkinder wurden in Deutschland rechtswidrig um einen Teil ihrer Identität gebracht
Fast alle Spenderkinder, die von der Klinik oder dem Arzt ihrer Eltern mehr über ihre Abstammung erfahren wollten, haben dieselbe Erfahrung machen müssen: Die Ärzte unserer Eltern behaupten, dass der Spender ein Recht auf Anonymität habe und dass die Daten wegen einer angeblichen Mindestaufbewahrungsdauer von 10 Jahren nicht mehr vorhanden seien. Persönliche Erinnerungen seien nach so langer Zeit natürlich nicht mehr vorhanden.
Wie fühlt man sich, wenn man erfährt, dass man ein Recht hat, dieses aber bereits faktisch zunichte gemacht wurde, als man selbst 9 Jahre alt war? Um es höflich auszudrücken: man fühlt sich in seinen Rechten missachtet und bevormundet.
Wir hören bis heute von vielen Ärzten, dass es eine ausdrückliche Aufbewahrungspflicht für Daten zu Samenspenden erst seit 2007 gibt. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung sei auch erst 1988 festgestellt worden und dessen Reichweite außerdem unklar. Dazu kann ich auch als Juristin nur sagen: das ist rechtlich nicht haltbar.
Bis zum Jahr 1970 galt eine Samenspende in Deutschland durch Ärzte als standeswidrig. Das bedeutete, dass einem Arzt bei Zuwiderhandlung die Arztzulassung entzogen werden konnte. Dies wurde dann 1970 durch die Bundesärztekammer revidiert. Allerdings wurde in dem Beschluss der Ärztekammer darauf hingewiesen, dass Ärzte den betroffenen Kindern die Identität der Spender schon aus familienrechtlichen Gründen nennen müssen. Daher seien anonyme Spenden nicht erlaubt.10 Gleichzeitig wiesen, die damaligen Muster-Berufsordnungen der Ärzte auch darauf hin, dass Behandlungsdaten länger als 10 Jahre aufbewahrt werden müssen, wenn dies die ärztliche Erfahrung nahelegt.11
Trotz dieser Regelungen entschieden sich die Ärzte unserer Eltern, den Spendern vertraglich Anonymität zuzusichern und auch unseren Eltern eine entsprechende – rechtswidrige – Erklärung abzuverlangen.12
Dabei hören wir Geschichten, weswegen die Daten entweder nicht aufbewahrt werden mussten und was mit ihnen angeblich passiert ist: das reicht von einem Wasserrohrbruch zu einem Brand oder einer Aktenvernichtung wegen Selbstmordgedanken. Es fällt uns schwer, diese Geschichten zu glauben. Fast alle von uns müssen sich aber bis heute damit arrangieren, eine Lücke in ihrem Selbstverständnis zu akzeptieren.
Was wir von den Ärzten unserer Eltern jedoch bisher nie gehört haben, ist eine ernsthafte Entschuldigung dafür, dass unseren Interessen in der Vergangenheit so wenig Rechnung getragen wurde. Stattdessen wird uns entgegnet, dass der Spender ein Recht auf Anonymität habe und dass wir für unsere Existenz dankbar sein sollten. Das empfinden wir als Anmaßung.13
Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich viel Hochachtung vor der Samenbank Erlangen, die von der Gründung an versucht hat, die Interessen der Kinder stärker zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass sie Samenspender finden, obwohl sie keine Anonymität zusichern, zeigt dass die Anonymität von Samenspenden noch nie die Erfolgsbedingung war. Hierfür sprechen auch die Erfahrungen aus verschiedenen anderen europäischen Ländern wie Schweden, Großbritannien, den Niederlanden, die Schweiz und Österreich, die anonyme Samenspenden schon längst ausdrücklich verboten haben.14
3. Reproduktionsmediziner tragen eine Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien und Menschen
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Auch Reproduktionsmediziner tragen eine Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien und Menschen. Diese wurde in der Vergangenheit nicht immer wahrgenommen. Teilweise wurde sie sogar ins Gegenteil umgekehrt, wenn Ärzte den Paaren die Geheimhaltung der Samenspende gegenüber ihren Kindern empfahlen.
Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch befinden sich in einer emotional sehr schwierigen Situation – oft stellt eine Samenspende für sie die letzte Möglichkeit dar, doch noch ein Kind zu bekommen. Dazu kommt die Belastung durch Unfruchtbarkeit. Daher sind viele Paare in dieser Situation nicht in der Lage, über ihren Kinderwunsch hinaus an die Auswirkungen ihrer Entscheidung für ihre zukünftigen Kinder zu denken. Sie brauchen daher Beratung – und der die Samenspende durchführende Arzt ist der nächste Ansprechpartner. Die Eltern vertrauen ihm oft deswegen haben seine Ratschläge Auswirkungen auf ihr Verhalten.15
Meine Eltern sagten mir, dass es für sie ein langsamer Erkenntnisprozess war, zu der Feststellung zu gelangen, dass ich von der Art meiner Zeugung wissen sollte. Ausdrücklich dazu geraten haben ihnen die damals behandelnden Ärzte nicht. Sie wurden mit ihrer Entscheidung nach der Samenspende alleine gelassen. Das wird dieser Form der Familiengründung nicht gerecht. Leider gibt es bis heute Reproduktionsmediziner, die ausdrücklich vertreten, man sollte vor den Kindern die Zeugung durch Samenspende geheim halten, gerne begleitet durch den Zusatz: sie wollen doch schnell eine ganz normale Familie werden.16 Damit nehmen Sie ihre Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien nicht wahr, schaden der entstehenden Familie und verletzen die Rechte der Kinder.17 Das Verschweigen ist auch für die Eltern oft schwierig. Manche berichten von jahrelangen Gewissensbissen gegenüber ihren Kindern.18
Wir wünschen uns, dass Reproduktionsmediziner, die Samenspenden anbieten, die damit verbundene Verantwortung ernst nehmen. Das bedeutet, dass sie Eltern mit auf den Weg geben sollten, dass die Person des Spenders für ihr Kind einmal Bedeutung erlangen könnte. Sie sollten ihnen zu einer frühen Aufklärung raten, um das Kind nicht zu bevormunden und eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu ermöglichen. Sie sollten sie außerdem bestärken, dass Ehrlichkeit und Offenheit entscheidend zu einem langfristig guten Familienklima beitragen. Gleichzeitig könnten sie die Eltern beruhigen, dass eine enge soziale Bindung auch durch die genetische Verwandtschaft zum Spender nicht in Frage gestellt werden wird. Sie sollten aber betonen, dass eine soziale Bindung anders als bei biologischer Verwandtschaft aktiv hergestellt werden.
4. Spenderkinder-Familien sind keine ganz normalen Familien
Das knüpft wieder an den nächsten Aspekt an, der uns wichtig ist: Spenderkinder-Familien sind keine ganz normalen Familien. Sie sehen nur meistens von außen so aus, und daher ist die Verlockung möglicherweise groß, so zu tun als ob. Nicht normal zu sein ist aber nicht schlimm – wir Spenderkinder wünschen uns mehr Mut zu der Tatsache, anders zu sein und dazu zu stehen.
Natürlich kann man insgesamt darüber streiten, was „normal“ eigentlich bedeutet. Im Rahmen von Familienstrukturen kann man sich aber wahrscheinlich darauf einigen, dass „normal“ eine Familie ist, bei der das Kind mit beiden Eltern genetisch verwandt ist. Wenn ein Dritter an der Zeugung beteiligt ist, den die Eltern nicht kennen, handelt es sich um eine Ausnahmesituation. Ich glaube nicht, dass die Eltern diesen Aspekt je vergessen, auch wenn sie sich dazu entschließen, es zu einem Geheimnis zu machen.19 Für den Mann bedeutet die Familiengründung mit Samenspende, dass er genetisch nicht mit dem Kind verwandt ist, die Mutter aber schon. Das kann eine ungleiche Ausgangslage zu dem Kind herstellen, insbesondere wenn dieser Aspekt in der Familie nicht bewusst wahrgenommen wird.
Ab der Entscheidung für die Samenspende ist der Spender aber Teil des Familiengefüges. Er ist ein unsichtbarer Dritter, der auch auf das Verhalten der Eltern den Kindern gegenüber Einfluss nimmt. Viele Kinder spüren instinktiv, dass da „etwas nicht stimmt“.20 Viele unserer Mitglieder bestätigen dies.
Ein nicht offener Umgang mit der Samenspende bringt unserer Erfahrung nach Väter oft dazu, sich entweder von den Kindern zu distanzieren oder empfindlicher auf bestimmte Trübungen des Verhältnisses zum Kind zu reagieren. Ich bin mir sicher, dass meine Zeugung durch Samenspende das Verhältnis zu meinem Vater in der Vergangenheit negativ beeinflusst hat, weil er mir gegenüber eine unangenehme Mischung aus unsicher und eifersüchtig war. Seitdem ich von meiner Abstammung durch eine Samenspende weiß, ist unser Verhältnis wesentlich besser. Ich kann mich besser in in hinein versetzen und glaube, dass ich das auch als Kind schon hätte tun können. Ihm ist die Angst genommen worden, dass ich ihn ablehnen würde, sobald ich die Wahrheit weiß. Ehrlich gesagt bin ich jedoch traurig über die verpasste Chance, schon viel früher eine ehrlichere Beziehung zu ihm aufbauen zu können.
Wir verstehen natürlich die Ängste der Eltern und insbesondere der Väter. Ein offener Umgang bedeutet immer auch, dass Dritte von der Samenspende und der eigenen Unfruchtbarkeit erfahren. Manche befürchten eine Ausgrenzung ihrer Familie und der Kinder. Das ist unserer Erfahrung nach aber unbegründet. Keines unserer Mitglieder wurde bislang aus diesem Grund ausgegrenzt. Ein offener Umgang mit dem Thema und eine selbstbewusste Familie vermittelt dem Kind außerdem ein Selbstwertgefühl, das auch mit negativen Reaktionen umgehen kann.
5. Auch ein Samenspender trägt eine gewisse Verantwortung
Damit komme ich zu dem letzten Aspekt, der uns wichtig ist: auch der Samenspender trägt eine gewisse Verantwortung. Damit ist natürlich keine Verantwortung finanzieller oder sorgerechtlicher Art gemeint, sondern eine moralische Verantwortung. Er weiß, dass mit seinem Erbgut ein Mensch entsteht. Daher sollte ihm bewusst sein, dass dieses Kind sich möglicherweise irgendwann auch für seine Abstammung interessiert. Das Motiv, für die Spende Geld zu erhalten, sollte daher nicht ausschlaggebend sein. Entscheidend sollte viel mehr sein, dass er kinderlosen Paaren helfen und Leben schenken möchte.
