Archiv der Kategorie: Rechtliches

Rechtliche Themen und Fragen, Gerichtsverfahren, Gerichtsentscheidungen

Am 30. Mai ist Tag der genetischen Identität

Am 30. Mai ist jedes Jahr der weltweite Tag der genetischen Identität (international genetic identity day). Dieser Tag macht aufmerksam auf das Recht auf genetische Identität. Alle Menschen, auch Adoptierte und Spenderkinder, sollen erfahren können, wer ihre leiblichen Eltern sind. In Deutschland gibt es ein aus der Verfassung abgeleitetes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Trotzdem werden viele Spenderkinder von ihren Eltern nicht über ihre Herkunft aufgeklärt. Viele Spenderkinder erfahren erst von ihrer Abstammung, wenn sie über DNA-Datenbanken Halbgeschwister finden. In vielen Ländern werden Samen und Eizellen immer noch anonym vermittelt. Darunter sind auch einige europäische Nachbarländer wie Dänemark und Tschechien. Das ist problematisch, weil dadurch das Recht eines jeden Kindes, seine leiblichen Eltern zu kennen, nicht anerkannt wird. Dieses Recht steht in der internationalen Kinderrechtskonvention, die von fast allen Staaten ratifiziert wurde.

Die Bilder sind von Friedel Grant, inspiriert durch die ursprüngliche Kampagne der belgischen Spenderkinderorganisation: https://www.donorkinderen.com/

Solo Mütter durch Samenvermittlung aus Sicht des Kindes

Medienberichten zufolge entscheiden sich zunehmend Frauen ohne Partner*in, mit einer Samen“spende“1 (im Folgendem Samenvermittlung genannt) „alleine“ Mutter zu werden. Angeblich werden knapp 30% der Vorräte aus Samenbanken heutzutage an alleinstehende Frauen mit Kinderwunsch verkauft, so genannte Solo-Mütter (oder auf Englisch „Single Mothers By Choice“ (SMBC)). Auch die Elternorganisation DI-Netz bietet hierzu bereits Informationsveranstaltungen an.

In Diskussionen wird diese Form der Kinderwunscherfüllung oft eher oberflächlich behandelt und entweder als egoistisch verdammt oder als Emanzipation der Frau gefeiert. Beides trifft aus unserer Sicht das Problem nicht: jeder Kinderwunsch ist auf gewisse Weise egoistisch. Auch bei Samenvermittlung an Paare geht es darum, Menschen ihren Wunsch nach einem Kind zu erfüllen. Dabei wird dem Kind der genetische Vater (zumindest zunächst) vorenthalten. Grundsätzlich sind alle ethischen Bedenken in Bezug auf Samenvermittlung auch auf alleinstehende Frauen anwendbar (siehe hierzu unser Text Ethische Aspekte). Bei Solo-Müttern kommen aus Sicht des gezeugten Kinder jedoch noch einige weitere Aspekte hinzu, die wir in diesem Artikel darstellen – und am Ende auch einige inzwischen erwachsene Kinder von Solo-Müttern selbst erzählen lassen.

Motivation von Solo-Müttern

Solo-Mütter entscheiden sich überwiegend, ohne Partner ein Kind mit einer Samenvermittlung zu bekommen, weil sie einen starken Kinderwunsch haben, ihnen aber der passende Partner fehlt, um ein Kind bekommen.2 Für manche dieser Mütter kommt auf Grund zunehmenden Alters hinzu, dass sie das Gefühl haben, nicht mehr lange warten zu können, um ein Kind zu bekommen. Eine Samenvermittlung erscheint daher vielen als schnell zu realisierende Lösung. Dagegen scheint eher nur eine Minderheit gar keine Beziehung eingehen zu wollen.

Samenvermittlung ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, ohne Liebesbeziehung ein Kind zu bekommen: so wird beim Co-Parenting bewusst ein Vater für das Kind gesucht, mit dem die Mutter keine Liebesbeziehung führt, der aber die Vaterrolle einnimmt. Dies entspricht aus Sicht des Vereins Spenderkinder wesentlich mehr den Interessen des Kindes (siehe unser Beitrag Private Samen“spende“ und Co-Parenting). Einige Solo-Mütter scheinen hier aber Vorbehalte wegen der hierfür erforderlichen Abstimmungen und Kompromisse zu haben. So schreibt eine Solo-Mutter hierzu: „Die Möglichkeit eines Co-Parenting-Modells habe ich kurz überlegt, war dann aber nicht davon überzeugt, dass ein “fremder” Mann und ich einen gemeinsamen Weg finden können, unser Kind aufzuziehen.“

Rechtliche Aspekte bei Solo-Müttern

In Deutschland ist nicht gesetzlich geregelt, welche Personengruppen das Recht haben, ein Kind mit einer Samenvermittlung zu bekommen. Bis 2018 sprachen sich die Richtlinien der Bundesärztekammer gegen eine Vermittlung an alleinstehende Frauen aus. Die aktuelle Richtlinie der Bundesärztekammer zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion aus dem Jahr 2018 enthält hierzu jedoch keine Aussage mehr.

Bis zum Jahr 2018 vermittelten die meisten Ärzte keinen Samen an alleinstehende Frauen, weil das so gezeugte Kind keinen rechtlichen Vater hatte und man den Samengeber somit als Vater hätte feststellen können. Am 1. Juli 2018 trat das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen in Kraft. Das Gesetz sah insbesondere die Schaffung des Samenspenderregisters vor, gegen das Spenderkinder ein Recht auf Auskunft über ihren genetischen Vater ausüben können. Es sah aber auch eine Regelung vor, nach der ein Mann, der seinen Samen über eine medizinische Einrichtung zur Zeugung eines Kindes abgegeben hat, nicht als Vater des Kindes festgestellt werden kann (§ 1600 Absatz 4 BGB). Das gilt unabhängig davon, ob die Mutter des Kindes mit einem Mann oder eine Frau verheiratet ist.

