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Dokumentation „Risiko Samenspende“ am Montag, den 5. Februar 2018 in der ARD

Am Montag, den 5. Februar, wurde um 23.30 Uhr in der ARD die Dokumentation Risiko Samenspende von Julia Kaulbars gezeigt. Darin berichtet Spenderkind Nicole Schirm von der Suche nach ihrem genetischen Vater mittels DNA-Test. Nicole hat auf diese Weise mittlerweile drei Halbschwestern und einen Halbbruder gefunden. Die Sendung ist weiterhin über den Link abrufbar.

Spenderkind Jörg Seerig wählte bei seiner Suche den Weg über den direkten Kontakt zum verantwortlichen Arzt. Bereits im Dezember 2017 wurde seine Suche in der ARD-Dokumentation „Mein Vater, der Samenspender. Auf der Suche nach einem Unbekannten“ ausgestrahlt. Der Arzt reflektiert sein damaliges Handeln bemerkenswert und spricht selbstkritisch aus, was manch anderem sich einzugestehen schwer fällt: Dass auch er in der damaligen Situation, der Kinderwunscherfüllung eines Paares, nicht an die wichtigste Person, an das Kind, gedacht hat. Mittlerweile hat Jörg Seerig über einen DNA-Test herausgefunden, dass er und die beiden weiteren uns aus Zwickau bekannten Spenderkinder Halbgeschwister sind.

Die Ambivalenz der Samenspendepraxis wird auch im Interview mit Samenspender „Peter“ aus Erlangen deutlich. Dieser wusste zwar von Anfang an, dass seine genetischen Kinder ihn später kontaktieren können. Im Laufe der Zeit ist seine Unsicherheit gewachsen, wie er mit diesen langfristigen Konsequenzen als genetischer Vater von möglicherweise 15 Spenderkindern umgehen kann. Am liebsten würde er anonym bleiben.

Auch das ab Juli 2018 in Kraft tretende Samenspenderregistergesetz wird hinterfragt und von verschiedenen Seiten für unzureichend bewertet. Auch aus unserer Sicht bestehen deutliche Regelungslücken.

Spender oder Vater?

Welche Begriffe verwenden Spenderkinder für ihren biologischen und ihren sozialen Vater?

Eigentlich ist alles ganz einfach – sollte man meinen. „Nur gemeinsam können eine Frau und ein Mann ein Kind bekommen. Darum hat jeder Mensch zu Beginn seines Lebens einen Vater und eine Mutter.“ So erklärt es das Buch „Unser Baby“, mit dem Kleinkinder auf ein Geschwisterkind vorbereitet werden, und stützt sich dabei ganz klar auf die biologische Elternschaft.1 Es gibt aber auch eine andere Meinung, die Elternschaft als nur sozial ansieht – danach ist der Vater eines Kindes (nur) der Mann, der die Vaterrolle ausfüllen möchte und mit dem das Kind aufwächst.

Im Fall einer Familiengründung zu dritt mit dem Sperma eines Mannes, der nicht Partner der Mutter ist (Samenspende), wird der Mann, von dem der Samen stammt, allgemein als „Spender“ und nicht als „Vater“ bezeichnet. Die Begriffe „Vater“ und „Spender“ sind dabei emotional besonders aufgeladen, weil zwischen ihnen bestimmte Wertungen über die Bedeutung von genetischer Verwandtschaft und sozialen Beziehungen liegen. Sobald man einer Sache einen Namen gibt, trennt man oder verbindet man Dinge bzw. schafft zu Menschen Nähe oder Distanz.

Wie sind die Begriffe Spender und Vater besetzt?

Der Begriff der „Spende“ legt einen gewissen Altruismus nahe und ist daher gesellschaftlich positiv besetzt. Gleichzeitig schafft er eine ausdrückliche Distanz zum Kind, indem der Begriff „Vater“ für diesen Mann vermieden wird. Das lässt die biologische Nähe außer acht, die zwischen ihm und dem Kind eindeutig besteht. Diese Distanz ist von vielen Reproduktionsmedizinern und Wunscheltern sehr klar gewünscht, da sie eine Thematisierung der unauflösbaren Verbindung des Kindes zum genetischen Vater verhindert. Die Bezeichnung „Spender“ soll dabei verdeutlichen, dass der genetische Vater nicht sozialer Vater sein wollte: „Männer spenden Samen, um zu spenden – nicht um ein Kind zu zeugen. Sie haben daher (zumindest zum Zeitpunkt ihrer Spende) kein Interesse, Vater zu werden.“2

Es gibt also gute Gründe, den Begriff des „Spenders“ abzulehnen. Wir verwenden ihn in unserem Vereinsnamen und auf unserer Internetseite vor allem deswegen, weil es der gebräuchliche Begriff ist, bei dem die Lesenden wissen, welcher Sachverhalt gemeint ist.

Der Begriff des „Vaters“ dagegen wird von vielen Menschen mit einer bestimmten emotionalen Beziehung verbunden. Den „Spender“ (ebenfalls) als „Vater“ zu bezeichnen, bedeutet für sie eine Abwertung oder Bedrohung des sozialen Vaters.3 Andere sehen dagegen als „richtigen“ Vater nur den Mann, zu dem die biologische Verwandtschaft besteht. Spenderkindern, die den vermeintlichen „Spender“ als „Vater“ bezeichnen, wird zum Teil Undankbarkeit gegenüber dem sozialen Vater, eine emotionale Grenzüberschreitung gegenüber dem „Spender“ oder übertriebener Biologismus vorgeworfen.

