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Samenspende und Reproduktionsmedizin in der Politik

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Abstammungsrechts und den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Kindschaftsrechts: Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht vom 15. Januar 2024

Am 16 Januar hat das Bundesministerium der Justiz zwei Eckpunktepapiere zur Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts mit Vorschlägen für neue Regeln im Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts.

Der Verein Spenderkinder bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Eckpunkten des Bundesministeriums für Justiz.

I. Der Verein Spenderkinder

Der Verein Spenderkinder vertritt die Interessen von durch Samen“spende“ (im Folgenden Samenvermittlung) gezeugten Menschen in Deutschland. Dabei repräsentiert er die Sicht der entstandenen Kinder auf Samenvermittlung und andere Formen der Familiengründung mit den Geschlechtszellen einer dritten Person wie Eizellvermittlung, Embryonenvermittlung und Leihmutterschaft. Zu den Zielen gehört insbesondere, andere Spenderkinder, Menschen mit Kinderwunsch und Menschen, die ihre Keimzellen abgeben, über die rechtlichen Rahmenbedingungen und psychologischen Herausforderungen dieser Arten der Familiengründung sowie über den aus Sicht des Vereins bestehenden rechtlichen Handlungsbedarf zu informieren.

II. Zusammenfassende Positionierung des Vereins Spenderkinder zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Abstammungsrechts und des Kindschaftsrechts

Der Verein Spenderkinder begrüßt viele der vorgesehenen Eckpunkte für eine Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts. So unterstützt der Verein Spenderkinder, dass Kinder von Eltern in homosexueller Ehe von Anfang an zwei rechtliche Elternteile haben, damit ihre Versorgung genauso gut abgesichert ist, wie die von Kindern, deren Eltern in heterosexueller Ehe leben. Vor demselben Hintergrund unterstützt der Verein Spenderkinder die Möglichkeit, Kindern durch eine Elternschaftsvereinbarung bereits präkonzeptionell einen zweiten Elternteil zuzuordnen.

Der Verein Spenderkinder begrüßt alle Bestrebungen, um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv zu sichern. Dazu gehört ein Vermerk im Geburtenregister, wenn eine Elternschaftsvereinbarung getroffen wurde oder ein Kind durch ärztliche Keimzellvermittlung entstanden ist. Auf diese Weise stellt das Kind spätestens bei einer Anmeldung zur Eheschließung fest, dass weitere Informationen zu seiner Abstammung vorliegen, und nur so ist es Behörden möglich, effektiv zu prüfen, ob Ehehindernisse, wie eine zu nahe Verwandtschaft, bestehen. Ebenfalls zur Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung gehört die Erweiterung des Samenspenderregisters um Daten zu Embryonenvermittlungen und um Daten aus ärztlicher Samenvermittlung vor 2018. Auch die Möglichkeit, die leibliche Abstammung mit einem mutmaßlichen leiblichen Elternteil gerichtlich feststellen zu lassen, ohne dazu wie bisher die rechtliche Vaterschaft anfechten zu müssen, ist ein wichtiger Schritt. Er ermöglicht es dem Kind, sein Recht auf Kenntnis der Abstammung wahrzunehmen, ohne dabei eine möglicherweise bestehende rechtliche Elternschaft zu dem zweiten Elternteil auflösen zu müssen.

Ferner begrüßt der Verein Spenderkinder das Umgangsrecht des Kindes mit seinen leiblichen Elternteilen als wichtiges Signal, dass das Kind Bedürfnisse entwickeln kann, die von den ursprünglichen Vereinbarungen seiner Elternteile abweichen. Zwar kann das Kind sein Recht auf Umgang mit einem leiblichen Elternteil in der Praxis nur dann wahrnehmen, wenn der leibliche Elternteil dazu bereit ist; möglicherweise ist der leibliche Elternteil aber dazu bereit, wenn er erfährt, dass das Kind Umgang wünscht, auch wenn er initial darauf verzichtet hat.

Kritisch sieht der Verein Spenderkinder, dass dem Kind die Möglichkeit genommen werden soll, die Zuordnung zu den rechtlichen Eltern anzufechten. Es dient gerade nicht dem Schutz der Rechte und Interessen des Kindes, ihm die bestehende Anfechtungsmöglichkeit seiner Zuordnung zu einem nicht genetisch verwandten Elternteil zu erschweren oder die Frist dazu zu verkürzen.

Ebenfalls nicht im Sinne des Kindes sind Elternschaftsvereinbarungen, bei denen ein genetischer Elternteil seine elterliche Verantwortung für das Kind abgibt, ohne dass ein zweiter rechtlicher Elternteil vorgesehen ist, der sie übernehmen möchte. Dies ist regelhaft bei Kindern von sogenannten Solo-Müttern der Fall. Gleichfalls dient es nicht der Absicherung des Kindes, wenn der rechtliche Elternteil neben der Geburtsmutter vereinfacht seine rechtliche Elternschaft ablegen kann, ohne dass eine andere Person als zweiter rechtlicher Elternteil des Kindes festgestellt wird.

An diesen Punkten zeigt sich, wie die Eckpunkte teilweise versuchen, die Wünsche von (Wunsch-)eltern auf Kosten der Rechte des Kindes abzusichern.

Stattdessen muss die Zuordnung der Elternschaft durch Ehe oder kraft Anerkennung – wie bisher auch – bei fehlender genetischer Verbindung durch das Kind anfechtbar bleiben. Ergänzend ist es erforderlich, dass das Kind die Mutterschaft der Geburtsmutter anfechten kann, wenn sie mit dem Kind nicht genetisch verwandt ist.

Zudem haben Kinder ein Recht auf zwei Elternteile. Daher sollte bei der Ausgestaltung der Reformideen darauf geachtet werden, dass allen Kindern ein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet wird.

Weitere Ergänzungen sind notwendig, um das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung effektiv zu sichern: Die relevanten Daten müssen im erweiterten Samenspenderregister nicht optional, sondern verpflichtend hinterlegt werden. Bei Spenderkindern, die vor 2018 gezeugt worden sind, muss alles Erforderliche getan werden, um zu ermitteln, ob die Daten über den genetischen Vater noch vorhanden sind. Die Samen vermittelnden Ärzt:innen und Kliniken sollten hier zu einer Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde verpflichtet werden. Auch Daten aus Keimzellvermittlung und Leihmutterschaft, die im Ausland durchgeführt worden sind, sollten wenn möglich im Spenderdatenregister aufgenommen werden. Auch reicht es nicht aus, dass die Daten für das Kind zugänglich sind, sondern das Kind muss aktiv in die Lage versetzt werden, von seinem Recht Gebrauch zu machen. Dazu sollten die rechtlichen Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder über deren Abstammung aufzuklären.

Dem Recht auf Umgang mit Halbgeschwistern folgend, sollte das Samenspenderregister zudem nicht identifizierende Informationen über Halbgeschwister bereitstellen sowie bei gegenseitigem Interesse Daten für eine Kontaktaufnahme vermitteln.

III. Im Einzelnen zu den Eckpunkten für eine Reform des Abstammungsrechts

1. Die Zuordnung der Elternschaft durch Ehe oder kraft Anerkennung muss bei fehlender genetischer Verbindung durch das Kind anfechtbar bleiben, unabhängig vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung

Vorgesehen ist, dass das Kind die Elternschaft der Person, die sich ihm durch eine Elternschaftsvereinbarung zugeordnet hat oder in die medizinisch unterstützte Befruchtung der Geburtsmutter mittels einer Samenspende eines Dritten eingewilligt hat, regulär nicht anfechten kann und dass es die Elternschaft des nicht genetischen Elternteils kraft Ehe oder Anerkennung nur dann erfolgreich anfechten kann, wenn keine sozial-familiäre Beziehung zu ihm besteht (Eckpunkte Abstammungsrecht, S. 12). Eine sozial-familiäre Beziehung wird vermutet, wenn eine Ehe zwischen der Mutter und dem Mann besteht (§ 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nicht im Interesse des Kindes.

Welche Bedeutung der weitere genetische Elternteil für das Kind hat, kann nur das Kind selbst entscheiden. Unter Umständen hat das Kind ein Interesse daran, dass ihm der zweite genetische Elternteil auch rechtlich zugeordnet wird. Es ist nachvollziehbar, dass sich Wunscheltern ihre Elternstellung absichern möchten. Hier dürfen jedoch nicht allein die Interessen der Wunscheltern ausschlaggebend sein. Das Kind muss weiterhin für eine gewisse Zeit ab der Volljährigkeit bzw. ab Kenntnis seiner Entstehungsweise, eine Möglichkeit zur Anfechtung von Elternschaft haben, wenn es mit dem ihm zugeordneten Elternteil nicht genetisch verwandt ist, unabhängig von einem sozial-familiären Miteinander im Alltag. Bei der Anfechtungsmöglichkeit geht es nicht darum, soziale oder Versorgungsbeziehungen abzubilden, sondern darum, die Autonomie des (erwachsengewordenen) Kindes zu wahren, nicht gegen seinen Wunsch einem anderen Menschen allein auf dessen Wunsch als Kind zugeordnet zu sein. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst nicht nur das Wissen darüber, von wem ein Mensch abstammt, sondern beinhaltet auch die rechtliche Abbildung der tatsächlichen biologischen Abstammungsverhältnisse.

Ferner gehen die Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts davon aus, dass Personen, die elterliche Verantwortung tragen, ein Kind regelhaft zu dessen Wohl pflegen und erziehen. Dies entbehrt völlig der Lebenserfahrung und ist geradezu zynisch gegenüber der Erfahrung von Spenderkindern, die – genau wie andere Kinder auch – alle Formen sozialer bzw. rechtlicher Eltern erleben. Der Wunsch, rechtlicher Elternteil zu werden, oder allein die Tatsache, mit der Geburtsmutter eines Kindes verheiratet zu sein, erlaubt keinen Rückschluss auf die grundsätzlichen oder sogar spezifischen Elternqualitäten eines Menschen gegenüber einem anderen. Die Möglichkeit des Kindes, sich aus einer willkürlichen Zuordnung nach den Wünschen der Eltern zu einem rechtlichen, aber nicht genetischen Elternteil durch Anfechtung zu lösen, muss wie bisher erhalten bleiben.

2. Elternschaftsvereinbarungen, bei denen niemand die zweite Elternstelle übernehmen soll, sind nicht im Interesse des Kindes – Kinder haben ein Recht auf zwei Elternteile

Durch Elternschaftsvereinbarungen soll künftig vor Zeugung eines Kindes rechtsverbindlich vereinbart werden können, welche Person neben der Geburtsmutter zweiter rechtlicher Elternteil eines Kindes wird.

Schon in der Vergangenheit hatte sich der Verein Spenderkinder für die Möglichkeit einer solchen präkonzeptionellen Elternschaftsvereinbarung eingesetzt, damit Kinder, die nicht in eine heterosexuelle Ehe geboren werden, materiell genauso gut abgesichert sind, wie Kinder in heterosexuellen Ehen, und von Beginn an zwei rechtliche Eltern haben.

Nach wie vor schlechter gestellt sind jedoch Kinder, bei denen die Geburtsmutter wünscht, dass neben ihr niemand die zweite rechtliche Elternstelle übernimmt. Zusammen mit dem Samenspenderregistergesetz wurde eingeführt, dass ein Mann, der Samen über eine Samenbank abgegeben hat, nicht als rechtlicher Vater festgestellt werden kann (§ 1600d Absatz 4 BGB). Bereits diese Regelung sieht der Verein Spenderkinder sehr kritisch, weil er durch ärztliche Samenvermittlung gezeugte Personen zu Menschen zweiter Klasse macht, die ihren genetischen Vater nicht offiziell als rechtlichen Vater feststellen lassen können. Begründet wurde dieser Ausschluss damit, dass regelmäßig der intendierte Vater die zweite rechtliche Elternstelle besetzen wolle.1 Als Folge vermitteln Samenbanken in Deutschland jedoch Samen an alleinstehende Personen. Die so gezeugten Kinder haben keinen zweiten rechtlichen Elternteil.

Die Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts sehen außerdem vor, dass der kraft Ehe mit der Geburtsmutter rechtliche Elternteil sich vereinfacht aus seiner rechtlichen Elternschaft lösen können soll, wenn er nicht genetischer Elternteil des Kindes ist und nicht mittels Elternschaftsvereinbarung oder Einwilligung in eine Befruchtung mit dem Samen einer dritten Person der Zeugung des Kindes zugestimmt hat. Das Kind hat dadurch nur noch einen rechtlichen Elternteil.

Kinder, auch Spenderkinder, haben ein grundsätzliches Recht auf zwei rechtliche Elternteile und dass die Feststellung eines genetischen Elternteils als rechtlicher Elternteil nicht von vornherein rechtlich ausgeschlossen wird. Auch das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass es ein Interesse des Kindes geben kann, „seinen leiblichen Vater nicht nur zu kennen, sondern ihn auch als Vater rechtlich zugeordnet zu erhalten“.2 Dieser Gesichtspunkt wurde bei § 1600d Absatz 4 BGB ignoriert – was zeigt, wie sehr sich der Diskurs im Abstammungsrecht an Elternwünschen orientiert. Es sollte bei dem Grundsatz bleiben, dass Menschen für die Kinder verantwortlich sind, die sie zeugen, egal ob innerhalb oder außerhalb einer Ehe.

Bei der Ausgestaltung der Reformvorschläge sollte daher darauf geachtet werden, dass Kindern auf jeden Fall ein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet wird.

