Archiv der Kategorie: Spenderkinder Verein

Spenderkinder Jahresrückblick 2023

  1. Verein

    Am 16. September 2023 fand unser offizielles Vereinstreffen in Berlin bzw. hybrid statt. Im Anschluss wurde das Vorstandsteam neu gewählt. Der neue Vorstand besteht aus:

    Anne Meier-Credner (Vorstandssprecherin. Öffentlichkeitsarbeit)
    Sunny Müller (Stellvertretende Vorstandssprecherin)
    Christina Motejl (Finanzen, Rechtliches)
    Beratende Vorstandsmitglieder: Britta, Jan, Janina, Sandra

    Das Vorstandsteam hat sich im Dezember virtuell getroffen und besprochen, dass es keine grundlegenden Änderungen bei der Arbeit geben soll. geben sollen. Bis zum Herbst 2024 möchten wir erarbeiten, welche Satzungsänderungen wir für die Anerkennung als gemeinnützig beim Finanzamt vornehmen müssen. Außerdem möchten wir zu manchen Themen wie der Struktur unseres Vereins, Vaterschaftsanfechtung und Beratungsangeboten des Vereins besser informieren. Weiterhin sollen regelmäßig (angestrebt werden alle drei Monate) digitale Treffen angeboten werden.

  2. Verwandtentreffer

    Für Spenderkinder, die noch keinen DNA-Test gemacht haben, empfehlen wir weiterhin einen Test bei der DNA Datenbank Ancestry, weil man die Rohdaten dieses Tests auch bei Family Finder und MyHeritageDNA kostenlos hochladen kann.
    Dieses Jahr haben unsere Mitglieder mindestens 6 weitere genetische Väter identifiziert (teilweise von Spenderkindern, die Anfang der 80er Jahre geboren wurden). Insgesamt haben wir 56 genetische Väter identifiziert. Außerdem haben wir 4 neue Halbgeschwistergruppen (insgesamt 74), die drei Größten umfassen 9 Familien.

    Eines unserer Mitglieder hat ihren genetischen Vater (einen Spender der Uniklinik Essen) über weiter entfernte Treffer mit Hilfe von DNA-Datenbanken und Genealogie Datenbanken gefunden und ihr Wissen dazu in drei Zoom Meetings mit anderen Mitgliedern geteilt.

  3. Veranstaltungen

    Vom 11. Februar bis 10. September 2023 zeigte das Deutsche Hygienemuseum in Dresden die Ausstellung „Von Genen und Menschen – Wer wir sind und werden könnten.“ Bei der begleitenden Veranstaltungsreihe wurde am 23. März 2023 der Film „Menschenskinder“ der Filmemacherin Marina Belobrovaja gezeigt. In dem Film setzt sich die Filmemacherin mit ihrer Entscheidung auseinander, als alleinstehende Frau ein Kind mit einer anonymen Samenspende zu bekommen. Dafür interviewt sie unter anderem Spenderkinder-Mitglied Anne. An den anschließenden Podiumsgespräch nahmen neben der Filmemacherin Marina Belobrovaja auch Spenderkinder-Mitglied Sven teil. Bei der Veranstaltung „Vorfahren, Vorlieben und Erkrankungen?“ am 19.4. diskutierte Spenderkinder-Mitglied Kay u.a. mit dem Datenschützer Thilo Weichert.

    Auftakttreffen „Initiative Schutz vor reproduktiver Ausbeutung“ – organisiert von Terre des Femmes am 05.09.23

    3.11.2023 Vortrag beim Arbeitskreis Frauengesundheit, Berlin

    7.11.2023 Vortrag bei Donum Vitae Bonn (virtuell)

    15.11.2023 Workshop bei KompKi-Fachtag Berlin (virtuell)

    17./18.11.2023 Vortrag auf Tagung der Fernuni Hagen (virtuell)

    24.11.2023 Vortrag in Veranstaltungsreihe der katholischen Ehe- und Familienberatung Bielefeld (virtuell)

    30.11.2023 Interview bei Fachtagung der Diakonie Berlin zu Kindeswohl in der Reproduktionsmedizin (virtuell)

  4. Öffentlichkeitsarbeit / Internetseite

    Sehr präsent sind die Themen Massenspender und Eizellspende und Leihmutterschaft.

    Tobias Bauer und Anne Meier-Credner haben den ersten Artikel über die Befragung von Spenderkindern in Deutschland veröffentlicht, die mit 59 Teilnehmenden zwischen 21 und 46 Jahren die Studie mit den bislang meisten Befragten in Deutschland darstellt: Bauer, T., & Meier-Credner, A. (2023). Circumstances Leading To Finding Out about Being Donor-Conceived and Its Perceived Impact on Family Relationships: A Survey of Adults Conceived via Anonymous Donor Insemination in Germany. Social Sciences, 12(3), 155.

    Infos zu Beiträgen von, über und mit uns oder unser Thema posten wir auf unserer Internetseite, Twitter, Facebook und Instagram.

    Folgende Beiträge auf unserer Internetseite aus diesem Jahr möchten wir besonders ans Herz legen:

    Spenderkinder gar nicht neugierig

    Der Fall des Massenspenders Jonathan Jacob Meijer

    Gewünscht zu sein ist keine Garantie für eine glückliche Kindheit

    Sunny hat auf ihrem YouTube Kanal Reagenzglasbaby einige spannende Beiträge veröffentlicht, die über die Playlist für Spenderkinder zu finden sind:

    Unterhaltsfragen zum Thema Spenderkinder
    Verliebt und verwandt?
    Tücken bei der DIY Befruchtung
    kritische Aspekte Leihmutterschaft
    Der unfruchtbare Mann
    Zehn Jahre Öffentlichkeitsarbeit
    Britta: Das erste Jahr ohne Bonus-Mama
    Verdienst als Samenspender
    Samenspende als Designprojekt
    Wie oft klappt eine künstliche Befruchtung?
    20 prominente Wunscheltern
    Keine Angst vor Unterhaltsforderungen
    Dietrich spricht von Spender zu Spender
    Probleme bei Massenproduktion (Spender könnte HG sein?)
    Ein lesbisches Paar verlost eine Samenspende und geht viral
    Findelkinder aus Buch

  5. Rechtliches

    Die Beratung von Spenderkindern findet vor allem zum Thema Vaterschaftsanfechtung und Überprüfung der Vaterschaft statt, von Wunscheltern in Bezug auf Durchsetzung von Auskunft für ihre Kinder.

    Es laufen weiterhin mehrere Gerichtsverfahren unserer Mitglieder gegen Novum.
    Zwei Mitglieder der großen Halbgeschwistergruppe von Dr. Weiß haben eine Klage erhoben, um zu erfahren, wie oft der Samen ihres gemeinsamen genetischen Vaters verwendet wurde.

    Die Bundesregierung hat die Pläne für das neue Abstammungsrecht im Jahr 2023 noch nicht vorgelegt. Wichtig für Spenderkinder sind insbesondere zwei Vorhaben: es soll ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren eingeführt werden, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen, und das Samenspenderregister soll auch für bisherige Fälle, private Samenspenden und Embryonenspenden geöffnet werden.

  6. Beratung

    Beratung von Wunscheltern: Leider hat sich niemand in unserem Verein gefunden, der die Aufgabe übernehmen kann. Daher werden wir die Beratung erst einmal einstellen und Hinweise nur per Mail erteilen bzw. auf die Internetseite verweisen. Die virtuelle Gruppe für Eltern (von älteren Spenderkindern) hat jetzt einen eigenen Mail-Verteiler.

    Kontakt zu ehemaligen „Samenspendern“/Beratung: Gelegentlich melden sich Männer bei uns, die in der Vergangenheit Samen „gespendet“ haben und mehr oder weniger offen für Kontakt sind. Wir informieren diese Männer über die Möglichkeiten der Suche über DNA-Datenbanken und unterstützen bei der Kontaktaufnahme zu genetischen Kindern. Frühere Spender haben angeboten, die Personen ebenfalls direkt zu beraten.