Wir hatten im Laufe der Jahre unserer Arbeit Kontakt zu ganz unterschiedlichen Spender-Persönlichkeiten. Darunter waren absolut verantwortungslose Personen, die uns ganz klar gesagt haben, dass sie nur wegen des Geldes Samen gespendet haben und nicht möchten, dass ihre „Brut“ bei ihnen auftaucht. Andere haben auch zugegeben, dass sie bei mehreren Samenbanken spenden.
Auf der anderen Seite gab es aber auch sehr positive Kontakte zu Spendern, die bereit zu einem Kontakt sind. Einige konnten nachvollziehen, dass die genetische Abstammung wichtig für das Selbstverständnis ist. Andere wiederum sind selbst neugierig darauf, wie sich ihre Kinder entwickelt haben. Für einige war der Beweggrund, dass sie inzwischen eine eigene Familie haben und es schlimm fänden, wenn ihre Kinder sich so fühlen würden wie wir. Sie wiesen auch darauf hin, dass sie selbst damals keine offene Spende wählen konnten.21
Daher meine Bitte, insbesondere an die Reproduktionsmediziner: suchen sie solche verantwortungsbewussten und offenen Spender. Es gibt sie – man findet sie nur eher nicht durch Werbung wie „Kommen Sie bei uns“ oder „Geld verdienen mit einer Samenspende“, sondern indem man den Aspekt des Helfen und Leben schenken in den Vordergrund stellt.22 Und schließen sie nicht Gruppen wie Homosexuelle aus, die besonders interessiert an einem späteren Kontakt zu dem Kind sind.23 Und kommen Sie den Interessen solcher offener Spender entgegen. Diese hätten teilweise auch gerne nach der Spende mehr Informationen, zum Beispiel darüber, wie viele Kinder schon mit ihrer Hilfe gezeugt wurden und ob diese gesund sind.24 Viele sind auch durchaus bereit für einen offenen oder halb-anonymen Kontakt, bevor die Kinder 16 oder 18 Jahre alt werden.
III. Fazit
Damit komme ich zum Schluss meines Vortrags. Wir hören in Zusammenhang mit Samenspenden viel Negatives – von drohenden Unterhaltsverpflichtungen der Spender, Spenderkindern, die die Familie des Spenders zerstören könnten, und Familiengeheimnissen die notwendig sind um die Familie vor der Bedrohung durch einen Dritten zu schützen.
Wir Spenderkinder plädieren dafür, die Erweiterung der Familie durch Samenspenden bei aller Herausforderung, die sie darstellt, auch als Chance zu begreifen – für die gesamte Familie und die Spender. Grundsätzlich ist es eine schöne Sache, mehr Menschen in seinem Leben zu haben, mit denen man verwandt ist und potentielle Gemeinsamkeiten hat. Das gilt insbesondere für die Erweiterung der Familie durch Halbgeschwister. Für mich war das ein schöner Aspekt daran, durch eine Samenspende gezeugt worden zu sein, weil ich Einzelkind bin und mir immer Geschwister gewünscht habe. Jetzt muss ich sie nur noch finden. In den USA finden seit mehreren Jahren Treffen von ganzen Familien statt, die den selben Spender haben. Hierzu kann man sich bewegende Videos auf Youtube ansehen.25 Für sie ist die Familienerweiterung ein wunderschönes Ereignis, und oft finden sich interessante Gemeinsamkeiten. Auch für die Eltern ist es schön, Halbgeschwister ihrer Kinder kennenzulernen und andere Eltern, mit denen sie über ihre Kinder verbunden sind.26 Viele würden sich auch gerne bei dem Spender bedanken, dass er ihnen geholfen hat, ihre Kinder zu bekommen.
Und zuletzt kann es auch für den Spender ein gewinnbringendes und sogar bewegendes Ereignis sein, 17 Jahre später einen Menschen, ein Kind kennen zu lernen.27
Deswegen unser Wunsch: lassen sie uns Samenspenden in Deutschland mit einem menschlicheren – und damit meinen wir offeneren – Zugang regeln – im Sinne aller Beteiligten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- BVerfG NJW 1988 3010, NJW 1989, 891. [↩]
- BGH NJW 1956, 668; OLG Oldenburg NJW 1956, 677; OLG Stuttgart, MDR 1956, 621; Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341, 1342; Pasquay, Die künstliche Insemination, Diss. Freiburg 1968, 155-156; Herzog, Die heterologe Insemination in verfassungsrechtliche Sicht, Diss. Würzburg 1971, 36-37; Kleineke, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, Diss. Göttingen 1976, 51, 299; Zimmermann, FamRZ 1981, 929, 932; Giesen, FamRZ 1981, 413, 419; Lauff/Arnold, ZRP 1984, 279, 282; Kollhosser, JA 1985, 553, 557; Benecke, Die heterologe künstliche Insemination im geltenden Zivilrecht, Frankfurt 1986, 66-67; Deutscher Juristinnenbund, JZ 1986, 777; Müller FamRZ 1986, 635; Harder, JUS 1986, 505, 508; Laufs JZ 1986, 769, 772; Schumacher FamRZ 1987, 313, 319. [↩]
- Klotz M (2013) Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956, S. 940; Rose J (2009) A Critical Analysis of Sperm Donation Practices: The Personal and Social Effects of Disrupting the Unity of Biological and Social Relatedness for the Offspring: 291, PhD Thesis 2009, Queensland University of Technology. [↩]
- vgl. Rose 2009 S. 74, 93, 112 ff. [↩]
- Turner A, Coyle A (2000) What does it mean to be a donor offspring? The identity experiences of adults conceived by donor insemination and the implications for counselling and therapy. Human Reproduction 15 (9): 2041-2051, 2045. [↩]
- vgl. zu den Gefühlen der Spenderkinder in dieser Situation Daniels K, Meadows L (2006) Sharing information with adults conceived as a result of donor insemination. Human Fertility (2) 9, S. 93 – 99. [↩]
