Letzten Freitag und Samstag (22.-23. November 2013) fand das 1. Erlanger Symposium zur Familienbildung mit Spendersamen statt. Dabei handelte es sich um die erste Veranstaltung dieser Art zu Samenspenden in Deutschland. Anwesend waren etwa 150 Teilnehmer, darunter Eltern, Ärzte, Mitarbeiter von Samenbanken, Spenderkinder, und Forscher. Auf dem Programm standen zahlreiche Vorträge von Organisationen, die in diesem Bereich aktiv sind, sowie Vorträge zu Rechtsthemen. Von unserem Verein Spenderkinder waren Freitags vier und Samstags sieben Mitglieder anwesend. Sarah hat uns auf der Pressekonferenz am Freitag und am Samstag bei der (leider sehr kurz geratenen) Podiumsdiskussion vertreten. Stina hielt am Freitag einen Vortrag zum Thema „Ein Recht auf Identität„.
Wir Spenderkinder empfanden das Symposium im Großen und ganzen als eine sehr spannende und aufregende Veranstaltung. Wir haben viele interessante Leute kennengelernt und hatten überwiegend das Gefühl, dass viele Teilnehmer unseren Forderungen positiv und offen gegenüber standen. Mit solchen Leuten müsste es eigentlich zu schaffen sein, das bisherige System in Deutschland zu ändern.
Wir werden Stinas Vortrag in Kürze auf unserer Internetseite veröffentlichen, und Anfang nächsten Jahres wird es auch einen Reader mit allen Vorträgen geben. Daher hier nur eine kurze Reaktion zu einigen Vorträgen:
Besonders spannend war das Gespräch von Herrn Dr. Hammel von der Samenbank Erlangen mit zweien seiner Spender im Alter von 27 und 33 Jahren, bei denen mich ihre Offenheit sehr beeindruckte. Es war schön zu hören, dass beide sich für die Tätigkeit als Samenspender nicht aus Geldgründen entschieden haben, sondern um zu helfen – der eine, weil seine Schwester selbst Zeugungsprobleme hatte. Beide berichten offen darüber gegenüber ihrer Familie und dem Freundeskreis. Der eine hatte von einer Familie, die durch seine Spende ein Kind bekommen hat, auch einen Dankesbrief mit Bildern des Kindes bekommen. Darüber hat er sich sichtlich gefreut und sie auch seinen Eltern und seiner Freundin gezeigt. Hoffentlich entsprechen mehr der heutigen Spender diesem Typ.
Die ehemalige Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries gab zu Beginn ihres Festbeitrags bekannt, dass die künftige große Koalition in den Koalitionsvertrag aufnehmen möchte, dass wir Spenderkinder einen Auskunftsanspruch gegen den behandelnden Arzt über unsere Abstammung haben. Das hat uns natürlich sehr gefreut, da es sich hierbei um eine Forderung handelt, die wir seit unserer Vereinsgründung vertreten. In ihrem Vortrag hat Frau Zypries dann sieben weitere Vorschläge gemacht, wie Samenspenden in Deutschland geregelt sein müsste.
Diese finden größtenteils unsere Zustimmung. Nicht einverstanden sind wir jedoch mit 2 Punkten: das Recht von Spenderkindern, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten, soll zum Schutz des sozialen Vaters und des Spenders ausgeschlossen werden. Wir haben in der darauffolgenden Diskussion darauf hingewiesen, dass wir das – entsprechend einer Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz – für verfassungsrechtlich bedenklich halten. Das Ziel, den Spender vor Erb- und Unterhaltsansprüchen zu schützen, lässt sich auch durch andere Regelungen erreichen. Der andere Punkt betraf die Dokumentation der Spenderdaten, bei der Frau Zypries das Modell der Samenbank Erlanger für verallgemeinerungswürdig hielt, die Daten bei einem Notar zu hinterlegen. So gut wir das Modell als einen ersten Schritt finden, so lange es keinen Eintrag in das Geburtenregister und/oder ein Zentralregister gibt, bleibt hierbei aber das Problem, dass auf die Eltern kein Anreiz zur Aufklärung der Kinder ausgeübt wird und die Kinder auch erst mal wissen müssen, bei welcher Klinik ihre Eltern waren und mit welchem Notar diese kooperiert. Außerdem kann so nicht nachvollzogen werden, wie viele Kinder ein Spender gezeugt hat. Frau Zypries sagte jedoch ausdrücklich, dass diese Gedanken noch nicht abschließend seien. Davon abgesehen ist es schon ein sehr großer Schritt, dass die Politik diesen Problembereiche überhaupt endlich angehen möchte.