  7. Medienbeiträge

    Gezeugt durch Fremdsamen: Ein Spenderkind sucht seinen Vater. Westfälische Rundschau 5. 2.2023

    8. Februar 2023 (NDR) – Das! Suche nach den leiblichen Eltern

    SWR Nachtcafé am 24.2.2023 „Dem Geheimnis auf der Spur

    Wer ist mein Vater? Anonyme Samenspenden gab es nie: Betroffene haben das Recht zu erfahren, wer ihr Vater ist. Doch Katharina sucht seit Jahren vergeblich – und verklagt nun einen Arzt. Zeit 26.3.2023 (Paywall)

    Leeroy will’s wissen: TOCHTER trifft SAMENSPENDER | Das Treffen 2.3.2023

    ZDF-37°-Reportage „Lebenslügen und Familiengeheimnisse“ am 28.3.2023

    20 Geschwister … und die Frage: habe ich noch mehr? Wie die Nachkommen eines Samenspenders für ihre Rechte kämpfen und einen Präzedenzfall schaffen könnten.“ Zeit. 6.3.2023 (Paywall)

    ZDF-37°-Reportage „Auf der Suche nach dem leiblichen Vater“ am 16.4.2023

    Samenspenderregister – Wie Spenderkinder Auskunft bekommen können, ZDF Volle Kanne 17.4.2023

    Biologischer Vater verzweifelt gesucht – „Hab 2000 Mark gekostet“: Die unglaubliche Geschichte von Reagenzglaskind Sunny, Focus online 9.6.2023

    Deutschlandfunk „Spenderkinder auf Spurensuche. Vater, Mutter, Massenprodukt“ vom 11.6.2023
    Teil 1 Überall Halbgeschwister
    Teil 2 Über Grenzen

    29. Juni 2023 (Sat1) – Frühstücksfernsehen: Eltern! Zeigt Spenderkindern ihre Herkunft

    „Kommt aus der Deckung “Dietrich könnte tausendfacher Vater sein – jetzt hat er einen Appell an andere Samenspender„, Focus online 16.7.2023

    Spenderkinder: Die Suche nach dem leiblichen Part, Wie wir fühlen, Ein Podcast der funky-Jugendredaktion 9.8.2023

    Samenspende: 28-Jähriger aus Horstedt lernt biologischen Vater kennen, Sat 1 Regional 25.8.2023

    DEIN PAPA IST NICHT DEIN PAPA – eine audiovisuelle Auseinandersetzung mit Familiengründung durch Samenspende. Wie würde eine Unterhaltung zwischen einem Spenderkind, einem Samenspender, einer Solomama, einem sozialen Vater und einem Reproduktionsmediziner aussehen? Die Installation „DEIN PAPA IST NICHT DEIN PAPA“ zeigt eine virtuelle Gesprächsrunde, bei der alle ihre persönliche Sicht der Dinge schildern. Denn nur wenn wir einander zuhören, können wir die Zusammenhänge besser verstehen, den eigenen Standpunkt überdenken, die eigene Haltung hinterfragen.

  8. Internationales

    Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über das anwendbare Recht bei Elternschaft

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat am 7. September 2023 in dem Fall Gauvin-Fournis and Silliau v. France die erste Entscheidung zu den Rechten von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung getroffen. Es hat dabei bestätigt, dass das Recht auf Privatsphäre aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) grundsätzlich auch das Recht beinhaltet, Informationen über die Identität der Elternteile zu erhalten, aber im Ergebnis einen Verstoß der derzeitigen Rechtslage in Frankreich gegen die EMRK verneint (ausführlicherer Artikel).

    Weiterhin auf europäischer Ebene wird derzeit der Vorschlag für die so genannte SoHO Verordnung verhandelt (Regulation on substances of human origin), welche die Geweberichtlinie aus dem Jahr 2004 (Tissues and cells Directive (2004/23/EC)) ablösen wird. Unter den Anwendungsbereich fällt auch der Umgang mit abgegebenen Ei- und Samenzellen. Die Verordnung richtet sich stärker als die Geweberichtlinie auch auf Reproduktionsmedizin und soll ausdrücklich die Sicherheit von „Spendern“ und Kinder sicherstellen, die aus „gespendeten“ Eizellen, Samen oder Embryonen entstehen. Die Personen, die die Samen und Eizellen abgegeben haben, müssen zurückverfolgbar sein. Allerdings regelt die Verordnung keinen Anspruch der durch diese Ei- und Samenzellen gezeugten Menschen auf Erhalt der Daten.

  9. Ausblick auf 2024

    Das Spenderkinder-Treffen 2024 wird am 14. September in Berlin stattfinden (vermutlich wieder hybrid).

Euer Vorstandsteam Anne, Sunny, Christina, Britta, Jan, Janina, Sandra

Veranstaltungshinweis: Fachtag „Das Kindeswohl in der Reproduktionsmedizin“ der Diakonie Deutschland und dem Ev. Bundesverband Adoption e.V. am 30. November 2023

Am 30. November 2023 findet von 10:30 bis 16:15 Uhr der Fachtag: Das Kindeswohl in der Reproduktionsmedizin, in Berlin statt. Die Anmeldung ist möglich bis zum 3. November, unter https://ewde.guestoo.de/public/event/f43ece9d-452b-4dba-bb48-ae582d058b72. Nach Absenden der Anmeldung bitte Bestätigungsmail beachten, damit die Anmeldung verbindlich zählt. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Von Genen und Menschen – Ausstellung und Veranstaltungsreihe im Hygienemuseum Dresden

Vom 11. Februar bis 10. September 2023 zeigt das Deutsche Hygienemuseum in Dresden die Ausstellung „Von Genen und Menschen – Wer wir sind und werden könnten.“ Die Ausstellung hinterfragt die aktuellen Erkenntnisse der Genforschung aus der Perspektive der Sozial- und Kulturwissenschaften: mit Objekten aus Alltag und Wissenschaft, Kultur und Geschichte, mit Positionen der zeitgenössischen Kunst – und mit Stationen, die dazu einladen selbst herauszufinden, wer wir sind und werden könnten. In der Ausstellung spielen die Themen Herkunft, Identität, Verwandtschaft eine große Rolle, ein eigener Abschnitt widmet sich auch dem Thema DNA-Datenbanken. Einige unserer Mitglieder haben sich die Ausstellung bereits angesehen und empfehlen sie.

Begleitend gibt es eine Reihe von interessanten Veranstaltungen. Am Donnerstag, den 23. März 2023 wird der Film „Menschenskinder“ der Filmemacherin Marina Belobrovaja gezeigt. In dem Film (siehe Rezension) setzt sich die Filmemacherin mit ihrer Entscheidung auseinander, als aleinstehende Frau ein Kind mit einer anonymen Samenspende zu bekommen. Dafür interviewt sie unter anderem Spenderkinder-Mitglied Anne. An den anschließenden Podiumsgespräch nehmen neben der Filmemacherin Marina Belobrovaja Spenderkinder-Mitglied Sven Riesel teil und Prof. Dr. Andreas Bernhard, der Autor des Buches „Kinder machen. Samenspender, Leihmütter, Künstliche Befruchtung. Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie“ (Rezension).    

Es werden im Laufe der Ausstellungsdauer auch noch weitere Begleitveranstaltungen stattfinden, die den Themenkomplex Abstammung berühren.  

Erster Artikel über die größte Spenderkinder-Befragung in Deutschland veröffentlicht

Tobias Bauer und Anne Meier-Credner haben den ersten Artikel über die Befragung von Spenderkindern in Deutschland veröffentlicht, die mit 59 Teilnehmenden zwischen 21 und 46 Jahren die Studie mit den bislang meisten Befragten in Deutschland darstellt:

Bauer, T., & Meier-Credner, A. (2023). Circumstances Leading To Finding Out about Being Donor-Conceived and Its Perceived Impact on Family Relationships: A Survey of Adults Conceived via Anonymous Donor Insemination in Germany. Social Sciences, 12(3), 155.

Der Artikel ist frei verfügbar (open access) abrufbar auf der Journal-Website oder als PDF Version.

Der Artikel beschreibt die vielfältigen Umstände, unter denen die Teilnehmenden von ihrer Entstehungsweise erfahren haben und darüber hinaus, welche Einflüsse der Aufklärung auf die Beziehung zu verschiedenen Familienmitgliedern berichtet wurden. Die Aufklärung erfolgte teilweise bereits in der Kindheit, teilweise im mittleren Erwachsenenalter (5 bis 46 Jahre). Es wurden ganz verschiedene Aufklärungsumstände berichtet wie z.B. durch medizinische Unterlagen, bewusste Aufklärung durch ein oder zwei Elternteile und auch die Aufklärung durch DNA-Datenbanken.

Die stärkste Veränderung berichteten insbesondere spätaufgeklärte Spenderkinder nach der Aufklärung in der Beziehung zu ihrer Mutter, bei der tendenziell mehr Verantwortung für die Aufklärung als beim rechtlichen Vater wahrgenommen wurde. Die Beziehung zum rechtlichen Vater wurde tendenziell bereits vor der Aufklärung als weniger emotional und nah beschrieben. Das entspricht den Ergebnissen internationaler Erhebungen an Spenderkindern.

Wenig Veränderung wurde in der Beziehung zu Geschwistern berichtet, mit denen die Befragten aufgewachsen waren. Spannungen wurden berichtet in Bezug auf unterschiedliche Umgangsweisen der Geschwister mit der Entstehungsweise. Als wenig verändernd wurde die Aufklärung auf die Beziehung zu Partner*innen, eigenen Kindern sowie der erweiterten Familie (Onkel, Tanten, Großeltern etc.) berichtet. In der Diskussion wird insbesondere die Bedeutung psychosozialer Beratung zur Förderung von Aufklärung und der aufklärungsfördernde Einfluss von DNA-Datenbanken hervorgehoben.