- vgl. Scheib J, Riordan M, Rubin S (2005): Adolescents with open-identity sperm donors: reports from 12–17 year olds. Human Reproduction 20 (1): 239-252, 246: 82,2% der befragten früh aufgeklärten 12-17jährigen Spenderkinder mit einem open identity Spender haben vor, den Spender in der Zukunft zu kontaktieren. Die frühe Aufklärung führt zu einer positiveren Einstellung zur Zeugung durch Samenspende, so auch Jadva V, Freeman T, Kramer W, Golombok S (2009): The experiences of adolescents and adults conceived by sperm donation: comparisons by age of disclosure and family type. Human Reproduction 24 (8): 1909–1919,1917. [↩]
- Knobbe W (2001) Psychologische Aspekte der Adoption. Familie Partnerschaft Recht S. 315-316, S. 309; zu anderen Gemeinsamkeiten zur Adoption vgl. Adams D (2013) Is a Donor Conceived Person „Half Adopted?“ Australian Journal of Adoption 7 (2). [↩]
- §§ 21, 27 Abs. 3 Nr. 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 PStG. [↩]
- Deutsches Ärzteblatt 1970, 1982. [↩]
- zum Beispiel die Muster-Berufsordnung aus dem Jahr 1979, Deutsches Ärzteblatt 1979, 2442. [↩]
- OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2013, Az. I-14 U 7/12 = NJW-Spezial 2013, 165; AG Essen FamRZ 1992, 936. [↩]
- sehr zutreffend hierzu Oelsner W (2013) Gespendet wird Samen. Heran wachsen Menschen. Kölner Stadtanzeiger 14.02.2013; Rose 2009 S. 103. [↩]
- zu Großbritannien siehe die Darstellung der Regulierungsbehörde HFEA; zur Situation in Schweden Lalos A, Daniels K, Gottlieb C, Lalos O (2003) Recruitment and motivation of semen providers in Sweden. Human Reproduction 18 (1): S. 213-216, S. 216. [↩]
- Lalos A, Gottlieb C, Lalos O (2007) Legislated right for donor-insemination children to know their genetic origin: a study of parental thinking. Human Reproduction 22 (6): 1759-1768, 1767. [↩]
- siehe zum Beispiel die Internetseite von Dr. Poluda aus München: Die Anonymität ist eine wichtige und hilfreiche Maßnahme. Sie garantiert, daß der Samenspender keine Möglichkeit hat, über unsere Praxis den Weg zu den Kindern, die mit seinem Samen gezeugt wurden, zurückzuverfolgen.Andererseits ermöglicht sie einem betroffenen heterosexuellen Paar, sich ihren Kindern als biologische Eltern darzustellen. Damit werden emotionale Konflikte für das Kind, die ja bei dieser Konstellation vorstellbar sind, ausgeschlossen. [↩]
- vgl. zu den Argumenten gegen Geheimhaltung McGee G, Brakman S, Gurmankin A (2001) Disclosure to children conceived with donor gametes should not be optional. Human Reproduction 16 (6): 2033-2038, 2034. [↩]
- Daniels K, Grace V, Gillett W (2011) Factors associated with parents’ decisions to tell their adult offspring about the offspring’s donor conception. Human Reproduction (10) 26, S. 2783–2790. [↩]
- vgl. Rose 2009, S. 171. [↩]
- Turner A, Coyle A (2009), 2045. [↩]
- vgl. zur Motivation und Gefühlen von ehemaligen Spendern Smith I (2013), Sperm donors – Moving out of the Shadows. Contact and connection between former sperm donors and their offspring – experiences and perspectives. Australian Journal of Adoption 7 (2). [↩]
- vgl. Lalos A, Daniels K, Gottlieb C, Lalos O (2003) S. 216. [↩]
- Riggs D, Russell L (2011) Characteristics of men willing to act as sperm donors in the context of identity-release legislation. Human Reproduction 26 (1): 266 – 272, 271. [↩]
- Thorn P, Katzorke T, Daniels K (2008) Semen donors in Germany: A study exploring motivations and attitudes. Human Reproduction 23 (11): 2415–2420, 2417; Raes I, Ravelingien A, Pennings G (2013) The Right of the Donor to Information About Children Conceived From His or Her Gametes. Human Reproduction 28 (3): 560-565. [↩]
- California Cryobank, Kids of Donor 5114. [↩]
- Freeman T, Jadva V, Kramer W, Golombok S (2009) Gamete donation: parents’ experiences of searching for their child’s donor siblings and donor. Human Reproduction 24 (3): 505-516, 511. [↩]
- Smith I. (2013) S. 7. ff. [↩]
Auskunftsrecht von Spenderkindern im Koalitionsvertrag
Wie schon von der Justiziarin der SPD-Fraktion und früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf dem Symposium in Erlangen angekündigt, steht auf S. 99 des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD Folgendes: „Wir werden das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln.“ Und – auch in unserem Sinne: „Die Leihmutterschaft lehnen wir ab, da sie mit der Würde des Menschen unvereinbar ist.“
Wir freuen uns sehr, dass die künftigen Regierungsparteien unsere Rechte wahrnimmt, nachdem so lange Zeit kaum etwas passiert ist. Ein ausdrückliches einfachgesetzliches Auskunftsrecht auf Kenntnis unserer Abstammung wird das Leben vieler Spenderkinder sehr erleichtern und vielen vielleicht auch erst verdeutlichen, dass es dieses Recht tatsächlich gibt. Trotzdem hoffen wir, dass es nicht nur bei dem Auskunftsrecht bleibt, sondern eine umfassendere Regelung von Samenspenden in Deutschland erfolgt – natürlich idealerweise orientiert an unseren Forderungen. Insbesondere sollte eine Klarstellung erfolgen, dass die Aufbewahrungsfrist für Spenderdaten länger ist als die 30 Jahre aus dem 2007 verabschiedeten Gewebegesetz, und der Spender sollte vor Unterhalts- und Erbschaftsansprüchen geschützt werden. Wir werden den Prozess der rechtlichen Regelung des Auskunftsrechts konstruktiv begleiten und hoffen, hierzu in Kontakt mit den Parteien zu kommen.