Etwas eindeutiger wird es, wenn man zwischen dem biologischen bzw. genetischen Vater einerseits und dem sozialen Vater andererseits unterscheidet. Allerdings kann es auch hier die Besonderheit geben, dass mehrere soziale Väter vorhanden sind, oder der Mann, der in die Samenspende eingewilligt hat, nicht wirklich sozialer Vater geworden ist, weil er früh gestorben ist oder die Familie verlassen hat.

Spenderkinder wählen die Bezeichnungen bewusst und individuell

Welche Bezeichnung Spenderkinder für ihren biologischen Vater und ihren sozialen Vater wählen, ist daher sehr individuell und wird von mehreren Faktoren beeinflusst:

  • Der Bedeutung, die sie biologischer Verwandtschaft bzw. sozialen Beziehungen zumessen.
  • Dem Adressatenkreis (Eltern, Freunde, Bekannte oder eher unbekannte Dritte bzw. die Öffentlichkeit) und der Gesprächssituation. Mit der Verwendung bestimmter Begriffe können (unangenehme oder zu private) Nachfragen vermieden werden, die Gefühle des Gegenübers geschützt werden oder bestimmte eigene Gefühle betont werden.
  • Eigene biografische Erfahrungen (z. B. ob die Rolle des sozialen Vaters überhaupt ausgefüllt wurde). Viele bezeichnen ihren sozialen Vater zum Beispiel als „Papa“, um die emotionale Verbundenheit zu betonen.

Die Benennung des überwiegend unbekannten Dritten ist für die meisten unserer Mitglieder ein großes und wichtiges Thema. Das gilt aber auch für diejenigen, die ihren biologischen Vater kennen, da sie ja zugleich mit der Benennung dieses Mannes auch den familiären, verwandtschaftlichen und zwischenmenschlichen Status definieren.

Daher sollte anerkannt werden, dass Spenderkinder meist bewusst wählen, welche Begriffe zu Ihrer Wahrnehmung der Familiensituation passen, und sie das Recht hierzu haben. Es ist bevormundend, einen bestimmten Begriff als allein zutreffend zu bezeichnen. Ebensowenig ist es möglich, durch die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung die emotionale Beziehung  vorzugeben oder zu kontrollieren, die sich zwischen genetischem Vater und Kind im Laufe des Lebens entwickeln wird.

Für minderjährige Spenderkinder, die die verschiedenen Bezeichnungsmöglichkeiten noch nicht reflektieren können, ist wahrscheinlich die Bezeichnung biologischer / genetischer Vater am neutralsten, da sie berücksichtigt, dass ein Mensch mehrere Väter haben kann, wenn die genetische und soziale Vaterschaft auf verschiedene Männer verteilt ist (so übrigens auch Wikipedia zum Begriff des Vaters).4

Welche Bezeichnungen wählen Spenderkinder-Mitglieder?

Damit diese sehr persönliche Wahl etwas anschaulicher wird, haben wir Mitglieder unseres Vereins gebeten uns zu erzählen, welche Bezeichnungen sie für ihren biologischen und ihren sozialen Vater verwenden:

Ich selbst bezeichne meinen (mir unbekannten) Spendervater BEWUSST als „Vater“, nicht als „Spender“, da er damals weder „spendete“ noch war die Weitergabe seines Spermas (als „Spende“) der eigentliche Zweck der Handlung, sondern die Zeugung eines Kindes. Das eigentliche und von allen Beteiligten definierte Ziel (die Kindzeugung) dieser Handlung bedingt m. E. die Verwendung des „Vater“-Begriffes stärker als die des „Spender“-Begriffes, denn dieser bezieht sich nur auf jene Handlung der Sperma-Weitergabe. Außerdem würde auch niemand auf die Idee kommen und sagen, mein „Verkäufer“ oder „Geber“ und dergleichen (ich übertreibe bewusst) (…). Damit ich nicht immer die Begriffe meines „biologischen/genetischen Vaters“ und meines „sozialen Vaters“ verwenden muss, habe ich mir mehr und mehr angewöhnt, zwischen „Vater“ und „Papa“ zu unterscheiden.
S., 35 Jahre

Ich nenne meinen sozialen Vater noch immer „Papa“, weil er der immer für mich war, ist und immer sein wird. Den „Spender“ nenne ich mal „Spender“ und mal bezeichne ich ihn als „genetischen Vater“, je nachdem welche Bezeichnung sich für mich situativ richtig anfühlt. Der Bezeichnung „genetischer Vater“ hefte ich alle positiven Aspekte, Charaktereigenschaften und Vorstellungen an, die ich mit diesem Menschen verbinde, der Bezeichnung „Spender“ alles Negative.
V., 39 Jahre

An der Bezeichnung „Spender“ stört mich die damit verbundene Depersonalisierung bzw. Instrumentalisierung des Mannes, der seinen Samen abgibt. „Spender“ ist eine Funktionsbeschreibung, keine Bezeichnung für einen Menschen. (…) Zum anderen ist die Bezeichnung „Spender“ eigentlich eine Bezeichnung aus Elternperspektive, denn denen hat der Mann etwas gegeben, nicht dem Kind. Würde man „Spender“/„Donor“ mit „Geber“ übersetzen, würde das noch deutlicher. Ich bezeichne meinen sozialen Vater auch weiterhin als „meinen Vater“ und nenne ihn „Papa“, weil ein Bezeichnungswechsel ihn deutlich abwerten würde, was ich auch nicht passend fände. Meinen Eltern gegenüber spreche ich auch eher vom „Spender“, sie bezeichnen ihn so und da habe ich mich irgendwie automatisch angepasst, damit wir eine gemeinsame Sprache haben. Ich selbst sehe ihn jedoch als genetischen Vater und verwende gegenüber Dritten beide Bezeichnungen. Als ich mit zehn Jahren von der Samenspende erfahren habe, fragte ich meine Mutter, wie denn der Mann heiße. Als sie mir keinen Namen nennen konnte, sagte ich ihr, dass ich ihn dann einfach „Heinrich“ nennen werde. Das war mir wohl irgendwann zu kindlich, jedenfalls bin ich im Gespräch wieder davon abgekommen.
A., 33 Jahre