Die Daten wurden im Herbst 2020 mit einem Online-Fragebogen erhoben, die meisten Teilnehmenden sind Mitglieder unseres Vereins. Es ist nicht bekannt, inwieweit sich unsere Mitglieder möglicherweise von Spenderkindern unterscheiden, die sich nicht bei unserem Verein melden. Möglicherweise haben unsere Mitglieder ein stärkeres Interesse daran, mehr über ihre Herkunft zu erfahren – möglicherweise haben sie auch mehr Ressourcen, um sich emotional mit dem Thema auseinanderzusetzen. Letzteres legen Zuschriften von Spenderkindern an unseren Verein nahe, die sich erst nach Jahren reiflicher Überlegung bei uns melden sowie Berichte über Halbgeschwister, die eine Auseinandersetzung mit dem Thema ablehnen.

Die Autor*innen haben in diesem Artikel erst einen kleinen Teil der Daten ausgewertet, weitere Artikel sind in Vorbereitung.

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme von Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats

Kommissionsdokument COM(2022) 695 final (Interinstitutionelles Dossier 2022/0402 (CNS))
vom 7. Dezember 2022

Stellungnahme am 22. Februar 2023 an das Bundesministerium der Justiz übermittelt

Der Verein Spenderkinder bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem Vorschlag für die Verordnung des Rates.

I. Der Verein Spenderkinder

Der Verein Spenderkinder wurde im Jahr 2009 gegründet und arbeitet rein ehrenamtlich. Er vertritt die Interessen von durch Samen“spende“ gezeugten Menschen in Deutschland. Dabei repräsentiert er die Sicht der betroffenen Kinder auf Samenspende und andere Formen der Familiengründung mit den Geschlechtszellen einer dritten Person wie Eizellspende, Embryonenadoption und Leihmutterschaft. Zu den Zielen gehört insbesondere, andere Spenderkinder, Menschen mit Kinderwunsch und Spender über die rechtlichen Rahmenbedingungen und psychologischen Herausforderungen dieser Arten der Familiengründung sowie über den aus Sicht des Vereins bestehenden rechtlichen Handlungsbedarf zu informieren.

II. Verordnungsvorschlag

Der Verein Spenderkinder sieht die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Anerkennung der in einem Mitgliedstaat wirksam anerkannten Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten sowie die vorgesehenen Bestimmungen über das anzuwendende Recht bei der Begründung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen kritisch. Zwar wird das im Vorschlag geäußerte Anliegen begrüßt, eine Gleichstellung von LGBTIQ-Personen und insbesondere von Eltern gleichen Geschlechts (zum Beispiel durch eine innerstaatliche Adoption) zu erreichen. Dies sollte jedoch nicht dadurch erreicht werden, dass die Interessen und Rechte der Kinder übergegangen werden, indem alle Formen der Begründung von Elternschaft gleich behandelt werden. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder dient die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten nicht den Interessen und Rechten des Kindes, sondern viel mehr den Interessen der Eltern. Das zeigt sich auch darin, dass die EU-weite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft vor allem als Schlüsselmaßnahme für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen wahrgenommen wird.1 Zudem zeigt auch die Einführung eines als „Elternschaftszertifikat“ bezeichneten Dokuments, dass der Verordnungsvorschlag auf eine Absicherung der Rechte der Eltern abzielt. Die Bezeichnung zeigt, dass es nicht in erster Linie um die Rechte des Kindes geht, sondern um die der „Wunscheltern“.

Mit dem Vorschlag für eine Verordnung sollen Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Anerkennung von Elternschaft in den Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Als vorrangiges Ziel des Vorschlages wird der Schutz der Grundrechte und anderer Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen genannt. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder werden die Rechte des Kindes durch die Bestimmungen des Verordnungsvorschlags jedoch nicht ausreichend gewürdigt. Bei dem Vorschlag stehen nicht die Rechte des Kindes im Vordergrund, sondern die Rechte der Eltern, die eine Anerkennung ihrer Elternschaft ohne erheblichen Aufwand in den Mitgliedstaaten der EU unabhängig von divergierenden Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten erreichen können sollen. Dadurch besteht die Gefahr, dass innerstaatliche Verbote und Regulierungen umgangen werden können.

Der Vorschlag setzt sich aus Sicht des Vereins Spenderkinder nicht vertieft mit den Rechten der Kinder auseinander, die mithilfe von reproduktionstechnischen Maßnahmen entstanden sind und nimmt keine Unterscheidungen zwischen verschiedenen Konstellationen von Elternschaft vor. Er unterscheidet nicht zwischen genetischer Elternschaft, Eltern, die ein Kind innerstaatlich adoptiert haben und zwischen Eltern, die ein Kind mittels Eizellspende oder Leihmutterschaft erhalten haben. Insbesondere werden die Schwierigkeiten nicht adressiert, die sich aus einer solchen Zeugungsart und der Anerkennung der Elternschaft für die Kinder ergeben. Damit genügt die Kommission ihren eigenen Anforderungen an eine „gute Gesetzgebung“, die empirische Evidenz für Gesetzesvorhaben verlangt, nicht. Der Verein Spenderkinder steht insbesondere der Eizellspende und der Leihmutterschaft aufgrund der Verletzung des Kindeswohls und der Rechte der Person, die ihre Eizellen abgibt bzw. das Kind zur Welt bringt, äußerst kritisch gegenüber (siehe Position des Vereins Spenderkinder zur Leihmutterschaft).

Eine unterschiedslose Regulierung von allen Formen der Elternschaft, ist nach der Ansicht des Vereins Spenderkinder abzulehnen. Sie dient nicht dem Interesse des Kindes, sondern führt zur Anerkennung von Praktiken, die von einzelnen Mitgliedstaaten bewusst abgelehnt werden. Dies führt dazu, dass Elternschaften anerkannt werden müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat gerade aufgrund der Verletzung des Kindeswohls sowie der Grundrechte von anderen in den Vorgang der Zeugung involvierten Personen verhindert werden sollen. Der vorgegebene Zweck des Verordnungsvorschlags würde damit in sein Gegenteil verkehrt. Die Europäische Union muss im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz und der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten, unterschiedliche Praktiken in den Mitgliedstaaten beachten.

III. Im Einzelnen

1. Die Vermeidung von zeit- und kostenaufwendigen Gerichtsverfahren zur Anerkennung von Elternschaft ist nicht im Interesse des Kindes

Der Vorschlag soll auch zu Rechtssicherheit und Berechenbarkeit bezüglich der Begründung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und der Anerkennung der Elternschaft beitragen und die Gerichtskosten für die Mitgliedstaaten und Familien in Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren zur Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat senken. Zeit- und kostenaufwendige Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft sollen verhindert werden. Diesbezüglich stellt sich aus Sicht des Vereins Spenderkinder wiederum die Problematik der mangelnden Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen der Begründung von Elternschaft. Insbesondere können Samen-, Eizell-, Embryonen“spende“ und Leihmutterschaft zu erheblichen Identitätskonflikten für das Kind führen. Das gilt insbesondere dann, wenn die „Spende“ primär finanziell motiviert ist und die Kinder kein Recht haben zu erfahren, von wem sie genetisch abstammen.

Im Fall der Inanspruchnahme von assistierter Reproduktion (insbesondere der Inanspruchnahme einer Keimzellen“spende“ oder einer Leihmutterschaft) kann gerade die Aussicht auf ein erforderliches Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten dazu führen, dass sich „Wunscheltern“ intensiv mit dieser Art der Familiengründung auseinandersetzen, sich über alternative Methoden der Kinderwunscherfüllung informieren und das Kindeswohl in den Mittelpunkt ihrer Entscheidung stellen. Eine Anerkennung jeglicher Form von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen ohne erheblichen Aufwand für die „Wunscheltern“ kann dagegen dazu führen, dass diese die medizinischen, psychologischen und ethischen Bedenken hinsichtlich der einzelnen Reproduktionsmaßnahmen weniger in ihre Entscheidung miteinbeziehen und die Rechte des Kindes nicht ausreichend würdigen.