Fernsehhinweis: Justice am Montag, 18.11. um 23.30 Uhr auf RTL
Kommenden Montag, den 18.11.2013, um 23.30 Uhr wird auf RTL im Rahmen der Sendereihe Justice – mit Richterin Julia Scherf der Film „Tabuthema Samenspende“ von Andrea Böll zum Thema Samenspende gezeigt. Mit dabei: Spenderkinder-Mitglied Sunny.
Der Beitrag wird auf der Internetseite der Sendung folgendermaßen angekündigt:
„Sunny Müller ist 33 Jahre alt. Ihr Leben begann im Oktober 1979 in einem Krankenhaus in Berlin. Dort wurde ihrer Mutter der Samen eines anonymen Spenders eingepflanzt. Lange Zeit ist das überhaupt kein Thema für Sunny. Aber dann, vor etwa einem Jahr, beginnt es in ihr zu rumoren: wer ist dieser Mann, der genetisch ein Teil von ihr ist? „Ich habe nicht nur zwei Eltern, ich habe eigentlich drei Eltern, und das dritte Teil fehlt halt noch. Es ist Ungewissheit da, und ich versuche einfach, dieses Loch zu füllen.“
Schätzungsweise 100.000 Samenspenderkinder leben in Deutschland. Die Anonymität des Spenders wurde Jahrzehnte lang einfach hingenommen. In den betroffenen Familien wurde so gut wie nie darüber gesprochen. Zu groß war die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung.“
Kommentar zur Sendung ‚Blaue Couch‘ auf Bayern 1 vom 22.09.2013
Unter dem Titel „Auf der Suche nach dem biologischen Vater“ durfte ich von meinen Erfahrungen sowie meiner Suche nach dem Spender berichten. Mir hat die Sendung sehr gut gefallen, und ich möchte mich bei allen bedanken, die daran beteiligt waren.
Mir ist es wichtig, an dieser Stelle eine Korrektur der geschilderten Rechtslage vorzunehmen: Entgegen der Darstellung des beteiligten Juristen galt bereits vor 2007 eine Aufbewahrungspflicht für Behandlungsunterlagen über die üblichen 10 Jahre hinaus, wenn die ärztliche Erfahrung dies gebot. Bei einer Samenspende ist dies eindeutig der Fall. Wenn trotzdem Unterlagen vernichtet werden und es dem Kind dadurch unmöglich wird, die Identität des Spenders zu erfahren, können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Dies wurde den Ärzten schon seit 1970 z.B. im Deutschen Ärzteblatt kommuniziert.
Die Kontaktierung des Arztes ist der direkte und einfachste Weg, die Identität des Spenders in Erfahrung zu bringen. Der Zugang zu den Unterlagen wird jedoch gerade bei Spenderkindern, die sich heute bereits im Erwachsenenalter befinden, in den meisten Fällen von Seiten der Ärzte verhindert. Weitere Möglichkeiten sind die DNA-Datenbank „Family Tree DNA“ (FTDNA) sowie die Suchprofile auf dieser Website. Über FTDNA gab es in diesem Jahr sogar die ersten Treffer! Wünschenswert wäre es, Samenspender insoweit zu sensibilisieren, selbst zu erkennen, wie bereichernd es für sie und Spenderkinder sein kann, einander kennen zu lernen. Spender könnten jene Vermittlungsplattformen (FTDNA etc.) nutzen, um die gegenseitige Suche zu unterstützen.
Sicherlich ist der Verzicht auf die einst von den Ärzten zugesicherte Anonymität für viele Spender mit Unsicherheiten verbunden, was z.B. auch Unterhalts- und Erbschaftsansprüche betrifft. Auch auf der Blauen Couch wurde darüber gesprochen. Ich möchte diesen Gedanken noch einmal aufgreifen: Das ausgemalte Szenario ist ein sehr theoretisches. Voraussetzung dafür ist, dass das Spenderkind die Vaterschaft seines sozialen Vaters anficht, so dass es vor Gericht vaterlos wird. Erst unter dieser Bedingung könnte der Spender – theoretisch – an rechtlicher Vaterstelle eingesetzt werden. Für diese Entscheidung hat das Kind zwei Jahre nach seiner Aufklärung (bei Minderjährigen ab Volljährigkeit) Zeit.