Für mich kommt es darauf an, mit wem ich spreche. Wenn ich die „Situation“ Leuten erkläre, dann ist der „Spender“ mein „Bio-Dad“ oder „biologischer Vater“ und der Mann, der mich groß gezogen hat, mein „sozialer Vater“. Dazwischen gab es dann noch den ersten Mann meiner Mutter, mit dem sie bei meiner Zeugung verheiratet war, der ist dann der „gedachte Vater“, weil ich erst mit 18 von der Spende erfahren habe. Abgesehen davon, im Alltag, ist der „Spender“ einfach der „Spender“. Allerdings vermute ich, dass der Arzt der „Spender“ war, und habe daher bei dem Begriff eine sehr konkrete Person vor Augen. Der „soziale Dad“, der mich groß gezogen hat, ist mein „Vater“. Ich war zwei Jahre, als er in mein Leben kam. Obwohl es in meiner Jugend mal Phasen gab, in denen ich ihn beim Vornamen genannt habe, und ich den „gedachten Vater“ auch immer vermisst habe, so war und ist dieser „soziale Vater“ einfach nur mein „Vater“, zusammen mit allen guten und schlechten Eigenschaften, die ich durch Sozialisation von ihm angenommen habe.
M., 40 Jahre

Mein „sozialer Vater“ ist vor fast 30 Jahren verstorben. Ich nenne ihn eigentlich nur noch „sozialer Vater“, weil mir der bisherige Begriff „Vater“ kaum noch über die Lippen kommt. Das klingt irgendwie falsch. Vielleicht wäre das anders, wenn ich mit ihm aufgewachsen wäre, aber in meiner Situation liegt in der Bezeichnung schon ganz viel Distanz. Bevor ich von meinem Spenderkind-Dasein erfahren habe, war er für mich z.B. am Grab aber durchaus häufig der „Papa“. Da ich den Spender nicht kenne, liegt auch da natürlich eine große Distanz vor. Er ist deshalb für mich in der „Öffentlichkeit“ schlicht der „genetische“ oder „biologische“ Vater. Gegenüber Freunden spreche ich aber eher von meinem „richtigen“ Vater!
J., 33 Jahre

Mein „Papa“ ist und war immer der Mann, mit dem ich aufgewachsen bin. In der Öffentlichkeit sage ich „Vater“ aber auch „Papa“, weil es sich einfach richtig anfühlt. Wenn die Bezeichnung „Vater“ für den „Spender“ im Raum steht, dann übernehme ich das der Einfachheit halber, empfinde das aber nicht so. Ich hänge dann meist noch ein „biologischer“ vorne dran. Für mich ist er der „Spender“ oder auch „Erzeuger“. Das klingt einfach, so wie es ist, anonym. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich das mit der Zeit ändern würde, wenn ich ihn kenne.
S., 35 Jahre

Seit ich vor 14 Jahren erfahren habe, dass ich ein Spenderkind bin, ist es für mich schwierig, das Wort „Vater“ oder „Papa“ über meine Lippen zu bringen, da dieser „soziale Vater“ überhaupt nicht mit mir verwandt ist und ich keine Gene von ihm trage. Er ist allerdings schon vor elf Jahren gestorben. Der „Spender“ ist für mich mein „Spendervater“ und ich habe eine Vermutung, wer er ist.
S., 44 Jahre

Ich nennen den biologischen Vater „Spender“. Wenn ich über meinen sozialen Vater rede, ist das immer „Papa“. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich die Bezeichnung ändert, wenn ich den „Spender“ kennen würde.
N., 35 Jahre

Ich kenne meinen „Spender“ seit 5 Jahren und nenne ihn nach wie vor „Spender“ oder „leiblichen Vater“. Wenn ich mich Bekannten von ihm vorstelle, sage ich, dass ich seine leibliche Tochter bin und er Samenspender war. Also nichtmal nur „Tochter“ käme mir in den Sinn. Das Wort „Vater“ / „Papa“ ist die Bezeichnung für meinen (sozialen) Vater.
S., 26 Jahre

Kurz nachdem ich von der Samenspende erfahren habe, konnte ich den „Spender“ finden und bezeichne ihn seitdem als „leiblichen“ oder „biologischen Vater“. Mein sozialer Vater ist „Vater“ oder „Daddy“, beide Begriffe habe ich schon verwendet, bevor ich von der Samenspende wusste. (…) Mit dem Wort „Spender“ an sich habe ich mich persönlich irgendwie immer schwer getan, denn es fühlt sich in mir selbst irgendwie verletzend an, da es so technisch und anonym klingt. Das empfinde ich in meiner Geschichte nicht als ganz stimmig. Ich stelle mir meine Zeugung so vor, dass meine Mutter, mein „Vater“ und mein „leiblicher Vater“ um einen großen Kessel stehen, in dem es blubbert. Jeder gibt seine Zutaten hinein, und dann entstehe ich in dem Kessel. Damit komme ich gut zurecht – mit diesem Projekt zu dritt. Dass ich dann in meiner jetzigen Familie verblieben bin und mein leiblicher Vater in den Hintergrund getreten ist, damit komme ich mittlerweile auch recht gut zurecht. Ich habe mich jetzt auch mit dem späten Kennenlernen versöhnen können. Es war eben so. Mein leiblicher Vater, der mittlerweile verstorben ist, war eben irgendwie von einer ferneren Warte aus in meinem Leben.
J., 36 Jahre

