Archiv für den Monat: September 2013

Kommentar zur Sendung ‚Blaue Couch‘ auf Bayern 1 vom 22.09.2013

Unter dem Titel „Auf der Suche nach dem biologischen Vater“ durfte ich von meinen Erfahrungen sowie meiner Suche nach dem Spender berichten. Mir hat die Sendung sehr gut gefallen, und ich möchte mich bei allen bedanken, die daran beteiligt waren.

Mir ist es wichtig, an dieser Stelle eine Korrektur der geschilderten Rechtslage vorzunehmen: Entgegen der Darstellung des beteiligten Juristen galt bereits vor 2007 eine Aufbewahrungspflicht für Behandlungsunterlagen über die üblichen 10 Jahre hinaus, wenn die ärztliche Erfahrung dies gebot. Bei einer Samenspende ist dies eindeutig der Fall. Wenn trotzdem Unterlagen vernichtet werden und es dem Kind dadurch unmöglich wird, die Identität des Spenders zu erfahren, können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Dies wurde den Ärzten schon seit 1970 z.B. im Deutschen Ärzteblatt kommuniziert.

Die Kontaktierung des Arztes ist der direkte und einfachste Weg, die Identität des Spenders in Erfahrung zu bringen. Der Zugang zu den Unterlagen wird jedoch gerade bei Spenderkindern, die sich heute bereits im Erwachsenenalter befinden, in den meisten Fällen von Seiten der Ärzte verhindert. Weitere Möglichkeiten sind die DNA-Datenbank „Family Tree DNA“ (FTDNA) sowie die Suchprofile auf dieser Website. Über FTDNA gab es in diesem Jahr sogar die ersten Treffer! Wünschenswert wäre es, Samenspender insoweit zu sensibilisieren, selbst zu erkennen, wie bereichernd es für sie und Spenderkinder sein kann, einander kennen zu lernen. Spender könnten jene Vermittlungsplattformen (FTDNA etc.) nutzen, um die gegenseitige Suche zu unterstützen.

Sicherlich ist der Verzicht auf die einst von den Ärzten zugesicherte Anonymität für viele Spender mit Unsicherheiten verbunden, was z.B. auch Unterhalts- und Erbschaftsansprüche betrifft. Auch auf der Blauen Couch wurde darüber gesprochen. Ich möchte diesen Gedanken noch einmal aufgreifen: Das ausgemalte Szenario ist ein sehr theoretisches. Voraussetzung dafür ist, dass das Spenderkind die Vaterschaft seines sozialen Vaters anficht, so dass es vor Gericht vaterlos wird. Erst unter dieser Bedingung könnte der Spender – theoretisch – an rechtlicher Vaterstelle eingesetzt werden. Für diese Entscheidung hat das Kind zwei Jahre nach seiner Aufklärung (bei Minderjährigen ab Volljährigkeit) Zeit.

Sollte das Kind sich tatsächlich für diese Möglichkeit entscheiden, würde es aber auch dem Spender gegenüber unterhaltspflichtig, wenn er z.B. alt und pflegebedürftig wird. Der Spender hätte außerdem die Möglichkeit, sich das Geld zurück zu holen indem er die Eltern oder den Arzt (wenn dieser ihn z.B. nicht darüber aufgeklärt hat) belangt.

Diese Bedingungen schaffen für uns Spenderkinder also keine Anreize, von dieser theoretischen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Vielmehr setzen auch wir uns für den ausdrücklichen Ausschluss von gegenseitigen Unterhaltsansprüchen ein.

Ich hoffe, dass in naher Zukunft für alle klare Verhältnisse geschaffen werden und die Tragweite der im Zusammenhang mit der Samenspende getroffenen Entscheidungen offen und ehrlich kommuniziert wird.

Autorin: Anja

Bayern 1 – auf der Suche nach dem biologischen Vater

Am Sonntag ab 12:00Uhr ist Anja auf dem Radiosender Bayern 1 zu hören. Bei der Sendung „Blaue Couch“ mit dem Titel „Auf der Suche nach dem biologischen Vater“  wird sie von sich und ihrer Suche nach ihrem Spender berichten und thematisiert die Wichtigkeit des Wissens um die eigene Herkunft. Die Sendung kann auch als Podcast nachgehört werden.