Seitdem diese Regelung in Kraft getreten ist, nimmt der überwiegende Teil der juristischen Literatur an, dass die rechtlichen Risiken für Ärzte bei der Samenvermittlung an alleinstehende Frauen entfallen sind. Entsprechend wird zumindest berichtet, dass mehr deutsche Samenbanken Solo-Mütter als Kundinnen akzeptieren. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, die weiterhin ein rechtliches Risiko für Ärzte und Kliniken bei der Vermittlung an alleinstehende Frauen annehmen, weil der Gesetzgeber bei dem Ausschluss der Feststellung des Samengebers als Vater davon ausgegangen wäre, dass dem Kind einen anderen Mann als Vater zugeordnet werde.3

Wir haben auf Grund von Anfragen an unseren Verein den Eindruck gewonnen, dass viele Solo-Wunschmütter weiterhin für eine Samenvermittlung in europäische Nachbarländer wie die Niederlande oder nach Dänemark gehen. Zum Teil ist die seit 2018 veränderte Rechtslage in Deutschland möglicherweise nicht bekannt. Oft erwarten die Frauen aber auch, dass ihre Entscheidung bei ausländischen Kliniken besser angenommen wird und dass sie mehr Einfluss auf die Auswahl des Samengebers nehmen können. In diesen Fällen ist allerdings das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung vom betreffenden Recht des Landes abhängig. Dieses kann sehr anders aussehen als in Deutschland, wo das Recht auf Kenntnis der Abstammung verfassungsmäßig geschützt ist und Kinder seit 2018 vom Samenspenderregister Auskunft über den genetischen Vater erhalten können. So ist in Dänemark eine anonyme Samenvermittlung der Normalfall, offene Samen“spenden“ müssen ausdrücklich vereinbart werden und sind teurer. Beim Verein Spenderkinder haben sich einige Solo-Mütter gemeldet, denen erst im Nachhinein bewusst wurde, dass ihr Kind bei einer Samenvermittlung in Dänemark – anders als in Deutschland – nicht den Namen des genetischen Vaters erfahren kann. Daher sollte eine Samenvermittlung im Ausland nur in Ländern in Anspruch genommen werden, in denen das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung geschützt ist.

Kinder von Solo-Müttern sind finanziell und emotional schlechter abgesichert

Ein Kind ist finanziell und emotional besser abgesichert, wenn es zwei Elternteile hat. Zum Teil wird hiergegen eingewandt, dass die Situation bei Solo-Müttern nicht anders sei als bei allen anderen Alleinerziehenden. Das ist aus unserer Sicht nicht zutreffend. „Normale“ Alleinerziehende sind meistens nicht geplant alleinerziehend. Das Kind weiß, wer Vater und Mutter sind. Oft ist der andere Elternteil weiterhin im Leben des Kindes präsent, zahlt Unterhalt und übernimmt einen Teil der Betreuung des Kindes.

Schlechtere finanzielle Absicherung

Das gilt erst einmal finanziell: Kinder verursachen viele Kosten, brauchen aber insbesondere auch Betreuung – das ist Zeit, in der man nicht erwerbstätig sein kann. Wer weiterhin erwerbstätig ist, ist darauf angewiesen, anderweitige Betreuung zu organisieren und in der Regel auch zu bezahlen. Da ist es gut, wenn es zwei Gehälter in der Familie gibt. Das gilt insbesondere, wenn man selbst oder das Kind erkrankt. Auch für den schlimmsten denkbaren Fall ist das wichtig: Wenn die Mutter stirbt oder erkrankt, ist noch ein anderer Elternteil vorhanden, der für das Kind sorgen kann.

Solo-Mütter erhalten keinen Unterhaltsvorschuss, weil ein Samen“spender“ nicht als Vater festgestellt werden kann und daher auch nicht unterhaltsverpflichtet ist.4 Nicht wenige Solo-Mütter lügen Berichten zufolge und geben nicht an, dass sie eine Samenvermittlung in Anspruch genommen haben, sondern behaupten, sie könnten die Identität des Vaters lediglich nicht ermitteln. Das dürfte jedoch eine Straftat darstellen. Viele Gerichte verlangen außerdem zumindest Bemühungen, den genetischen Vater zu ermitteln.5

Wenn die Mutter nicht erwerbstätig ist oder nur ein geringes Gehalt verdient, bleibt nur der Anspruch auf andere Sozialleistungen wie das ALG II, Sozialhilfe oder Wohngeld.

Herausforderungen für die emotionale Entwicklung

Ein zweiter Elternteil ist aber auch wichtig für die emotionale Entwicklung des Kindes: Auch sehr gewünschte Kinder können für Eltern sehr anstrengend sein. Zwei Partner können sich gegenseitig entlasten: bei anstehenden Besorgungen, aber auch wenn ein Elternteil oder das Kind gerade eine schwierige Phase durchmacht. Von einer Entlastung durch den zweiten Elternteil profitiert das Kind, weil es gelassenere und geduldigere Eltern hat, die sich ausgleichen können. Außerdem lernt ein Kind durch das Vorleben einer Partnerschaft, wie Menschen zusammenleben und Konflikte konstruktiv lösen können. Das gilt selbst dann, wenn die Eltern aktuell kein Paar mehr sind.