Für mich ist mein sozialer Vater mein „Papa“. So würde ich nie meinen Spender nennen. Eine passende Bezeichnung für meinen Spender zu finden, fällt mir immer noch schwer, daher bin ich bei meinen Bezeichnungen für ihn auch ziemlich inkonsequent. Eigentlich halte ich den Begriff „Vater“ für den Spender am besten. Dieser ist für mich sehr mit Genetik, Biologie, Herkunft verknüpft, ohne ihn mit irgendwelchen „sozialen“ Vorstellungen und Werten aufzuladen. Aus meiner Sicht hat jeder Mensch nur einen „Vater“ und das ist in meinem Fall eben mein „Spender“. In Abgrenzung zu meinem „Papa“, nenne ich ihn aber „biologischer Vater“. Letztlich hängt es für mich aber auch davon ab, wer jetzt eigentlich von meinem „Spenderhintergrund“ weiß und wer nicht. Bei Leuten, die davon wissen, bezeichne ich ihn auch als „Spender“, wobei ich diesen Begriff ehrlich gesagt nicht sonderlich mag. Ich mache das vor allem aus dem Grund, weil ich denke, dass die anderen das von mir erwarten… weil alles andere zu viel Nähe und Emotion signalisieren würde (…) Mir wäre es am liebsten, wenn ich meinem „Spender“ beim Vornamen nennen könnte. Dann ist er der Mensch, der er ist, und der in der Beziehung zu mir steht, wie sie sich eben entwickelt. Ohne dass man dafür irgendwelche Definitionen finden müsste… sollte ich ihn irgendwann mal kennen lernen, würde ich vielleicht auch die Bezeichnung wählen, die er selbst am passendsten findet…
A., 27 Jahre

Ich differenziere klar zwischen den Bezeichnungen des „biologischen“ und „sozialen Vaters“. Beide haben für mich einen Anteil an meiner Entwicklung gehabt, sei es nun auf genetischer oder Erziehungsbasis. Daher halte ich diese Bezeichnung für passend.
S., 27 Jahre

Für mich war und ist mein sozialer Vater immer „Papa“ und das wird auch so bleiben, egal was passiert, wie unterschiedlich wir uns sind oder wie sehr wir uns voneinander distanzieren. Beim „Spender“ ist es anders, da habe ich bereits innerhalb des letzten Jahres gewissermaßen eine Evolution durchlebt. Ich habe ihn, seitdem ich mich überhaupt wieder mit dem Thema Samenspende auseinandergesetzt habe, zunächst „Spender“ genannt, weil ich fand, dass dadurch meine emotionale Distanz zu ihm (er ist ja nun mal nicht mein „Papa“) und andererseits auch die Nüchternheit des Aktes meiner Entstehung und damit auch seine emotionale Distanz zu mir gut ausgedrückt wird. Im Laufe der Monate wurde mir jedoch klar, dass ich gar nicht so emotional distanziert bin, ich will herausfinden, wer er ist und was ich von ihm geerbt habe. Daher benutze ich nun eher die Bezeichnung „genetischer Vater“, da diese m.M.n. genau das betont.
N., 33 Jahre

Ich bezeichne den Spender als „Spender“ oder „genetischen Vater“ und meinen sozialen Vater als „Vater“. Der Vorteil an dem Spenderbegriff ist für mich, dass man nicht so viel erklären muss, weil ungefähr klar ist, welcher Sachverhalt dahinter steht. Da ich nicht weiß, wer der „Spender“ ist und um was für einen Menschen es sich bei ihm handelt, möchte ich ihn außerdem mit diesem Begriff vermutlich etwas auf Distanz halten. Wenn ich die genetische Verwandtschaft betonen möchte, zum Beispiel bei Gesprächen mit Ärzten, nenne ich ihn den „biologischen Vater“. Sollte ich einmal erfahren, wer er ist, könnte ich mir vorstellen, ihn auch als „Vater“ zu bezeichnen. Ich sehe darin keine Abwertung meines sozialen Vaters, weil ein Mensch mehrere Arten von Vater haben kann. Innerhalb der Familie war mein sozialer Vater eh „Papa“, in öffentlichen Äußerungen wäre mir die Bezeichnung aber zu persönlich.
C., 37 Jahre

Bei mir gibt es drei Männer, für die ich in unterschiedlicher Weise den Begriff „Vater“ verwende:
1. Mein „Spender“, von dem ich meist als „biologischem Vater“ (den ich nicht kenne) spreche.
2. Den ersten Mann meiner Mutter, der (angeblich) unfruchtbar war und die Samenspende mit initiiert hat. Er war die ersten 5 Jahre meines Lebens der einzige „Vater“ für mich und ich habe ihn „Papa“ genannt. Dann wurde er durch einen Unfall schwer behindert und man kann kaum mit ihm sprechen. Mittlerweile verwende ich oft seinen Vornamen, wenn ich über ihn spreche, ich sage auch manchmal „mein erster Vater“ oder „mein erster sozialer Vater“ oder mittlerweile sogar manchmal „der erste Mann meiner Mutter“ (die emotionale Distanz zu ihm ist mit der Zeit immer größer geworden).
3. Der zweite Mann meiner Mutter, der mich mit aufgezogen hat seit ich 6 bin. Er ist mir emotional am nächsten. Allermeistens spreche ich von ihm als „meinem Vater“ und viele Menschen wissen gar nicht, dass es noch andere Väter gibt. Ihn nenne ich schon immer beim Vornamen.
J., 33 Jahre