3. Die Frist zur Anfechtung durch das Kind muss weiterhin mindestens zwei Jahre betragen

Der Verein Spenderkinder begrüßt es, dass die Anfechtungsfrist für heranwachsende Spenderkinder nicht vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres enden soll. Ansonsten ist vorgesehen, die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft bzw. Elternschaft für erwachsene Spenderkinder auf ein Jahr zu verkürzen. Dies ist nicht im Interesse des Kindes.

Auf Seiten des Kindes gibt es keinen Grund, die bestehende Anfechtungsfrist von zwei Jahren durch das Kind zu verkürzen. Dieser Zeitraum ist bereits sehr kurz, bedenkt man den Loyalitätskonflikt, den viele Spenderkinder spüren, wenn sie ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen möchten, die von denen ihrer Eltern abweichen. Nach wie vor erfahren viele Spenderkinder erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter von ihrer Entstehungsweise, teilweise unter sehr ungünstigen Umständen, z.B. indem ihnen DNA-Datenbanken Halbgeschwister anzeigen oder weil sie durch Krankheit oder Tod ihrer rechtlichen Eltern von deren Krankheitsgeschichte oder Blutgruppe erfahren, die eine leibliche Verwandtschaft ausschließen. Viele solch spät aufgeklärter Spenderkinder benötigen einige Zeit, um sich neu zu orientieren. Die vorgesehene Verlängerung der bisherigen Anfechtungsfrist für heranwachsende Spenderkinder wird damit begründet, dass sie vor einer übereilten Entscheidung geschützt werden sollen. Dieses Argument lässt sich übertragen auf Spenderkinder, die im Erwachsenenalter von ihrer Entstehungsweise erfahren. Die Frist zur Anfechtung muss daher weiterhin mindestens zwei Jahre betragen.

4. Anfechtung der Elternschaft der Geburtsmutter ermöglichen

Vorgesehen ist, dass das Kind künftig nicht nur wie bislang die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anfechten kann, wenn dieser mit ihm genetisch nicht verwandt ist, sondern auch die Mutterschaft der rechtlichen Mutter neben der Geburtsmutter.

Seit einigen Jahren finden in Deutschland jedoch auch Embryonenvermittlungen statt und Kinder werden nach Eizell- oder Embryonenvermittlung im Ausland in Deutschland geboren. Dadurch ist die austragende Person nicht mehr automatisch die genetische Mutter. Folglich sollte das Kind die Möglichkeit erhalten, auch die Mutterschaft der Geburtsmutter anzufechren, wenn es nicht genetisch verwandt mit ihr ist.

5. Erweiterung des Samenspenderregisters auch für Embryonenvermittlungen und „Leihmütter“ aus dem Ausland und verpflichtende Übernahme von Daten aus ärztlicher Samenvermittlung ab 1970

Vorgesehen ist, dass das Samenspenderregister, das bisher nur Daten zu ärztlicher Samenvermittlung im Inland ab 1. Juli 2018 erfasst, ausgebaut wird und künftig als Spenderdatenregister auch Daten über ärztliche Samenvermittlung aus der Zeit vor dem 1. Juli 2018 sowie private Samenvermittlung, Embryonenvermittlung und im Ausland durchgeführte Eizellvermittlung erfassen kann.

Der Verein Spenderkinder begrüßt diese Erweiterung. Um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv zu sichern, ist es notwendig, dass diese Daten nicht nur optional sondern verpflichtend beim Spenderdatenregister hinterlegt werden. Hier kommt es auch entscheidend darauf an, dass die Keimzellen vermittelnden Ärzt:innen sowie Kliniken zu einer Zusammenarbeit aufgefordert werden und die vorhandenen Daten weiterleiten. Zusätzlich sollten Daten über die genetischen Elternteile bei Embryonen- oder Keimzellvermittlung im Ausland und die Identität der austragenden Person von im Ausland durchgeführten Leihmutterschaften wenn möglich im Spenderdatenregister aufgenommen werden. Für Menschen, die vor dem Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes am 1. Juli 2018 gezeugt wurden, sollten die bei Ärzt:innen und Kliniken oder privaten Notar:innen noch vorhandenen Daten der genetischen Elternteile an das Spenderdatenregister übertragen werden, ohne dass es dabei auf das Einverständnis der genetischen Elternteile ankommt. Die Bundesärztekammer wies bereits mit Zulassung der ärztlichen Samenvermittlung im Jahr 1970 auf das unverzichtbare Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hin und machte explizit, dass Ärzte die Identität des „Spenders“ nicht verschweigen dürfen.3 Dies war Reproduktionsmedizinern auch bekannt.4 Da insbesondere Spenderkinder, die bis Mitte der 1990er Jahre gezeugt wurden, häufig auf wenig Kooperationsbereitschaft bei den zuständigen Ärzt:innen und Kliniken treffen, wären ergänzend konkrete Maßnahmen umzusetzen, die Reproduktionsmediziner:innen und Kliniken in die Pflicht nehmen, dass sie Unterlagen von vor 2018 auch tatsächlich an das Register übergeben.

IV. Im Einzelnen zu den Eckpunkten für eine Reform des Kindschaftsrechts

1. Recht auf Umgang mit Halbgeschwistern

Die Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts erinnern daran, dass Kinder ein Recht auf Umgang mit ihren Geschwistern haben.

Der Verein Spenderkinder begrüßt diesen Hinweis. Viele Spenderkinder wünschen sich Informationen über ihre Halbgeschwister, z.B. wie viele sie insgesamt haben und erleben Kontakt zu ihnen als bereichernd.5. Das Samenspenderregister sollte daher grundsätzlich auch Auskunft über nicht identifizierende Informationen wie z. B. die Anzahl und die Geburtsjahre geben und bei gegenseitiger Einwilligung der betroffenen Personen auch Daten zur Kontaktaufnahme vermitteln.

2. Spenderkinder müssen in die Lage versetzt werden, ihr Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung geltend zu machen

Der Verein Spenderkinder begrüßt, dass die Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts vorsehen, dass ein Kind einen einfachen Anspruch auf Informationen über seine Abstammung gegen seine Eltern geltend machen kann, um das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung besser als bisher zu schützen.

Dieser Auskunftsanspruch bringt jedoch wenig, wenn eine Person nicht weiß, dass sie durch Samenvermittlung gezeugt wurde. Nach einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2016 wissen nur etwa 20 % der Spenderkinder von ihrer Zeugungsart.6 Das Recht auf Kenntnis der Abstammung zu sichern, bedeutet auch, dass die Inhaber dieses Rechts in die Lage versetzt werden, ihr Recht effektiv auszuüben.7 Das ist auch wichtig in Bezug auf mögliche vererbte Gesundheitsrisiken und mögliche Ehehindernisse durch zu nahe genetische Verwandtschaft. Um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv zu sichern, muss daher klargestellt werden, dass rechtliche Eltern als Teil ihrer sorgerechtlichen Verpflichtung verpflichtet sind, ihre Kinder über deren Abstammung aufzuklären und ihnen entsprechende Auskünfte zu geben. Das würde auch für Adoptierte und so genannte „Kuckuckskinder“ gelten. Da sich das Befolgen einer solchen Verpflichtung nicht überprüfen lässt, wären ergänzend weitere konkrete Maßnahmen notwendig, die gewährleisten, dass Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihrer Entstehungsweise erfahren.

  1. Siehe BT-Drs. 18/11291, S. 35 zur Begründung des neuen § 1600d Absatz 4 BGB: „Bisher kann ein solcher Samenspender als genetischer Vater gemäß § 1600d Absatz 1 als rechtlicher Vater des mittels des gespendeten Samens gezeugten Kindes festgestellt werden, obgleich er bei Abgabe der Spende an die Entnahmeeinrichtung und damit für ihn regelmäßig unbekannte Paare mit Kinderwunsch keinerlei elterliche Verantwortung übernehmen wollte. Vielmehr will regelmäßig der intendierte Vater die elterliche Verantwortung übernehmen; Ziel ist daher die Zuordnung des Kindes zu ihm, weil damit dem Kindeswohl regelmäßig am besten gedient ist (…) []
  2. BVerfG, Beschluss vom 9. 4. 2003 – 1 BvR 1493/96 u.a. = NJW 2003, 2151, 2154. []
  3. Bundesärztekammer (1970). Entschließungen und Beschlüsse. Deutsches Ärzteblatt, 24, S. 1982. []
  4. Katzorke, T. & Propping, D., 1985. Voraussetzungen und Ergebnisse der heterologen (donogenen) Insemination. Pro familia magazin 3, 20-22. []
  5. Scheib, J. E., McCormick, E., Benward, J. & Ruby, A. (2020). Finding people like me: contact among young adults who share an open-identity sperm donor, Human Reproduction Open, 2020(4), hoaa057, https://doi.org/10.1093/hropen/hoaa057 []
  6. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 9. []
  7. Straub, C., (2023). „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?“ – Überlegungen zur Reform des Abstammungsrechts. FamRZ, 12. []

Eckpunkte zur Reform des Abstammungsrechts und des Kindschaftsrechts am 16. Januar 2024 veröffentlicht

Das Bundesministerium der Justiz hat am 16. Januar 2024 zwei Eckpunktepapiere zur
Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier
zur Reform des Kindschaftsrechts
mit Vorschlägen für neue Regeln im
Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur
Reform des Abstammungsrechts
. Die wichtigsten vorgesehenen Veränderungen sind in der Pressemitteilung des Ministeriums zusammengefasst.

Die jetzt vorgelegten Eckpunktepapiere beschreiben ausführlich die Veränderungspläne des Ministeriums. Es handelt sich aber noch nicht um Gesetzesentwürfe.

Für uns Spenderkinder sind besonders die Pläne zur Veränderung des Abstammungsrechts interessant. So ist z.B. vorgesehen, dass ein familiengerichtliches Feststellungsverfahren eingeführt wird, mit dem die leibliche Abstammung festgestellt werden kann, ohne dass ein (Spender-)Kind vorher die Zuordnung zu seinem rechtlichen Vater anfechten muss (wie bisher). Außerdem soll das Samenspenderregister erweitert werden und auch Daten zu Altfällen (d.h. Unterlagen von vor 2018), Embryonenspenden und private Samenspenden erfassen.

Sehr große Halbgeschwistergruppen sind weltweit ein Thema – ein Beitrag im Deutschlandfunk vom 11. Juni 2023

Im Deutschlandfunkbeitrag Spenderkinder auf Spurensuche. Vater, Mutter, Massenprodukt (1/2): Überall Halbgeschwister vom 11. Juni 2023 geht es um ein Thema, das auch in Deutschland immer offensichtlicher wird: DNA-Datenbanken decken auf, dass in den letzten Jahrzehnten sehr große Halbgeschwistergruppen entstanden sind.

Die Bundesärztekammer empfahl von 2006 bis 2018 eine Begrenzung auf maximal 10 Kinder pro „Spender“1 und der Arbeitskreis für Donogene Insemination, ebenfalls seit 2006, eine Begrenzung auf maximal 15 Kinder pro „Spender“2. Diese Parallelität wirft nebenbei die Frage auf, für wen die Begrenzung der Bundesärztekammer gelten sollte, wenn nicht für die Mitglieder des Arbeitskreises für Donogene Insemination.

Nach wie vor gibt es in Deutschland keine verbindliche Begrenzung. Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass sowohl in der Vergangenheit als auch gegewärtig sehr große Halbgeschwistergruppen entstehen. Neben einer verbindlichen Begrenzung wünschen wir uns, dass Reproduktionsmediziner und Samenbanken offenlegen, mit wie vielen Halbgeschwistern unsere Mitglieder aus den verschiedenen Entstehungsorten rechnen können.

  1. (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion – Novelle 2006. Deutsches Ärzteblatt, 103(20), A 1397. – In der aktuellen Version der „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistiertenReproduktion“ aus dem Jahr 2018 findet sich keine Aussage mehr zu einer Obergrenze. Grund hierfür ist, dass der Vorstand der Bundesärztekammer m Februar 2015 beschlossen hatte, die medizinisch- wissenschaftlichen Fragestellungen klar von den gesellschaftspolitischen Aspekten zu trennen. []
  2. Richtlinien des Arbeitskreises für Donogene Insemination zur Qualitätssicherung der Behandlung mit Spendersamen in Deutschland, S. 25. []

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme von Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats

Kommissionsdokument COM(2022) 695 final (Interinstitutionelles Dossier 2022/0402 (CNS))
vom 7. Dezember 2022

Stellungnahme am 22. Februar 2023 an das Bundesministerium der Justiz übermittelt

Der Verein Spenderkinder bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem Vorschlag für die Verordnung des Rates.

I. Der Verein Spenderkinder

Der Verein Spenderkinder wurde im Jahr 2009 gegründet und arbeitet rein ehrenamtlich. Er vertritt die Interessen von durch Samen“spende“ gezeugten Menschen in Deutschland. Dabei repräsentiert er die Sicht der betroffenen Kinder auf Samenspende und andere Formen der Familiengründung mit den Geschlechtszellen einer dritten Person wie Eizellspende, Embryonenadoption und Leihmutterschaft. Zu den Zielen gehört insbesondere, andere Spenderkinder, Menschen mit Kinderwunsch und Spender über die rechtlichen Rahmenbedingungen und psychologischen Herausforderungen dieser Arten der Familiengründung sowie über den aus Sicht des Vereins bestehenden rechtlichen Handlungsbedarf zu informieren.