Obwohl die meisten Studien sagen, dass es Kinder von Alleinerziehenden grundsätzlich gut geht, sind sie doch besonderen Belastungen ausgesetzt. So haben sie haben ein deutlich höheres Risiko, depressiv zu werden. Das wirkt sich auch auf das Kind aus. Einige Kinder von Solo-Müttern berichten, dass sie sich als Mittel gefühlt hätten, die Einsamkeit ihrer Mutter zu lindern. Solo-Mütter sollten daher sicherstellen, dass ihr Kind weitere Bezugspersonen hat, insbesondere auch männliche, und Personen, die sie verlässlich unterstützen werden.

Kinder von Solo-Müttern wachsen – anders als viele Spenderkinder von heterosexuellen Wunschelternpaaren – meistens in dem Bewusstsein auf, dass ihr Vater ein Samen“spender“ ist. Wird das Kind einer Solo-Mutter älter, wird es wahrnehmen, dass sein Vater nicht präsent in seinem Leben ist und auch kein anderer zweiter Elternteil dessen Rolle teilweise übernimmt.6 Die Wahrnehmung des genetischen Vaters durch das Kind kann sich über die Zeit verändern und von der von der Mutter gewünschten Rolle oder ihrer Wahrnehmung des genetischen Vaters abweichen. Viele Spenderkinder möchten wissen, wer ihr genetischer Vater ist und zum Teil auch eine Beziehung zu ihm aufbauen. Grundvoraussetzung einer Samenvermittlung ist jedoch meistens, dass der Vater kein wirkliches Interesse am Kind hat. Das kann potentiell kränkend für das Kind sein. Auch wenn ein Kind eine sehr gute Beziehung zu seiner Mutter hat, so bleibt am Ende doch diese Kränkung, dass der andere Elternteil, von dem das Kind 50 % hat, nicht wirklich an ihm interessiert ist, es ignoriert oder sogar ablehnt. Vereinbarungen im Bereich der privaten Samen“spende“, bei denen das Kind zumindest einen gewissen Kontakt zum Vater haben kann, liegen eher im Interesse des Kindes. Noch wünschenswerter wäre Co-Parenting, das, anders als Solo-Mutterschaft, den zweiten Elternteil des Kindes integriert (siehe hierzu auch unser Beitrag zu Co-Parenting).

Von alleinerziehenden Elternteilen ist bekannt, dass für die Kinder das Risiko einer so genannten „Parentifizierung“ besteht. Dabei fühlen sich Kinder aufgefordert, nicht kindgerechte Rollen einzunehmen und sich um die Eltern oder einen Elternteil zu kümmern. So übernehmen manche Kinder Aufgaben des fehlenden Partners, weil sie merken, dass dieser Part dem Elternteil fehlt und sie meinen, ihn unterstützen zu müssen. Von dieser Gefahr sind Spenderkinder allgemein betroffen – unabhängig davon, ob sie nur eine Mutter haben oder zwei Elternteile. Es gehört zum Konzept der Samenvermittlung, dass der genetische Vater gerade nicht in der Familie präsent sein soll. Die Elternschaft durch Samenvermittlung ist also mit der unausgesprochenen Bitte an das Kind verbunden, von ihm als gleichwertige Eltern anerkannt zu werden. Spenderkinder möchten z.B. oft ihr Interesse an ihrer Abstammung aus Rücksicht auf die Wunscheltern nicht zeigen. Zum Teil spüren sie eine starke Erwartung der Eltern, dass diese ihnen genug sein sollen. Damit die Eltern sich selbst als gute Eltern wahrnehmen können, darf es dem Kind nicht schaden, dass sie ihm den genetischen Vater vorenthalten. Es ist möglich, dass Kinder von Solo-Müttern diesen Druck noch stärker empfinden. Genauso gut möglich ist allerdings, dass Solo-Mütter eine Kontaktaufnahme des Kindes zum genetischen Vater offener gegenüberstehen, weil er nicht als Konkurrenz empfunden wird.

Besonders ungünstig kann eine Solo-Mutterschaft mit Samenvermittlung sein, wenn bereits Geschwisterkinder existieren, die in einer normalen Partnerschaft entstanden sind. Unter Geschwistern kann es zu Enttäuschungen, Neid und vielen anderen negativen Gefühlen kommen, wenn ein Kind einen verantwortlichen Vater hat und der Vater des Geschwisterkindes ein Samen“spender“ ist, der keine Rolle im Leben des Kindes einnehmen möchte.

Zwar gibt es Studien, nach denen Kinder und Jugendlichevon Solo-Müttern ihre Entstehungsweise grundsätzlich positiv sehen, psychopathologisch unauffällig sind und sozial funktionieren. Vom Funktionieren kann jedoch nicht auf das subjektive Erleben der Spenderkinder geschlossen werden (siehe auch unser Beitrag „Wie gut geht es Spenderkindern wirklich“). Für viele durch Samenvermittlung gezeugte gewinnt die Entstehungsweise – wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter an Bedeutung, wenn sie sich zunehmend von ihrer Herkunftsfamilie emotional emanzipieren. Es gibt Hinweise darauf, dass – nicht nur in Deutschland – erwachsene Spenderkinder Keimzellvermittlung kritischer sehen, als dies von der Reproduktionsmedizin und Wunscheltern gewünscht ist.

Was sagen Kinder von Solo-Müttern?

Die folgenden Zitate stammen aus Diskussionen in der Facebook Gruppe „We are donor conceived“ und wurden mit Zustimmung der UrheberInnen veröffentlicht und auf Deutsch übersetzt.

