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ZDF-Doku „Der blinde Fleck in meinem Leben“ am Dienstag, den 13. Juli 2021

Am Dienstag, den 13. Juli, wurde um 22.15 Uhr in der ZDF-Sendereihe 37 Grad die Dokumentation Der blinde Fleck in meinem Leben. Die Ungewissheit einer Samenspende von Julia Kaulbars gezeigt. Darin berichtet auf der einen Seite der ehemalige „Samenspender“ Peter wie er sich für seine genetischen Kinder findbar macht und auf der anderen Seite Spenderkind Astrid von ihrer erfolgreichen Suche nach ihrem genetischen Vater. Die Sendung ist weiterhin über den Link abrufbar.

Peter gab von Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre in der Samenbank in Essen Samen ab. Er erfährt, dass viele Spenderkinder auf der Suche nach ihren genetischen Vätern sind und entschließt sich daraufhin, sich in DNA-Datenbanken zu registrieren, damit er gefunden werden kann.

Astrid erfährt im Alter von 40 Jahren von ihrer Entstehungsweise, nachdem sie ihr Leben lang das Gefühl hatte, dass etwas in ihrer Familie nicht stimmt. Daraufhin macht sie sich auf die Suche nach ihrem genetischen Vater.

Wir Spenderkinder wünschen uns sehr, dass weitere „Samenspender“ Peters Beispiel folgen, zu ihren genetischen Kindern stehen und sich am besten in einer DNA-Datenbank registrieren. So können suchende Kinder sie direkt finden. Alternativ freuen wir uns auch, wenn sich ehemalige „Samenspender“ direkt bei unserem Verein melden und zum Beispiel ein Suchprofil auf unsere Homepage setzen.

Rechtliche Ergänzung zur Doku: Auch vor 2018 gezeugte Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern sind. Darauf wies bereits 1970 der Justiziar der Bundesärztekammer im Zusammenhang zur Samenvermittlung hin. Bis 2018 gezeugte Spenderkinder sind dazu jedoch auf die Auskunftsbereitschaft der Ärzte angewiesen, die den Samen vermittelten. Deswegen ist es so wichtig, dass es seit 2018 ein zentrales Register gibt, bei dem Spenderkinder unabhängig von einzelnen Ärzten Auskunft erhalten können.

Am Vortag gab es in Verbindung mit einer Vorschau zur Doku ein Interview mit Spenderkindervorstandsmitglied Anne zu psychologischen Aspekten bei Samenvermittlung im ZDF-Servicemagazin Volle Kanne.

Fachkonferenz der KAS und der Leopoldina am 22. April 2021

Anlässlich des 30. Geburtstages des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) veranstalteten die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am 22. April 2021 eine Fachkonferenz unter dem Titel Medizinischer Fortschritt, gesellschaftlicher Wandel und politischer Handlungsbedarf.

Die Veranstaltungsaufzeichnung ist online verfügbar.

Wir freuen uns, dass es zu dieser Veranstaltung kam und Anne als Vertreterin unseres Vereins die Perspektive der entstandenen Menschen einbringen konnte (Minute 37 bis 1:01). Einleitend betonten Prof. Norbert Lammert, Vorsitzender der KAS, und Prof. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina, die große Bedeutung der Fortpflanzungsmedizin für die Gesellschaft und dass Wissenschaft und Politik die Entwicklungen so vorantreiben müssten, dass Fehlentwicklungen vermieden und Chancen genutzt werden könnten.

Das Programm begann mit einem Impulsvortrag der Soziologin Prof. Heike Trappe, die einen Überblick über die Familiendemografie in Deutschland gab und Anknüpfungspunkte zur Fortpflanzungsmedizin aufzeigte. Es folgten vier moderierte Debattenrunden zu den Fragen 1. Was wird von der Fortpflanzungsmedizin erwartet? 2. Was darf Fortpflanzungsmedizin? 3. Was können wir von anderen Ländern lernen? und 4. Wie muss Fortpflanzungsmedizin reguliert werden? Dazu wurden jeweils zwei Expert*innen interviewt. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion gesundheitspolitischer Vertreterinnen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vor den Schlussworten des stellvertretenden Vorsitzenden der KAS, Hermann Gröhe, und des Vizepräsidenten der Leopoldina, Prof. Dr. Thomas Krieg.