II. Verordnungsvorschlag

Der Verein Spenderkinder sieht die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Anerkennung der in einem Mitgliedstaat wirksam anerkannten Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten sowie die vorgesehenen Bestimmungen über das anzuwendende Recht bei der Begründung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen kritisch. Zwar wird das im Vorschlag geäußerte Anliegen begrüßt, eine Gleichstellung von LGBTIQ-Personen und insbesondere von Eltern gleichen Geschlechts (zum Beispiel durch eine innerstaatliche Adoption) zu erreichen. Dies sollte jedoch nicht dadurch erreicht werden, dass die Interessen und Rechte der Kinder übergegangen werden, indem alle Formen der Begründung von Elternschaft gleich behandelt werden. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder dient die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten nicht den Interessen und Rechten des Kindes, sondern viel mehr den Interessen der Eltern. Das zeigt sich auch darin, dass die EU-weite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft vor allem als Schlüsselmaßnahme für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen wahrgenommen wird.1 Zudem zeigt auch die Einführung eines als „Elternschaftszertifikat“ bezeichneten Dokuments, dass der Verordnungsvorschlag auf eine Absicherung der Rechte der Eltern abzielt. Die Bezeichnung zeigt, dass es nicht in erster Linie um die Rechte des Kindes geht, sondern um die der „Wunscheltern“.

Mit dem Vorschlag für eine Verordnung sollen Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Anerkennung von Elternschaft in den Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Als vorrangiges Ziel des Vorschlages wird der Schutz der Grundrechte und anderer Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen genannt. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder werden die Rechte des Kindes durch die Bestimmungen des Verordnungsvorschlags jedoch nicht ausreichend gewürdigt. Bei dem Vorschlag stehen nicht die Rechte des Kindes im Vordergrund, sondern die Rechte der Eltern, die eine Anerkennung ihrer Elternschaft ohne erheblichen Aufwand in den Mitgliedstaaten der EU unabhängig von divergierenden Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten erreichen können sollen. Dadurch besteht die Gefahr, dass innerstaatliche Verbote und Regulierungen umgangen werden können.

Der Vorschlag setzt sich aus Sicht des Vereins Spenderkinder nicht vertieft mit den Rechten der Kinder auseinander, die mithilfe von reproduktionstechnischen Maßnahmen entstanden sind und nimmt keine Unterscheidungen zwischen verschiedenen Konstellationen von Elternschaft vor. Er unterscheidet nicht zwischen genetischer Elternschaft, Eltern, die ein Kind innerstaatlich adoptiert haben und zwischen Eltern, die ein Kind mittels Eizellspende oder Leihmutterschaft erhalten haben. Insbesondere werden die Schwierigkeiten nicht adressiert, die sich aus einer solchen Zeugungsart und der Anerkennung der Elternschaft für die Kinder ergeben. Damit genügt die Kommission ihren eigenen Anforderungen an eine „gute Gesetzgebung“, die empirische Evidenz für Gesetzesvorhaben verlangt, nicht. Der Verein Spenderkinder steht insbesondere der Eizellspende und der Leihmutterschaft aufgrund der Verletzung des Kindeswohls und der Rechte der Person, die ihre Eizellen abgibt bzw. das Kind zur Welt bringt, äußerst kritisch gegenüber (siehe Position des Vereins Spenderkinder zur Leihmutterschaft).

Eine unterschiedslose Regulierung von allen Formen der Elternschaft, ist nach der Ansicht des Vereins Spenderkinder abzulehnen. Sie dient nicht dem Interesse des Kindes, sondern führt zur Anerkennung von Praktiken, die von einzelnen Mitgliedstaaten bewusst abgelehnt werden. Dies führt dazu, dass Elternschaften anerkannt werden müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat gerade aufgrund der Verletzung des Kindeswohls sowie der Grundrechte von anderen in den Vorgang der Zeugung involvierten Personen verhindert werden sollen. Der vorgegebene Zweck des Verordnungsvorschlags würde damit in sein Gegenteil verkehrt. Die Europäische Union muss im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz und der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten, unterschiedliche Praktiken in den Mitgliedstaaten beachten.

III. Im Einzelnen

1. Die Vermeidung von zeit- und kostenaufwendigen Gerichtsverfahren zur Anerkennung von Elternschaft ist nicht im Interesse des Kindes

Der Vorschlag soll auch zu Rechtssicherheit und Berechenbarkeit bezüglich der Begründung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und der Anerkennung der Elternschaft beitragen und die Gerichtskosten für die Mitgliedstaaten und Familien in Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren zur Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat senken. Zeit- und kostenaufwendige Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft sollen verhindert werden. Diesbezüglich stellt sich aus Sicht des Vereins Spenderkinder wiederum die Problematik der mangelnden Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen der Begründung von Elternschaft. Insbesondere können Samen-, Eizell-, Embryonen“spende“ und Leihmutterschaft zu erheblichen Identitätskonflikten für das Kind führen. Das gilt insbesondere dann, wenn die „Spende“ primär finanziell motiviert ist und die Kinder kein Recht haben zu erfahren, von wem sie genetisch abstammen.

Im Fall der Inanspruchnahme von assistierter Reproduktion (insbesondere der Inanspruchnahme einer Keimzellen“spende“ oder einer Leihmutterschaft) kann gerade die Aussicht auf ein erforderliches Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten dazu führen, dass sich „Wunscheltern“ intensiv mit dieser Art der Familiengründung auseinandersetzen, sich über alternative Methoden der Kinderwunscherfüllung informieren und das Kindeswohl in den Mittelpunkt ihrer Entscheidung stellen. Eine Anerkennung jeglicher Form von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen ohne erheblichen Aufwand für die „Wunscheltern“ kann dagegen dazu führen, dass diese die medizinischen, psychologischen und ethischen Bedenken hinsichtlich der einzelnen Reproduktionsmaßnahmen weniger in ihre Entscheidung miteinbeziehen und die Rechte des Kindes nicht ausreichend würdigen.

2. Unionsweite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft ist nicht im Interesse und zum Wohl des Kindes

Wie der Verordnungsvorschlag ausführt, sind die Mitgliedstaaten bereits verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft für die Zwecke der Ausübung von aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte anzuerkennen. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass jeder Mitgliedstaat das Eltern-Kind-Verhältnis anerkennen muss, damit das Kind mit jedem Elternteil das in Art. 21 Abs. 1 AEUV garantierte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, uneingeschränkt ausüben kann und darüber hinaus auch alle Rechte ausüben kann, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt.2 Mit dem Vorschlag wird darüber hinaus eine Anerkennung der Elternschaft für alle Zwecke beabsichtigt. Hierbei soll die unionsweite Anerkennung der Elternschaft auch zur Durchsetzung der Rechte führen, die sich aus nationalem Recht herleiten. In seinen Erwägungsgründen beruft sich der Verordnungsvorschlag auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes.3 Demnach ziele der Verordnungsvorschlag darauf ab, das Recht des Kindes auf Identität (Art. 8 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes), Nichtdiskriminierung (Art. 2 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes) und auf Privat- und Familienleben (Art. 9 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes) zu wahren.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder verkennt der Verordnungsvorschlag hierbei, dass es gerade im Interesse des Kindes ist, die Abstammung zu seinen genetischen Eltern zu kennen und zu diesen auch Kontakt pflegen zu können. Die genetische Abstammung macht einen wesentlichen Teil der Identität jedes Kindes aus und einer gezielten Spaltung von genetischer und sozialer Elternschaft durch die Inanspruchnahme von Reproduktionstechniken steht der Verein der Spenderkinder kritisch gegenüber. Diese Rechte der Kinder klammert der Verordnungsvorschlag jedoch vollständig aus. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ist eine unterschiedslose Behandlung von unterschiedlichen Formen der Begründung von Elternschaft (genetische Elternschaft, Elternschaft durch innerstaatliche Adoption, Elternschaft durch Verwendung von Keimzellen“spenden“ oder Leihmüttern) nicht gerechtfertigt.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder verspüren bei einer unterschiedlichen Anerkennung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen primär die Eltern Nachteile. Der Verordnungsvorschlag setzt sich nicht vertieft mit den möglichen negativen Auswirkungen für die Kinder auseinander. Vielmehr wird unterstellt, dass die Nachteile für die Eltern gleichzeitig Nachteile für die Kinder darstellen. Er geht nicht darauf ein, ob die mit dem Vorschlag verbundenen Vorteile die mit ihm verbundenen Nachteile überwiegen. Die Wahrung der Rechte des Kindes kann auch durch andere Regelungen sichergestellt werden. Eine unionsweite Anerkennung jeglicher Form von Elternschaft ist hierzu nicht im Interesse des Kindes und auch nicht erforderlich.

3. Eine unionsweite Anerkennung von Elternschaften führt auch zur Anerkennung von Elternschaften, die zum Schutz des Kindes und der Person, die das Kind zur Welt bringt, in anderen Mitgliedstaaten verboten sind

Besonders problematisch sind aus Sicht des Vereins Spenderkinder die Regelungen des Kapitel III über das anzuwendende Recht. Art. 17 Abs. 1 des VO-Vorschlags bestimmt, dass auf die Begründung der Elternschaft das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder subsidiär das Recht des Staates, in dem das Kind geboren wurde. Bei einer Leihmutter wäre dies der Staat, in dem Leihmutterschaft zulässig ist und die Regelung müsste in anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Diese Vorschrift kann bereits dazu führen, dass Formen der Begründung von Elternschaft, die durch den Verein Spenderkind deutlich abgelehnt werden4, unionsweit anerkannt werden müssen.

Die Regelungen im Bereich der Reproduktionsmedizin divergieren stark zwischen den Ländern. Insbesondere die Leihmutterschaft ist in vielen Mitgliedstaaten verboten, weil sie Kinder zu handelbaren Objekten macht und Schwangerschaft als Dienstleistung kommerzialisiert. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellte, berühren reproduktionsmedizinische Techniken schwierige Fragen der Moral und Ethik und betreffen damit einen Bereich, in denen es keine gemeinsame Vorstellung der Konventionsstaaten gibt.5 Die Regelungen eines Mitgliedstaates zur Begründung von Elternschaft in den Fällen der Erzeugung eines Kindes mithilfe reproduktionsmedizinischer Techniken berühren das Grundverständnis jedes einzelnen Mitgliedstaates und aufgrund des engen Bezugs zur Menschenwürde gleichzeitig die Verfassungsautonomie und -identität. Sie spiegeln damit einen gesellschaftlichen Konsens über höchst komplexe und kulturell-, sozial- und politisch-verwurzelte Fragen der Bioethik wieder. Ein solcher Konsens über bestimmte Fragen der rechtlichen und ethischen Bewertung der Reproduktionsmedizin ist bereits innerhalb einzelner Mitgliedstaaten fraglich. Der Verordnungsvorschlag führt in seiner Begründung aus, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, dass alle Mitgliedstaaten die in Art. 2 EUV festgelegten Werte teilen, eine Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat rechtfertige.6 Damit schreitet die Kommission in ihrem Weg voran, Art. 2 EUV als föderale Homogenitätsklausel umzudeuten.7 Ein solches Verständnis von Art. 2 EUV beraubt die Mitgliedstaaten ihre genuine, in ihrer Staatlichkeit angelegte Verfassungsautonomie.

In einigen Mitgliedstaaten werden entgegen des Interesses des zu zeugenden Kindes Ei- und Samenzellen kommerziell und anonym gehandelt, die betroffenen Kinder haben kein Recht, Informationen über ihre genetische Eltern zu erhalten. In anderen Mitgliedsstaaten wie z. B. Griechenland dürfen sind „altruistische“ Leihmutterschaften zulässig, die Voraussetzungen werden Berichten zufolge jedoch kaum kontrolliert, so dass sich de facto doch eine Kommerzialisierung entwickelt hat.8 Durch den Verordnungsvorschlag müssten auch diese Begründungen von Elternschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat bewusst abgelehnt werden, dort anerkannt werden. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ergeben sich hieraus erhebliche Bedenken in Bezug auf den Subsidiaritätsgrundsatz und den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung sowie die Verfassungsautonomie und -identität der Mitgliedstaaten. Die Anerkennung der Souveränität der Mitgliedstaaten wird durch die Forderung einer Anerkennung von materiell-rechtlichen Regelungen über die Begründung von Elternschaft in Frage gestellt, wenn in grenzüberschreitenden Fällen eine fragwürdige – und nach Verständnis des Mitgliedstaates rechtswidrigen – Gesetzgebung im Bereich des Familienrechts den anderen Mitgliedstaaten aufgedrängt wird.

4. Universelle Anwendung des Rechts führt zu Anerkennung von Elternschaften, die mit den Grundsätzen des EU-Rechts nicht vereinbar sind

Verschärft wird das unter III. 2. dargelegte Problem dadurch, dass Art. 16 des VO-Vorschlags vorsieht, dass das nach dem Verordnungsvorschlag als anzuwendende Recht bezeichnete Recht auch dann anzuwenden ist, wenn es sich um das Recht eines Drittstaates handelt (Universelle Anwendung des Rechts). Demnach betrifft dies auch das Verfahren, nach dem Leihmutterschaften in Nicht-EU-Staaten anerkannt werden können. In der EU ist gemäß der Geweberichtline von 20049 ein Handel mit Gewebe und Organen nicht zulässig. Damit ist jede Form des kommerziellen Handels mit Ei- und Samenzellen untersagt. Die Regelungen eines Drittstaates über die Begründung von Elternschaft sind gemäß dem Verordnungsvorschlag jedoch anzuerkennen, selbst wenn ein Handel mit Ei- und Samenzellen stattgefunden hat. Da der gewöhnliche Aufenthaltsort der gebärenden Person für das anzuwendende Recht ausschlaggebend ist, muss auch eine Leihmutterschaft, die in einem Drittstaat durchgeführt worden ist, anerkannt werden. Dies steht in einem erheblichen Konflikt zu den Grundsätzen der EU und führt de facto dazu , dass Verfahren anerkannt werden, die die zMenschenwürde (Art. 1 GRCh, Art. 1 Abs. 1 GG) verletzen, weil Kinder als handelbare Objekte behandelt werden und Schwangerschaft als Dienstleistung. s

5. Unionsweite Anerkennung von Elternschaft führt zu einer Steigerung des globalen „Reproduktionstourismus“

Der Verordnungsvorschlag kann dazu führen, dass der sogenannte „Reproduktionstourismus“ in der EU noch weiter gesteigert wird und „Wunscheltern“ für die Verwirklichung ihres Kinderwunsches mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen in EU-Mitgliedstaaten reisen, die schwächere Regulierungen zum Schutz des Kindes aufweisen, um eine unionsweite Anerkennung ihrer Elternschaft sicherzustellen – und damit auch in dem Staat, in dem sie eigentlich ansässig sind. Dies würde zu einem „race to the bottom“-Effekt auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin führen.