Maria
Meine Mutter hatte viele Zweifel, ob es überhaupt ethisch für sie vertretbar ist, als alleinstehende Frau schwanger zu werden und ein Kind zu haben. Sie war immer ehrlich zu mir, woher ich komme und was meine Rechte sind, und hat mir mehrere Male gesagt dass ich das Recht habe wütend auf sie zu sein, dass sie mich unter diesen Umständen auf diese Welt gebracht hat, obwohl ich ihr gegenüber niemals Wut oder Groll deswegen empfunden habe. Ich verurteile Solo-Mütter nicht, aber ich denke, dass jede Situation suboptimal ist in der man seine biologischen Eltern nicht kennt oder nicht bei ihnen aufwächst und wenn möglich vermieden werden sollte. Ich persönlich habe nichts bestimmtes in meiner Kindheit vermisst, und ich glaube das hat auch damit zu tun, dass meine Großmutter praktisch wie ein zweiter Elternteil für mich war. Ich habe es nie als Problem gesehen, eine alleinstehende Mutter zu haben, aber ich glaube, dass ein Kind immer mehrere Erwachsene (idealerweise unterschiedlichen Geschlechts) um sich herum haben sollte, die wie eine Art Eltern sein können oder mit denen man sprechen kann, wenn man Streit mit dem offiziellen Elternteil hat. Obwohl ich nichts Bestimmtes vermisste, habe ich mich immer gefragt wer mein Vater sein könnte, und es hat mich manchmal traurig gemacht, nicht zu wissen wer er ist.7

H.
Meine Mutter war eine Solo-Mutter und sie hat ihr ganzes Leben lang deutliche psychische Probleme gehabt. Erst als ich deutlich älter war, sah ich, wie ungewöhnlich und isoliert meine Kindheit war. Ich bin auf die Welt gekommen, um eine Rolle zu erfüllen, die man nicht erfüllen kann.8

Karla
Meine Mutter hat eine nicht diagnostizierte Borderline-Persönlichkeitsstörung. Sie hat absolut ein Kind bekommen, um jemanden nur für sich alleine zu haben.9

J.
Ich wurde gezeugt, um eine unmögliche Rolle für meine Mutter zu erfüllen. Meine Mutter wollte ein Kind haben, um nicht alleine zu sein und Kontrolle ausüben zu können. Ich hatte eine furchtbare Kindheit und habe nie ganz verstanden, was falsch mit meiner Mutter ist, bis ich älter wurde und das größere Bild sehen konnte. (…). Manchmal frage ich mich, was mein Samenspendervater darüber denken würde, dass seine Spende an eine Frau ging, die unethische Gründe hatte ein Kind zu bekommen.10

B.
Ich bin bei einer alleinstehenden Mutter aufgewachsen. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich mit der Aufgabe gezeugt wurden, ihr Gesellschaft zu leisten. Sie wollte keinen Partner. Sie wollte eine Mutter sein und Kinder haben, dass sie nicht verlassen würden. Ich war immer neugierig, wer mein Vater ist, sogar als ich sehr jung war.11

J.
Meine Mutter wollte bewusst eine alleinstehende Mutter sein. Sie hatte mehrere Jahre versucht, auf traditionelle Weise eine Famiilie zu gründen und hat nie den Richtigen getroffen. Bis ich 28 Jahre alt wurde habe ich nicht gewusst, wer mein Spender ist und mich auch nicht dafür interessiert. Er hat mich nicht aufgezogen, und ich habe ganz sicher nicht meine Identität von ihm abgeleitet. Ich habe mich als Resultat von meiner Mutter, Spendersamen und anderen Einflüssen um mich herum gesehen. Nachdem ich mich mit den Umständen von Samenspenden beschäftigt habe, fing ich an mich zu wundern, woher meine Gewohnheiten und Neigungen herkommen. Ich bin mir bewusst dass ich andere Gefühle als andere habe, aber ich würde die Umstände ehrlich gesagt nicht anders haben wollen. Ich bin nie mit einer Vaterfigur aufgewachsen, aber hatte viele männliche Rollenmodelle, zu denen ich aufblicken und von denen ich lernen konnte.12

Links

Blog von Hanna

Golombok, S., Zadeh, S., Imrie, S., Smith, V., & Freeman, T. (2016). Single mothers by choice: Mother–child relationships and children’s psychological adjustment. Journal of Family Psychology, 30(4), 409-418. http://dx.doi.org/10.1037/fam0000188


Mayer-Lewis, Birgit: Familiengründung von Frauen außerhalb einer Partnerschaft. Was Solo- Mütter in Deutschland bewegt – eine qualitativ- empirische Untersuchung, in: K. Beyer/C. Brügge/P. Thorn/C. Wiesemann (Hrsg.) , Assistierte Reproduktion mit Hilfe Dritter, Springer 2020, S. 213-227, S. 218.