Zentrales Thema war die Eizellvermittlung, die laut ESchG in Deutschland verboten ist. Die Diskussion dazu wirkte eher politisch als wissenschaftlich geleitet. Anstatt zunächst Pro- und Contra-Argumente zu sammeln und transparent abzuwägen, servierte bereits der Impulsvortrag ein Plädoyer für die Legalisierung der Eizellvermittlung.

Viele kritische Argumente, die in der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages Ende Januar zur Eizellvermittlung eingebracht wurden, wurden auf der Fachkonferenz kaum oder gar nicht aufgegriffen.

Es wirkte, als würde aus dem Wunsch nach einem Kind ein Bedarf an Realisierungsmöglichkeiten abgeleitet, dem sich die Beteiligten gleichsam als Erfüllungsgehilfen unterordneten. Dies überspringt die Notwendigkeit, den vermeintlichen Bedarf kritisch zu hinterfragen. Der Wunsch nach einem Kind ist verständlich und es ist naheliegend, alles zur Erfüllung der eigenen Wünsche zu unternehmen bzw. zu fordern. Wichtig wäre daher zu diskutieren, welche Grenzen dennoch verbindlich gelten sollen. Auch die Rolle/Funktion, in die das Kind bei dieser Herangehensweise gerät, wurde nicht reflektiert.

Anne hatte direkt in der ersten Debattenrunde darauf aufmerksam gemacht, dass es wichtig ist, alle Beteiligten als Menschen wahrnehmbar zu machen. Denn die entstehenden Menschen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre genetischen Eltern und (Halb-)geschwister kennenlernen wollen. Depersonalisierende und technisierende Begriffe wie „Spender“, „Spende“ und „Behandlung“ sind weder treffend noch langfristig hilfreich. Sie verschleiern, dass Keimzellvermittlung keine einfache Lösung ist, um Erwachsenen ihren Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen, sondern eine Form der Familiengründung mit ganz eigenen psychosozialen Herausforderungen für alle beteiligten Menschen. Trotzdem wurde weiter über „Eizellspendebehandlung“ und „Spender*innen“ diskutiert.

In der politischen Abschlussdiskussion wurde die Idee aufgeworfen, eine Enquête-Kommission einzurichten, um das Thema in der nächsten Legislaturperiode weiter zu verfolgen. Wir hoffen, dass die Auseinandersetzung mit der komplexen menschlichen Thematik dort vertieft wird.

Veranstaltungsbericht der KAS

Filmrezension: MENSCHENSKIND! von Marina Belobrovaja

Nelly hat viele Geschwister aber keinen Vater. Das ist der Anfang der Beschreibung von „Menschenskind!“, einer Dokumentation der Befruchtung der Singlemutter und Filmemacherin Marina Belobrovaja. Weil sie viele Jahre keinen festen Partner, aber einen Kinderwunsch hatte, entschied sie sich zu einer privaten Samenspende, um ihre Tochter Nelly zu bekommen. Nachdem sie zwei Monate online Männer angeschrieben hat, findet sie den zukünftigen Vater, trifft ihn zum Sex und wird daraufhin schwanger. Das heißt, die Beschreibung des Films stimmt nicht ganz, Nelly hat natürlich einen Vater, aber eben keinen, der bereit ist, die Verantwortung für sie zu übernehmen.