Aufgrund der Anwendung des Rechts von Drittstaaten kann der Verordnungsvorschlag sogar dazu führen, dass der sogenannte „Reproduktionstourismus“ weltweit noch gesteigert wird und „Wunscheltern“ in Drittstaaten reisen, in denen Reproduktionsmedizin völlig unreguliert stattfindet und die Rechte der Kinder nicht geschützt werden und die Personen, die die Kinder zur Welt bringen, ausgebeutet werden. Auch auf globaler Ebene könnten die vorgeschlagenen Regelungen zu einem „race-to-the-bottom“-Effekt im Bereich der Regulierungen der Reproduktionsmedizin führen.

6. Ausschlussgründe vage und rechtsunsicher

Der Verordnungsvorschlag sieht eine Möglichkeit vor, die Anwendung einer Vorschrift des nach der Verordnung bestimmten Rechts zu versagen, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 22 Abs. 1 des VO-Vorschlags). Diese Ausnahme von der Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaates ist aber äußerst vage und unbestimmt. Der Vorschlag sieht hingegen vor, dass Mitgliedstaaten eine Ausnahme nicht anwenden können, um das Recht eines anderen Staates unangewendet zu lassen, wenn dies gegen die Charta verstößt (Art. 22 Abs. 2 des VO-Vorschlags). In der Begründung heißt es, dass die Ausnahme nicht gilt, um eine Rechtsvorschrift eines anderen Staates abzulehnen, in dem eine Elternschaft von zwei gleichgeschlechtlichen Eltern möglich ist (Seite 18 der Begründung). Darüber hinaus schweigt der Vorschlag über die Möglichkeiten von Ausnahmen.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ist die Regelung des Art. 22 VO-Vorschlags zur Ausnahme aufgrund eines offensichtlichen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu vage. Es bleibt unklar, wann eine Ausnahme eingreifen kann und wann sich ein Mitgliedstaat nicht auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung berufen kann. Daher sollte das Verbot von Leihmutterschaft hier zumindest ausdrücklich als ein Grund aufgenommen werden, auf den sich die Mitgliedsstaaten als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung berufen können.

7. Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, öffentlicher Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung, die Annahme öffentlicher Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung und die Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats bergen dieselben Problematiken

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder sind die weiteren Regelungen zu einer unionsweiten Anerkennung von Elternschaft ebenfalls fragwürdig. Auch eine Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und von öffentlichen Urkunden durch einen Mitgliedstaat, mit denen die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat begründet wird, führt dazu, dass Formen von Elternschaften anerkannt werden müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat bewusst zum Wohl des Kindes abgelehnt werden. Wiederum ist laut Verordnungsvorschlag eine Versagung der Anerkennung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) möglich, die jedoch nur ausnahmsweise und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen darf und nicht unter abstrakten Gesichtspunkten (vgl. S. 19 der Begründung des Verordnungsvorschlages).

8. Allgemeine Bemerkungen

In einigen Mitgliedsstaaten wie z. B. Spanien, Dänemark und Tschechien sind anonyme Samen- und Eizellenspenden nach wie vor zulässig und werden recht offensichtlich kommerzialisiert. Daher verwundert es doch stark, dass die Kommission nur einen Vorschlag über eine unionsweite Anerkennung solcher Praktiken vorlegt und nicht wenigstens gleichzeitig sicherstellt, dass durch Samen- und Eizellspenden gezeugte Menschen ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung, das auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt wird, auch tatsächlich verwirklichen können. Diesen Aspekt sollte die Bundesregierung daher bei den Verhandlungen zu dem Verordnungsvorschlag einbringen.

Die Bundesregierung sollte sich außerdem bemühen, dass der Leihmutterschaftstourismus in Drittstaaten unterbunden wird, in denen Leihmutterschaft kommerzialisiert durchgeführt wird und die Rechte der Kinder und Leihmütter nicht ausreichend geschützt werden. Die derzeitige Haltung beschränkt sich leider allgemein auf den Hinweis, dass man Wunscheltern entsprechende Verträge im Ausland nicht verbieten könne – und wenn das Kind geboren wurde darauf, dass man das Kind schützen müsse und daher eine Anerkennung zumindest dann zulässig sein müsse, wenn es sich um eine mit einer Gerichtsentscheidung begründeten Elternschaft handelt. Damit wird jedoch eine Situation geschaffen, in der man einen Rechtsbruch für diejenigen Wunscheltern in Deutschland legalisiert, die genug Geld und Zeit investieren. Das wird dann wiederum als Begründung herangezogen, warum Leihmutterschaft (zumindest „altruistisch“) auch in Deutschland erlaubt werden sollte. Die Bundesregierung sollte daher von den Staaten fordern, die derzeit die Hotspots des Leihmutterschaftstourismus darstellen, dass sie ihre „Leistungen“ nur noch an im Inland ansässige Personen vermitteln. Kinder und Schwangerschaft sollten kein Exportgut sein.

1 Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 (COM(2020) 698 final), S. 21.

2VO-Vorschlag, Erwägungsgrund 2.

3Position des Vereins Spenderkinder zu Leihmutterschaft: https://www.spenderkinder.de/leihmutterschaft/

4 EGMR (Große Kammer), Urt. v. 3. 11. 2011 – 57813/00 (S. H. u. a. / Österreich).

5 VO-Vorschlag, Erwägungsgründe Ziff. 21.

6 Nettesheim, EuR 2022, 525 (533 ff.).

7 EG-Richtlinie 2004/23/EG.

8Vgl. Zeit Online vom 24. Mai 2019: Das ist nicht ihr Baby, https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-05/leihmuetter-griechenland-babys-kinderlose-paare-deutschland/komplettansicht

9Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, V.M.S./Stolincha obshtina, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008.

Die Position des Vereins Spenderkinder zu Leihmutterschaft

Leihmutterschaft1 ist ein viel diskutiertes Thema, manche fordern die Zulassung zumindest „altruistischer“ Leihmutterschaft auch in Deutschland. Der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP sieht die Einsetzung einer Kommission vor, die die Möglichkeit der Zulassung von „Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft“ (wir bevorzugen die neutraleren Begriffe „Eizellvermittlung und nicht-kommerzielle Leihmutterschaft“) in Deutschland prüfen soll.

Der Verein Spenderkinder lehnt Leihmutterschaft ab, weil diese gegen die Interessen und gegen die Würde des Kindes verstößt und Menschen zu Handelsobjekten macht. Außerdem verstößt sie häufig gegen die Interessen der Person, die das Kind austrägt. Die Ablehnungsgründe möchten wir in diesem Artikel etwas ausführlicher erklären.

1. Was ist Leihmutterschaft?

Eine Leihmutter trägt bewusst ein Kind für ein Paar oder eine Einzelperson aus und gibt das Kind nach der Geburt an diese ab, üblicherweise gegen Geld oder eine Aufwandsentschädigung.2 Der Begriff der „Leihmutter“ ist beschönigend, weil eine Leihe unentgeltlich ist. Zutreffender wäre eigentlich „Mietmutter“ (um die Entgeltlichkeit zu betonen) bzw. biologische Mutter oder biologischer Elternteil. Wir verwenden den Begriff „Leihmutter“ in diesem Text trotzdem, weil er bekannt ist.

Grund für eine Leihmutterschaft sind meistens Probleme der Wunscheltern, ein Kind selbst auszutragen, oft wegen Fehlbildungen der Gebärmutter oder weil keine Gebärmutter vorhanden ist, aber auch Autoimmunerkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente. Zumindest bei sehr erfolgreichen Menschen sind auch Fälle bekannt, bei denen die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit durch eine Schwangerschaft vermieden werden sollte3.

Wenn die eigenen Eizellen der Leihmutter befruchtet werden, ist die das Kind austragende Person nicht nur biologischer Elternteil, sondern auch genetischer Elternteil des Kindes (auf englisch bezeichnet als „traditional surrogacy“). Diese Form ist heute kaum noch üblich, weil auf Grund der genetischen Verwandtschaft zu dem Kind die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sich die Leihmutter zu sehr an das Kind gebunden fühlt und es nicht abgeben möchte4. In der heute fast ausschließlich angewandten Form trägt die Leihmutter einen mit den Eizellen einer anderen Person gezeugten Embryo aus (etwas beschönigend als „gestational surrogate“ bezeichnet). Es handelt sich für die austragende Person also um ein genetisch fremdes Kind. Die Eizelle kommt meist entweder von einem Wunschelternteil oder von einer weiteren Person, die ihre Eizellen abgegeben hat.

Die Leihmutter wird für das Austragen des Kindes üblicherweise bezahlt (kommerzielle Leihmutterschaft). Der gezahlte Preis hängt von dem Einkommensniveau des Landes ab. In einigen Ländern wie Großbritannien und Griechenland ist nur eine nicht kommerzielle („altruistische“) Leihmutterschaft erlaubt, bei der die Leihmutter nur eine „Aufwandsentschädigung“ erhält. Allerdings muss in diesen Fällen genauer hingesehen werden, wie hoch diese Aufwandsentschädigung auffällt und inwiefern überhaupt kontrolliert wird, dass nicht illegal doch eine Bezahlung vereinbart wird.5

Da genetische bzw. biologische und soziale Elternschaft geplant auseinander fallen, sind Kinder aus Leihmutterschaft Spenderkinder. Das Besondere an der Leihmutterschaft ist dabei, dass vor der Zeugung bereits geplant wird, dass das entstandene Kind nach der Geburt von seiner biologischen Mutter getrennt und anderen Personen übergeben wird. Im Unterschied dazu werden bei einer Adoption geeignete Aufnahme-Eltern für ein bereits gezeugtes oder geborenes Kind gesucht, weil es nicht bei den Geburtseltern bleiben kann. Bei der Vermittlung von Samen- bzw. Eizellen  werden nur die jeweiligen Geschlechtszellen übergeben und nicht ein geborenes Kind. 

2. Rechtslage

2.1 Deutschland

Die Vermittlung von Leihmutterschaft ist in Deutschland strafbar.6 Bestraft werden allerdings nur Vermittler*innen und Ärzt*innen, nicht die Wunscheltern oder die Leihmutter. Ebenfalls nicht erlaubt ist die Vermittlung von fremden Eizellen, die in vielen Fällen zur Leihmutterschaft dazukommt. Nicht bestraft werden allerdings Wunscheltern, die eine Leihmutter in anderen Ländern engagieren. 

Verträge über Leihmutterschaft sind in Deutschland sittenwidrig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen7 und weil sie das entstehende Kind zum Handelsobjekt machen, was es in seiner grundrechtlich garantierten Würde verletzt. Entsprechende Verträge können daher in Deutschland rechtlich nicht durchgesetzt werden.

Auch im deutschen Abstammungsrecht gibt es das Konzept einer Leihmutter nicht. Mutter ist nach § 1591 BGB immer die Frau, die das Kind geboren hat, unabhängig davon, ob sie mit dem Kind genetisch verwandt ist. Damit ist eine Leihmutter rechtlich gesehen immer die Mutter des Kindes.

Wegen des grundrechtlich garantierten Schutzes der Menschenwürde ist es wahrscheinlich, dass Leihmutterschaft in Deutschland nur in sehr engen Grenzen zugelassen werden dürfte. Die FDP fordert die Zulassung nicht-kommerzieller Leihmutterschaft.8 In dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 wurde daher vereinbart, dass eine Kommission eingesetzt werden soll, um die Zulassung von „altruistischer“ (also nicht-kommerzieller) Leihmutterschaft zu prüfen.

Auch bei einer „altruistischen“ (nicht-kommerziellen) Leihmutterschaft müsste die Mutter wegen grundrechtlicher Wertungen wohl letztlich die Entscheidung darüber behalten, ob sie das Kind wirklich abgeben möchte, und wie bei der Freigabe zur Adoption eine mehrwöchige Bedenkzeit  erhalten9, vor der die Übergabe des Kindes nicht stattfinden darf. Zudem müsste wie auch bei der Adoption sichergestellt werden, dass die Annahme des Kindes durch andere als seine Geburtseltern in seinem Wohl liegt. Dann besteht aber nur wenig Unterschiede zu einer Adoption und ein neues Rechtsinstitut ist nicht erforderlich.