Rüchel, Yvonne: Solomama – Mit Samenspende Schwanger werden
Produktion von Tellux Film GmbH / ARD im Auftrag des SWR / 45 Minuten / 2020

  1. Weswegen wir den Begriff kritisieren, erklären wir in unserem Beitrag: Was ist problematisch am Begriff der Spende []
  2. Birgit Mayer-Lewis, Familiengründung von Frauen außerhalb einer Partnerschaft. Was Solo- Mütter in Deutschland bewegt – eine qualitativ- empirische Untersuchung, in: K. Beyer/C. Brügge/P. Thorn/C. Wiesemann (Hrsg.) Assistierte Reproduktion mit Hilfe Dritter, Springer 2020, S. 213-227, S. 218. []
  3. Wehrstedt, Das neue Samenspenderregister und die Auswirkungen auf notarielle Beurkundungen anlässlich einer heterologen Insemination, MittBayNot 2019, 122, 127. []
  4. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.05.2012, Az. 12 S 2935/11, besprochen in der Legal Tribune Online. []
  5. siehe Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.09.2018, Az. 7 A 103000/18.OVG, besprochen in der Legal Tribune Online. []
  6. Die Rolle des genetischen Vaters kann nicht vollständig von einem anderen Menschen übernommen werden. []
  7. My mother had a lot of doubts whether it would even be ethical for her to become pregnant and have a child as a single woman. She was always honest to me about everything, where I came from and what my rights were, and has told me many times that I am allowed to be angry at her for bringing me into this world in these circumstances, though I’ve never felt anger or resentment towards her for this. I do not condemn smbc, but I do think that every situation in which you do not know and/or are not raised by your biological parent(s) is suboptimal and should be avoided if possible. I personally did not miss anything specific while growing up, and I think that also has to do with the fact that my grandmother was basically a second parent to me. I never considered having a single mother as a problem, but I do think that as a child you should always have multiple adults (of different genders, ideally) around who function as some sort of parent or who you can always talk to if you’re having an argument with your one official parent. Though I didn’t miss anything specific, I always did wonder about who my father would be, and not knowing him made me sad sometimes. []
  8. My mother was a SMBC and she has significant lifelong mental health issues. I never realized how unusual and isolating my childhood was until I was much older. I hear you about being born to fulfill an impossible role []
  9. My mother has undiagnosed borderline personality disorder. She absolutely had a child to have someone “all to herself.” []
  10. I was conceived to fulfill an impossible role for my mother. My mother wanted a child to never be alone and exact control. I had a horrible childhood and never quite understood what was wrong with my mom until I got older and could see the bigger picture. (…) I sometimes wonder what my donor sperm father would think about donating to a woman who had unethical reasons to conceive. []
  11. I was raised by a single mom. I felt like I was created with a job to keep her company. She didn’t want a partner. She wanted to be a mom and have kids who wouldn’t leave her. I was always curious about whom my father was, even when I was very young. []
  12. My mother wanted to be a single mother by choice. This happened after trying to have a family the traditional way for many years and just never meeting Mr. Right. From the time I was born until around 28, I never knew or cared about who my donor was. He didn’t raise me, and I certainly didn’t form my identify off of him. As far as I was concerned, I was the product of my mother, donor sperm, and other influences around me. After diving into the donor-conceived vortex, I have started to wonder where I get all of my habits and tendencies from. I know I feel differently than some, but I honestly wouldn’t have had it any other way. I never had a „dad figure“ growing up but I had plenty of male role models to look up to and learn from. []

Welt am Sonntag „Suche nach dem Vater“ am 21. Februar 2021

In der Welt am Sonntag vom 21. Februar 2021 erzählt der Artikel „Suche nach dem Vater“ von Wolfgang Büscher die Geschichte der Halbgeschwister Alexander, Stefano, Nina und Anne (mir). Wir haben uns über DNA-Datenbanken gefunden und sind nun gemeinsam auf der Suche nach unserem genetischen Vater. Der Artikel ist auch als Online-Version verfügbar, unter dem Titel Anonyme Samenspender – „Du bist eben der Sohn deiner Mutter“ allerdings nur mit Welt-Abo (kostenloser Probemonat möglich).

Anders als es in der Zusammenfassung der Printausgabe steht, ist das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung altbekannt und waren Anonymitätsversprechen immer ungültig.

Im Artikel wird beschrieben, dass Stefanos Eltern zunächst ein Spanier als „Spender“ zugesagt worden war. Stefanos DNA-Test zeigte jedoch, dass er keine spanischen Wurzeln hat. Wer ist dann unser genetischer Vater? Wir freuen uns sehr über alle Hinweise. Und natürlich freuen wir uns auch über weitere Halbgeschwister! Auch Menschen, die selbst keine Spenderkinder sind, uns aber bei der Suche helfen möchten, können das tun, indem sie sich selbst in DNA-Datenbanken registrieren lassen. Je mehr Menschen sich registrieren lassen, desto einfacher können Verbindungen aufgespürt werden.

Spenderkinder bei öffentlicher Anhörung im Gesundheitsausschuss zu Eizellvermittlung

Anne hat den Verein Spenderkinder als Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages am 27. Januar 2021 zum Thema Legalisierung der Eizellvermittlung in Deutschland vertreten.

In dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren“ fordert die FDP die Legalisierung der Eizellspende (im Folgenden Eizellvermittlung) in Deutschland. Als Hauptargument dafür nennt sie, dass Kinderwunschpaare sich sonst anonyme Eizellen im Ausland vermitteln lassen und die entstehenden Kinder ihr Recht auf Kenntnis ihrer genetischen Abstammung kaum wahrnehmen könnten. Außerdem werde die Eizellvermittlung im Ausland oft kommerziell angeboten, so dass Paare aus Deutschland viel Geld dafür bezahlen müssten.

Wir haben uns in unserer Stellungnahme gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Aus unserer Sicht sprechen viele Argumente gegen die Legalisierung der Eizellvermittlung in Deutschland, wie z.B. fehlende Erfahrung zum Erleben der Kinder, aber auch die drohende Kommerzialisierung und die erhöhten gesundheitlichen Risiken für die abgebende Frau. Abgesehen davon enthält der Gesetzentwurf keine flankierenden Maßnahmen, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung in Deutschland sichern würden, wie eine Änderung des Samenspenderregistergesetzes. Diese hätte der Gesetzentwurf aber ebenfalls vorsehen müssen. Dem Gesetzentwurf nach dürften Eizellen bei einer Legalisierung der Eizellvermittlung völlig unreguliert vermittelt werden.