2. Unionsweite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft ist nicht im Interesse und zum Wohl des Kindes

Wie der Verordnungsvorschlag ausführt, sind die Mitgliedstaaten bereits verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft für die Zwecke der Ausübung von aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte anzuerkennen. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass jeder Mitgliedstaat das Eltern-Kind-Verhältnis anerkennen muss, damit das Kind mit jedem Elternteil das in Art. 21 Abs. 1 AEUV garantierte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, uneingeschränkt ausüben kann und darüber hinaus auch alle Rechte ausüben kann, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt.2 Mit dem Vorschlag wird darüber hinaus eine Anerkennung der Elternschaft für alle Zwecke beabsichtigt. Hierbei soll die unionsweite Anerkennung der Elternschaft auch zur Durchsetzung der Rechte führen, die sich aus nationalem Recht herleiten. In seinen Erwägungsgründen beruft sich der Verordnungsvorschlag auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes.3 Demnach ziele der Verordnungsvorschlag darauf ab, das Recht des Kindes auf Identität (Art. 8 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes), Nichtdiskriminierung (Art. 2 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes) und auf Privat- und Familienleben (Art. 9 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes) zu wahren.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder verkennt der Verordnungsvorschlag hierbei, dass es gerade im Interesse des Kindes ist, die Abstammung zu seinen genetischen Eltern zu kennen und zu diesen auch Kontakt pflegen zu können. Die genetische Abstammung macht einen wesentlichen Teil der Identität jedes Kindes aus und einer gezielten Spaltung von genetischer und sozialer Elternschaft durch die Inanspruchnahme von Reproduktionstechniken steht der Verein der Spenderkinder kritisch gegenüber. Diese Rechte der Kinder klammert der Verordnungsvorschlag jedoch vollständig aus. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ist eine unterschiedslose Behandlung von unterschiedlichen Formen der Begründung von Elternschaft (genetische Elternschaft, Elternschaft durch innerstaatliche Adoption, Elternschaft durch Verwendung von Keimzellen“spenden“ oder Leihmüttern) nicht gerechtfertigt.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder verspüren bei einer unterschiedlichen Anerkennung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen primär die Eltern Nachteile. Der Verordnungsvorschlag setzt sich nicht vertieft mit den möglichen negativen Auswirkungen für die Kinder auseinander. Vielmehr wird unterstellt, dass die Nachteile für die Eltern gleichzeitig Nachteile für die Kinder darstellen. Er geht nicht darauf ein, ob die mit dem Vorschlag verbundenen Vorteile die mit ihm verbundenen Nachteile überwiegen. Die Wahrung der Rechte des Kindes kann auch durch andere Regelungen sichergestellt werden. Eine unionsweite Anerkennung jeglicher Form von Elternschaft ist hierzu nicht im Interesse des Kindes und auch nicht erforderlich.

3. Eine unionsweite Anerkennung von Elternschaften führt auch zur Anerkennung von Elternschaften, die zum Schutz des Kindes und der Person, die das Kind zur Welt bringt, in anderen Mitgliedstaaten verboten sind

Besonders problematisch sind aus Sicht des Vereins Spenderkinder die Regelungen des Kapitel III über das anzuwendende Recht. Art. 17 Abs. 1 des VO-Vorschlags bestimmt, dass auf die Begründung der Elternschaft das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder subsidiär das Recht des Staates, in dem das Kind geboren wurde. Bei einer Leihmutter wäre dies der Staat, in dem Leihmutterschaft zulässig ist und die Regelung müsste in anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Diese Vorschrift kann bereits dazu führen, dass Formen der Begründung von Elternschaft, die durch den Verein Spenderkind deutlich abgelehnt werden4, unionsweit anerkannt werden müssen.

Die Regelungen im Bereich der Reproduktionsmedizin divergieren stark zwischen den Ländern. Insbesondere die Leihmutterschaft ist in vielen Mitgliedstaaten verboten, weil sie Kinder zu handelbaren Objekten macht und Schwangerschaft als Dienstleistung kommerzialisiert. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellte, berühren reproduktionsmedizinische Techniken schwierige Fragen der Moral und Ethik und betreffen damit einen Bereich, in denen es keine gemeinsame Vorstellung der Konventionsstaaten gibt.5 Die Regelungen eines Mitgliedstaates zur Begründung von Elternschaft in den Fällen der Erzeugung eines Kindes mithilfe reproduktionsmedizinischer Techniken berühren das Grundverständnis jedes einzelnen Mitgliedstaates und aufgrund des engen Bezugs zur Menschenwürde gleichzeitig die Verfassungsautonomie und -identität. Sie spiegeln damit einen gesellschaftlichen Konsens über höchst komplexe und kulturell-, sozial- und politisch-verwurzelte Fragen der Bioethik wieder. Ein solcher Konsens über bestimmte Fragen der rechtlichen und ethischen Bewertung der Reproduktionsmedizin ist bereits innerhalb einzelner Mitgliedstaaten fraglich. Der Verordnungsvorschlag führt in seiner Begründung aus, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, dass alle Mitgliedstaaten die in Art. 2 EUV festgelegten Werte teilen, eine Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat rechtfertige.6 Damit schreitet die Kommission in ihrem Weg voran, Art. 2 EUV als föderale Homogenitätsklausel umzudeuten.7 Ein solches Verständnis von Art. 2 EUV beraubt die Mitgliedstaaten ihre genuine, in ihrer Staatlichkeit angelegte Verfassungsautonomie.

In einigen Mitgliedstaaten werden entgegen des Interesses des zu zeugenden Kindes Ei- und Samenzellen kommerziell und anonym gehandelt, die betroffenen Kinder haben kein Recht, Informationen über ihre genetische Eltern zu erhalten. In anderen Mitgliedsstaaten wie z. B. Griechenland dürfen sind „altruistische“ Leihmutterschaften zulässig, die Voraussetzungen werden Berichten zufolge jedoch kaum kontrolliert, so dass sich de facto doch eine Kommerzialisierung entwickelt hat.8 Durch den Verordnungsvorschlag müssten auch diese Begründungen von Elternschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat bewusst abgelehnt werden, dort anerkannt werden. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ergeben sich hieraus erhebliche Bedenken in Bezug auf den Subsidiaritätsgrundsatz und den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung sowie die Verfassungsautonomie und -identität der Mitgliedstaaten. Die Anerkennung der Souveränität der Mitgliedstaaten wird durch die Forderung einer Anerkennung von materiell-rechtlichen Regelungen über die Begründung von Elternschaft in Frage gestellt, wenn in grenzüberschreitenden Fällen eine fragwürdige – und nach Verständnis des Mitgliedstaates rechtswidrigen – Gesetzgebung im Bereich des Familienrechts den anderen Mitgliedstaaten aufgedrängt wird.

4. Universelle Anwendung des Rechts führt zu Anerkennung von Elternschaften, die mit den Grundsätzen des EU-Rechts nicht vereinbar sind

Verschärft wird das unter III. 2. dargelegte Problem dadurch, dass Art. 16 des VO-Vorschlags vorsieht, dass das nach dem Verordnungsvorschlag als anzuwendende Recht bezeichnete Recht auch dann anzuwenden ist, wenn es sich um das Recht eines Drittstaates handelt (Universelle Anwendung des Rechts). Demnach betrifft dies auch das Verfahren, nach dem Leihmutterschaften in Nicht-EU-Staaten anerkannt werden können. In der EU ist gemäß der Geweberichtline von 20049 ein Handel mit Gewebe und Organen nicht zulässig. Damit ist jede Form des kommerziellen Handels mit Ei- und Samenzellen untersagt. Die Regelungen eines Drittstaates über die Begründung von Elternschaft sind gemäß dem Verordnungsvorschlag jedoch anzuerkennen, selbst wenn ein Handel mit Ei- und Samenzellen stattgefunden hat. Da der gewöhnliche Aufenthaltsort der gebärenden Person für das anzuwendende Recht ausschlaggebend ist, muss auch eine Leihmutterschaft, die in einem Drittstaat durchgeführt worden ist, anerkannt werden. Dies steht in einem erheblichen Konflikt zu den Grundsätzen der EU und führt de facto dazu , dass Verfahren anerkannt werden, die die zMenschenwürde (Art. 1 GRCh, Art. 1 Abs. 1 GG) verletzen, weil Kinder als handelbare Objekte behandelt werden und Schwangerschaft als Dienstleistung. s

5. Unionsweite Anerkennung von Elternschaft führt zu einer Steigerung des globalen „Reproduktionstourismus“

Der Verordnungsvorschlag kann dazu führen, dass der sogenannte „Reproduktionstourismus“ in der EU noch weiter gesteigert wird und „Wunscheltern“ für die Verwirklichung ihres Kinderwunsches mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen in EU-Mitgliedstaaten reisen, die schwächere Regulierungen zum Schutz des Kindes aufweisen, um eine unionsweite Anerkennung ihrer Elternschaft sicherzustellen – und damit auch in dem Staat, in dem sie eigentlich ansässig sind. Dies würde zu einem „race to the bottom“-Effekt auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin führen.

Aufgrund der Anwendung des Rechts von Drittstaaten kann der Verordnungsvorschlag sogar dazu führen, dass der sogenannte „Reproduktionstourismus“ weltweit noch gesteigert wird und „Wunscheltern“ in Drittstaaten reisen, in denen Reproduktionsmedizin völlig unreguliert stattfindet und die Rechte der Kinder nicht geschützt werden und die Personen, die die Kinder zur Welt bringen, ausgebeutet werden. Auch auf globaler Ebene könnten die vorgeschlagenen Regelungen zu einem „race-to-the-bottom“-Effekt im Bereich der Regulierungen der Reproduktionsmedizin führen.

