Jahresrückblick 2019

1. Verein

  • 2019 fand etwas unbemerkt das zehnjährige Jubiläum unseres Vereins statt. Auf unserer Internetseite geben Anne, Dana und Christina einen kleinen Rückblick und erzählen, was sich seitdem in ihrer Wahrnehmung verändert hat.
  • In diesem Jahr hatten wir so viele Neuzugänge wie in keinem Jahr zuvor.
  • Am 23. Februar fand unser offizielles Vereinstreffen in Essen statt. Außerdem fand am 12. Oktober ein regionales Treffen in Berlin statt.
  • Ab dem Jahr 2020 wird das jährliche offizielle Vereinstreffen am zweiten Samstag im Oktober in Berlin stattfinden. Darüber hinaus hoffen wir auf mehr Regionaltreffen!
  • Im September hat der Verein eine E-Mail Gruppe für Eltern von älteren oder bereits erwachsenen Spenderkindern angestoßen.

2. Verwandtentreffer

  • Für Spenderkinder, die noch keinen DNA-Test gemacht haben, empfehlen wir derzeit wieder Ancestry, weil man die Rohdaten dieses Tests auch bei Family Finder und MyHeritageDNA kostenlos hochladen kann. Das geht zwar mit 23andMe auch, aber Ancestry hat die größere Datenbasis.
  • Dieses Jahr haben mindestens 8 Spenderkinder herausgefunden, wer ihr genetischer Vater ist. Außerdem hatten wir 15 neue Halbgeschwistertreffer.
  • Von insgesamt 193 Spenderkindern, von denen wir wissen, dass sie einen beliebigen DNA-Test gemacht haben, haben 124 Personen mindestens ein Halbgeschwister und/oder ihren genetischen Vater gefunden.
  • Insgesamt haben 33 Spenderkinder ihren genetischen Vater gefunden. 13 von ihnen über Herausgabe von Daten durch den Arzt, der den Samen vermittelt hatte. Bei vier Spenderkindern steht bislang fest, dass der ihre Mutter behandelnde Arzt seinen eigenen Samen eingesetzt hatte.

3. Internetseite

Aus dem letzten Jahr möchten wir Ihnen und Euch folgende Beiträge auf unserer Internetseite besonders ans Herz legen:

4. Öffentlichkeitsarbeit

  • Am 3. Juni hat Anne unseren Verein beim 17. Fachforum Pränatalmedizin der Katharina Kasper-Stiftung vertreten mit dem Titel „Vater – Mutter – Kind?! Kinderwunschbehandlung und die Suche nach der eigenen Abstammung“.
  • Am 28. August hat Anne unseren Verein bei einem nicht-öffentlichen Fachgespräch im Bundesgesundheitsministerium zu Embryonenadoption mit dem Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, vertreten.
  • Sven vertrat unseren Verein am 12. September auf der Fachtagung und der anschließenden öffentlichen Abendveranstaltung „Kinder unter allen Umständen?!“ des AWO-Bundesverbandes und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin.
  • Am 8. Oktober hat Anne den Verein bei einer Fortbildung vom Landesverband donum vitae NRW in Bonn vertreten.
  • Am 7. November hat Anne uns bei der Fachtagung Adoption: Wunsch- oder Bestellkind? Adoption nach Leihmutterschaft und Samenspende in Köln vertreten.
  • Seit Oktober veröffentlicht Sunny wöchentlich Videos zum Thema „Samenspende“ auf ihrem YouTube Kanal.