Allerdings beschäftigen regelmäßig Fälle die deutschen Gerichte, bei denen deutsche Staatsbürger Kinder durch Leihmütter im Ausland austragen lassen.10 Anschließend beantragen sie eine Anerkennung der ausländischen Rechtslage oder einer ausländischen Gerichtsentscheidung in Deutschland oder beantragen eine Einreisegenehmigung für das Kind. Die Tendenz in der deutschen Rechtsprechung geht dahin, dass allein die Zulässigkeit von Leihmutterschaft in einem anderen Land nicht dazu führt, dass das Kind in Deutschland wohnenden Wunscheltern zugeordnet wird. Allerdings können Gerichtsentscheidungen über Leihmutterschaft aus den USA nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs anerkannt werden.11 Dies gilt jedoch nicht für Länder wie die Ukraine oder Russland. In einigen Fällen haben die Wunscheltern jahrelang auf Einreisepapiere für die Kinder gewartet.12 Wenn der Wunschvater auch der genetische Vater des Kindes ist, kann er das Sorgerecht erhalten und der nicht-genetische Elternteil das Kind unter Umständen später adoptieren. Zwar sieht § 1741 Absatz 1 Satz 2 vor: „Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.“ Das soll jedoch nicht für Leihmutterschaft gelten, sondern Kinderhandel und vergleichbaren Praktiken entgegenwirken.13

Schwierig an der letztlich auf diesem Weg möglichen Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen bzw. der Adoption ist, dass damit diejenigen Wunscheltern eine Leihmutterschaft durchsetzen können, die fähig und bereit sind, deutsche Gesetze zu brechen und genügend Geld zu investieren.

2.2 Europa

Kommerzielle Leihmutterschaft ist in den meisten europäischen Staaten nicht erlaubt.14 In einigen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien ist eine nicht-kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt, bei der die austragende Person aber eine Aufwandsentschädigung zwischen 12.000 und 20.000 Pfund erhält.15 In Griechenland sind nicht-kommerzielle Leihmutterschaften erlaubt, wenn ein Richter sie genehmigt. Voraussetzung ist, dass sowohl die Wunscheltern wie auch die Leihmutter einen ständigen Wohnsitz in Griechenland und ein Näheverhältnis haben. Beides wird bei der Ausstellung richterlicher Genehmigungen aber anscheinend kaum überprüft. Die Personen, die die Kinder austragen, stammen oft aus armen Nachbarstaaten wie Bulgarien, Albanien und der Ukraine.16

In Europa bieten inzwischen insbesondere die Ukraine und Russland Leihmütter an, zum Teil sogar über deutschsprachige Anzeigen über Google Ads oder auf Verbrauchermessen in Deutschland wie den Kinderwunschtagen. In einigen Ländern ist die Rechtslage so ausgestaltet, dass unmittelbar die Wunscheltern als Eltern des Kindes gelten.

Fälle zur Anerkennung von Leihmutterschaft im Ausland haben mehrfach den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschäftigt.17 Der EGMR hat ein französisches Gesetz  gerügt, das eine Anerkennung von durch Leihmutterschaft in den USA geborenen Kindern durch den genetischen Vater untersagte.18 Dabei stellt es vor allem auf den Schutz der Kinder ab, die trotz bestehender genetischer Verwandtschaft zum französischen Vater keine offiziell anerkannte rechtliche Bindung herstellen konnten. Der Gerichtshof hat es aber nicht als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingestuft, wenn durch Leihmutterschaft gezeugte Kinder durch den nicht-genetischen Elternteil erst adoptiert werden müssen19 oder wenn eine Adoption eines durch Leihmutterschaft entstandenen Kindes nicht möglich ist, weil keiner der Wunscheltern mit dem Kind genetisch verwandt ist.20

2.3 Weltweit

Weltweit besteht ein erheblicher Leihmutterschaftstourismus, vor allem aus Industriestaaten mit einer teilweise restriktiveren Gesetzeslage in Länder mit geringerem Einkommen.21

Neben grundsätzlichen ethischen Bedenken an Leihmutterschaft (Kinderhandel, Vermeidung emotionaler Beziehung zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft, geplante Trennung des Kindes von erster Bezugsperson) ist an diesem Tourismus insbesondere bedenklich, dass viele dieser Länder die Wunscheltern nicht überprüfen und die Leihmütter durch Agenturen faktisch ausgebeutet werden. In der Ukraine sind dem Vernehmen nach Verträge üblich, in denen Abzüge bei Komplikationen in der Schwangerschaft drohen und kein Kontakt zwischen Leihmutter und Kind nach der Geburt vorgesehen ist.22

Auch in den USA, wo in einigen Bundesstaaten Leihmutterschaft relativ weit verbreitet und sehr professionalisiert ist,23 werden vor allem Frauen mit geringem Einkommen Leihmütter. Dennoch nehmen Gerichte an, dass die Rechte der Leihmutter und des Kindes in den USA noch am ehesten geschützt werden.

In der Vergangenheit waren Länder mit geringem Einkommensniveau für den Leihmutterschaftstourismus sehr attraktiv, bis sich die bedenklichen Fälle so häufen, dass die entsprechende Regierung Maßnahmen dagegen trifft.24 So wurden in Thailand und Indien Vereinbarungen mit Ausländern über Leihmutterschaft verboten, nachdem regelrechte Babyfabriken entdeckt wurden, in denen sich die schwangeren Leihmütter aufhielten.

Der Leihmutterschaftstourismus funktioniert im Ergebnis, weil die meisten Staaten durch Leihmutterschaft ausgetragene Kinder schließlich doch einreisen lassen, wenn die Wunscheltern dort ansässig sind, auch wenn Leihmutterschaft in dem Herkunftsstaat verboten wird.

Eigentlich müssten international durch die Zusammenarbeit verschiedener Staaten mehr Maßnahmen getroffen werden, um Leihmutterschaftstourismus zu verhindern. Artikel 35 der UN-Kinderrechtskonvention sieht vor, dass alle unterzeichnenden Staaten angemessene nationale, bilaterale und multilaterale Maßnahmen treffen müssen, um die Entführung, den Kauf und den Handel von Kindern in jeglicher Form zu verhindern. Die Konvention ist fast von allen UN-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme der USA unterzeichnet worden.

3. Leihmutterschaft aus Sicht des Kindes

Die gezielte Trennung eines Kindes von der Person, die es ausgetragen hat, widerspricht dem Interesse des Kindes. Der große Unterschied zur Adoption ist dabei, dass das Kind bei einer Leihmutterschaft bewusst gezeugt wird, um es an andere Menschen (meist gegen Bezahlung) abzugeben. Bei einer Adoption wird dagegen auf eine Notlage der das Kind austragenden Person reagiert und die annehmenden Eltern unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausgesucht.

3.1 Verstoß gegen die Menschenwürde

Wegen der vertraglich vereinbarten Abgabe gegen Geld ist das Kind bei einer Leihmutterschaftsvereinbarung ein Handelsgegenstand. Wird das Kind den Eltern nicht übergeben, erhält die Leihmutter auch kein Geld. Ein handelbares Objekt zu sein, widerspricht der Würde und dem Achtungsanspruch eines Menschen. Strafrechtlich ist die Ausbeutung und der Handel von Menschen in den meisten Staaten verboten. Bei Leihmutterschaft wird dies – meist ohne Angabe von Gründen – anders gesehen. Dabei sollte gerade die Zeugung eines Kindes in der Absicht, es gegen Geld weiterzugeben, für Menschenhandel sprechen.

Auch wenn ein Vertrag über die Übergabe des Kindes geschlossen wird, ohne dass dafür Geld bezahlt werden soll, wird das Kind als Vertragsobjekt betrachtet. Deshalb verstößt auch die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft gegen die Würde des Kindes.

3.2 Bewusste Verhinderung einer Beziehung zwischen biologischer Mutter und dem Kind

Leihmutterschaft trennt bewusst die natürliche Beziehung zwischen dem Kind und dem Elternteil, der es ausgetragen hat. Das gesamte Konzept der Leihmutterschaft wird inzwischen so ausgestaltet, dass eine Bindung zwischen der austragenden Person und dem Kind möglichst verhindert werden soll. So werden die Kinder fast ausschließlich per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und die das Kind austragende Person darf es nicht stillen.

In den neun Monaten der Schwangerschaft entwickelt das Baby eine Bindung zur austragenden Person, indem es die Stimme, den Herzschlag, Gerüche und Geschmack in der Gebärmutter wahrnimmt. Diese Bindung wird bei der austragenden Person bei normalen Schwangerschaften von Ärzt*innen und Hebammen gefördert. Eine Leihmutter soll sich dagegen emotional von dem Kind abschotten, damit sie es nach der Schwangerschaft abgeben kann. Das liegt nicht im Interesse des Kindes. Babys können ein tiefes unterbewusstes Trauma erleiden, wenn sie von der Person bewusst getrennt werden, die ihnen Schutz und Sicherheit bietet. So ist eine Freigabe zur Adoption immer eine Notlösung aufgrund tragischer äußerer Umstände.  

3.3 Gespaltene und kommerzialisierte Mutterschaft kann für das Kind problematisch sein

Bei Leihmutterschaften wird genetische, biologische und soziale Elternschaft bewusst getrennt. Ein durch Leihmutterschaft entstandenes Kind kann fünf oder mehr Elternteile haben: einen das Kind austragenden biologischen Elternteil, den genetischen Elternteil von dem die Eizelle stammt, den genetischen Elternteil von dem der Samen stammt und einen oder mehrere soziale Wunscheltern.

Die Trennung in biologische, genetische und soziale Elternschaft kann zu Verunsicherung des Kindes führen, wer zu den Eltern zählt und welchen Stellenwert diese innehaben – für das Kind selbst, aber auch für andere Personen, mit denen das Kind in Kontakt kommt. Manche Wunscheltern scheinen sich dieser Probleme durchaus bewusst zu sein: ein schwules Wunschelternpaar wird in dem Buch „Kind auf Bestellung“ so zitiert, dass sie sich entschieden haben, dem Sohn zu erzählen, dass die Leihmutter die Mutter sei, um es nicht noch komplizierter zu machen.25

Für das Kind stellen sich die gleichen herausfordernden Fragen wie für andere Spenderkinder:  „Wie komme ich damit zurecht, dass mein genetischer oder biologischer Elternteil mich – evtl. gegen Geld – abgegeben hat? Was mache ich, wenn der weitere biologische oder genetische Elternteil möglicherweise keinen Wert auf eine soziale Beziehung zu mir legt? Wie kann ich miteinander vereinbaren, dass ich an meiner Abstammung interessiert bin, während sich meine Eltern wünschen, dass vor allem die soziale Beziehung zählt? Welche Art von Beziehung kann zu den genetischen Verwandten eingegangen werden?“

Bei nicht-kommerziellen Leihmutterschaften ist die Leihmutter meistens eine Verwandte der Wunscheltern.26 Das kann für das Kind jedoch schwierig sein, weil sich damit die Familiengrenzen verschieben. Für das Kind kann unklar sein, ob die Leihmutter die Tante / Oma oder die Mutter ist.

Auch wenn die ersten durch Leihmutterschaft entstandenen Menschen erwachsen geworden sind, gibt es bislang keine wissenschaftlichen Langzeitstudien über die Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung und wie diese Menschen selbst den Umstand der Spaltung in einen genetischen und einen biologischen Elternteil und grundsätzlich ihre Entstehung erleben. Zwar gibt es Studien, nach denen Kinder und Jugendliche, die mit Leihmutterschaft entstanden sind, ihre Entstehungsweise grundsätzlich positiv sehen, psychopathologisch unauffällig sind und sozial funktionieren.27 Vom „sozialen Funktionieren“ kann jedoch nicht auf das tatsächliche Erleben der Spenderkinder geschlossen werden (siehe auch unser Beitrag „Wie gut geht es Spenderkindern wirklich“ sowie die beiden Blogs Son of a Surrogate und The other side of surrogacy)). Von durch Samenvermittlung gezeugten Menschen weiß man, dass die Entstehungsweise – wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter an Bedeutung gewinnt, wenn sie sich zunehmend von ihrer Herkunftsfamilie emotional lösen. Es gibt Hinweise darauf, dass – nicht nur in Deutschland – erwachsene Spenderkinder Keimzellvermittlung kritischer sehen, als dies von der Reproduktionsmedizin und Wunscheltern gewünscht ist.

Für die entstehenden Kinder ist es verletzend, wenn der biologische Elternteil sie primär aus finanziellen Interessen bekommen hat, um sie abzugeben. Das gilt auch für die sogenannte altruistische (also nicht-kommerzielle) Leihmutterschaft, weil bereits eine Aufwandsentschädigung einen starken finanziellen Anreiz darstellen kann.

3.4 Gesundheitsgefahren für das Kind

Babys, die mit Eizellen einer anderen als der austragenden Person gezeugt wurden, wie es bei Leihmutterschaft meistens der Fall ist, haben ein erhöhtes Risiko mit einem geringen Gewicht und zu früh zur Welt zu kommen.28 Das gilt selbst im Vergleich zu Babys, die durch eine In-vitro-Fertilisation gezeugt werden, bei der bereits höhere Gesundheitsrisiken bestehen als bei natürlichen Schwangerschaften. Diese Risiken werden mit Gesundheitsgefahren im späteren Leben verbunden wie Herzkrankheiten und Diabetes.

4. Leihmutterschaft als ethisches Problem

Auch aus einer allgemeineren ethischen Perspektive beinhaltet Leihmutterschaft eine Vielzahl an ethischen Problemen: Ausbeutung und Degradierung von Frauen, eine (teilweise sehr weitereichende) Bestimmung über den Körper der austragenden Person und die Verlagerung der Gesundheitsgefahren einer Schwangerschaft und Geburt.

4.1 Ausbeutung der das Kind austragenden Personen

Leihmutterschaft ist wie Kinderarbeit ein Phänomen der Armut.29

Die meisten Personen, die für andere Menschen ein Kind austragen, gehören zu der ärmeren Bevölkerungsschicht. Die “Dienstleistung” wird daher meistens primär aus finanzieller Not angeboten – was angesichts der körperlichen Belastungen durch eine Schwangerschaft und der damit verbundenen Fremdbestimmung nachvollziehbar ist.