6. Ausschlussgründe vage und rechtsunsicher

Der Verordnungsvorschlag sieht eine Möglichkeit vor, die Anwendung einer Vorschrift des nach der Verordnung bestimmten Rechts zu versagen, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 22 Abs. 1 des VO-Vorschlags). Diese Ausnahme von der Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaates ist aber äußerst vage und unbestimmt. Der Vorschlag sieht hingegen vor, dass Mitgliedstaaten eine Ausnahme nicht anwenden können, um das Recht eines anderen Staates unangewendet zu lassen, wenn dies gegen die Charta verstößt (Art. 22 Abs. 2 des VO-Vorschlags). In der Begründung heißt es, dass die Ausnahme nicht gilt, um eine Rechtsvorschrift eines anderen Staates abzulehnen, in dem eine Elternschaft von zwei gleichgeschlechtlichen Eltern möglich ist (Seite 18 der Begründung). Darüber hinaus schweigt der Vorschlag über die Möglichkeiten von Ausnahmen.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ist die Regelung des Art. 22 VO-Vorschlags zur Ausnahme aufgrund eines offensichtlichen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu vage. Es bleibt unklar, wann eine Ausnahme eingreifen kann und wann sich ein Mitgliedstaat nicht auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung berufen kann. Daher sollte das Verbot von Leihmutterschaft hier zumindest ausdrücklich als ein Grund aufgenommen werden, auf den sich die Mitgliedsstaaten als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung berufen können.

7. Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, öffentlicher Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung, die Annahme öffentlicher Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung und die Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats bergen dieselben Problematiken

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder sind die weiteren Regelungen zu einer unionsweiten Anerkennung von Elternschaft ebenfalls fragwürdig. Auch eine Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und von öffentlichen Urkunden durch einen Mitgliedstaat, mit denen die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat begründet wird, führt dazu, dass Formen von Elternschaften anerkannt werden müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat bewusst zum Wohl des Kindes abgelehnt werden. Wiederum ist laut Verordnungsvorschlag eine Versagung der Anerkennung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) möglich, die jedoch nur ausnahmsweise und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen darf und nicht unter abstrakten Gesichtspunkten (vgl. S. 19 der Begründung des Verordnungsvorschlages).

8. Allgemeine Bemerkungen

In einigen Mitgliedsstaaten wie z. B. Spanien, Dänemark und Tschechien sind anonyme Samen- und Eizellenspenden nach wie vor zulässig und werden recht offensichtlich kommerzialisiert. Daher verwundert es doch stark, dass die Kommission nur einen Vorschlag über eine unionsweite Anerkennung solcher Praktiken vorlegt und nicht wenigstens gleichzeitig sicherstellt, dass durch Samen- und Eizellspenden gezeugte Menschen ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung, das auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt wird, auch tatsächlich verwirklichen können. Diesen Aspekt sollte die Bundesregierung daher bei den Verhandlungen zu dem Verordnungsvorschlag einbringen.

Die Bundesregierung sollte sich außerdem bemühen, dass der Leihmutterschaftstourismus in Drittstaaten unterbunden wird, in denen Leihmutterschaft kommerzialisiert durchgeführt wird und die Rechte der Kinder und Leihmütter nicht ausreichend geschützt werden. Die derzeitige Haltung beschränkt sich leider allgemein auf den Hinweis, dass man Wunscheltern entsprechende Verträge im Ausland nicht verbieten könne – und wenn das Kind geboren wurde darauf, dass man das Kind schützen müsse und daher eine Anerkennung zumindest dann zulässig sein müsse, wenn es sich um eine mit einer Gerichtsentscheidung begründeten Elternschaft handelt. Damit wird jedoch eine Situation geschaffen, in der man einen Rechtsbruch für diejenigen Wunscheltern in Deutschland legalisiert, die genug Geld und Zeit investieren. Das wird dann wiederum als Begründung herangezogen, warum Leihmutterschaft (zumindest „altruistisch“) auch in Deutschland erlaubt werden sollte. Die Bundesregierung sollte daher von den Staaten fordern, die derzeit die Hotspots des Leihmutterschaftstourismus darstellen, dass sie ihre „Leistungen“ nur noch an im Inland ansässige Personen vermitteln. Kinder und Schwangerschaft sollten kein Exportgut sein.

1 Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 (COM(2020) 698 final), S. 21.

2VO-Vorschlag, Erwägungsgrund 2.

3Position des Vereins Spenderkinder zu Leihmutterschaft: https://www.spenderkinder.de/leihmutterschaft/

4 EGMR (Große Kammer), Urt. v. 3. 11. 2011 – 57813/00 (S. H. u. a. / Österreich).

5 VO-Vorschlag, Erwägungsgründe Ziff. 21.

6 Nettesheim, EuR 2022, 525 (533 ff.).

7 EG-Richtlinie 2004/23/EG.

8Vgl. Zeit Online vom 24. Mai 2019: Das ist nicht ihr Baby, https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-05/leihmuetter-griechenland-babys-kinderlose-paare-deutschland/komplettansicht

9Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, V.M.S./Stolincha obshtina, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008.

Jahresbericht 2022

1. Verein

Am 15. Oktober fand unser offizielles Vereinstreffen in Berlin statt.

Als Ansprechpersonen für Infos über die größeren Kliniken haben wir einzelne Mitglieder, deren Kontaktdaten wir direkt an neue Spenderkinder weiterleiten können. Das wird gut angenommen.

In der ersten Jahreshälfte hatte die Arbeitsgruppe inklusive Sprache, einen Vorschlag für unsere künftige Wortwahl gemacht. Der Vorschlag wurde im Juli von der Mehrheit der Vereinsmitglieder angenommen. Jetzt steht die Überarbeitung der Texte auf der Internetseite an, das ist relativ zeitaufwendig.

2. Verwandtentreffer

Für Spenderkinder, die noch keinen DNA-Test gemacht haben, empfehlen wir weiterhin Ancestry, weil man die Rohdaten dieses Tests auch bei Family Finder und MyHeritageDNA kostenlos hochladen kann. Das geht zwar mit 23andMe auch, aber Ancestry hat die größere Datenbasis.

Dieses Jahr haben wir mindestens 8 weitere genetische Väter identifiziert (teilweise von größeren Halbgeschwistergruppen). Insgesamt haben wir 50 genetische Väter identifiziert. Außerdem haben wir 14 neue Halbgeschwistergruppen von insgesamt 70, die größte umfasst 9 Familien.

3. Internetseite

Folgende Beiträge auf unserer Internetseite aus diesem Jahr möchten wir besonders ans Herz legen:

Sunny hat auf ihrem YouTube Kanal Reagenzglasbaby einige spannende Beiträge veröffentlicht, die über die Playlist für Spenderkinder zu finden sind:

4. Öffentlichkeitsarbeit

  • Zwischen 2016 und 2017 hatte die Forscherin Amelie Baumann einige unserer Mitglieder für ihre kulturanthropologische Forschungsarbeit befragt. Im Frühjahr 2022 veröffentlichte sie die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit im freiverfügbaren Buch „Becoming Donor-Conceived“
  • Im März hat Anne bei der Fachtagung Sprache der Ethik – Ethik der Sprache der Universität Tübingen, der Hochschule St. Georgen Frankfurt a.M., der Katholischen Akademie Rabanus Maurus Frankfurt a.M., der Universität Mainz und der Evangelischen Akademie Frankfurt a.M. einen Vortrag „‘Altruismus‘ und ‚Spenden‘ – eine Frage der Perspektive? – Sprachbilder in ethischen Diskussionen am Beispiel der Reproduktionsmedizin“ eingebracht.
  • Im April war Anne bei der Medizinethischen Fachtagung in Vallendar zum Thema: Wer bin ich? Herkunft von Spenderkindern mit einem Vortrag „Ich bin keine Spende – Psychologische Herausforderungen bei Samenspende“.
  • Im Juni hat Anne im Seminar Herausforderungen für die Familiengründung im Kontext moderner Medizintechnologien (WPF), evangelische Hochschule Nürnberg, unter dem Titel „Eine Frage der Perspektive.“ Den Blick auf die Perspektive von Spenderkindern gerichtet.
  • Im Juli vertrat Anne uns bei der 1. Sitzung der Fokusgruppe des Kompetenzzentrums Kinderwunsch. Das Projekt KompKi läuft seit August 2021 unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Mayer-Lewis an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Ziel ist es, ein Konzept zur „Errichtung eines deutschlandweiten Kompetenzzentrums Kinderwunsch“ zu erarbeiten. Das Projekt wird für drei Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Anschließend soll das Kompetenzzentrum gestartet werden. Schwerpunktthemen konzentrieren sich auf die Bereiche Forschung, Beratung, Unterstützung, Information und Vernetzung rund um das Thema des „unerfüllten Kinderwunschs“. Dabei werden Expert*innen und Betroffene u.a. in Fokusgruppen einbezogen, um herauszuarbeiten, was wichtig ist. Diese Fokusgruppen treffen sich geplant 2x im Jahr. (mehr Infos unter www.kompki.de)
  • Im September hat Sandra einen Workshop über „Kinderwunsch in neuen Paar- und Familienkonstellationen“ bei der Jahresttagung von DonumVitae am 16./17.09.2022 in Karlsruhe gehalten, deren Hauptthema „Beratung all inclusive – Vielfalt in der Schwangerschaftsberatung“ war.
  • Im November hat Anne eine Online-Fortbildungseinheit für die Ruppiner Kliniken GmbH, Neuruppin, für Therapeut*innen und PädagogInnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie übernommen.
  • Ebenfalls im November hat Anne beim Symposium „Aktuelle Entwicklungen in der Familienbildung mit Hilfe Dritter: Positionierungen – Rahmenbedingungen – Grenzen“ des Uniklinikums Heidelberg und BKiD einen Vortrag mit dem Titel „Aspekte zur Eizellvermittlung mit Fokus auf ihre Bedeutung für Spenderkinder“ gehalten.
  • Erste Ergebnisse der Spenderkinderstudie 2020 von Anne und Tobias Bauer wurden in den Vorträgen mündlich vorgestellt sowie als Poster und Postertalk beim DGPPN-Kongress in Berlin und bei der Jahreskonferenz der japanischen Bioethik-Vereinigung, beides im November 2021. Weitere Publikationen sind in Arbeit.
  • Infos zu Beiträgen von, über und mit uns oder unser Thema posten wir außerdem auf unserer Internetseite, Twitter, Facebook und Instagram.