Ebenfalls fehlen Ausführungen dazu, wie eine Kommerzialisierung der Eizellvermittlung in Deutschland verhindert werden könnte. Erfahrungen aus Großbritannien und Österreich zeigen, dass nur sehr wenige Frauen bereit sind, ihre Eizellen abzugeben, wenn sie dafür keinen deutlichen finanziellen Vorteil erhalten. Wunscheltern gehen außerdem nach wie vor in andere Länder, in denen sich wegen niedrigerer Einkommen mehr Frauen finden, die bereit sind, ihre Eizellen gegen Bezahlung abzugeben. Wunscheltern, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung respektieren möchten, können für eine Eizellvermittlung in Länder reisen, in denen die abgebenden Frauen nicht anonym sind, wie z.B. die Niederlande, Österreich, Großbritannien und Finnland.

Bei der Anhörung hat uns gefreut, dass auch viele andere der Sachverständigen vor allem ethische und medizinische Argumente gegen die Legalisierung der Eizellvermittlung eingebracht haben. Die Stellungnahmen sind öffentlich einsehbar.

Auch wenn der Entwurf der FDP abgelehnt werden sollte, wird uns das Thema Eizellvermittlung künftig weiterhin beschäftigen.

Artikel über Julias erfolgreiche Suche und die komplizierte Rechtslage, im Campusmagazin KURT der TU Dortmund im Dezember 2020

Das Campusmagazin KURT der TU Dortmund berichtet in seiner Dezemberausgabe über Julias erfolgreiche Suche nach ihrem leiblichen Vater und darüber, wie es danach weiterging (ab S. 6). Gleich im Anschluss folgt ein Interview mit Anne zur aktuellen Rechtslage für Spenderkinder (S. 10).

Pressemitteilung: Spenderkinder starten SocialMedia-Kampagne, um ihre genetischen Väter zu finden

Der Verein Spenderkinder startet am 1. März 2020 eine SocialMedia-Kampagne, um auf den Wunsch vieler durch „Samenspende“ gezeugter Menschen hinzuweisen, ihre leiblichen Väter zu kennen. Unter dem Hashtag #zeigedich werden in den nächsten Wochen regelmäßig unvollständige Bilder der Vereinsmitglieder auf Instagram, Twitter und Facebook gepostet. „Wir hoffen, dass wir mit den Bildern ehemalige „Samenspender“ erreichen“, beschreibt Anne Meier-Credner, Vorstandsmitglied des Vereins, das Ziel der Kampagne. Es ist das erste Mal, dass sich so viele Spenderkinder mit einem Foto zeigen.

In Deutschland haben alle Menschen – auch Kinder eines „Samenspenders“ – ein Recht darauf, zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern sind. Das war Reproduktionsmedizinern bereits in den 70er Jahren bekannt.[1] Dennoch haben viele den „Samenspendern“ Anonymität versprochen. „Wir haben über 10 Jahre lang an die Reproduktionsmedizin appelliert, Verantwortung zu übernehmen und uns bei der Rekonstruktion zu helfen. Jetzt wenden wir uns direkt an unsere genetischen Väter und hoffen, dort auf mehr Verantwortungsbewusstsein zu treffen“, so Meier-Credner, „Spenderkinder wünschen sich einen genetischen Vater, der seine Vergangenheit als ‚Spender‘ nicht verleugnet. Es ist stark, Verantwortung zu übernehmen und zu seinen Kindern zu stehen.“

Viele Spenderkinder sind in den großen DNA-Datenbanken Ancestry, 23andMe, FamilyTreeDNA und MyHeritage registriert, um genetische Verwandte zu finden. Der Verein Spenderkinder freut sich sehr, dass sich bereits einige ehemalige „Spender“ aus eigener Initiative bei DNA-Portalen registrieren lassen und möchte dazu weiter ermuntern. Je mehr Menschen sich in DNA-Datenbanken registrieren lassen, desto mehr Chancen haben Spenderkinder, ihre genetischen Väter auch über andere Verwandte zu finden.

Wer Spenderkinder bei der Suche unterstützen möchte, kann die Suchprofile z.B. über Twitter teilen und möglichst viele Menschen darauf aufmerksam machen. Männer, die ihren Samen über Samenbanken haben vermitteln lassen, werden gebeten, sich beim Verein Spenderkinder zu melden (info@spenderkinder.de).


[1] 1970 erklärte der damalige Justiziar Dr. Arnold Hess auf dem Deutschen Ärztetag, dass der Arzt dem Kind Auskunft geben müsse, wenn er nicht schadensersatzpflichtig werden wolle (DtÄbl 1970, 1982). 1985 bestätigten zwei Essener Reproduktionsmediziner: „Ein wesentliches juristisches Problem dieser Behandlungsmethode ergibt sich aus der bewussten Verletzung des im Grundgesetz verankerten Rechtes auf Kenntnis der biologischen Abstammung. Juristisch spricht man von der planmäßigen Vereitelung der Abstammung, die missbilligt wird“. (Katzorke, K. & Propping, D.; 1985. Voraussetzungen und Ergebnisse der heterologen (donogenen) Inseminationsbehandlung. Pro Familia Magazin, Schwerpunktthema: Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin. S. 20-22.)