Auch in Industriestaaten wie den USA kommt Leihmutterschaft typischerweise nur für ärmere und weniger gebildete Frauen in Frage. Laut dem Bericht Surrogacy in America stammt die durchschnittliche US-Leihmutter aus der unteren Mittel- oder Unterschicht und besitzt eine niedrige Schulbildung und ein geringes Familieneinkommen.30 Aufsehen erregte der Bericht „Her Body, My Baby“ der US Lifestylejournalistin Alex Kuczynski aus dem Jahr 2008, in dem sie über den von ihr als Wunschmutter abgeschlossenen Leihmutterschaftsvertrag berichtet und in dem die Macht- und Geschäftverhältnisse zwischen weißer Auftraggeberin und schwarzer Leihmutter insbesondere durch die dazugehörigen Bilder deutlich werden.

Ein erhebliches Macht- und Informationsgefälle zwischen Wunscheltern und der das Kind austragenden Person gibt es insbesondere bei Leihmutterschaftstourismus in Länder wie Indien, Kambodscha, Thailand und Nepal. So weist Eva Maria Bachinger darauf hin, dass die meisten indischen Leihmütter Analphabetinnen seien und den von ihnen abgeschlossenen Vertrag daher nicht lesen können. Die Verträge würden meistens erst im vierten Schwangerschaftsmonat unterzeichnet, wenn die Frauen nicht mehr zurücktreten könnten und faktisch gezwungen wären, nahezu beliebige Bedingungen zu akzeptieren. Trete im Verlauf der Schwangerschaft ein Problem auf, entschieden die Paare oder die Klinik über einen Abbruch.31

Hiergegen wird oft vorgebracht, dass daher Leihmutterschaft in den Herkunftsstaaten der Wunscheltern zugelassen werden sollten, wo die Bedingungen reglementiert werden könnten. Das ist aber fraglich. Das Hauptmotiv für Wunscheltern, für reproduktive Maßnahmen ins Ausland zu gehen, sind laut einem Bericht des Europäischen Parlaments die damit verbundenen Kosten.32 Man geht dahin, wo es am billigsten ist, auch wenn die eigenen Gesetze liberal sind. Dafür sprechen Erfahrungen mit der Eizellvermittlung: Obwohl in UK die Abgabe von Eizellen zugelassen ist, gehen viele Britinnen hierfür nach Spanien, Tschechien und Griechenland aus, weil das Angebot größer ist und weil es günstiger ist.33

Medizinisches Fachpersonal und Reproduktionskliniken behaupten meistens, dass die Leihmütter vor allem altruistisch motiviert seien und Menschen mit Kinderwunsch helfen wollen. Das sind jedoch typische Verkaufsargumente, die den beunruhigenden Aspekt der Kommerzialisierung verdecken sollen.34 Man möchte den Eindruck vermeiden, dass man ein Kind kaufen kann. Von dieser Argumentation überzeugt ist aber letztlich niemand: Würde man der Leihmutter und ihrer Selbstlosigkeit vertrauen, müsste man keine Verträge mit ihr schließen, die notfalls gerichtlich durchgesetzt werden können.35

Wunscheltern weisen oft darauf hin, dass die Leihmutter ihnen selbst gesagt habe, dass sie sich über ihre Tätigkeit freue und auch nach der Geburt weiterhin Kontakt zu der Familie hat. Was eine Person, die Eizellen oder das von ihr ausgetragene Kind abgibt, zu Wunscheltern und dem medizinischen Fachpersonal sagt, ist aber wohl oft gut überlegt.36 Die Leihmütter sind auf ein gutes Verhältnis zu den Kunden angewiesen (insbesondere falls sie einen Kontakt zu dem Kind wünschen) bzw. auf eine gute Bewertung gegenüber der Agentur, falls sie weitere Folgeaufträge benötigen. Es ist eine Dienstleistung, bei der die Wunscheltern als Kunden ein gutes Gefühl behalten sollen. In Interviews wird deutlich, dass bei kommerzieller Leihmutterschaft vor allem finanzielle Motive bestehen und die austragenden Personen sehr bewusst Gefühle gegenüber dem Kind verhindern.37

Bei der nicht-kommerziellen, oft auch schönfärbend als „altruistisch“ bezeichneten Leihmutterschaft kann eine Aufwandsentschädigung zwischen 12.000 und 20.000 Britischen Pfund, wie sie im Vereinigten Königreich gezahlt wird, einen finanziellen Anreiz darstellen. Ob man hier noch von nicht-kommerzieller Leihmutterschaft bzw. Altruismus sprechen kann, ist fraglich. Bei rein unentgeltlicher Leihmutterschaft für nahe stehende Personen sollte außerdem der erhebliche Druck nicht unterschätzt werden, der bei Leihmutterschaften durch enge Verwandte auftreten kann. Wenn ein Geschwisterkind, das Kind oder eine sehr nahestehende Person nur über eine Leihmutterschaft Eltern werden kann, werden viele es schwierig finden, den Wunsch abzulehnen. Um solchen Druck zu verhindern, besteht bei Organspenden durch Verwandte die Praxis, dass das medizinische Fachpersonal anbietet, den Erkrankten mitzuteilen, dass der Verwandte genetisch nicht passt. Die Bezeichnung als altruistisch passt auch deshalb nicht, weil das beziehungslose Austragen und die Trennung des Kindes nach der Geburt vom austragenden Elternteil nicht dem Wohl des Kindes dienen. 

In der Regel finden sich nur wenige Personen, die bereit sind, ohne finanzielle Gegenleistung ein Kind für andere Menschen auszutragen. In dem Vereinigten Königreich wurden im Jahr 2020 insgesamt 413 Leihmutterschaften registriert, die Nachfrage übersteigt deutlich das Angebot.38 In Australien, wo ebenfalls nur nicht-kommerzielle  Leihmutterschaft zulässig ist, wird die Zahl der Leihmutterschaften auf etwa 100 pro Jahr geschätzt. Häufig wird deswegen auch in Ländern, in denen nicht-kommerzielle Leihmutterschaft zulässig ist, die Forderung erhoben, auch kommerzielle Leihmutterschaft zuzulassen, weil die Nachfrage höher ist.39

Eva Maria Bachinger beschreibt die Mechanismen folgendermaßen: Die Nachfrage wird größer sein als das Angebot. Die Nachfrage schafft das Angebot, wenn Geld fließt. Und eins ist sicher: die größten Profiteure sind die Ärzte und Vermittler.40

Manche fordern eine freie Entscheidung von Frauen, als Leihmutter tätig werden zu können, als Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper. Die Personen, die solche Meinungen vertreten, sind jedoch meistens nicht diejenigen, die ihre Eizellen verkaufen oder Kinder für andere austragen würden. Zumindest kommerzielle Leihmutterschaft ist überwiegend ein Phänomen von Armut. Wunscheltern nutzen damit eine Notlage aus. Eine Entscheidung aus materieller Not heraus ist zwar rational, aber nicht frei. Würde man Leihmüttern die Möglichkeiten eröffnen, sinnvolle, erfüllende Aufgaben anzunehmen, mit fairen Arbeitsbedingungen und zu akzeptablen Löhnen, würden sie diese wohl annehmen. Die Realität ist, dass sie diese Möglichkeiten nicht haben. Diese Tatsache mit Autonomie zu beschönigen, ist unverfroren und zynisch.41 Auch bei einer nicht kommerziellen Leihmutterschaft liegt ein erheblicher Druck auf Menschen nahe,  Freunden/Geschwistern/Kindern den Kinderwunsch zu erfüllen und für sie ein Kind auszutragen.

Hinzu kommt, dass es sich um eine Verpflichtung für mindestens neun Monate handelt, aus der sich die Person, die das Kind austrägt, nicht einfach lösen kann, vor allem wenn eine Schwangerschaft erst einmal besteht. Eine solche Ausbeutung zu verbieten ist auch nicht bevormundend. Aus gutem Grund ist auch der Verkauf von Organen verboten oder die Entscheidung, sich versklaven zu lassen.

4.2 Bestimmung über den Körper der austragenden Person und Verlagerung der Gesundheitsgefahren einer Schwangerschaft

Eine Frau trägt und gebiert ihr Kind auch heuzutage und trotz Hightech Medizin unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit.42

Eine Schwangerschaft ist emotional und physisch herausfordernd, jedoch normalerweise mit der Vorfreude auf ein Kind verbunden. Für eine andere Person schwanger zu sein, beinhaltet dagegen, sich für Monate für jemand anderen bereit zu halten und Einschränkungen im Privatleben, der Gesundheit und der Arbeit hinzunehmen. Dazu kommt, dass Leihmütter oft eine zusätzlich belastende hormonelle Stimulation erhalten und mehrere Embryonen eingesetzt bekommen und daher oft Mehrlingsschwangerschaften austragen.

Leihmütter müssen sich oft vertraglich verpflichten, einen bestimmten Lebenswandel zu führen, sich mit einer Fruchtwasserpunktion einverstanden zu erklären und den Fötus im Fall einer Behinderung abzutreiben.43 Aus Kalifornien sind Verträge bekannt, nach denen die austragende Person nicht ins Ausland reisen darf, ab der 20. Schwangerschaftswoche auch nicht außerhalb Kaliforniens, keine schweren Gegenstände heben darf (einschließlich ihrer Kinder) und nur nach ärztlicher Genehmigung Geschlechtsverkehr haben darf. Sie muss die Auftraggeber regelmäßig über die Schwangerschaft auf dem Laufenden halten, mailen, anrufen, treffen und Fotos schicken.44

Personen, die mit fremden Eizellen schwanger werden, haben ein deutlich höheres Risiko für Schwangerschaftsvergiftung und hohen Blutdruck.45 Mehrere Leihmütter sind bereits an Schwangerschaftskomplikationen gestorben.46 Dieses Risiko wird in der Regel nicht thematisiert.

Viele Leihmütter berichten außerdem, dass die Wunscheltern und Agenturen sich nach der Geburt des Kindes nicht mehr um sie gekümmert haben, wenn es Folgekomplikationen gab.47 Als Russland die Ukraine im Frühjahr 2022 angriff, verhinderten ukrainische Leihmutterschaftsagenturen Medienberichten zufolge mit Drohungen, dass schwangere Leihmütter aus dem Kriegsgebiet flohen oder ließen sich von den flüchtenden Leihmüttern versichern, dass sie zum Geburtstermin zurück in die Ukraine reisen. Leihmütter wurden gezwungen, einen Tag nach der Geburt im Bunker auf eigene Faust nach Hause zu kommen.48

5. Öffentlich gewordene problematische Leihmutterschaftsfälle

Leihmutterschaftsvereinbarungen können zu schwierigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten führen. Es wird immer Fälle geben, in denen die Wunscheltern sich aus der Vereinbarung lösen möchten, eine Abtreibung von der Leihmutter verlangen oder die Kinder nach der Geburt nicht annehmen möchten. Auf der anderen Seite kann es auch Leihmütter geben, die gegenüber dem Kind eine Bindung entwickeln und es nicht abgeben möchten. Das kann bedeuten, dass Gerichte komplizierte und sehr emotionale Fälle über die Herausgabe eines Kindes lösen müssen. Bekannt geworden sind folgende Fälle:

5.1 Leihmutter möchte das Kind nicht abgeben

Ein sehr naheliegender Konflikt ist, dass die Leihmutter das Kind nach der Geburt nicht abgeben möchte. Der erste berühmte Fall dieser Art geschah 1986 im US-Bundesstaat New Jersey und wurde als „Baby M“-Fall bekannt. Das Baby war auch das genetische Kind der Leihmutter, die es wegen der Ähnlichkeiten zu ihren Kindern nach der Geburt nicht abgeben wollte. Das Sorgerecht wurde in erster Instanz den Wunscheltern zugesprochen. Erst der Supreme Court of New Jersey nahm in zweiter Instanz eine Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtungen an, sprach das Sorgerecht aus Gesichtspunkten des Wohls von Baby M den Wunscheltern zu, weil es zu dem Zeitpunkt bereits eineinhalb Jahre bei diesen gelebt hatte. Seitdem achten Agenturen darauf, fremde Eizellen zu verwenden.

In dem Fall Johnson vs. Calvert im US-Bundesstaat Kalifornien wollte eine Leihmutter im Jahr 1990 das genetisch mit ihr nicht verwandte Kind nach Auseinandersetzungen mit den Wunscheltern ebenfalls nicht abgeben. Alle Instanzen (und letztinstanzlich der Supreme Court of California 199349 entschieden, dass die Wunscheltern als die genetischen Eltern auch die rechtlichen Eltern des Kindes seien, weil sie die Intention zur Elternschaft gehabt hätten. Die Leihmutter sei dagegen nur eine Pflegemutter und Amme.