5. Rechtliches

  • Es laufen weiterhin mehrere Gerichtsverfahren unserer Mitglieder gegen Novum.

Die rechtliche Beratung betraf in den letzten Monaten insbesondere die Gebühr für Auskunft. Anfang des Jahres kontrollierten wir die Internetseiten aller Samenbanken in Deutschland auf richtige Darstellung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung, Impressum etc.

6. Beratung

  • Beratung von Wunscheltern: Die Beratung von Personen, die bereits Kinder durch Samen- oder Eizellvermittlung haben oder darüber nachdenken sowie über Embryonenabgabe, haben größtenteils Sandra und Martina übernommen. Dort zeigt sich nach wie vor ein großer Beratungsbedarf und unzureichende sonstige Unterstützungsmöglichkeit.
  • Kontakt zu ehemaligen „Samenspendern“/Beratung: Gelegentlich melden sich Männer bei uns, die in der Vergangenheit Samen „gespendet“ haben und mehr oder weniger offen für Kontakt sind. Wir informieren diese Männer über die Möglichkeiten der Suche über DNA-Datenbanken und unterstützen bei der Kontaktaufnahme zu genetischen Kindern.

7. Medienbeiträge

8. Internationales

Der Europarat hat im Dezember 2022 eine vergleichende Studie veröffentlicht zum Thema „Access of persons conceived by gamete donation to information on their origins“, die zu dem Ergebnis kommt, dass die meisten Mitgliedsstaaten inzwischen dazu tendieren, dem Kind ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung zu geben, so dass der Europarat empfehlen könnte, dass die Mitgliedsstaaten einen Mechanismus einführen, dass durch „Spender“ gezeugte Personen ein Recht auf Zugang zu Informationen über ihre Abstammungen haben. 

Auf europäischer Ebene wird derzeit der Vorschlag für die so genannte SoHO Verordnung verhandelt (Regulation on substances of human origin, welche die Geweberichtlinie aus dem Jahr 2004 (Tissues and cells Directive (2004/23/EC)) ablösen wird. Unter den Anwendungsbereich fällt auch der Umgang mit abgegebenen Ei- und Samenzellen. Die Verordnung richtet sich stärker als die Geweberichtlinie auch auf Reproduktionsmedizin und soll ausdrücklich die Sicherheit von „Spendern“ und Kinder sicherstellen, die aus „gespendeten“ Eizellen, Samen oder Embryonen entstehen.

9. Ausblick auf 2023

Im Januar findet die 2. Sitzung der KompKi-Fokusgruppe statt.

Die neue Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP hat sich in den Bereichen Familienpolitik, Abstammungsrecht und Reproduktionsmedizin viel vorgenommen. Die Pläne im Koalitionsvertrag weisen dahin, dass genetische Abstammung und Elternschaft weiter voneinander gelöst werden sollen, weil die mit einer Mutter verheirateten Frau automatisch auch Mutter eines Kindes werden soll, soweit nichts anderes vereinbart worden ist. Außerdem sollen Vereinbarungen möglich werden, wer Elternteil eines Kindes werden soll. Positiv für Spenderkinder sind insbesondere zwei Vorhaben: es soll ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren eingeführt werden, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen, und das Samenspenderregister soll auch für bisherige Fälle, private Samenspenden und Embryonenspenden geöffnet werden. Der Bundesminister der Justiz Marco Buschmann hat im Podcast Lage der Nation vor einigen Wochen angekündigt, dass der Entwurf für die Reform des Abstammungsrechts im Jahr 2023 veröffentlicht werden soll.

Treffen der Spenderkinder aus Bad Pyrmont

Anfang Mai fand haben sich mehrere Spenderkinder in Bad Pyrmont getroffen, die an der dortigen Klinik gezeugt wurden. Es war ein tolles und spannendes Treffen mit viel Austausch, interessanten Informationen und guten Gesprächen!


Die Gruppe besuchte die ehemalige Klinik von Dr. Schaad und das Stadtarchiv . Außerdem trafen sie eine Redakteurin der Bad Pyrmonter Nachrichten, die schon länger zu der Geschichte der Klinik recherchierte und in den Bad Pyrmonter Nachrichten einen Artikel über die Geschichte der Klinik und das Spenderkinder-Treffen (Paywall) veröffentlicht hat.

Die Spenderkinder aus Bad Pyrmont – Foto von Annette Schrader Fotografie.

100 Halbgeschwister und mehr?

Aus den USA ist es schon bekannt: Gruppen mit mehr als 100 Halbgeschwistern, die denselben genetischen Elternteil haben. Auch im Verein Spenderkinder haben DNA-Tests bewiesen, dass esmehrere große Halbgeschwistergruppen gibt. Wir haben fünf Halbgeschwistergruppen, die aus 7 bis 9 Familien bestehen1. Da sehr viele Spenderkinder in Deutschland nichts von ihrer Zeugungsart wissen, dürften viele Halbgeschwistergruppen tatsächlich noch erheblich größer sein. Von einem Reproduktionsmediziner wissen wir aus Praxisaufzeichnungen, dass er teilweise über 100 durch einen Mann erzeugte Schwangerschaften dokumentierte. Bei zwei Reproduktionsmedizinern vermuten wir, dass sie jeweils nur einen Spender hatte, da bislang alle Spenderkinder aus diesen Praxen sich als Halbgeschwister herausgestellt haben. Durch die zunehmende Verbreitung von DNA-Datenbanken und die Durchsetzung des Rechts von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung werden solche Vorgänge zunehmend nachvollziehbar und aufgedeckt.

Keine gesetzliche Obergrenze in Deutschland

Eine gesetzliche Grenze für die Anzahl der Kinder, die durch den Samen einer Person durch Samenvermittlung entstehen, gibt es in Deutschland nicht. In der „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ fand sich von 2006 bis 2018 die Vorgabe, dass durch einen Spender nicht mehr als zehn Schwangerschaften erzeugt werden sollten.2 Ob diese standesrechtlichen Regelungen jedoch tatsächlich verbindlich waren, ist umstritten, weil die Ärzte bis zum Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes im Jahr 2018 nicht verpflichtet waren, die durch eine Person gezeugten Kinder nachzuverfolgen und zu dokumentieren. Die Ärztekammer Nordrhein wies im Jahr 2015 auf eine Beschwerde des Vereins Spenderkinder darauf hin, dass diese Richtlinie nur nachrangig anwendbar sei und die Forderung nach einer Obergrenze in den politischen Raum gebracht werden sollte. Außerdem könne daraus, dass ein Mann über eine sehr lange Zeit Samen abgegeben habe, nicht darauf geschlossen werden, dass hierdurch eine erhebliche Zahl von Kindern gezeugt würde. In der aktuellen Version der „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistiertenReproduktion“ aus dem Jahr 2018 findet sich keine Aussage mehr zu einer Obergrenze. Grund hierfür ist, dass der Vorstand der Bundesärztekammer m Februar 2015 beschlossen hatte, die medizinisch- wissenschaftlichen Fragestellungen klar von den gesellschaftspolitischen Aspekten zu trennen.

Dem Verein Spenderkinder ist bekannt, dass manche Menschen bei deutschen Samenbanken oder an deutsche Reproduktionsmediziner bis über 20 Jahre regelmäßig Samen abgegeben haben. Bei einer Abgabe über einen solch langen Zeitraum liegt es nahe, dass wesentlich mehr als zehn Kinder entstanden sind, wie z.B. die Dokumentation des Münchner Arztes zeigt, der bis über 100 erzeugte Schwangerschaften durch einen einzelnen Spender festgehalten hat. Einige Menschen haben zudem an mehreren Kliniken oder Samenbanken Samen abgegeben. Ein Arzt, bei dem eine sehr große Halbgeschwistergruppe entstand, äußerte sich hierzu, dass es zu teuer wäre, wenn man den Samen einer Person nur für wenige Paare verwenden würde, außerdem gäbe es nicht so viele abgabebereite Personen.

