Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Kammerurteil am 21. Dezember 2010 entschieden, dass Deutschland das Recht auf Familie aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt hat, indem es einem Vater kein Umgangsrecht mit seinen leiblichen Töchtern gestattete, weil nach deutschem Recht als Vater unanfechtbar der Ehemann der Mutter gilt. Ein Gutachter hatte in dem deutschen Verfahren betont, es sei besonders wichtig für die Identität der Kinder, ihren Vater kennen zu lernen, da dieser Nigerianer sei. Das Gericht führt aus, selbst wenn man davon ausginge, dass die Beziehung des Vaters zu seinen Kindern in diesem Fall nicht an ein "Familienleben" heranreiche, so betreffe seine Beziehung zu den Kindern doch einen wichtigen Teil seiner Identität und damit sein "privates Leben", da er mit der Mutter zusammen gelebt habe und Interesse an der Kindern zeige.
Das Urteil ist natürlich positiv für die leiblichen Väter. Zu wissen, dass man ein Kind hat, und keine Beziehung zu ihm haben zu dürfen, muss schrecklich sein. Funktioniert es aber auch anders herum – haben Kinder auch aus dem Recht auf Familie der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht darauf zu wissen, wer ihr genetischer Vater ist? Das hat das Gericht noch in dem Odievre Urteil, in dem es um die Praxis der anonymen Geburt in Frankreich ging, ganz anders gesehen und geurteilt, dass Frankreich die EMRK nicht verletzt, indem es eine anonyme Geburt und Adoption erlaubt. Vielleicht würde diese Entscheidung heute anders ausfallen.
Positiv ist auch, dass das Urteil anerkennt, dass es wichtig für die Identität der Kinder ist, ihren leiblichen Vater zu kennen. Ich hoffe aber, dass das nicht nur gilt, wenn der Vater ausländischer Abstammung ist. Für mich ist es wichtig, obwohl mein genetischer Vater vermutlich Deutscher ist.
Heribert Prantl sieht in der Süddeutschen in dem jetzigen Urteil einen Sprengsatz für Zehntausende Familien, in denen Kinder aus früheren nichtehelichen Beziehungen aufwachsen. Ich frage mich dagegen, warum ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters unbedingt ein Sprengsatz sein soll. Ist es nicht eher an der Zeit darüber nachzudenken, ob ein Kind nicht mehr als 2 Elternteile haben kann und dass Besitzdenken dem Kindeswohl entgegen läuft?
Stina