5. 2 Wunscheltern möchten das Kind nicht annehmen

Regelmäßig gibt es auch Fälle, in denen die Wunscheltern das durch Leihmutterschaft ausgetragene Kind nicht annehmen – meistens weil es behindert ist, zum Teil aber auch ohne Grund.50 Berühmt geworden ist der Fall „Baby Gammy“ im Jahr 2014, bei dem die australischen Wunscheltern den Jungen Gammy, der einen Herzfehler und das Down-Syndrom hatte, bei der thailändischen Leihmutter ließen und nur seine gesunde Zwillingsschwester nach Australien holten. Aber auch in der Ukraine gibt es mehrere Fälle von Leihmutterschaftskindern, die von den Wunscheltern nicht angenommen wurden.51

In Australien wollte ein Paar ein durch Leihmutterschaft geborenes Kind nicht annehmen, weil die Reproduktionsklinik versehentlich den Samen eines fremden Mannes und nicht des Ehemannes verwendet hatte.52

5. 3 Wunscheltern verlangen Abtreibung

In fast allen Leihmutterschaftsverträgen wird die Leihmutter verpflichtet, bei einer Schwangerschaft mit mehreren Kindern oder bei Krankheit der Kinder diese auf Verlangen der Wunscheltern abzutreiben. In den USA versuchte ein alleinstehender Wunschvater die Leihmutter zu einer Abtreibung von einem von drei Embryonen zu zwingen, weil er nicht drei Kinder haben wollte. Als sie sich weigerte, drohte er, sie finanziell mit einer Schadensersatzklage wegen einer Vertragserletzung zu ruinieren. In einem anderen Fall brachte eine Leihmutter das erkrankte Kind gegen den Willen der Wunscheltern zur Welt, die ihr 10.000 Dollar für eine Abtreibung zusätzlich anboten und sie verklagten. In einem Fall wollten die Wunscheltern ohne besonderen Grund keine Kinder mehr bekommen53

5.4 Zweifel an der Eignung der Wunscheltern

Zum Teil beauftragen Menschen Leihmutterschaften, die vermutlich kein Kind hätten adoptieren dürfen. So war der Wunschvater in dem Baby Gammy Fall wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Gegen einen Wunschvater in den USA ermittelte das FBI wegen sexueller Gewalt gegen Minderjährige und Menschenhandel mit Kindern.54 Ein alleinstehender Japaner ließ 13 Kinder durch thailändische Leihmütter austragen, um seinen Kinderwunsch zu befriedigen.

6. Kommission zur Zulassung der „altruistischen“ (nicht-kommerziellen) Leihmutterschaft in Deutschland

Die im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 angekündigte Kommission, die die Zulassung von „Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft“ in Deutschland diskutieren soll, wird derzeit erst eingesetzt. Wir hoffen, dass in dieser Kommission auch Personen vertreten sein werden, die die Perspektive der betroffenen Kinder vertreten – und nicht nur solche, die die Interessen von  Wunscheltern und der Reproduktionsindustrie repräsentieren.

Wir sind gespannt, welche Antworten die Kommission zu den folgenden Fragen finden wird:

  • Wie kann sichergestellt werden, dass eine Leihmutterschaft tatsächlich nicht-kommerziell ist? Wer überprüft das?
  • Soll eine Leihmutterschaft nur mit Eizellen und Samen der Wunscheltern möglich sein oder dürfen auch Eizellen und Samen weiterer Personen verwendet werden?
  • Wenn es eine Aufwandsentschädigung geben soll, wird die Höhe dann festgelegt? Wie wird sichergestellt, dass die Aufwandsentschädigung für arme Personen nicht doch einen finanziellen Anreiz darstellt? Wie wird sichergestellt, dass es keine zusätzlichen Zahlungen oder anderweitigen Zuwendungen gibt?
  • Erfolgt eine Aufwandsentschädigung für den tatsächlichen Aufwand, d.h. z.B. für den Transfer des Embryos und ggf. begleitende Hormonstimulation sowie für die eingegangenen Risiken und die aufgewendete Zeit oder für die Übergabe eines Kindes?
  • Soll für Leihmutterschaften geworben werden können?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass die austragende Person die Entscheidung frei trifft und nicht auf Grund von sozialem Druck?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass die austragende Person in ausreichendem Maße über die Gesundheitsgefahren informiert wird, die mit jeder Schwangerschaft verbunden sind, sowie mit den zusätzlichen Risiken einer Schwangerschaft mit fremden Eizellen?
  • Kann die Person, die das Kind zur Welt gebracht hat, sich entscheiden, dass sie Elternteil bleiben und das Sorgerecht ausüben möchte? Wie kann verhindert werden, dass eine eventuelle Pflicht zur Rückzahlung der Aufwandsentschädigung faktisch Druck ausübt, die Vereinbarung einzuhalten und das Kind abzugeben?
  • Gibt es Mechanismen zur Überprüfung, dass die Übergabe an die Wunscheltern auch dem Kindeswohl entspricht?
  • Kann es verantwortet werden, die geplante Zeugung eines Kindes zu erlauben und rechtlich abzusichern, das nach der Geburt absichtlich von seiner ersten, unmittelbaren Bezugsperson getrennt wird?
  • Wie wird es gegenüber dem Kind verantwortet, dass die Leihmutter in den neun Monaten Schwangerschaft keine emotionale Bindung zu ihm aufbauen soll?

7. Links

Leihmuttterschaft /Eizellenspende aus Sicht des Kindes – Youtube Video von Spenderkinder-Helen, die in den USA entstanden ist.

Son of a Surrogate und The other side of surrogacy (zwei englischsprachige Blogs, in denen mit Leihmutterschaft entstandene Menschen von ihren Erfahrungen berichten)

Verein Stoppt Leihmutterschaft

The Center for Bioethics and Culture Network (CBC)

Das Geschäft mit dem Kinderwunsch – Film von Julia Kaulbars.

#BigFertility: It’s All About The Money

Breeders: A Subclass of Women? (2014)

Google Baby (2009) Dokumentarfilmüber Leihmutterschaft in Indien (Trailer)

Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015.

Andreas Bernard, Kinder machen – Samenspender, Leihmütter, Künstliche Befruchtung. Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie. S. Fischer 2014.

  1. Wir verstehen den Begriff der „Leihmutter“ im Folgenden vom Geschlecht unabhängig als die Person, die ein Kind zur Welt bringt. []
  2. siehe auch die Legaldefinition der „Ersatzmutter“ in § 13a Adoptionsvermittlungsgesetz. []
  3. zum Beispiel bei Schauspieler*innen oder Manager*innen). Zunehmend stellen auch schwule Paare die Zielgruppe von Leihmutterschaftsagenturen dar. ((Leihmutterschaft wird fälschlicherweise oft als einzige Möglichkeit dargestellt, mit der schwule Paare Kinder bekommen könnten – was die Möglichkeit von Co-Parenting mit einer Frau oder einem Paar völlig ignoriert. []
  4. so geschehen in dem Fall „Baby M.“ in den USA im Jahr 1986. []
  5. Zu Griechenland siehe Das ist nicht ihr Baby, Zeit vom 24.5.2019. []
  6. §1 Absatz 1 Nummer 7 Embryonenschutzgesetz, § 13c i. V. m. § 14b Adoptionsvermittlungsgesetz. []
  7. Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 138 Rn. 48 []
  8. siehe Interview mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr, Die Legalisierung der Leihmutterschaft ist überfällig, Redaktionsnetzwerk Deutschland 1.1.2020. []
  9. § 1747 Absatz 2 BGB Satz 1 BGB sieht vor, dass die Einwilligung in die Freigabe zur Adoption erst erteilt werden kann, wenn das Kind acht Wochen alt ist. []
  10. Zusammenfassend siehe Oldenburger, Die Abstammung von Leihmütterkindern, in Neue Zeitschrift für Familienrecht 2020, S. 457 ff. []
  11. BGH, Beschluss vom Beschl. v. 5.9.2018, Az. XII ZB 224/17, besprochen in der Legal Tribune Online. []
  12. siehe z. B. Warnung der deutschen Botschaft in Indien vor indischen Leihmutterschaften; Gesetzesbruch für den Kinderwunsch, Tagesspiegel vom 27.3.2018 []
  13. Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1741 Rn. 6. []
  14. für einen Überblick siehe Europäisches Parlament, Generaldirektion für interne Politikbereiche, Das System der Leihmutterschaft in den EU-Mitgliedstaaten, 2013. []
  15. siehe Informationstext der britischen Regierung; Surrogacy is absolutely what I want to do, BBC News 22.9.2021. []
  16. Das ist nicht ihr Baby, Zeit vom 24.5.2019; Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 116. []
  17. siehe Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2018. []
  18. EGMR, Urteil vom 26. Juni 2014, Mennesson gegen Frankreich, Beschwerde-Nr. 65192/11, deutsche Übersetzung NJW 2015, S. 3211. []
  19. EGMR, Urteil vom 16.07.2020 – Beschwerde-Nr. 11288/18, Paradiso u. Campanelle gegen Italien. []
  20. EGMR, Beschwerde-Nr. 25358/12, Besprechung in der Legal Tribune Online vom 25.1.2017. []
  21. siehe Überblick über die Rechtslage und Kosten in der NZZ vom 19.4.2022, Babys im Luftschutzkeller: Der Krieg in der Ukraine wirft ein Schlaglicht auf das Geschäft mit der Leihmutterschaft. []
  22. NZZ vom 19.4.2022 Babys im Luftschutzkeller: Der Krieg in der Ukraine wirft ein Schlaglicht auf das Geschäft mit der Leihmutterschaft. []
  23. Einige US-Bundesstaaten verbieten Leihmutterschaft aber auch. In Kalifornien, wo etwa die Hälfte aller Leihmutterschaftsverträge abgeschlossen werden, bestehen keine rechtlichen Regelungen zu Leihmutterschaft. []
  24. siehe Das Geschäft mit dem Frauenbauch, Handelsblatt vom 31.12.2016. []
  25. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 56. []
  26. siehe z. B. Ein Fall in Brasilien, bei dem die Mutter die Leihmutter für ihren schwulen Sohn war. []
  27. siehe z. B. V. Jadva, S. Imrie: Children of surrogate mothers: psychological well-being, family relationships and experiences of surrogacy; Human Reproduction, Vol. 29 (1), S. 90–96 []
  28. Mariano Mascarenhas, Sesh Kamal Sunkara, Belavendra Antonisamy, Mohan S Kamath: Higher risk of preterm birth and low birth weight following oocyte donation: A systematic review and meta-analysis; Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2017 Nov;218:60-67. []
  29. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 131. []
  30. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015,S. 99. []
  31. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 121. []
  32. Europäisches Parlament, Generaldirektion für interne Politikbereiche, Das System der Leihmutterschaft in den EU-Mitgliedstaaten, 2013. []
  33. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 86. []
  34. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 98. []
  35. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 90. []
  36. Das ist nicht ihr Baby, Zeit vom 24.5.2019, Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 112. []
  37. Ich bin nicht Mutter Teresa„: Warum eine Ukrainerin zur Leihmutter wurde, Deutsche Welle 14.6.2020. []
  38. Surrogacy is absolutely what I want to do‚, BBC 22.9.2021. []
  39. so zum Beispiel in Australien, wo argumentiert wurde, Paare seien deswegen gezwungen, nach Indien auszuweichen – Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 86-87. []
  40. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 114. []
  41. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 131. []
  42. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 131. []
  43. Andreas Bernard, Kinder machen – Samenspender, Leihmütter, Künstliche Befruchtung. Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie. S. Fischer 2014, S. 273. []
  44. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 123-124. []
  45. D. H. Adams, R. A. Clark, M. J. Davies and S. de Lacey: A meta-analysis of neonatal health outcomes from oocyte donation, Journal of Developmental Origins of Health and Disease (2016), 7(3), 257–272; Y. B. Jeve, N. Potdar, A. Opoku, M. Khare; Donor oocyte conception and pregnancy complications: a systematic review and meta-analysis, BJOG 2016 Aug;123(9):1471-80. []
  46. Birth of a Baby, Death of a Mother: A Secondhand Victim of Surrogacy Speaks Out, CBC 13.6.2022; Nachruf für Lydia Katherine Cox, verstorben am 18.7.2021; Calif. Mother of 2 Who Was on Her Second Surrogacy for Another Family Dies Giving Birth, People 21.1.2020; Delhi: 42-year-old woman who died is case study against commercial surrogacy, The Indian Express 1.10.2019. []
  47. Swissinfo vom 28.4.2022, Der Krieg wirft ein Licht auf die Leihmutterschaft in der Ukraine. []
  48. Ukrainische Leihmütter zwischen den Fronten, Deutsche Welle vom 28.3.2022. []
  49. Urteil des California Supreme Court vom 20.5.1993 []
  50. Viral TikTok Shows The Dark Side of Surrogacy, Reduxx 11.5.2022 []
  51. Damaged babies and broken hearts: Ukraine’s commercial surrogacy industry leaves a trail of disasters, ABC Net 9.8.2019. []
  52. I hired a surrogate and now I don’t want the baby‚, Kidspot 8.11.2021. []
  53. Infants Born Through Surrogacy Contracts Cannot Be Canceled or Returned, Bill of Health (blog of the Petrie-Flom Center at Harvard Law School), 8.2.2021. []
  54. My Surrogacy Nightmare, CBC 4.2.2021. []

Fachkonferenz der KAS und der Leopoldina am 22. April 2021

Anlässlich des 30. Geburtstages des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) veranstalteten die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am 22. April 2021 eine Fachkonferenz unter dem Titel Medizinischer Fortschritt, gesellschaftlicher Wandel und politischer Handlungsbedarf.

Die Veranstaltungsaufzeichnung ist online verfügbar.

Wir freuen uns, dass es zu dieser Veranstaltung kam und Anne als Vertreterin unseres Vereins die Perspektive der entstandenen Menschen einbringen konnte (Minute 37 bis 1:01). Einleitend betonten Prof. Norbert Lammert, Vorsitzender der KAS, und Prof. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina, die große Bedeutung der Fortpflanzungsmedizin für die Gesellschaft und dass Wissenschaft und Politik die Entwicklungen so vorantreiben müssten, dass Fehlentwicklungen vermieden und Chancen genutzt werden könnten.