Einige Samenbanken äußern zumindest öffentlich, dass sie sich bemühen, eine gewisse Anzahl an Kindern nicht zu überschreiten. Wie genau sie das sicherstellen, ist jedoch nicht nachvollziehbar und auch nicht überprüfbar. Insbesondere ist momentan aber auch keine rechtliche Verpflichtung dazu erkennbar. Bei einer deutschen Samenbank, die derzeit einen öffentlich einsehbaren Spenderkatalog anbietet, werden 5 Personen aufgeführt, bei denen über 30 Einheiten Samen verfügbar sind. In einem Fall waren sogar 74 Einheiten verfügbar. Auch wenn sicherlich nicht jede künstliche Befruchtung mit dem Samen dieser Personen erfolgreich sein wird, ist doch davon auszugehen, dass bei so vielen verfügbaren Einheiten mehr als 10 Kinder gezeugt werden – zusätzlich zu vermutlich bereits gezeugten Kindern.

Andere Länder sind hier weiter: In Großbritannien dürfen die Keimzellen einer Person nur für 10 Familien verwendet werden. Diese Obergrenze wird durch die Regulierungsbehörde HFEA kontrolliert. In Belgien dürfen nur 6 Frauen durch den ärztlich vermittelten Samen einer Person schwanger werden, allerdings sind mehrere Kinder pro Frau erlaubt (Art. 55 Loi relative à la procréation médicalement assistée). Die Schweiz hat eine Obergrenze von acht Kindern (Art. 22 Abs. 4 FMedG).

Zu viele Halbgeschwister sind für viele Spenderkinder belastend

Aus Sicht der Vereins Spenderkinder ist eine Begrenzung der Anzahl der durch eine Person über eine ärztliche Samenvermittlung gezeugten Kinder unbedingt notwendig. Zu diesem Thema haben wir unsere Mitglieder befragt, die schon relativ viele Halbgeschwister gefunden haben, ihre Aussagen geben wir in kursiver Schrift wieder.

Bezüglich der Anzahl der Halbgeschwister: also ich denke ab 20-30 wird es schon schräg. Vorausgesetzt alle suchen den Kontakt. Spätestens ab 50 wird es vermutlich unangenehm. Eine gesetzliche Grenze? Ja, definitiv. Ich finde die Größenordnung 10 erfolgreiche Spenden sollten nicht überschritten werden.

Ich fände es auf jeden Fall gut, wenn es dazu feste Grenzen gäbe. Das würde dann auch die Ungewissheit beseitigen, wie viele mögliche Halbgeschwister dort wohl sein mögen. 100 oder 200 finde ich deutlich zu viel. Ich hätte nichts dagegen, wenn es bei meinen 14 Geschwistern bleibt, denke aber es sollten nicht mehr als 20 werden.

Zwar freuen sich die meisten Spenderkinder über Halbgeschwister.

Ich war in der komfortablen Situation, dass mir nach und nach mehr Geschwister angezeigt wurden und ich sie nach und nach kennenlernen konnte und nicht mit einer großen Menge zu Beginn abgeschreckt war. So könnte es aus meiner Sicht auch eine Weile weitergehen, ruhig auch bis 20 oder mehr, da ja auch nicht alle den Kontakt wünschen oder man sicher nicht zu allen hingezogen sein wird, was ja bei uns in der Gruppe auch teilweise der Fall ist. Momentan finde ich jeden Treffer noch sehr aufregend und freue mich sehr, Kontakt mit den neuen Geschwistern zu haben.

Ich habe die Tatsache, viele Halbgeschwister zu haben, nicht als „Belastung“ wahrgenommen. Es war am Anfang eher eine Überraschung und sehr unerwartet von Null Treffern auf so viele Halbgeschwister zu treffen. Das Gefühl bei den Treffern hat sich dementsprechend auch verändert: Anfangs war es super aufregend und man konnte es kaum fassen. Jetzt hat man sich daran gewöhnt, die Neugier auf die neue Person bleibt aber natürlich.

Je mehr Halbgeschwister es gibt, desto eher kann jedoch das Gefühl entstehen, aus einer „Massenproduktion“ zu stammen.

Mein Erzeuger war bei der Zeugung von bis zu 400 Kinder beteiligt. Als ich davon im ersten Gespräch mit einem Halbbruder erfahren habe, war ich erstmal überrascht. Es ging mir nie darum, dass ich eine von vielen und so weniger wert bin. Der Erzeuger hat ja vermutlich eh keine Bindung zu uns gehabt. Doch ich musste mich mehrere Tage erstmal fragen was für eine Person er sein muss, wenn er so viele Male seine Gene verantwortet hat. Dementsprechend fand ich es schon sehr schockierend.

Ich weiß, dass vor allem bei unseren ehelichen Geschwistern der Gedanke der Entwertung eine Rolle spielt. Meinem Gefühl nach gehen sie mit jedem neuen Geschwister mehr auf Abstand. Wären wir nur ein oder zwei Spenderkinder, schätzte ich die Wahrscheinlichkeit für eine enge Beziehung höher ein.

Jedes neue Geschwisterkind bedeutet außerdem eine mentale Anpassung, eine Erweiterung der Familie und der bestehenden Beziehungen.

Würden mir 20 oder mehr Halbgeschwister angezeigt, wäre das ein zusätzlicher Schock mit dem ich eine ganze Weile bräuchte um einen Umgang damit zu finden. Je mehr Halbgeschwister, desto schwieriger.

Ich fühle mich verpflichtet, künftige Halbgeschwister mit offenen Armen zu begrüßen, aber ich habe es mir auch nicht ausgesucht, dies eventuell 50 mal tun zu müssen.

Aktuell kann ich mir nicht vorstellen, zu weiteren, neu dazu kommenden Menschen eine enge Beziehung aufzubauen, einfach aus Kapazitätsgründen. Und irgendwie wären dann auch erstmal diejenigen dran, zu denen ich jetzt aktuell schon keine enge Beziehung habe.

Je größer die Gruppe ist, desto unpersönlicher wird es.

Es war etwas merkwürdig, dazu zu kommen. Alle kannten sich schon, teilweise sehr gut. Man kann sich so auch schnell etwas abgehängt fühlen. Ich glaube das wird neuen Generationen sogar eher mal passieren.

Bei sehr vielen Halbgeschwistern ist es auch für den genetischen Elternteil kaum möglich, alle als Individuen wahrzunehmen, wenn die Spenderkinder – was wahrscheinlich ist – früher oder später Kontakt zu ihm aufnehmen.

Viele Mitglieder unseres Vereins schildern es als besonders belastend, dass sie nicht wissen, wie viele andere Geschwister sie in der Zukunft noch entdecken werden – 5 oder 100.

Es bleibt die Ungewissheit, wie viele Treffer noch kommen werden und wie viele Halbgeschwister es insgesamt gibt, von denen man nie erfahren wird.

Wenn ich lese und mir vorstelle, dass ich hundert (oder lass es auch nur 20) Halbgeschwister habe, dass fühle ich gleichzeitig auch ein Bedürfnis, alle kennenzulernen. Irgendwie der Vollständigkeit halber. In gewisser Weise gehören sie zu mir. Ein Halbgeschwister nicht zu kennen, fühlt sich in meiner Vorstellung unvollständig an. So geht es mir auch mit dem Gedanken, dass da draußen höchstwahrscheinlich noch weitere von unserer Halbgeschwistergruppe rumlaufen. Sie sind mir zu viel. Und gleichzeitig will, muss! ich sie kennenlernen.

Dazu kommt, dass die Gefahr einer unwissentlichen sexuellen Beziehung zwischen Halbgeschwistern rein statistisch steigt, je mehr Kinder durch eine Samen abgebende Person gezeugt werden, insbesondere weil viele Eltern ihre Kinder nicht über ihre Zeugungsart aufklären. Diese Befürchtung empfinden viele Mitglieder unseres Vereins als belastend. Einige Halbgeschwister ähnlichen Alters aus unserem Verein sind in Nachbarorten aufgewachsen, so dass die Gefahr einer Beziehung relativ hoch war.

Ich bin absolut für eine Maximalanzahl, und auch für eine Streuung. Es kann nicht sein, dass ich jahrelang jeden Freitag und Samstag im gleichen Club in Reutlingen tanzen war wie einer meiner vielen Halbbrüder – ohne es zu wissen.

Obergrenze durch Ergänzung des Samenspenderregistergesetzes einfach umzusetzen

Mit dem Samenspenderregister existiert seit Mitte 2018 ein zentrales Register, mit dem die Einhaltung einer Obergrenze tatsächlich kontrolliert werden könnte. In diesem wird bereits festgehalten, an welche Empfänger:innen der Samen welcher Person vermittelt wird. Es wäre leicht umsetzbar, bei eine bestimmten Anzahl von Empfänger:innen die jeweilige Samen abgebende Person für weitere Vermittlungen zu sperren.