Bei mir gibt es theoretisch drei Vaterfiguren:
1) Mein „Spender“ oder auch „Spendervater“. In manchen Runden habe ich ihn auch schon „BIOLOGISCHEN VATER“ genannt, der Begriff setzt sich bei mir gerade zunehmend durch.
2) Mein „Vater“ – mein „Papa“ – der erste Mann meiner Mutter. Die Ehe zwischen ihm und meiner Mum ging in die Brüche als ich ca. zwei Jahre alt war. Er ist leider verstorben, als ich Anfang 20 war. Wenn ich heute von ihm spreche, spreche ich von meinem „SOZIALEN VATER“. Allerdings kam der Begriff eher über die Beschäftigung mit der Thematik Spenderkind in mein Leben. Wir hatten wenig Bindung zueinander, Gespräche über meine Entstehung gab es zwischen uns nie.
3) Mein Stiefvater, der zweite Mann meiner Mutter, der mich mit aufgezogen hat. Für mich war er eigentlich immer mein „Vater“ und ich habe ihn als Kind „Papi“ genannt, um zwischen meinen beiden anwesenden „Vätern“ zu unterscheiden. Zu ihm hatte ich eine engere Bindung. Seit auch diese Ehe zerbrochen ist und auch wir im Streit auseinander gingen, nenne ich ihn auf seinen eigenen Wunsch hin beim Vornamen.
S., 33 Jahre

  1. Angelika Weinhold, Unser Baby, Reihe Wieso Weshalb Warum, Ravensburger 2005. []
  2. B Klenke-Lüders, P Thorn, Alternative Perspektiven zum leiblichen Kind – Welche Möglichkeiten passen zu uns?, in: D Wallraff, P Thorn, T Wischmann (Hrsg.), Kinderwunsch. Der Ratgeber des Beratungsnetzwerkes Kinderwunsch Deutschland (BKiD), Stuttgart: Kohlhammer 2015, S. 194. []
  3. Ärger verursachen zum Beispiel regelmäßig Zeitungsartikel über Spenderkinder, die die Suche nach den genetischen Wurzeln mit Titeln wie „Ich suche meinen Vater“ oder „Vater unbekannt“ versehen. []
  4. Zur Frage, ob Vaterschaft delegiert werden kann und welche elterliche Verantwortung einem Samenspender zukommt, äußert sich die Philosophin Rivka Weinberg in einem sehr interessanten Artikel von 2008: Weinberg, R. (2008). The Moral Complexity of Sperm Donation. Bioethics, 22(3), 166-178. []

Landgericht Essen verurteilt Reproduktionspraxis zur Preisgabe der Identität genetischer Väter

Am 20. Juli 2017 erließ das Landgericht Essen drei Versäumnisurteile: Die beiden Kläger und die Klägerin – alle drei Mitglieder des Vereins Spenderkinder – hatten eine Essener Reproduktionspraxis auf Herausgabe identifizierender Informationen über ihre genetischen Väter verklagt. Obwohl die beklagte Klinik bzw. der Arzt in den Schriftsätzen behauptete, die jeweiligen Samenspender nicht mehr den Patientinnen zuordnen zu können, kündigten sie kurzfristig an, nicht zu dem Verhandlungstermin zu erscheinen. Da keine Entschuldigung für die Säumnis vorlag, bewertete das Gericht den Vortrag der Kläger und Klägerin für schlüssig und verurteilte die Praxis in einem Versäumnisurteil zur Auskunftserteilung über den jeweiligen genetischen Vater. Gegen diese Versäumnisurteile legten die Beklagten keinen Einspruch ein, so dass diese rechtskräftig wurden und nun vollstreckt werden können.

2013 hatte das Oberlandesgericht Hamm in einem Präzedenzurteil gegen denselben Arzt zur Herausgabe von Spenderdaten verurteilt. Das Interesse des Kindes an seiner genetischen Abstammung sei höher zu bewerten als das möglicherweise bestehende Interesse des Samenspenders an seiner Anonymität, hieß es damals in der Urteilsbegründung. Diese Wertung wurde 2015 vom Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall bestätigt. Seitdem wurden Reproduktionsärzte und Samenbanken in mehreren Gerichtsverfahren zur Auskunftserteilung verurteilt.

Kontaktvermittlung Uniklinikum Essen

Ein ehemaliger Samenspender am Universitätsklinikum Essen hat das Klinikum überzeugen können, nachträglich einen Brief von sich in Verwahrung zu nehmen. Wenn künftig Spenderkinder auf der Suche nach ihrem genetischen Vater beim Uniklinikum Essen anfragen, habe das Klinikum versprochen, ihnen den Brief zu schicken, damit sie Kontakt mit dem Mann aufnehmen können. Der ehemalige Spender verspricht bei Kontaktanfragen ein aktuelles sowie ein früheres Bild. Zur letzten Sicherheit schlägt er einen DNA-Test vor.