Darüber hinaus haben wir uns auch schriftlich geäußert:

  • Eine ausführliche Stellungnahme zum Positionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“ aus dem Juni 2019, in der ein neues Fortpflanzungsmedizinrecht gefordert wurde. In der Stellungnahme kritisieren wir, dass die Forderungen und zentralen Aussagen der Stellungnahme einseitig aus der Sicht von Wunscheltern und Reproduktionsmedizin geprägt sind.
  • Im Oktober haben wir kritisiert, dass eine Veranstaltung der FDP-Fraktion mit dem Titel „Auf dem Weg zur modernen Fortpflanzungsmedizin“ einseitig mit VertreterInnen derjenigen Interessensgruppen besetzt war, die von einer Legalisierung der fraglichen Erzeugungsweisen profitieren würden bzw. von denen eine positive Haltung hinsichtlich einer weitergehenden Legalisierung zu erwarten ist.
  • Im April erschien der Sammelband „Auf neuen Wegen zum Kind. Chancen und Probleme der Reproduktionsmedizin aus ethischer, soziologischer und psychoanalytischer Sicht“, herausgegeben von Prof. Dr. Rita Marx und Ann Kathrin Scheerer. In dem Buch sind zwei Beiträge von Anne und Sven enthalten sowie ein zwischen den Herausgeberinnen mit Kerstin, Rebecca und Sven geführtes Interview.

5. Rechtliches

  • Am 18. März hat Anne als Sachverständige an einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages teilgenommen zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen „Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“.
  • Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat im März einen „Diskussionsteilentwurf“ zur Reform des Abstammungsrechts veröffentlicht. Dieser enthält umfassende Regelungen zur Begründung von Elternschaft mit den Keimzellen Dritter und möchte insbesondere auch voluntative Elemente zur Begründung von Elternschaft anerkennen. In unserer Stellungnahme haben wir kritisiert, dass der Entwurf weit über das Ziel hinausschießt und soziale Elternschaft letztlich genauso unangreifbar stellt wie eine bestehende genetische Vater- oder Mutterschaft. Insbesondere wird das Recht der Kinder zur Anfechtung der rein sozialen Elternstellung im Vergleich zur bestehenden Rechtslage stark eingeschränkt. Bis Ende 2019 hat das BMJV keinen überarbeiteten Entwurf in Form eines so genannten „Referentenentwurfs“ veröffentlicht, vermutlich wegen bestehender Unstimmigkeiten innerhalb der Bundesregierung zu diesem Thema.
  • Am 23. Januar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich auch Samenspender in der DDR heute nicht auf eine zugesicherte Anonymität berufen können. Wir hoffen, dass es für Spenderkinder, die noch vor der deutschen Wiedervereinigung auf dem Gebiet der DDR gezeugt wurden, nun einfacher wird, ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung durchzusetzen.
  • Auf Grund dieses Urteils hat das Landgericht Dresden mit Urteil vom 28. Juni 2019 der Klage eines unserer Mitglieder stattgegeben (Az. 3 S 390/17). Die Uniklinik Dresden hat daraufhin die Daten seines genetischen Vaters übermittelt. Trotz dieser Entscheidung weigert sich die Uniklinik Dresden aber weiterhin in mindestens einem bereits gerichtlich anhängigen Fall, Auskunft zu geben.
  • Insbesondere gegen Novum in Essen laufen weiter Verfahren zur Herausgabe von Informationen über die genetischen Väter. In mindestens vier Fällen wurde die Praxis bzw. einzelne Gesellschafter bereits verurteilt, Auskunft zu geben, weigern sich aber diesen Urteilen nachzukommen und berufen sich darauf, die betreffenden Akten im Jahr 2007 vernichtet zu haben. Die Vollstreckung ist in mindestens drei Fällen bereits beantragt worden. Die Vollstreckungsgegenklagen wurde abgewiesen. Das Novum bzw. einzelne Gesellschafter haben jedoch Berufung eingelegt, so dass die rechtlichen Auseinandersetzungen uns auch 2020 weiter begleiten werden.
  • Novum hat für eine Auskunftserteilung von manchen Spenderkindern eine Gebühr von mindestens 90 Euro verlangt. Nachdem die Ärztekammer Nordrhein darauf hinwies, dass die Auskunft kostenlos erteilt werden müsse, verzichtete Novum schließlich in einem uns bekannten Fall auf die Gebühr . Es ist nicht bekannt, ob Novum seitdem auch gegenüber anderen Spenderkindern kostenlos Auskunft erteilt hat.
  • Im Januar 2019 wurde bekannt, dass das Landgericht Augsburg im Strafverfahren gegen mehrere Vorstandsmitglieder des Netzwerks Embryonenspende die angeklagten Mediziner am 13. Dezember 2018 auch in zweiter Instanz freigesprochen hat. In letzter Instanz wird nun bald der Bundesgerichtshof entscheiden. Wir hoffen, dass ein BGH-Urteil zur politischen Regelung der rechtlichen Fragen der „Embryonenspende/Embryonenadoption“ führen wird.

