Antrag der Grünen zur rechtlichen Regelung von Samenspende

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat am Donnerstag, 25. Februar 2016 einen Antrag zu „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung“ in den Bundestag eingebracht.

Darin wird die Bundesregierung aufgefordert,

a) einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Kenntnis der Abstammung zu schaffen und einen Vermerk – allerdings ohne Angaben zur Identität des Spenders – in das Geburtenregister einzutragen,
b) ein Register zu schaffen, bei dem Spenderkinder die Identität des Samenspenders und möglicher Halbgeschwister erfahren können,
c) einen Anspruch zu schaffen, mit dem ein Spenderkind feststellen lassen kann, ob der (von der Samenbank genannte) Samenspender tatsächlich der biologische Vater ist,
d) ein neues familienrechtliches Institut der Elternschaftsvereinbarung einzuführen, und
e) die Zahl der Familien, die mit Hilfe eines Samenspenders gegründet werden, zu begrenzen.

Der Verein Spenderkinder befürwortet die Forderungen eins bis vier. Die Schaffung eines einfachgesetzlichen Auskunftsanspruchs steht auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, bislang gibt es jedoch keinen Referentenentwurf. Die Schaffung eines Registers, das die Spenderdaten verwaltet und an das Auskunftsansprüche gestellt werden, wird inzwischen übereinstimmend von Spenderkindern, Eltern und Ärzten gefordert.

Eintragung der Samenspende in das Geburtenregister

Die Eintragung der Samenspende in das Geburtenregister würde einen wichtigen Anreiz für Eltern darstellen, die Samenspende gegenüber ihren Kindern nicht zu verschweigen. Allerdings stellt sich die Frage, warum bei diesem Eintrag nicht auch der Name des Samenspenders stehen soll. In der Begründung steht, dass damit das Recht der mithilfe einer Samenspende gezeugten Kinder auf Nichtwissen der Identität des Spenders garantiert werde. Das verwundert, denn bei Adoptierten stehen die Namen der Geburtseltern im Geburtenregister. Spenderkinder sind nicht schutzbedürftiger als Adoptierte. Der Eintrag der Person des Spenders im Geburtenregister wäre wichtig, denn viele Spenderkinder äußern ein Bedürfnis, dass auch in offiziellen Urkunden ihre Abstammung richtig festgehalten wird.

Elternschaft per Vereinbarung ist nicht im Interesse von Spenderkindern und begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken

Die von den Grünen geforderte Einführung eines familienrechtlichen Instituts der Elternschaftsvereinbarung lehnen wir jedoch ab. Hierunter wird ein Institut beschrieben, mit dem künftige Eltern und der künftige biologische Vater vor der Zeugung gemeinsam beim Jugendamt vereinbaren, wer mit der Geburt rechtlicher Vater bzw. Co-Mutter wird. Bei dem Spender von einer Samenbank soll dessen schriftliche Zustimmung ausreichen.

Bei dieser Elternschaft per Vereinbarung vereinbaren Erwachsene miteinander, wer – unabhängig von der genetischen Elternschaft – rechtliche Eltern des Kindes sein soll. Das Kind könnte sich aus dieser Vereinbarung nicht lösen, da das Recht auf Anfechtung der Vaterschaft (oder Mutterschaft) ausgeschlossen sein soll und ein Verwandtschaftsverhältnis des Samenspenders zu dem Kind zu keinem Zeitpunkt mehr entstehen können soll (S. 6 des Antrags, Ziff. II.1.d). Dieses Konstrukt legt nahe, dass das Kind bei dieser Vereinbarung als verfügbares Objekt wahrgenommen wird – Elternschaft per Vertrag. Für diese Wertung spricht auch die Äußerung von Katja Keul, rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, in der Presseerklärung zu dem Antrag, dass den Wunscheltern ihre Elternposition garantiert werden müsse.