Ebenfalls zu Gast ist die Psychologin Dr. Bärbel Wardetzki, sodass eine interessante Gesprächsrunde entstehen wird.

Dänischer Spender vererbt genetische Krankheit an mindestens 9 Kinder

Der erschreckende Fall eines Spenders der dänischen Samenbank Nordic Cryobank, der die genetische Krankheit Neurofibromatose Typ 1 (kurz: NF1), auch Morbus Recklinghausen oder Periphere Neurofibromatose genannt, an mindestens 9 der 45 durch ihn gezeugten Kinder weiter gab, macht einen weiteren Grund deutlich, dass die Identität von Samenspendern nachverfolgbar und die Zahl der durch einen Spender gezeugten Kinder begrenzt werden muss.1

Nordic Cryobank ist die weltweit größte Samenbank und verkauft von Dänemark aus Samenspenden in über 70 andere Länder. NF1 ist eine seltene Erkrankung, die in der Hälfte der Fälle auf erblicher Veranlagung beruht. Die Krankheit kann Tumore, Veränderungen des Knochens und der Blutgefäße verursachen. Der Spender wurde vor seiner Spende nicht auf diese Krankheit getestet. 

Obwohl nach dänischem Recht nur 25 Kinder durch einen Samenspender gezeugt werden dürfen, enstanden mit seinen Spenden 43 Kinder in verschiedenen Ländern. In Deutschland wird von der Bundesärztekammer eine Zahl von 10 Kindern empfohlen, faktisch ist das jedoch nicht kontrollierbar. Von den 43 Kindern wurde bei mindestens neun NF1 diagnostiziert.2 Die Spenden wurden auch nach Schweden, Norwegen, Belgien und mehrere andere Länder verkauft3, bei denen sich die Samenbank vielleicht nicht an diese rechtlichen Regeln gebunden fühlte.

Obwohl der Klinik im Juni 2009 gemeldet wurde, dass ein durch Spender 7042 gezeugtes belgisches Kind positiv auf NF1 getestet wurde, verkaufte die Klinik sein Sperma weiter. Die Eltern der durch Spender 7042 gezeugten Kinder erwägen aus diesem Grund rechtliche Schritte gegen Nordisk Cryobank.4 Die Klinik beruft sich darauf, dass sie keinen Grund hatte zu glauben, dass die NF1 von Seiten des Spenders vererbt worden war.5 NF1 entsteht in etwa der Hälfte der Fälle durch spontane genetische Mutationen. Allerdings war bereits bei diesem ersten Fall klar, dass die Mutter die Krankheit nicht vererbt hatte. Insofern stellt sich die Frage, ob die Klinik bei einer 50 % Chance einer erblich bedingten Krankheit die Spenden von Spender 7042 nicht bis zu einer endgültigen Klärung nicht hätte verwenden sollen.

Weiterhin kontaktierte die Klinik weder die Eltern, deren Kinder ebenfalls durch Spender 7042 gezeugt wurde, noch benachrichtigten sie die Kliniken, an die seine Spenden bisher weiterverkauft wurden. Der ganze Sachverhalt wurde erst letztes Jahr der Öffentlichkeit bekannt, als klar wurde, dass mehr Kinder infiziert waren und der genetische Defekt vom Spender vererbt worden war.

Aufgrund dieses Skandals darf in Dänemark seit dem 1. Oktober 2012 das Sperma eines Spenders nur noch bei höchstens 12 Samenspenden verwendet werden.6 Bei Verdacht einer genetischen Krankheit dürfen die Spenden außerdem mit sofortiger Wirkung nicht weiterverwendet werden.7

Fraglich ist aber, ob das ausreicht. Im April dieses Jahres geriet die dänische Gesundheitsbehörde und die dortige Berufung auf die Anonymität von Samenspendern erneut in Kritik, nachdem sie die Kinder eines Samenspenders mit einer tödlichen genetischen Krankheit nicht kontaktierten.8 Bei dem Samenspender wurde 1997, einige Jahre nachdem er gespendet hatte, das erbliche und krebsverursachende Lynch Syndrom diagnostiziert. Er wandte sich an die Regierung, damit diese die Empfängerinnen seiner Spenden kontaktieren sollte, weil bei den Kindern durch eine frühe Behandlung schwere Gesundheitsschäden verhindert werden könnten. Die Gesundheitsbehörde entschied sich jedoch gegen eine Kontaktaufnahme, weil die Suche sich wegen der Anonymität der Spender als schwierig gestaltete. Der Spender wandte sich daraufhin an die Medien.