6. Medienbeiträge

  • Im Februar machte das Zeit-Dossier „Tief in den Genen“ erstmals Stinas Geschichte der Suche nach ihrem genetischen Vater öffentlich – und die überraschende Entdeckung, dass er Prof. Thomas Katzorke ist, derjenige Arzt, der die Anonymität von „Samenspendern“ lange Zeit vehement als Vorsitzender des Arbeitskreises für donogene Insemination verteidigt hat und aus dessen Praxis Novum fast ein Viertel der Mitglieder unseres Vereins stammt. Die Geschichte wurde daraufhin von einigen Zeitungen aufgenommen (u.a. WAZ, tz). Eine richtige Erörterung des Skandals, dass ein angesehener Reproduktionsmediziner Patientinnen ohne deren Einverständnis mit seinem eigenem Sperma befruchtethat, blieb aber aus.
  • Der österreichische Radiosender Ö1 interviewte Sven am 24. April in der Live-Sendung „Punkt eins“ zum Thema „Mein unbekannter Vater. Über Samenspender und ihre Kinder“.
  • Ebenfalls im April wurde eine zweite Folge von „Menschen hautnah“ mit den Spenderkinder-Mitgliedern Anja und Sunny im WDR ausgestrahlt. Die Sendung zeigt mit Gerald erstmals einen ehemaligen „Spender“, der offen für Kontakt ist – und nur wenige Zeit später mit Britta seine erste Tochter gefunden hat.
  • Am 3. Juni erzählte Henk in der Sendereihe „Die Sofa-Richter“ im SWR seine Geschichte.
  • Stina hat ihre Geschichte außerdem selbst im Sommer in zwei Podcasts erzählt: im WDR bei StoryQuarks und in der audible-Serie „der Moment“ (bislang leider nur für Abonnenten).
  • Im August war Anne zu Gast bei der rbb-Sendung Zeitpunkte und hat die Forderungen der Leopoldina und der FDP zur Legalisierung von Eizellvermittlung und „altruistischer“ Leihmutterschaft kritisiert.
  • Sven erzählte im Oktober in der Radiossendung „Einhundert“ bei Deutschlandfunk Nova seine Geschichte.
  • Britta hat im Oktober bei Radio Charivari und in einem Interview mit YouTuber Leeroy Matata erzählt, wie sie mit Gerald ihren genetischen Vater gefunden hat.
  • Kurz vor Weihnachten erschien im Spiegel ein zweiseitiger Artikel, in dem Sarah und ihr genetischer Vater Hubertus davon erzählen, wie sich ihre Beziehung entwickelt hat, seit sie sich vor sechs Jahren kennengelernt haben und dass sie in diesem Jahr weitere Halbgeschwister von Sarah, bzw. Kinder von Hubertus gefunden haben.