Das Programm begann mit einem Impulsvortrag der Soziologin Prof. Heike Trappe, die einen Überblick über die Familiendemografie in Deutschland gab und Anknüpfungspunkte zur Fortpflanzungsmedizin aufzeigte. Es folgten vier moderierte Debattenrunden zu den Fragen 1. Was wird von der Fortpflanzungsmedizin erwartet? 2. Was darf Fortpflanzungsmedizin? 3. Was können wir von anderen Ländern lernen? und 4. Wie muss Fortpflanzungsmedizin reguliert werden? Dazu wurden jeweils zwei Expert*innen interviewt. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion gesundheitspolitischer Vertreterinnen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vor den Schlussworten des stellvertretenden Vorsitzenden der KAS, Hermann Gröhe, und des Vizepräsidenten der Leopoldina, Prof. Dr. Thomas Krieg.

Zentrales Thema war die Eizellvermittlung, die laut ESchG in Deutschland verboten ist. Die Diskussion dazu wirkte eher politisch als wissenschaftlich geleitet. Anstatt zunächst Pro- und Contra-Argumente zu sammeln und transparent abzuwägen, servierte bereits der Impulsvortrag ein Plädoyer für die Legalisierung der Eizellvermittlung.

Viele kritische Argumente, die in der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages Ende Januar zur Eizellvermittlung eingebracht wurden, wurden auf der Fachkonferenz kaum oder gar nicht aufgegriffen.

Es wirkte, als würde aus dem Wunsch nach einem Kind ein Bedarf an Realisierungsmöglichkeiten abgeleitet, dem sich die Beteiligten gleichsam als Erfüllungsgehilfen unterordneten. Dies überspringt die Notwendigkeit, den vermeintlichen Bedarf kritisch zu hinterfragen. Der Wunsch nach einem Kind ist verständlich und es ist naheliegend, alles zur Erfüllung der eigenen Wünsche zu unternehmen bzw. zu fordern. Wichtig wäre daher zu diskutieren, welche Grenzen dennoch verbindlich gelten sollen. Auch die Rolle/Funktion, in die das Kind bei dieser Herangehensweise gerät, wurde nicht reflektiert.

Anne hatte direkt in der ersten Debattenrunde darauf aufmerksam gemacht, dass es wichtig ist, alle Beteiligten als Menschen wahrnehmbar zu machen. Denn die entstehenden Menschen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre genetischen Eltern und (Halb-)geschwister kennenlernen wollen. Depersonalisierende und technisierende Begriffe wie „Spender“, „Spende“ und „Behandlung“ sind weder treffend noch langfristig hilfreich. Sie verschleiern, dass Keimzellvermittlung keine einfache Lösung ist, um Erwachsenen ihren Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen, sondern eine Form der Familiengründung mit ganz eigenen psychosozialen Herausforderungen für alle beteiligten Menschen. Trotzdem wurde weiter über „Eizellspendebehandlung“ und „Spender*innen“ diskutiert.

In der politischen Abschlussdiskussion wurde die Idee aufgeworfen, eine Enquête-Kommission einzurichten, um das Thema in der nächsten Legislaturperiode weiter zu verfolgen. Wir hoffen, dass die Auseinandersetzung mit der komplexen menschlichen Thematik dort vertieft wird.

Veranstaltungsbericht der KAS

Am 30. Mai ist Tag der genetischen Identität

Am 30. Mai ist jedes Jahr der weltweite Tag der genetischen Identität (international genetic identity day). Dieser Tag macht aufmerksam auf das Recht auf genetische Identität. Alle Menschen, auch Adoptierte und Spenderkinder, sollen erfahren können, wer ihre leiblichen Eltern sind. In Deutschland gibt es ein aus der Verfassung abgeleitetes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Trotzdem werden viele Spenderkinder von ihren Eltern nicht über ihre Herkunft aufgeklärt. Viele Spenderkinder erfahren erst von ihrer Abstammung, wenn sie über DNA-Datenbanken Halbgeschwister finden. In vielen Ländern werden Samen und Eizellen immer noch anonym vermittelt. Darunter sind auch einige europäische Nachbarländer wie Dänemark und Tschechien. Das ist problematisch, weil dadurch das Recht eines jeden Kindes, seine leiblichen Eltern zu kennen, nicht anerkannt wird. Dieses Recht steht in der internationalen Kinderrechtskonvention, die von fast allen Staaten ratifiziert wurde.

Die Bilder sind von Friedel Grant, inspiriert durch die ursprüngliche Kampagne der belgischen Spenderkinderorganisation: https://www.donorkinderen.com/

Spenderkinder bei öffentlicher Anhörung im Gesundheitsausschuss zu Eizellvermittlung

Anne hat den Verein Spenderkinder als Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages am 27. Januar 2021 zum Thema Legalisierung der Eizellvermittlung in Deutschland vertreten.

In dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren“ fordert die FDP die Legalisierung der Eizellspende (im Folgenden Eizellvermittlung) in Deutschland. Als Hauptargument dafür nennt sie, dass Kinderwunschpaare sich sonst anonyme Eizellen im Ausland vermitteln lassen und die entstehenden Kinder ihr Recht auf Kenntnis ihrer genetischen Abstammung kaum wahrnehmen könnten. Außerdem werde die Eizellvermittlung im Ausland oft kommerziell angeboten, so dass Paare aus Deutschland viel Geld dafür bezahlen müssten.

Wir haben uns in unserer Stellungnahme gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Aus unserer Sicht sprechen viele Argumente gegen die Legalisierung der Eizellvermittlung in Deutschland, wie z.B. fehlende Erfahrung zum Erleben der Kinder, aber auch die drohende Kommerzialisierung und die erhöhten gesundheitlichen Risiken für die abgebende Frau. Abgesehen davon enthält der Gesetzentwurf keine flankierenden Maßnahmen, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung in Deutschland sichern würden, wie eine Änderung des Samenspenderregistergesetzes. Diese hätte der Gesetzentwurf aber ebenfalls vorsehen müssen. Dem Gesetzentwurf nach dürften Eizellen bei einer Legalisierung der Eizellvermittlung völlig unreguliert vermittelt werden.

Ebenfalls fehlen Ausführungen dazu, wie eine Kommerzialisierung der Eizellvermittlung in Deutschland verhindert werden könnte. Erfahrungen aus Großbritannien und Österreich zeigen, dass nur sehr wenige Frauen bereit sind, ihre Eizellen abzugeben, wenn sie dafür keinen deutlichen finanziellen Vorteil erhalten. Wunscheltern gehen außerdem nach wie vor in andere Länder, in denen sich wegen niedrigerer Einkommen mehr Frauen finden, die bereit sind, ihre Eizellen gegen Bezahlung abzugeben. Wunscheltern, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung respektieren möchten, können für eine Eizellvermittlung in Länder reisen, in denen die abgebenden Frauen nicht anonym sind, wie z.B. die Niederlande, Österreich, Großbritannien und Finnland.

Bei der Anhörung hat uns gefreut, dass auch viele andere der Sachverständigen vor allem ethische und medizinische Argumente gegen die Legalisierung der Eizellvermittlung eingebracht haben. Die Stellungnahmen sind öffentlich einsehbar.

Auch wenn der Entwurf der FDP abgelehnt werden sollte, wird uns das Thema Eizellvermittlung künftig weiterhin beschäftigen.

Pressemitteilung: Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ wirbt für in Deutschland verbotene Verfahren – Verein Spenderkinder äußert ethische und rechtliche Bedenken

Am 7. und 8. März 2020 findet in Berlin erneut die umstrittene Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ statt. Auf dieser Messe werden offensiv sämtliche in Deutschland aus ethischen und psychologischen Gründen verbotene Verfahren wie Eizellvermittlung, kombinierte Samen- und Eizellvermittlung, Leihmutterschaft bis hin zur PID zur Geschlechterselektion angeboten. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellvermittlung entstandenen Menschen einsetzt, findet es sehr bedenklich, dass diese Veranstaltung bereits zum vierten Mal in Berlin stattfinden soll, obwohl regelmäßig Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen.

Die gesamte Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, KundInnen zu gewinnen und die – zum großen Teil in Deutschland verbotenen – Dienstleistungen zu vermarkten. Anders wären die zahlreichen ausländischen Aussteller, die zum Teil auch als Sponsoren genannt werden, wohl kaum bereit, an einer Veranstaltung in Deutschland mit entsprechenden Ausstellungsgebühren teilzunehmen.

Nach Werbe-Richtlinie[1] ist jegliche Maßnahme, die über die Schilderung der Rechtslage zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in anderen Ländern hinausgeht, Werbung. Hierzu gehört zum Beispiel, wenn ein Aussteller niedliche Babyfotos verwendet, um an den Kinderwunsch der Interessierten anzuknüpfen. Werbung ist auch, wenn eine Klinik ihr Vorgehen bei dem jeweiligen reproduktionsmedizinischen Verfahren schildert.[2]

Die Themen der im Seminarbereich angebotenen Vorträge zeigen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Hintergründen der Verbote nicht vorgesehen ist. Stattdessen scheint es, als sei es wesentlicher Inhalt der Veranstaltung, Wege zu vermitteln, wie die kindzentriert engen Grenzen der deutschen Rechtslage umgangen werden können.

Der Verein Spenderkinder fordert ein Einschreiten gegen die Werbung für Eizellvermittlung, anonyme Keimzellvermittlung und Leihmutterschaft und eine umfassende Auseinandersetzung mit den ethischen Verbotshintergründen.


[1] Werbe-Richtlinie 2006/114/EG, Artikel 2 Buchst. a

[2] Unter den Begriff der Werbung können selbst sachliche Informationen fallen, vgl. dazu das Urteil des Amtsgerichts Gießen zu verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbruch nach § 219a StGB (AG Gießen, Urteil v. 24.11.2017, 507 Drs – 501 Js 15031/15).

Internationale Spenderkinderdelegation am 19. November bei UN-Kinderrechtskonferenz in Genf

Anlässlich des 30. Geburtstages der UN-Kinderrechtskonvention fand vom 18. bis 20. November in Genf eine große Konferenz statt. Besonders gefreut hat uns, dass auch eine Delegation von Spenderkindern aus verschiedenen Ländern dort die Möglichkeit hatte, in 45 Minuten zu verdeutlichen, wo in der Reproduktionsmedizin Kinderrechte verletzt werden. Die Präsentation bestand aus sieben Statements verschiedener Spenderkinder, in denen verschiedene Aspekte thematisiert wurden. Unsere belgische Schwesterorganisation hat Videomitschnitte der einzelnen Statements auf ihrer Homepage veröffentlicht. Einen Audiomitschnitt gibt es bei Youtube:

Präsentation der internationalen Spenderkinderdelegation bei der UN in Genf (Schweiz) am 19.11.2019

Konsens war, dass das Wohl der Kinder, das beste Interesse der Kinder, entscheiden sollte, welche Regeln und Grenzen der Reproduktionsmedizin gesetzt werden. Dies ist gegenwärtig in keinem Land der Fall. Notwendig wären internationale Regeln, die den Handel mit Keimzellen verbieten und die Rechte der Kinder sichern. Dazu gehört, dass die Kinder unbedingt aufgeklärt werden müssen und die Möglichkeit haben müssen, Kontakt zu ihrer biologischen und genetischen Verwandtschaft aufzunehmen.

Mehrere Spenderkinder sagten, dass sie – als sie noch nicht aufgeklärt waren – gespürt hätten, dass etwas in ihrer Familie „nicht stimmt“ und sie das Gefühl gehabt hätten, ihren eigenen Gefühlen nicht trauen zu können.

Die Kenntnis der (wahren!) medizinischen Krankheitsgeschichte und genetischer Verwandte kann sogar lebensrettend sein, wenn es um die richtige Diagnose seltener erblicher Krankheiten geht oder ein Spenderkind z.B. eine Knochenmarksspende benötigt. Fallberichte veranschaulichten, dass solche Situationen bereits eingetreten sind. Besonders perfide ist es, wenn selbst in solchen Fällen Informationen zurückgehalten werden und die Anonymität des genetischen Vaters höher geschätzt wird, als das Leben des Spenderkindes.

Zum Recht auf wahre Informationen über die eigene Herkunft gehört auch die Forderung, dass Abstammungsdokumente wahrheitsgemäße Angaben zu den leiblichen Eltern machen. Ein Spenderkind formuliert es so „I do not need a piece of paper to tell me to love the man who raised me.“

Vielen Spenderkindern ist der persönliche Kontakt zur biologischen/genetischen Familie wichtig, also auch zu weiteren Verwandten der genetischen Elternteile und natürlich zu Halbgeschwistern. Sehr viele Halbgeschwister zu haben, so dass es kaum möglich ist, zu allen eine persönliche Beziehung aufzubauen, erzeugt dabei einen unangenehmen Eindruck von Massenproduktion beim einzelnen Spenderkind. Außerdem wurde es als belastend erwähnt, nicht zu wissen, wie viele es überhaupt gibt.

Eindrücklich war auch die Schilderung eines Spenderkindes, das von seinem Vater schwer misshandelt worden war. Angesichts solcher Erfahrungen von Spenderkindern ist es naiv, wenn Menschen das angebliche Wohl von Spenderkindern damit begründen, dass ihre rechtlichen Eltern mal einen Kinderwunsch hatten.

Mindestens zwei der anwesenden Spenderkinder waren genetische Kinder des Reproduktionsmediziners, der ihre Mütter behandelt hatte. Einerseits handelt es sich um eine persönliche, ethisch-medizinische Grenzüberschreitung des Arztes. Die Tatsache, dass mehrere Ärzte, zum Teil vielfach, ethisch-moralische Grenzen überschritten, zeigt aber auch, wie wichtig es ist, die Reproduktionsmedizin nicht sich selbst zu überlassen, sondern zu regulieren und zu kontrollieren.