Wir freuen uns sehr über diesen Vorstoß des Uniklinikums Essen zwischen ehemaligen Spendern und Spenderkindern zu vermitteln. In der Vergangenheit wurde dort anfragenden Spenderkindern lediglich mitgeteilt, dass keine Daten mehr vorhanden seien.

Mindestens ebensosehr freuen wir uns über die Initiative des ehemaligen Samenspenders, der selbstständig zu uns und zum Uniklinikum Kontakt aufgenommen hat. Es ist schön, immer wieder zu merken, dass es – entgegen vieler Vorurteile – auch ehemalige Samenspender gibt, die an den durch sie entstandenen Menschen interessiert sind und diese selbst gerne kennenlernen würden. Zu spüren oder zu hören, dass der Samenspender kein Interesse an den durch ihn entstandenen Menschen hat, kann für Spenderkinder sehr verletzend sein, schließlich haben sie dieser für sie geplanten Art der sozial-beziehungslosen genetischen Vaterschaft nicht zugestimmt.

Vielleicht kann die Idee des Essener Samenspenders auch andere ehemalige Samenspender dazu anregen, nachzuziehen und bei ihrer Praxis oder Klinik einen Brief zu hinterlegen, der anfragenden Spenderkindern herausgegeben werden soll.

Wenn Du selbst durch eine Samenspende am Uniklinikum Essen entstanden bist und auf der Suche nach Deinem genetischen Vater, dann könnte es lohnend sein, jetzt dort nochmal nachzufragen.

Die Familie der Spender

Entscheidet sich ein Mann, seinen Samen zu spenden (oder eine Frau, ihre Eizellen zu spenden), hat das auch Auswirkungen auf die Menschen in ihrem Umfeld. Für die Eltern der Spender sind die so gezeugten Spenderkinder ihre genetischen Enkelkinder. Für die Partner kann es alles andere als einfach sein zu wissen, dass ihr Mann oder ihre Frau bereits mehrere genetische Kinder hat, von denen sie nichts wissen (und die sie, je nach der Rechtslage, in Zukunft einmal kontaktieren könnten). Für die mit dem Partner bewusst gezeugten Kinder sind die Spenderkinder Halbgeschwister. Für all diese Menschen kann die Abspaltung von genetischer und sozialer Elternschaft deutlich schwieriger als für die Spender sein. Für einen genaueren Einblick in die Gefühle der Familie der Spender möchte ich gerne auf zwei englische Online-Artikel hinweisen.

In dem Artikel „My husband, the sperm donor“ (Februar 2017) schildert eine neuseeländische Frau ihre Gefühle, deren Mann früher Samenspender war und über 20 Kinder gezeugt hat. Obwohl sie vor der Ehe davon wusste und anerkennt, dass die durch ihn gezeugten Spenderkinder ein Recht darauf haben zu erfahren von wem sie abstammen, findet sie es gleichzeitig beunruhigend, selbst nichts über diese Kinder zu wissen und in der Situation zu sein, dass diese sie jederzeit kontaktieren können.

My scattered grandchildren aus dem Jahr 2009 gibt einen Einblick in die Gefühle und Erfahrungen der leiblichen Großeltern von Spenderkindern. Teilweise führt die Entscheidung der Kinder zur Spende zu familiären Spannungen. Die Großeltern (vor allem die Großmütter) schildern, dass es schwierig für sie war zu wissen, dass sie Enkelkinder haben, die einen Teil von ihnen darstellen und die sie vielleicht niemals kennenlernen werden. Wenn die Spenderkinder als Erwachsene Kontakt zu der leiblichen Familie aufnahmen, reagierten die Großeltern daher oft sehr positiv, äußern aber auch oft Bedauern darüber, dass sie die Kinder erst so spät kennen lernen konnten.

Etwas einfach würde es für die Familie des Spenders anscheinend durch Informationen über die Spenderkinder werden und durch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme bereits in der Kindheit. Aber das erfordert auch von den sozialen Eltern die Bereitschaft anzuerkennen, dass für die Kinder die genetische Familie eine ebenso große Bedeutung besitzen könnte.

Achter Halbgeschwistertreffer

Unser achter Halbgeschwistertreffer ist ein Treffer zwischen insgesamt fünf Halbschwestern. Christin und Christina davon wussten bereits über die Spendernummer, die ihnen von dem ihre Eltern behandelnden Arzt mitgeteilt wurde, dass sie Halbschwestern sind. Die Übereinstimmung fiel ihnen über ein Suchprofil auf unserer Internetseite auf. Beide haben von der Samenbank Novum außerdem Auskunft darüber erhalten, wer ihr genetischer Vater ist.

Im Frühjahr hatten Nicole und Sophie über den DNA-Test Family Finder herausgefunden, dass sie Halbschwestern sind. Nun hat sich auch Christin bei Family Finder registrieren lassen und dort direkt einen Halbgeschwistertreffer mit Nicole und Sophie entdeckt. So kam die Verbindung der beiden Halbgeschwisterpaare ans Licht. Eine Woche später kam ein Treffer mit einer weiteren Halbschwester über Family Finder hinzu.

Für die Hinzugetroffene bedeutet dies, dass sie auf einen Schlag vier Halbschwestern gefunden hat und außerdem weiß, wer ihr genetischer Vater ist. Für die anderen kamen erst eine und dann drei weitere Halbschwestern sowie ihr genetischer Vater dazu. Da die Essener Samenbank Novum derzeit behauptet, keine Behandlungsdaten mehr aus den Jahren vor 1996 zu besitzen und daher nicht nachvollziehen zu können, welcher Spender für welche Empfängerin verwendet wurde, hätten sie ansonsten nur unter großen Schwierigkeiten herausfinden können, wer ihr genetischer Vater ist.