Sollte das Kind sich tatsächlich für diese Möglichkeit entscheiden, würde es aber auch dem Spender gegenüber unterhaltspflichtig, wenn er z.B. alt und pflegebedürftig wird. Der Spender hätte außerdem die Möglichkeit, sich das Geld zurück zu holen indem er die Eltern oder den Arzt (wenn dieser ihn z.B. nicht darüber aufgeklärt hat) belangt.
Diese Bedingungen schaffen für uns Spenderkinder also keine Anreize, von dieser theoretischen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Vielmehr setzen auch wir uns für den ausdrücklichen Ausschluss von gegenseitigen Unterhaltsansprüchen ein.
Ich hoffe, dass in naher Zukunft für alle klare Verhältnisse geschaffen werden und die Tragweite der im Zusammenhang mit der Samenspende getroffenen Entscheidungen offen und ehrlich kommuniziert wird.
Autorin: Anja
Dänischer Spender vererbt genetische Krankheit an mindestens 9 Kinder
Der erschreckende Fall eines Spenders der dänischen Samenbank Nordic Cryobank, der die genetische Krankheit Neurofibromatose Typ 1 (kurz: NF1), auch Morbus Recklinghausen oder Periphere Neurofibromatose genannt, an mindestens 9 der 45 durch ihn gezeugten Kinder weiter gab, macht einen weiteren Grund deutlich, dass die Identität von Samenspendern nachverfolgbar und die Zahl der durch einen Spender gezeugten Kinder begrenzt werden muss.1
Nordic Cryobank ist die weltweit größte Samenbank und verkauft von Dänemark aus Samenspenden in über 70 andere Länder. NF1 ist eine seltene Erkrankung, die in der Hälfte der Fälle auf erblicher Veranlagung beruht. Die Krankheit kann Tumore, Veränderungen des Knochens und der Blutgefäße verursachen. Der Spender wurde vor seiner Spende nicht auf diese Krankheit getestet.
Obwohl nach dänischem Recht nur 25 Kinder durch einen Samenspender gezeugt werden dürfen, enstanden mit seinen Spenden 43 Kinder in verschiedenen Ländern. In Deutschland wird von der Bundesärztekammer eine Zahl von 10 Kindern empfohlen, faktisch ist das jedoch nicht kontrollierbar. Von den 43 Kindern wurde bei mindestens neun NF1 diagnostiziert.2 Die Spenden wurden auch nach Schweden, Norwegen, Belgien und mehrere andere Länder verkauft3, bei denen sich die Samenbank vielleicht nicht an diese rechtlichen Regeln gebunden fühlte.
Obwohl der Klinik im Juni 2009 gemeldet wurde, dass ein durch Spender 7042 gezeugtes belgisches Kind positiv auf NF1 getestet wurde, verkaufte die Klinik sein Sperma weiter. Die Eltern der durch Spender 7042 gezeugten Kinder erwägen aus diesem Grund rechtliche Schritte gegen Nordisk Cryobank.4 Die Klinik beruft sich darauf, dass sie keinen Grund hatte zu glauben, dass die NF1 von Seiten des Spenders vererbt worden war.5 NF1 entsteht in etwa der Hälfte der Fälle durch spontane genetische Mutationen. Allerdings war bereits bei diesem ersten Fall klar, dass die Mutter die Krankheit nicht vererbt hatte. Insofern stellt sich die Frage, ob die Klinik bei einer 50 % Chance einer erblich bedingten Krankheit die Spenden von Spender 7042 nicht bis zu einer endgültigen Klärung nicht hätte verwenden sollen.
Weiterhin kontaktierte die Klinik weder die Eltern, deren Kinder ebenfalls durch Spender 7042 gezeugt wurde, noch benachrichtigten sie die Kliniken, an die seine Spenden bisher weiterverkauft wurden. Der ganze Sachverhalt wurde erst letztes Jahr der Öffentlichkeit bekannt, als klar wurde, dass mehr Kinder infiziert waren und der genetische Defekt vom Spender vererbt worden war.
Aufgrund dieses Skandals darf in Dänemark seit dem 1. Oktober 2012 das Sperma eines Spenders nur noch bei höchstens 12 Samenspenden verwendet werden.6 Bei Verdacht einer genetischen Krankheit dürfen die Spenden außerdem mit sofortiger Wirkung nicht weiterverwendet werden.7
Fraglich ist aber, ob das ausreicht. Im April dieses Jahres geriet die dänische Gesundheitsbehörde und die dortige Berufung auf die Anonymität von Samenspendern erneut in Kritik, nachdem sie die Kinder eines Samenspenders mit einer tödlichen genetischen Krankheit nicht kontaktierten.8 Bei dem Samenspender wurde 1997, einige Jahre nachdem er gespendet hatte, das erbliche und krebsverursachende Lynch Syndrom diagnostiziert. Er wandte sich an die Regierung, damit diese die Empfängerinnen seiner Spenden kontaktieren sollte, weil bei den Kindern durch eine frühe Behandlung schwere Gesundheitsschäden verhindert werden könnten. Die Gesundheitsbehörde entschied sich jedoch gegen eine Kontaktaufnahme, weil die Suche sich wegen der Anonymität der Spender als schwierig gestaltete. Der Spender wandte sich daraufhin an die Medien.