Auch in Deutschland wäre zumindest bei Behandlungen vor 2003 eine Kontaktaufnahme bei einer vermuteten Erbkrankheit zu den betroffenen Empfängerinnen wahrscheinlich schwierig, weil sich viele Reproduktionsärzte nach wie vor darauf berufen, dass bis 2007 die gesetzliche Aufbewahrungsfrist auch für Samenspendedaten nur 10 Jahre betrug. Viele berufen sich darauf, die Daten nach Ablauf dieser Frist vernichtet zu haben. Damit hätte man nach dieser Frist keine Spende mehr nachverfolgen können – und auch keinen Fall von genetisch bedingten Krankheiten.  Da man natürlich nie auf alle Krankheiten testen kann und manche auch erst später zu Tage treten, kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses Risiko Ärzten in Deutschland entgangen ist. Vermutlich haben sie es – wie die Wünsche und Bedürfnisse der gezeugten Kinder – lieber einfach ignoriert.

Der Fall zeigt deutlich, dass – völlig abgesehen davon, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung ein Grund- und Menschenrecht ist – auch aus medizinischen Gründen der Bedarf besteht, dass Spenden zurückverfolgt werden können, und zwar länger als 30 Jahre, wie es das Transplantationsgesetz vorsieht. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass die Spender auch Jahre nach ihrer Spende bei Auftreten erblich bedingter Krankheiten daran denken, dass die durch sie gezeugten Kinder hierüber informiert werden sollten.

Ob deutsche Samenbanken und Ärzte sich ähnlich verantwortungslos wie die Nordisk Cryobank verhalten, ist nicht bekannt. Allerdings besteht wegen der Einmischung in den menschlichen Zeugungsvorgang ein so hohes Risiko, dass eine gewisse staatliche Kontrolle wohl angebracht wäre. Diese könnte die deutschen Samenbanken und Ärzte dann auch endlich verpflichten, ein System einzuführen, dass eine Kontrolle darüber garantiert, dass tatsächlich nicht mehr als 10 Kinder durch einen Spender gezeugt werden.

 

  1. Danish sperm donor passes rare genetic disorder to at least five of the 43 babies he is thought to have fathered in ten countries, Mail online 25 September 2012. []
  2. Danish sperm donor also passed on genetic disorder in Belgium, FlandersNews.be 21 June 2013. []
  3. Danish sperm donor passes on disorder, BBC 27 September 2012. []
  4. Denmark Tightens Sperm Donation Law After Donor 7042Passes Rare Genetic Disease to 5 Babies, The Medical Daily 25 September 2012. []
  5. Danish sperm donation law tightened after donor passes on rare genetic disease, Bionews 1 October 2012. []
  6. Denmark Tightens Sperm Donation Law After Donor 7042Passes Rare Genetic Disease to 5 Babies, The Medical Daily 25 September 2012. []
  7. Danish sperm donor passes severe genetic disorder to five children, The Telegraph 25 September 2012. []
  8. Danish sperm donor privacy controversy, BioEdge 6 April 2013. []

Beeindruckender You-Tube Clip über Halbgeschwistertreffen in den USA

Auf Youtube hat die California Cryobank den beeindruckenden 9minütigen Clip Kids of Donor 5114 eingestellt (leider nur auf Englisch).

Erzählt wird die Geschichte von dem 13jährigen Nathan aus Denver, der das erste Mal seine Halbgeschwister trifft, die ebenfalls  an der California Cryobank gezeugt wurden. Das Video wurde von der Samenbank gemacht, weswegen am Ende wohl auch ein bisschen Werbung für Samenspenden nicht fehlen darf. Ich finde aber beeindruckend, wie ähnlich die Kinder sich sehen und wie deutlich sie sagen, wie viel ihnen der Kontakt untereinander bedeutet.  Die Worte, mit denen sie erklären, was sie gerne vom Spender wissen möchten und weswegen sie ihn gerne kennenlernen möchten, würde ich genauso sagen – trotz 20 Jahren Altersunterschied.