Gleichzeitig wirft dies aber auch die Frage auf, wie viele Kinder dieser eine Spender gezeugt hat – wenn sich schon jetzt fünf Halbgeschwister gefunden haben.

Wir freuen uns sehr über diesen Treffer, weil er zeigt, dass die Chancen steigen, Verwandte zu finden, je mehr Spenderkinder sich bei Family Finder registrieren. Gleichzeitig zeigt es auch, dass die wenigen Spenderkinder, die Auskunft über ihren genetischen Vater erhalten haben, anderen Spenderkindern, bei denen die Daten angeblich nicht mehr vorhanden sind, durch die Registrierung bei Family Finder helfen können, den Spender doch noch ausfindig zu machen.

Aufhebung der Spenderanonymität durch zunehmende Verbreitung von DNA-Untersuchungen?

In einem kürzlich erschienenen Artikel in der Fachzeitschrift Human Reproduction wird darauf hingewiesen, dass angesichts der zunehmenden Verfügbarkeit von DNA-Tests Spenderinnen und Spendern von Keimzellen keine Anonymität mehr zugesichert werden könne. Auch in Ländern, in denen anonyme Keimzellspenden rechtlich erlaubt seien, ließe sich die Anonymität der Spender und Spenderinnen nicht garantieren. Über drei Millionen Menschen hätten sich bereits bei diversen DNA-Datenbanken registriert. Biologische Elternteile könnten aufgespürt werden, wenn sie selbst oder Verwandte von ihnen sich dort registrieren. Umgekehrt könnten über die freiwillige Registrierung bei einer DNA-Datenbank auch unwissende Spenderkinder herausfinden, dass sie andere biologische Eltern haben, als bisher angenommen. Eltern, die sich für eine Familiengründung mit Hilfe einer Keimzellspende entscheiden, sollten deshalb darüber aufgeklärt werden, dass anhand der DNA ihrer Kinder zu sehen ist, dass sie nicht deren biologische Eltern sind. Zudem sollten die Eltern ermutigt werden, ihre Kinder über die Keimzellspende aufzuklären.

Wir Spenderkinder freuen uns über diese Entwicklung, die hoffentlich die Aufklärungsbereitschaft unter den Eltern erhöht. Es ist psychologisch hinreichend bekannt, dass Eltern ihre Kinder darüber aufklären sollten, wenn diese mit Hilfe einer Keimzellspende entstanden sind. Dennoch finden immernoch viele Eltern Gründe, ihre Kinder nicht über deren wirkliche Entstehungsweise zu informieren. Auch wenn wir uns wünschten, alle Eltern würden verstehen, wie wichtig ein aufrichtiger, ehrlicher Umgang innerhalb der Familie ist, hoffen wir, dass die hohe Wahrscheinlichkeit einer unfreiwilligen Enthüllung durch eine DNA-Untersuchung viele bisher abgeneigte Eltern zu einem offenen Umgang mit ihren Kindern motiviert.

Auch wenn sich die Wahrscheinlichkeit von der Entstehung durch eine Keimzellspende zu erfahren, durch die zunehmende Verbreitung von DNA-Untersuchungen erhöht, stellt das Auffinden des unbekannten genetischen Elternteils oder von Halbgeschwistern in der Regel noch eine große Schwierigkeit dar, da die Mehrzahl der KeimzellspenderInnen oder deren Verwandte nicht zufällig in einem DNA-Register erfasst sind. Dennoch freuen wir uns über einzelne Ausnahmen, in denen Spenderkinder bereits Halbgeschwister identifizieren konnten und sogar über Spender, die sich – zum Teil ohne unser Wissen – bei der von uns verwendeten Datenbank registrierten.

Reportage im Bayerischen Rundfunk am Sonntag, 31. Januar 2016, 14:35 Uhr und 21.35 Uhr

Unter dem Titel „Umstrittener Eizellentourismus nach Tschechien – Brauchen wir ein neues deutsches Embryonenschutzgesetz?“ sendet der Bayerische Rundfunk am kommenden Sonntag (31. Januar 2015) eine Reportage. Eine schriftliche Version ist bereits online verfügbar.
Darin findet sich auch das Zitat einer Mutter durch Eizellspende, die überlegt, wie sie ihrem Kind helfen könnte, mit seiner Entstehungsweise zurecht zu kommen. Sie möchte dem Kind helfen, indem sie ihm sagt, dass es ohne die Eizellspende gar nicht entstanden wäre. Tatsächlich ist diese – Spenderkindern gut bekannte – Argumentation ein sehr elternzentrierter Rechtfertigungsversuch. Das lässt sich gut mit der Frage überprüfen, wer unter der Nicht-Existenz des Kindes leiden würde – die Frau mit Kinderwunsch oder das nicht-existierende Kind? Es gibt furchtbare Möglichkeiten, Kinder zu zeugen, die die daraus entstehenden Kinder deshalb hoffentlich nicht gutheißen müssen.
Die Eizellspenderin hebt in dem Beitrag, beinahe erleichtert, hervor, dass sie ihre Eizellen nur als Eizellen sehe und sich mit den daraus entstehenden Kindern nicht verbunden fühle. Diese Tatsache mag für die Spenderin und auch für die Wunscheltern erfreulich und entlastend sein. Für den entstehenden Menschen bedeutet es jedoch eine tiefe Kränkung, wenn ein biologischer Elternteil kein Interesse an ihm hat und eine doppelte Kränkung, wenn gezielt ein solch beziehungsloser Elternteil zur Zeugung ausgewählt wurde.