Leider wurde im Vortrag des Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) deutlich, dass dieser ungeachtet des bestehenden Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstimmung es weiterhin als legitime Entscheidung ansieht, wenn lesbische Paare dieses Grundrecht ihres künftigen Kindes ignorieren und sich bewusst für eine anonyme Samenspende aus dem Ausland entscheiden, zum Beispiel um die Familie eindeutiger allein über die sozialen Grenzen zu definieren. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung wird dabei als „hetero-normativ“ abgekanzelt und sie berufen sich darauf, dass es Studien zufolge Kindern mit anonymen Spendern nicht schlechter ginge als Kindern mit offenem Spender. Es bleibt aber dabei, dass auch die Kinder lesbischer Paare ein Recht darauf haben, selbst zu entscheiden, ob sie wissen möchten, woher sie genetisch kommen. Insbesondere muss man für dieses Recht nicht nachweisen, dass man psychopathologisch auffällig ist. Andere Studien wie die von Scheib, Riordan und Rubin aus dem Jahr 2005 haben außerdem ergeben, dass die meisten (89%) der aufgeklärten Kinder (12-17 Jahre) aus den unterschiedlichsten Familienformen (Single-Mütter, Heteropaare, lesbische Paare) in Erfahrung bringen möchten, wer ihr biologischer Vater ist. Man kann nie wissen, ob das eigene Kind zu dieser Gruppe gehört, und vor allem kann man die Bevormundung des Kindes durch eine Entscheidung für eine anonyme Samenspende nicht rückgängig machen. Die Haltung des LSVD ist insbesondere deswegen traurig, weil damit gerade eine Minderheit, die selbst so lange für ihre Rechte kämpfen musste, jetzt die Schwäche einer anderen Gruppe ausnutzt und die Rechte der Kinder missachtet.
Am Samstag gab es einen sehr guten und auch für Nicht-Juristen gut nachvollziehbaren Vortrag von Frau Professor Coester-Waltjen zu Familienrechtlichen Überlegungen zur Rolle des Samenspenders und möglichen Reformüberlegungen. In der darauffolgenden Diskussion fand ich besonders überraschend, wie wenig viele Reproduktionsmediziner offenbar über die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeiten unterrichtet sind und dass auch Handlungen, die nicht ausdrücklich unter Strafe stehen, trotzdem zu Schadensersatzansprüchen führen können. Insbesondere teilt Prof. Coester-Waltjen unsere Auffassung, dass die lange Zeit üblichen Anonymitätsversprechen der Ärzte niemals eine rechtliche Grundlage hatten und dass die Aufbewahrungsfrist für Spenderaten niemals nur 10 Jahre betragen hat. Sie hält deswegen Schadensersatzforderungen in 4-5stelliger Höhe für möglich. Das war anscheinend für viele anwesende Ärzte neu. Vielleicht motiviert dieser Gedanke zu einer etwas engagierteren Suche verschollener Behandlungsunterlagen.
Besonders eindrucksvoll war zuletzt der Vortrag der britischen Elterninitiative Donor Conception Network, die bereits vor 20 Jahren gegründet wurde und im Jahr 2005 – gegen den Widerstand fast aller Reproduktionsärzte – in Großbritannien ein Verbot anonymer Samenspenden und ein nationales Register durchsetzen konnte. Der Vortrag begann entsprechend mit den Worten: „I am going to make you jealous…“
Wir freuen uns auf weitere Veranstaltungen dieser Art und haben die Gelegenheit zum Austausch sehr genossen!