7. Reproduktionsmediziner, Wunscheltern und Berater

  • Herr Prof. Katzorke veröffentlichte im Oktober einen Aufsatz im Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie über „Samenspende“ in Deutschland. Dabei erwähnte er nicht den Interessenskonflikt, dass er bei mindestens einer Patientin entschieden hat, ohne deren Wissen seinen eigenen Samen einzusetzen und dass er nach wie vor in Gerichtsverfahren zur Auskunft über den genetischen Vater involviert ist. Wir haben sowohl gegenüber den Herausgebern als auch öffentlich kritisiert, dass die fehlende Erwähnung des Interessenskonflikts gegen eine gute wissenschaftliche Praxis verstößt und einer Rehabilitierung von Herrn Prof. Katzorke gleichkommt.
  • Das Vorgehen von Katzorke und des Verlags wurde ebenfalls von der Arbeitsgemeinschaft der Ärztinnen in der Reproduktionsmedizin und Endokrinologie öffentlich kritisiert. Die Zeit vom 28. November hat den Artikel und die Reaktion der Ärztinnen in einem kurzen Artikel aufgenommen.
  • Der Verein Spenderkinder hat bei einer Ärztekammer eine Beschwerde wegen unsachlichen und anpreisenden Informationen zu „Samenspenden“ auf der Internetseite eines Kinderwunschzentrums eingelegt. Dort wurde unter anderem behauptet, dass die Ehen von Eltern, die ein Kind mit einer „Samenspende“ bekommen, besonders stabil seien und sich die Frage nach der Aufklärung immer seltener stelle. Die Darstellung auf der Internetseite wurde inzwischen geändert.
  • Im Dezember hat Anne unseren Verein bei der Leitlinienkonsensuskonferenz zur AWMF-Leitlinie „Psychosomatische Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen“ vertreten.

8. Internationales

  • Am 19. November hat erstmals eine internationale Spenderkinderdelegation bei der UN-Kinderrechtskonferenz in Genf auf die Verletzung von Kinderrechten durch Reproduktionsmedizin hingewiesen und Regelungen gefordert, die primär dem Kindeswohl dienen.
  • Auf Arte lief die beeindruckende Dokumentation Les enfants du secret über die Situation von Spenderkindern in Frankreich.
  • In den Niederlanden hat am 13. Februar ein Gericht in Rotterdam entschieden, dass Spenderkinder, die davon ausgehen, dass der Reproduktionsmediziner Jan Karbaat selbst ihr genetischer Vater ist, dies nun in einem Abgleich mit seiner DNA überprüfen dürfen. Bislang hatten sich vor allem über DNA-Datenbanken etliche Halbgeschwister gefunden. Der Arzt ist im April 2017 im Alter von 89 Jahren verstorben, seine Frau hatte einen Abgleich mit der DNA des Verstorbenen abgelehnt.

9. Ausblick auf 2020

  • Wir werden unseren Twitter-Kanal starten und zugleich eine Suchkampagne in den Sozialen Medien beginnen – und hoffen auf viel Feedback aus der Öffentlichkeit und natürlich von ehemaligen „Samenspendern“.
  • Sunny wird im Januar auf Youtube ein fast einstündiges Interview mit Dietrich Gerald veröffentlichen, Brittas genetischem Vater.
  • Die FAQ auf der Internetseite wird Anfang Januar überarbeitet werden. Geplant sind außerdem Beiträge über Epigenetik und die Aufklärung von Spenderenkeln.
  • Im Februar wird das Buch „Assistierte Reproduktion mit Hilfe Dritter“, herausgegeben von Prof. Dr. Claudia Wiesemann u. a., erscheinen. In dem Sammelband werden zwei Beiträge von Anne und Sven enthalten sein.
  • Sven wird als Vorstandsmitglied für einen Dokumentarfilm zum Thema „Solomütter“ interviewt werden, der im Laufe des Jahres ausgestrahlt werden soll.
  • Am 10. Oktober 2020 wird das offizielle Vereinstreffen in Berlin stattfinden.
  • Wir werden uns weiter mit dem Thema befassen, ob und wie man per DNA-Datenbanken gefundenen Halbgeschwistern mitteilt, dass sie womöglich ein Spenderkind sind, ohne es selbst zu wissen. Immer mehr wird sich nun auch die Frage stellen, wie es weiter geht, wenn Spenderkinder ihre genetischen Verwandten gefunden haben und der Kontakt begonnen hat.