Auch in Deutschland wäre zumindest bei Behandlungen vor 2003 eine Kontaktaufnahme bei einer vermuteten Erbkrankheit zu den betroffenen Empfängerinnen wahrscheinlich schwierig, weil sich viele Reproduktionsärzte nach wie vor darauf berufen, dass bis 2007 die gesetzliche Aufbewahrungsfrist auch für Samenspendedaten nur 10 Jahre betrug. Viele berufen sich darauf, die Daten nach Ablauf dieser Frist vernichtet zu haben. Damit hätte man nach dieser Frist keine Spende mehr nachverfolgen können – und auch keinen Fall von genetisch bedingten Krankheiten. Da man natürlich nie auf alle Krankheiten testen kann und manche auch erst später zu Tage treten, kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses Risiko Ärzten in Deutschland entgangen ist. Vermutlich haben sie es – wie die Wünsche und Bedürfnisse der gezeugten Kinder – lieber einfach ignoriert.
Der Fall zeigt deutlich, dass – völlig abgesehen davon, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung ein Grund- und Menschenrecht ist – auch aus medizinischen Gründen der Bedarf besteht, dass Spenden zurückverfolgt werden können, und zwar länger als 30 Jahre, wie es das Transplantationsgesetz vorsieht. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass die Spender auch Jahre nach ihrer Spende bei Auftreten erblich bedingter Krankheiten daran denken, dass die durch sie gezeugten Kinder hierüber informiert werden sollten.
Ob deutsche Samenbanken und Ärzte sich ähnlich verantwortungslos wie die Nordisk Cryobank verhalten, ist nicht bekannt. Allerdings besteht wegen der Einmischung in den menschlichen Zeugungsvorgang ein so hohes Risiko, dass eine gewisse staatliche Kontrolle wohl angebracht wäre. Diese könnte die deutschen Samenbanken und Ärzte dann auch endlich verpflichten, ein System einzuführen, dass eine Kontrolle darüber garantiert, dass tatsächlich nicht mehr als 10 Kinder durch einen Spender gezeugt werden.
- Danish sperm donor passes rare genetic disorder to at least five of the 43 babies he is thought to have fathered in ten countries, Mail online 25 September 2012. [↩]
- Danish sperm donor also passed on genetic disorder in Belgium, FlandersNews.be 21 June 2013. [↩]
- Danish sperm donor passes on disorder, BBC 27 September 2012. [↩]
- Denmark Tightens Sperm Donation Law After Donor 7042Passes Rare Genetic Disease to 5 Babies, The Medical Daily 25 September 2012. [↩]
- Danish sperm donation law tightened after donor passes on rare genetic disease, Bionews 1 October 2012. [↩]
- Denmark Tightens Sperm Donation Law After Donor 7042Passes Rare Genetic Disease to 5 Babies, The Medical Daily 25 September 2012. [↩]
- Danish sperm donor passes severe genetic disorder to five children, The Telegraph 25 September 2012. [↩]
- Danish sperm donor privacy controversy, BioEdge 6 April 2013. [↩]
Titanic zum Urteil des OLG Hamm
Ich habe gestern erst gesehen, dass das großartige Satire-Magazin Titanic das Urteil des OLG Hamm vom 6. Februar 2013 noch am selben Tag auch mit einer Titanic-Tickermeldung gewürdigt hat:
„Samenspender protestieren: Die Kinder anonymer Samenspender haben das Recht, den Namen ihres biologischen Vaters zu erfahren, wie das Oberlandesgericht Hamm entschieden hat. Gegen dieses Urteil protestierten heute in einem anonymen Rundschreiben zahlreiche Spender, die weiterhin unbekannt bleiben wollen, darunter Silvio B., Horst S., Boris B., Mick J., Flavio B., Arnold S. und Franz B.“
Sehr lustig, aber auch ein wahrer Kern: wir finden es auch unlogisch, dass ein genetischer Vater nach einem One-Night-Stand voll zur Verantwortung gezogen wird, während ein Samenspender, der doch weiß dass durch ihn ein Kind gezeugt wird, nach Ansicht viel zu vieler Menschen ein Recht auf Anonymität haben soll.
Kritik an den Beratungsleitlinien von BKiD e.V.
Das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD e.V.) hat Leitlinien für die psychosoziale Beratung bei Keimzellenspende aufgestellt (letzte Version 03.03.2008). Der Verein Spenderkinder setzt sich ebenfalls für eine psychosoziale Beratung der Wunscheltern sowie potenzieller Spender ein und begrüßt, dass beratungsrelevante Inhalte in entsprechenden Leitlinien festgehalten werden. In drei Punkten der bisherigen Fassung der Leitlinien sind wir jedoch nicht einverstanden:
1. In Punkt 3.3 wird vorgeschlagen, bewusst eine Terminologie zu wählen, die zwischen biologischem und sozialem Vater unterscheidet, zum Beispiel „Spender“ und „Vater“ und den Prozess der Zeugung umzudefinieren als die Entscheidung zu einer Fremdsamenspende, statt als biologischen Akt.
Das sehen wir als zu intellektualisierend, wenn nicht gar verleugnend. Die Wunscheltern sollten der Tatsache klar in die Augen blicken, dass das Kind eben NICHT auf herkömmliche Weise gezeugt wird und auch kein reines Produkt des Verstandes oder ein wahrgewordener Wunschtraum ist, sondern dass es einen biologischen Ursprung hat, der es mit einem biologischen Vater verbindet, der dadurch für immer Teil der Konstellation ist.