Pressemitteilung: Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ wirbt für in Deutschland verbotene Verfahren – Verein Spenderkinder äußert ethische und rechtliche Bedenken

Am 7. und 8. März 2020 findet in Berlin erneut die umstrittene Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ statt. Auf dieser Messe werden offensiv sämtliche in Deutschland aus ethischen und psychologischen Gründen verbotene Verfahren wie Eizellvermittlung, kombinierte Samen- und Eizellvermittlung, Leihmutterschaft bis hin zur PID zur Geschlechterselektion angeboten. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellvermittlung entstandenen Menschen einsetzt, findet es sehr bedenklich, dass diese Veranstaltung bereits zum vierten Mal in Berlin stattfinden soll, obwohl regelmäßig Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen.

Die gesamte Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, KundInnen zu gewinnen und die – zum großen Teil in Deutschland verbotenen – Dienstleistungen zu vermarkten. Anders wären die zahlreichen ausländischen Aussteller, die zum Teil auch als Sponsoren genannt werden, wohl kaum bereit, an einer Veranstaltung in Deutschland mit entsprechenden Ausstellungsgebühren teilzunehmen.

Nach Werbe-Richtlinie[1] ist jegliche Maßnahme, die über die Schilderung der Rechtslage zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in anderen Ländern hinausgeht, Werbung. Hierzu gehört zum Beispiel, wenn ein Aussteller niedliche Babyfotos verwendet, um an den Kinderwunsch der Interessierten anzuknüpfen. Werbung ist auch, wenn eine Klinik ihr Vorgehen bei dem jeweiligen reproduktionsmedizinischen Verfahren schildert.[2]

Die Themen der im Seminarbereich angebotenen Vorträge zeigen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Hintergründen der Verbote nicht vorgesehen ist. Stattdessen scheint es, als sei es wesentlicher Inhalt der Veranstaltung, Wege zu vermitteln, wie die kindzentriert engen Grenzen der deutschen Rechtslage umgangen werden können.

Der Verein Spenderkinder fordert ein Einschreiten gegen die Werbung für Eizellvermittlung, anonyme Keimzellvermittlung und Leihmutterschaft und eine umfassende Auseinandersetzung mit den ethischen Verbotshintergründen.


[1] Werbe-Richtlinie 2006/114/EG, Artikel 2 Buchst. a

[2] Unter den Begriff der Werbung können selbst sachliche Informationen fallen, vgl. dazu das Urteil des Amtsgerichts Gießen zu verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbruch nach § 219a StGB (AG Gießen, Urteil v. 24.11.2017, 507 Drs – 501 Js 15031/15).

Fachgespräch Embryonenspende im Gesundheitsministerium am 28. August 2019

Am Mittwoch, den 28. August, hat der Verein Spenderkinder an einem Fachgespräch im Bundesministerium für Gesundheit zum Thema „Embryonenspende“ mit dem Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn teilgenommen. Wir hatten vorab eine Stn des Vereins Spenderkinder zu Embryonenadoption August 2019 eingereicht.

Außer uns nahmen teil:

Frank Plesse, Ministerialrat des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege,

Dr. med. Ulrich Hilland, Vorsitzender des Bundesverbands reproduktionsmedizinischer Zentren,

Dr. Petra Thorn und Prof. Dr. Jochen Taupitz (beide Mitglieder der Arbeitsgruppe der Leopoldina, die Anfang Juni die umstrittene Stellungnahme „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“ veröffentlicht hatte) sowie

Hans-Peter Eiden, Gründer des Netzwerks Embryonenspende e.V.

Damit standen vier der sechs Teilnehmenden der Reproduktionsmedizin nahe. Das bayerische Staatsministerium wurde vermutlich eingeladen, weil die bayerischen Staatsanwaltschaften gegen das Netzwerk Embryonenspende vorgegangen sind. Interessant an dem Gespräch war, dass selbst zwischen den reproduktionsmedizin-freundlichen VertreterInnen sehr umstritten war, welche Eizellen genau nach der geltenden Rechtslage vermittelt werden dürfen. In dem Gespräch wurde auf jeden Fall deutlich, dass regelmäßig überprüft werden sollte, ob die bestehenden Regeln in der Reproduktionsmedizin eingehalten werden.

Wir freuen uns, dass sich das Gesundheitsministerium mit dem Thema beschäftigt und uns eingeladen hat und hoffen, dass die Forderung des Vereins Spenderkinder erfüllt wird, auch Embryonenadoption rechtlich zu regeln und hierbei die Perspektive der Kinder entscheidend zu berücksichtigen.

Stinas Geschichte im Audible-Podcast „der Moment“ vom 27. Juli 2019

In der aktuellen Folge des audible-Podcasts „der Moment“ vom 27. Juli 2019 erzählt Spenderkinder-Mitglied Stina die Geschichte vom Tag ihrer Aufklärung im Jahr 2006 bis zum Finden ihres genetischen Vaters 2018.

Anders als in den Zeitungsartikeln in der Zeit und der WAZ zu Beginn dieses Jahres, erzählt Stina im Podcast selbst ihre Geschichte. Dadurch fühlt man sich noch dichter dran am Geschehen und Stinas stets besonnene Reaktion auf emotional sehr schwierige SItuationen, die – wären sie nicht wirklich wahr – surreal anmuten, wirkt umso bemerkenswerter.

Noch ist die Folge nur mit einem Audible-Abo zu hören, wahrscheinlich wird sie aber nach einiger Zeit für alle freigeschaltet. Die ganze Staffel kostet 10 Euro – die anderen Folgen klingen aber auch interessant!