Der Verein Spenderkinder wird sich in dieser Legislaturperiode dafür einsetzen, dass im Zuge der anstehenden Überarbeitung des Samenspenderregistergesetzes auch eine entsprechende Obergrenze eingeführt wird. Dabei halten wir es für sinnvoll, dass sich die Obergrenze an den Empfänger:innen orientiert (also an Familien) und nicht an der Zahl der insgesamt gezeugten Kinder. Das Erreichen der Obergrenze würde dann nicht verhindern, dass eine Familie ein weiteres Kind von demselben genetischen Elternteil bekommt.

Auch die Bundesärztekammer hatte sich im Jahr 2016 in einer Stellungnahme zum „Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen“ vom 21.12.2016 für eine gesetzliche Beschränkung der durch einen Samenspender gezeugten Kinder ausgesprochen.

  1. wir zählen nach Familien, nicht nach Kindern []
  2. (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 103, Heft 20 vom 19. Mai 2006, S. A1392 ff., S. A1397. []

Samen und Eizellen im Shopping Portal?

Der Verein Spenderkinder hat eine Beschwerde gegen zwei Samenbanken eingereicht, die einen öffentlich im Internet einsehbaren Katalog von Männern anbieten, die ihren Samen abgeben.

In den USA üblich, in Deutschland aber nicht: Datenbanken von Samen- und Eizellbanken, in denen sich Wunscheltern Menschen aussuchen können, deren Samen oder Eizellen sie kaufen möchten. Die Menschen werden mit Fotos, ethnischem Hintergrund, Größe, Gewicht, Aussehen und Hobbys beworben, meistens sind Fotos beigefügt. Für Sperma und Eizellen von attraktiven und hoch gebildeten Menschen werden dabei üblicherweise höhere Preise gefordert.

In Europa haben sich die Mitgliedsstaaten der EU jedoch entschieden, dass Organe und Gewebe, wozu auch Ei- und Samenzellen zählen, keine Handelsware sein dürfen. Die „Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen“ (auch bezeichnet als Gewebe-Richtlinie) sieht vor, dass Organe und Gewebe nicht mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben werden.1 Umgesetzt worden ist dies in Deutschland in § 17 Absatz 1 Satz 1 des Transplantationsgesetzes (TPG): „Es ist verboten, mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.“ Ausgenommen ist lediglich die „Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen“. Entsprechend dürfen Spermien nicht gekauft und auch nicht zum Kauf angeboten werden, erlaubt ist lediglich eine Aufwandsentschädigung.2 Hieran erinnern wir regelmäßig Samenbanken in Deutschland, die versuchen, für die Abgabe von Samen vor allem mit der dafür gezahlten Aufwandsentschädigung zu werben.

Inzwischen gibt es auch zwei Samenbanken in Deutschland, die einen öffentlich einsehbaren Katalog von Menschen anbieten, die Samen abgeben.3 In dem Katalog werden ethnischer Hintergrund, Augenfarbe, Größe, Gewicht, Ausbildung, Hobbys und Motivation angegeben. Bei der einen Samenbank können nach Erstellung eines Accounts sogar Fotos betrachtet und Favoritenlisten angelegt werden. Bei der anderen Samenbank ist das bei Internetshops übliche Symbol für den Einkaufswagen durch einen Kinderwagen ersetzt worden. Letztere ist mit Novum verbunden – eine reproduktionsmedizinische Praxis, mit der viele unserer Mitglieder rechtliche Auseinandersetzungen führen. Die andere Samenbank scheint eine deutsche Niederlassung einer dänischen Samenbank zu sein – die sich aber dennoch an deutsches Recht halten muss.

Solche Kataloge sind aus Sicht des Vereins Spenderkinder in Deutschland wegen eines Verstoßes gegen § 17 TPG rechtswidrig, weil sie Samen wie ein kommerzielles Produkt darstellen, das wie bei einem Shopping-Portal mit wenigen Klicks gekauft werden kann. Es handelt sich hierbei jedoch um einen Vorgang, der zur Zeugung eines Menschen führen wird – die Person, deren Sperma gewählt wird, ist der genetische Elternteil des entstehenden Kindes. Ein solcher Vorgang muss aus unserer Sicht mit dem entsprechenden Respekt behandelt werden. Eine anpreisende Werbung erfüllt nicht diesen Respekt. Außerdem dürfte es die Auswahl von genetischen Elternteilen nach als wünschenswert beurteilten Merkmalen wie Studium und Aussehen fördern – teilweise vielleicht in der Hoffnung, dass das entstehende Kind diese Merkmale ebenfalls aufweisen wird. Das kann dazu beitragen, dass das durch den Samen dieser Person entstehende Kind sich wie ein gekauftes Profukt fühlen. Einige Mitglieder unseres Vereins schildern dieses Gefühl bereits jetzt.

Zwar ist nach § 17 Absatz 1 Satz 2 TPG die „Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen“ zulässig sei. Das beinhaltet unserer Ansicht nach jedoch nicht, die Samen abgebenden Menschen mit anpreisenden Angaben zu bewerben. Wenn Ärzte beteiligt sind, dürfte es sich außerdem um einen Verstoß gegen § 27 Absatz 3 der der (Muster-)Berufsordnung für Ärzte handeln.

Auffallend ist, dass andere Samenbanken in Deutschland einen vergleichbaren Online-Katalog nicht anbieten, sondern den Wunscheltern Spender lediglich aufgrund einer Typangleichung in Beratungsgesprächen vorschlagen. Damit können Wunscheltern immer noch in einem gewissen Umfang den genetischen Elternteil auswählen, aber nicht nach völlig frei gewählten Merkmalen. Wir hoffen, dass dies so bleibt. Eine Samenbank aus München lehnt eine solche Katalogbestellung sogar ausdrücklich ab: „Eine Kommerzialisierung der Samenspende durch optimierende Auswahlverfahren (z.B. nur Universitätsprofessoren und Leistungssportler) fördert die Cryobank-München deshalb ebenso wenig, wie anonymen Versandhandel übers Internet. Auch können Sie bei uns nicht aus Katalogen auswählen und bestellen.“

Noch handelt es sich bei den Katalogen um einen ungewöhnlichen Vorgang in Deutschland. Wir befürchten jedoch, dass in der Zukunft viele andere Samenbanken nachziehen könnten, um nicht in einen Wettbewerbsnachteil zu gelangen. Insbesondere müssen denkbare Steigerungen der Kommerzialisierung verhindert werden, zum Beispiel indem Rabatte für die Proben von wenig beliebten Spendern gewährt werden oder Samenbanken an Verkaufsaktionen wie dem „Black Friday“ mitwirken (beides ist in den USA bereits vorgekommen).

Der Verein Spenderkinder hat daher gegen die beiden Samenbanken mit Internet-Katalog eine Beschwerde bei den jeweiligen Aufsichtsbehörden eingereicht und hofft, dass diese entsprechende Maßnahmen ergreifen wird. Ganz allgemein halten wir es jedoch für erforderlich, dass sich Berufsverbände wie die Bundesärztekammer und der Arbeitskreis Donogene Insemination auch verstärkt damit beschäftigen, welche Art von Information zu Samenvermittlung zulässig ist bzw. wo die Grenze zwischen Werbung und Informationsvermittlung verläuft. In den derzeitigen Richtlinie finden sich hierzu keine Hinweise.

Wünschenswert wäre aus unserer Sicht eine Darstellung von Samenvermittlung, die einerseits Informationen über das Angebot der Familiengründung mit dem Samen eines Fremden bietet, gleichzeitig aber auch die daraus entstehende Verantwortung und Herausforderungen betont. Dazu gehört bei der Suche nach Samen abgebenden Personen unbedingt, dass diese durch die Samenabgabe der genetische Elternteil eines Kindes wird und dies Auswirkungen auf seine oder ihre weiteren Kinder haben kann. Gleichzeitig sollten die Wunscheltern informiert werden, dass das Kind im Wissen um seine Abstammung aufwachsen sollte und es möglicherweise später Kontakt zum genetischen Elternteil und Geschwistern haben möchte. Auf keinen Fall sollte eine Darstellung von Samenvermittlung erlaubt sein, die die vermeintlichen körperlichen und intellektuellen Vorzüge der Samen abgebenden Personen hervorhebt oder die vor allem den finanziellen Aspekt als Motivation anspricht.

  1. Artikel 12 Absatz 2: „Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass jede Werbung und sonstige Maßnahmen zur Förderung von Spenden menschlicher Gewebe und Zellen im Einklang mit den von den Mitgliedstaaten festgelegten Leitlinien oder Rechtsvorschriften stehen. Diese Leitlinien oder Rechtsvorschriften enthalten geeignete Beschränkungen oder Verbote, damit der Bedarf an menschlichen Geweben und Zellen oder deren Verfügbarkeit nicht in der Absicht bekannt gegeben werden, finanziellen Gewinn oder vergleichbare Vorteile in Aussicht zu stellen oder zu erzielen. Die Mitgliedstaaten streben danach, sicherzustellen, dass die Beschaffung von Geweben und Zellen als solche auf nichtkommerzieller Grundlage erfolgt.“ []
  2. Makoski, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 Recht der Reproduktionsmedizin, Rn. 99. []
  3. In Deutschland ist die Abgabe oder Vermittlung von Eizellen nicht erlaubt. []