2. Unter Punkt 4.3 wird ausgeführt: „Ein weiteres Thema in der Beratung ist die Bedeutung des Spenders für das Kind. Manche Wunscheltern befürchten, dass sich das Kind nach einer Aufklärung aufgrund der biologischen Verbindung zum Spender hingezogen fühlt und den Vater als weniger wichtig erachtet und dass dies bspw. in der Pubertät zu einer Ablehnung des Vaters führen könne. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der soziale Vater die einzige reale Vaterfigur für das Kind ist,denn der Spender ist keine präsente Bezugsperson.“ – Diese Haltung bildet aus unserer Sicht die Tendenz ab, eine mögliche Bedeutung des Spenders abzuwiegeln und kleinzureden. Genau das, was die Wunscheltern befürchten, kann selbstverständlich passieren. Daher ist es wichtig, dass sich die Eltern überlegen, wie sie damit umgehen möchten und sowohl zu ihrer sozialen Familie stehen als auch die biologischen Bindungen des Kindes respektieren.
3. Unter Punkt 5 werden die Rechte des Kindes dargestellt: Wie so oft wird bis 2006 eine nur 10jährige Aufbewahrungspflicht und ab 2006 eine 30jährige Aufbewahrungspflicht angeführt. Das ist nicht korrekt. Mehr dazu auf dieser Seite unter Aufbewahrungspflicht und Schadensersatzansprüche.
Aufhebung der Anonymität = Aus für die Samenspende in Deutschland?
Im Urteil des OLG Hamm vom 6. Februar 2013 wurde der Reproduktionsmediziner Prof. Dr. Thomas Katzorke dazu verurteilt, Spenderkinder-Mitglied Sarah die Identität des Samenspenders preiszugeben. Als Reaktion auf das Urteil wurde insbesondere in den Internet-Foren prognostiziert, ohne Anonymität wolle niemand mehr spenden. Zahlreiche Kommentare beschuldigten uns Spenderkinder, unsere Suche nach unseren genetischen Wurzeln auf Kosten der Interessen kinderloser Paare zu verwirklichen.
Tatsächlich ist aber das Gegenteil eingetreten: So melden sowohl die Laborleiterin der Berliner Samenbank in einem Tagesspiegel-Artikel als auch Prof. Katzorke von novum in Essen in der Frauenzeitschrift „Tina“ vom 15. Mai 2013 eine Zunahme der Spendebereitschaft in den Monaten nach dem Urteil. Auch die Hamburger Samenbank berichtet in einem Welt-Artikel vom 6. März 2013 und bei Spiegel Online am 10. Mai 2013, dass seit dem Urteil zumindest nicht weniger Spender kommen. Vielleicht war das Urteil also sogar eher Werbung für Samenspenden.
Diese Erfahrungen werden auch durch die Beispiele in anderen Ländern gestützt, in denen die Anonymität der Spender bereits vor einigen Jahren aufgehoben wurde, zum Beispiel in Schweden (1985), in den Niederlanden (2004) und in Großbritannien (2005). In allen diesen Ländern gibt es nach wie vor genug Samenspender. In Großbritannien hat sich die Zahl der Spender seit 2004 laut einer Meldung der zuständigen Behörde HFEA sogar verdoppelt! Außerdem wird den Spendern dort seit einigen Jahren nur noch eine Unkostenpauschale von umgerechnet etwa 41 Euro pro Spende bezahlt. Die Veränderung der Rahmenbedingungen führte nicht zu einem Rückgang der Spendenbereitschaft, aber die Zusammensetzung der Spender änderte sich. Eine Studie von Shukla et al. (2013) kam zu dem Ergebnis, dass seit 2005 mehr Singles als zuvor spenden und dass die Partnerin oder der Partner der Spender häufiger als zuvor über die Spendentätigkeit informiert war. Außerdem spendeten mehr Homosexuelle als vorher und das Hauptmotiv für die Spende war „helfen wollen“.
Wir freuen uns, dass über diese Entwicklung auch jenseits unserer Homepage berichtet wird und möchten auf den Artikel Das Ende der Samenspende in Deutschland? des Online Portals für deutsche Gesundheitsnachrichten vom 24.05.2013 sowie auf den Artikel Spenderaffäre: Ebbe in der Samenbank? vom 13.05.2013 in den DocCheckNews hinweisen.
Wer übrigens immer noch glaubt, erst das Urteil im Februar habe die Anonymität der Spender in Deutschland aufgehoben, der irrt sich: Bereits 1970 erläuterte der Justitiar der Bundesärztekammer, Rechtsanwalt Dr. Arnold Hess im Deutschen Ärzteblatt „Der Arzt, der die Insemination vorgenommen hat, kann, wenn er nicht schadensersatzpflichtig oder wegen Personenstandsfälschung straffällig werden will, die Identität des Spenders nicht verschweigen“1. Von „Aufhebung der Anonymität“ durch das Urteil kann also keine Rede sein. Vielmehr hatten die vollmundigen Anonymitätsversprechen spätestens ab 1970 keine tragfähige juristische Grundlage. Dennoch Anonymität zuzusichern war ein bisschen gewagt. Und wer wagt, gewinnt eben nicht immer.
- Deutsches Ärzteblatt 1970, Heft 24, S. 1982 [↩]