Ärzte des Netzwerks Embryonenspende auch in zweiter Instanz freigesprochen

Im Strafverfahren gegen mehrere Vorstandsmitglieder des Netzwerks Embryonenspende hat das Landgericht Augsburg die angeklagten Mediziner am 13. Dezember 2018 auch in zweiter Instanz freigesprochen.1

Das Netzwerk Embryonenspende vermittelt Embryonen, die im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung entstanden sind, von den ursprünglichen Wunscheltern jedoch nicht mehr ausgetragen werden möchten, an andere Wunscheltern. Neben Embryonen, bei denen die Ei- und Samenzelle bereits verschmolzen sind, vermittelte das Netzwerk jedoch auch Eizellen, die bereits mit dem Samen des Mannes imprägniert sind, aber bei denen die Zellkerne noch nicht verschmolzen sind (sog. 2 PN-Zellen).

Rechtlicher Streitpunkt des Strafverfahrens ist die Frage, ob die Weiterkultivierung einer solchen 2 PN-Zelle zum Zweck der Übertragung auf eine andere Frau als die Frau, von der die Eizelle stammt, eine nach § 1 Abs.atz 1 Nr. 2 Embryonenschutzgesetz verbotene Befruchtung zur Übertragung an eine andere Frau darstellt. Das Gutachten des Netzwerks Embryonenspende der emeritierten Rechtsprofessorin Monika Frommel vertritt, dass der Straftatsbestand nicht verwirklicht ist. Zwei andere Gutachten nehmen dagegen einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 Embryonenschutzgesetz an.2

Das Landgericht Augsburg hat sich der Meinung von Frau Prof. Frommel angeschlossen und vertritt, dass kein Verstoß gegen § 1 Absatz 1 Nummer 2 Embryonenschutzgesetz vorliegt und die angeklagten Mediziner damit keinen Straftatsbestand verwirklicht haben. Das Amtsgericht Dillingen hatte die Mediziner in der ersten Instanz mit Urteil vom 20. März 2018 ebenfalls freigesprochen, allerdings „nur“ wegen eines Verbotsirrtums – was bedeutet, dass sie den Straftatbestand verwirklicht hatten, aber lediglich nicht schuldhaft gehandelt hatten (unsere Kritik hierzu). Diese Unterscheidung ist durchaus bedeutsam: nach dem Urteil des Amtsgerichts Dillingen dürften die Mediziner keine 2 PN-Zellen mehr vermitteln, nach dem Urteil des Landgericht Augsburg dürfen sie es weiterhin.

Das Landgericht Augsburg nahm an, dass bei einer 2 PN-Zelle die Befruchtung bereits abgeschlossen sei. Die Auflösung der beiden Vorkerne und Verschmelzung zu einer stelle nur die natürliche Entwicklung nach der künstlichen Befruchtung dar. Hierfür spreche auch der natürliche Sprachgebrauch. Das systematische Argument, dass § 1 Absatz 1 Nummer 2 Embryonenschutzgesetz bei dieser Interpretation keinen Anwendungsbereich besitze, hält das Gericht nicht für zwingend, da das Embryonenschutzgesetz in die Jahre gekommen sei und zeitgerecht und modern ausgelegt werden müsse.

In einer Besprechung in der Zeitschrift Medizinrecht kritisieren zwei Mitarbeiterinnen der Bundesärztekammer, dass das Landgericht Augsburg sich bei dieser wesentlichen Frage nicht der fachlichen Expertise ausgewiesener Experten oder der Bundesärztekammer als Richtliniengeber für die Richtlinie zur Entnahme und Übertragung menschlicher Keimzellen bedient habe.3 Die Richtlinie verwende bewusst den Begriff „imprägnierte Eizelle“ und nicht „befruchtete Eizelle“. Sowohl der Rechtsbegriff i. S. v. § 1 Absatz 1 Nummer 2 Embryonenschutzgesetz wie auch medizinisch-wissenschaftliche Tatsachen um Befruchtungsvorgang und zur Embryonalentwicklung blieben mit Verweis auf den natürlichen Sprachgebrauch unbeachtet.

Die Staatsanwaltschaft hat bereits angekündigt, in Revision zu gehen. Damit wird in dritter Instanz nun der Bundesgerichtshof entscheiden und die Frage endlich höchstrichtlich klären. Der Verein Spenderkinder hofft, dass das BGH-Urteil auch die politischen Entscheidungsträger dazu motivieren wird, die rechtlichen Fragen der „Embryonenspende/Embryonenadoption“ ausdrücklich zu regeln. Der Verein Spenderkinder hat das Vorgehen des Netzwerks Embryonenspende bereits im Jahr 2014 kritisiert.

So werden die Daten der leiblichen Eltern eines durch „Embryonenspende“ gezeugten Kindes nicht im Juli 2018 eingerichteten Samenspenderregister eingetragen. Das bedeutet, dass durch „Embryonenspende“ gezeugte Kinder sich für die Realisierung ihres Rechts auf Kenntnis der Abstammung an den behandelnden Arzt wenden müssen. Hiermit haben Mitglieder des Vereins Spenderkinder keine guten Erfahrungen gemacht.

  1. Landgericht Augsburg, Urteil vom 13.12.2018, Az. 16 Ns 202 Js 143548/14 – nicht rechtskräftig. []
  2. Börgers, N. & Frister, H. (2010). Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Kryokonservierung von Keimzellen; Taupitz, J. & Hermes, B., Eizellspende verboten – Embryonenspende erlaubt? Neue Juristische Wochenschrift 2015, S. 1802-1807. []
  3. Hübner/Pühler, MedR 2019, 483, 488. []