BGH: Wenn ein Mann in die Zeugung eines Kindes mit Samenspende einwilligt, ist er unterhaltsverpflichtet

Ein weiterer Samenspende-Fall hat heute den Bundesgerichtshof (BGH), Deutschland höchstes Gericht in Zivilsachen, beschäftigt. Ein siebenjähriges durch Samenspende gezeugtes Mädchen wurden gegen den ehemaligen Lebensgefährten ihrer Mutter Unterhaltsansprüche zugesprochen, weil er in die Samenspende eingewilligt hat (Pressemitteilung des BGH, Artikel in der FAZ).

Der Fall ist etwas atypisch: die Samenspende erfolge bei einem Hausarzt,  der Wunschvater besorgte die Samenspende selbst und vermerkte nur auf einem seitens des Hausarztes vorgelegten „Notfall-/Vertretungsschein“ handschriftlich: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!“

Der Fall zeigt eine weitere Rechtslücke bei Samenspenden auf. Sind die Wunscheltern verheiratet, gilt der Ehemann nach § 1592 Nr. 1 als Vater. Die Vaterschaft kann er bei einer Einwilligung in die Samenspende nicht anfechten (§ 1600 Absatz 5 BGB). Sind die Eltern aber nicht verheiratet, muss der Mann die Vaterschaft anerkennen. Das ist vor der Geburt möglich, aber nicht vor der Zeugung des Kindes (§ 1594 Absatz 4 BGB) – und damit auch nicht zeitgleich zur Einwilligung in die Samenspende. Überlegt es sich der Wunschvater also nach Zeugung des Kindes durch Samenspende anders und erkennt die Vaterschaft nicht an, hat das Kind keinen rechtlichen Vater – und damit auch keinen direkt Unterhaltsverpflichteten.

Der BGH hat die Einwilligung in die Samenspende nun gleichzeitig als Vertrag zu Gunsten des Kindes gewertet, aus dem sich für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht ergibt, wie ein rechtlicher Vater für dessen Unterhalt zu sorgen. Für die Einwilligung in die Samenspende bestehe kein Zwang zu einer besonderen Form.

Es ist positiv, dass der Bundesgerichtshof diese Lücke nun halbwegs geschlossen hat. Eine völlige Gleichberechtigung zu in eine Ehe hineingeborene Kinder wird damit aber nicht erreicht, denn das Kind wird nicht erbberechtigt sein. Und leider ist es ein weiterer Beispielsfall dafür, dass manche Menschen zu leichtfertig in eine Samenspende einwilligen, ohne die psychosozialen Herausforderungen zu sehen. Leidtragende ist vor allem das siebenjährige Mädchen das vom Wunschvater doch nicht so gewollt war, vermutlich ohne Vater aufwächst und mehrere Jahre keinen Unterhalt erhielt. Hoffentlich wird es einmal herausfinden können, wer der Samenspender war – Anspruchsgegner wird hier erneut der Wunschvater sein.

Der Gesetzgeber sollte daher endlich Samenspenden umfassend regeln (bis nächstes Jahr tagt noch der Arbeitskreis Abstammung, der hierzu Vorschläge machen soll). Dieser Fall zeigt, dass zu einer solchen Regelung unbedingt die Möglichkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung bei Samenspende gehören, eine verpflichtende Beratung der Wunscheltern vor einer Samenspende sowie dass nur speziell für Samenspende zugelassene Ärzte diese durchführen können.

Kevin Staudt bei DRadio Wissen am 22. September 2015

Spenderkinder-Mitglied Kevin Staudt war am 22. September 2015 zu Gast in der Redaktionskonferenz von Deutschlandradio Wissen unter dem Titel „Samenspende – mein Sperma – dein Kind“. Im Interview mit Moderator Thilo Jahn berichtete Kevin von seiner kürzlich gestarteten Suchaktion nach seinem Spender, unter anderem mit Hilfe seines eigens dafür geschriebenen Songs „novum“, der über Youtube und Facebook verbreitet wird.

Gefragt nach seiner Motivation zur Suche, die von außen betrachtet ziemlich viel Aufwand bei sehr geringer Erfolgswahrscheinlichkeit bedeutet, erklärt Kevin: „Ungewissheit“ – „so lange ich lebe, werde ich mich fragen, wo ich herkomme.“ Kevin sagt auch, er wisse, dass er nichts erwarten könne, habe die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben.

Diese Haltung teilt Kevin mit vielen Spenderkindern, die sich trotz minimaler Erfolgschancen auf die Suche begeben. Weil das mit Anstrengungen verbunden ist, kommt von Außenstehenden häufig die Frage nach Kriterien für einen Abschluss der Suche, oder die Idee, sich doch mit der Ungewissheit abzufinden. Nach diesem Interview ist hoffentlich etwas deutlicher geworden, dass all die suchenden Spenderkinder viel Stärke, Kreativität und Hoffnung mitbringen, auch wenn sie ihre Suche ihr Leben lang begleiten wird und dass Resignation keine wünschenswerte Alternative ist. Sicherlich gibt es Zeiten, in denen das Thema mal mehr und mal weniger präsent ist und die Suche mal aktiver und mal passiver verfolgt wird. Aber auch wenn es manchmal den Anschein hat, sind wir nicht auf der Suche nach Phantomen, sondern leibhaftigen Menschen, die irgendwo noch andere Spuren als uns hinterlassen haben.