Als Nelly heranwächst, konfrontiert sich Belobrovaja mit ihrer Entscheidung und trifft andere Spenderkinder, um zu verstehen, was ihre Entscheidung für ihr Kind bedeuten und wie sie am besten damit umgehen kann. Die Regisseurin versucht einen multiperspektivischen Blick auf das Thema einzunehmen: sie befragt den Vater ihres Kindes, warum er Kinder zeugt (er bleibt im Film anonym), andere Spenderkinder und mehrere Eltern, die auf nicht normative Arten eine Familie gegründet haben. Es geht also nicht nur um Singlemütter, sondern auch generell um Familie. Was ist Familie, was kann Familie sein? Belobrovaja ist in der ehemaligen Sowjetunion groß geworden, ihre Eltern und ihre Oma leben in Israel. Immer wieder sehen wir sie über Facetime mit Nelly reden und ihre Tochter und Enkelin bei ihrer Mutterschaft begleiten. Diese Szenen gehören zu den besten Momenten des Films, weil sie sehr authentisch zeigen, wie diese Familie funktioniert. Der stille Papa, die aufbrausenden Gespräche zwischen der Singlemutter in der Schweiz und der pragmatischen Mutter, die mit Putzhandschuhen aus Israel ihrer Tochter Ratschläge gibt. Im Gegensatz zu Deutschland gebe es in Israel kein Nachdenken über die ethischen Konsequenzen eines Kindes ohne sozialen Vater, vermutet Belobrovaja.

Weil ihr in ihrer Wahlheimat, der Schweiz, Kritik entgegenschlägt, versucht sie zu verstehen, woher die Kritik rührt, und ob sie bei ihrer Entscheidung ethische Fragen übersehen und mögliche psychische Folgen für ihre Tochter nicht bedacht hat. Für sie ist es natürlich zu spät, sie hat ihre Entscheidung schon getroffen. Aber für andere Wunscheltern kann der Film ein Teil der Entscheidungsgrundlage sein – und zwar bevor das Kind geboren wurde.

In „Menschenskind!“ sehen wir Nelly heranwachsen, aber auch am Ende ist sie noch zu jung, um für sich selbst sprechen zu können. Wird sie ihre Mutter irgendwann damit konfrontieren, dass sie ohne Vater aufwachsen muss? Wird sie Kontakt zu ihrem Vater aufbauen wollen? Wird dieser bereit sein, sie zu treffen? Oder wird sie das Gefühl haben, dass ihre Mutter die eigenen Wünsche, über ihr Wohl gestellt hat? „Es gibt kein Recht auf ein eigenes Kind“, betont das Spenderkind Anne Meier-Credner im Film. Belobrovaja fragt nach, ob ihre Eltern etwas hätten anders machen können? „Das kann man nicht richtig machen“, betont Meier-Credner. Man suche gezielt Männer, die kein emotionales Interesse an dem entstehenden Kind haben. Das wird für das entstehende Kind immer Verletzungspotenzial haben. Sicherlich schmerzhafte Momente für Belobrovaja. Umso mutiger, dass sie diesen Schmerz öffentlich macht. Als ein anderes Spenderkind erfährt, dass Belobrovaja sich für den Samen eines Mannes entschieden hat, der um die 60 Kinder gezeugt hat, äußert auch er Kritik an ihrer Entscheidung. Fühle sich das Kind nicht am Ende beliebig? Wahllos? Wie eine Nummer? Die Regisseurin konfrontiert sich zwar mit der Kritik an der Entscheidung, aber als Zuschauerin gewinnt man nicht den Eindruck, dass sie daraus für ihren Film die richtigen Schlüsse zieht: Sonst wären die privaten Szenen mit Nelly nicht im Film gewesen. Belobrovaja hat jedes Recht ihre Mutterschaft in einem Film zu thematisieren, aber nicht, Nellys Kindheit abzubilden. Gegen Ende der Dokumentation sieht man Nelly still auf der Straße liegend, noch zu klein, um sich zu alldem zu verhalten. Richtig wäre es gewesen ihr Bild und ihren Namen zu schützen. „Menschenskind!“ ist ein meinungsoffener, wichtiger und mutiger Film. Er stellt unerschrocken und ehrlich die richtigen Fragen.  

Autorin: Lena