Die Frage drängt sich geradezu auf, ob diese Elternschaftsvereinbarung nicht ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter ist, nämlich des Kindes, das möglicherweise als Erwachsener die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anfechten möchte (rechtliche Co-Mutter kann man nur durch Adoption werden) und den genetischen Vater als Vater feststellen lassen möchte. Momentan kann jeder Mensch die Vaterschaft anfechten, wenn er oder sie mit dem Vater nicht genetisch verwandt ist.1 Nach dem Bundesverfassungsgericht gehört dieses Recht zur Anfechtung der Vaterschaft zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.2 Das Anfechtungsrecht muss zwar nicht ohne jede Begrenzung zugelassen werden, aber es darf auch nicht generell ausgeschlossen werden3 – was hier aber der Fall wäre. In dem Beschluss zur „Rechtsstellung des so genannten biologischen Vaters“4 führt das Bundesverfassungsgericht außerdem aus, dass es ein Interesse des Kindes geben kann, „seinen leiblichen Vater nicht nur zu kennen, sondern ihn auch als Vater rechtlich zugeordnet zu erhalten. In dem Antrag wird darauf verwiesen, dass das Spenderkind sich als Erwachsener von dem Spender adoptieren lassen könnte. Dieser Lösungsvorschlag mutet aber geradezu absurd an, denn der Spender ist ja der genetische Vater des Kindes. Eine Erwachsenenadoption kann nur durch das Einverständnis das Annehmenden und des Angenommenen bewirkt werden, eine Vaterschaftsfeststellung kann auch alleine durch das Kind eingeleitet werden. Auch beseitigt eine Erwachsenenadoption nicht die bisherigen Abstammungsverhältnisse.

Der Ausschluss des Anfechtungsrechts bei der „Elternschaft per Vereinbarung“ würde außerdem gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstoßen, weil das Recht nur für durch Samenspende gezeugte Kinder abgeschafft werden würde. Kinder, die herausfinden, dass ihr sozialer Vater aus anderen Gründen als eine Samenspende nicht ihr genetischer Vater ist, könnten weiterhin nach § 1600 Absatz 1 Nr. 4 BGB die Vaterschaft anfechten, obwohl sie sich in derselben Situation befinden wie Spenderkinder. Der Unterschied besteht bei einer Familiengründung durch Samenspende lediglich auf der Ebene der Eltern – nämlich dass diese sich bewusst dafür entschieden haben, ein Kind mit Hilfe eines Dritten zu zeugen. Das kann jedoch nicht die Rechte des Kindes beschneiden.

Eine Elternschaft per Vereinbarung bricht außerdem mit den Grundprinzipien des Familienrechts, die primär auf der Abstammung und damit genetischer Verwandtschaft beruhen. Ob das überhaupt verfassungsrechtlich möglich ist, ist ebenfalls zweifelhaft. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil „Heimlicher Vaterschaftstest“ ausgeführt, dass aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz das Gebot folgt, möglichst eine Übereinstimmung von biologischer und rechtlicher Vaterschaft zu erreichen.5

Die von Bündnis 90/Die Grünen geforderte rechtliche Reichweite dieses Institutes steht außerdem in einem starken Missverhältnis zur Vorbereitung der Wunscheltern. Diese sollen vom Jugendamt lediglich über die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung belehrt werden. Zum Vergleich: bei einer Adoption ist eine Kindeswohlüberprüfung erforderlich. Der Verein Spenderkinder fordert entsprechend eine verpflichtende Beratung vor einer Samenspende, damit die Wunscheltern umfassend über die mit einer Familiengründung zu dritt verbundenen Probleme informiert werden.

Insofern vermittelt der Antrag leider den Eindruck, dass er eher die Interessen mancher Wunscheltern stärken soll und die schutzwürdigen Interessen von Spenderkindern darauf reduziert, dass sie die Identität des genetischen Vaters erfahren können. Zum Schutz des Spenders würde auch ein einfacher Ausschluss von Ansprüchen auf Unterhalt und Erbe ausreichen.

  1. Außer bei einer Adoption, weil in diesem Fall die Vaterschaft auf einer Gerichtsentscheidung beruht. []
  2. 1 BvL 17/87 = NJW 1989, 891, 892 ff. []
  3. 1 BvL 17/87 = NJW 1989, 891, 893 []
  4. BVerfG, Beschluss vom 9. 4. 2003 – 1 BvR 1493/96 u.a. = NJW 2003, 2151, 2154 []
  5. Urteil vom 13. 02. 2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753. []