Ein nicht unerheblicher Teil des in Deutschland vermittelten Samens stammt vermutlich aus dem Ausland, überwiegend aus Dänemark. Das ist in anderen europäischen Ländern ähnlich: nach einem Bericht auf Euronews aus dem Jahr 2023 geben einige niederländische Fruchtbarkeitskliniken an, dass mehr als 60 % ihrer Behandlungen mit Sperma einer dänischen Samenbank durchgeführt werden, in Belgien soll es ähnlich sein. () Berichten zufolge gibt es sogar europäische Länder, die fast ausschließlich Samen aus dem Ausland importieren und im eigenem Land keine Personen anwerben, die ihren Samen abzugeben.
In einem Interview äußert der Gründer der dänischen Samenbank Cryos, dass 90 % des dänischen Samens exportiert wird und 60 % der Kinderwunschbehandlungen in Dänemark an Personen aus dem Ausland erfolgt.
Importiert eine dänische Samenbank Samen zur Vermittlung nach Deutschland, muss dieser im Samenspenderregister registriert werden, von dem die Kinder Auskunft verlangen können (§ 5 Absatz 1 Satz 2 Samenspenderregistergesetz).
Grund für den Erwerb von Samen aus dem Ausland sind vermutlich die stark serviceorientiert arbeitenden, den Elternwunsch betonendende Samenbanken. In diesen können Wunscheltern zum Teil wie in einem Shopping Katalog blättern und Bilder der Personen ansehen, deren Samen oder Eizellen erworben werden können. Oft werden die Personen mit Beruf, Eigenschaften und weiteren Informationen beworben (warum das kein angemessener Umgang ist, erklären wir in dem Beitrag Samen und Eizellen im Shopping-Portal). In einem Tagesschau-Artikel berichtet eine Solo-Mutter, dass viele alleinstehende Frauen lieber nach Dänemark fahren würden, weil sie dort weniger Hürden ausgesetzt seien und Atmosphäre und der Service dort besser seien. Auch unter queeren Eltern ist es üblich, für eine Samenvermittlung nach Dänemark zu gehen oder Samen aus Dänemark zu beziehen – obwohl lesbische und auch alleinstehende Frauen inzwischen auch in Deutschland Samenvermittlungen erhalten können.
Aus Sicht der durch ausländischen Samen gezeugten Kinder gibt es deutliche Nachteile:
Samenvermittlung im Ausland
Erfolgt die Vermittlung des Samens im Ausland, gilt in Bezug auf das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung das Recht dieses Landes. In Dänemark ist anonyme Samenvermittlung nach wie vor zulässig (zwei dänische Spenderkinder haben jüngst eine Klage dagegen eingereicht). Wird nicht ausdrücklich eine offene Spende vereinbart, die oft teurer ist, wird der Samen anonym vermittelt. Wir hatten in der Vergangenheit Kontakt zu Wunscheltern, denen dies nicht bewusst war und die mit Bestürzung auf die Information reagiert haben, dass ihr Kind nicht erfahren kann, wer sein genetischer Elternteil ist. Wenn eine offene Spende vermittelt wird, kann das Kind oft erst mit 16 oder 18 Jahren Auskunft verlangen. In Deutschland besteht keine Altersgrenze für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr können Kinder den Auskunftsanspruch zwar nur selbst geltend machen (§ 10 Absatz 1 Satz 2 Samenspenderregistergesetz). Vorher können sie ihn jedoch vertreten durch die Eltern geltend machen.
Vermittlung ausländischen Samens in Deutschland
Wird ausländischer Samen in Deutschland vermittelt, gilt das Samenspenderregistergesetz. Das bedeutet: zulässig ist nur eine offene Samenvermittlung, die Person, von der der Samen stammt, wird im Samenspenderregister registriert und das Kind kann von diesem Auskunft über die Identität des genetischen Elternteils verlangen.
Unabhängig vom Ort der Vermittlung gelten bei Samen aus dem Ausland folgende Nachteile:
- Die Kinder können eine sehr hohe Anzahl von Halbgeschwistern haben. In Dänemark gilt eine Obergrenze von 12 Kindern pro Spender, aber nur innerhalb von Dänemark. Der Export in andere Länder stellt daher eine Möglichkeit dar, noch weitere Kinder mit demselben genetischen Elternteil zu zeugen. Im April 2025 wurde bekannt, dass mit Samen eines dänischen Mannes mit hohem Krebsrisiko mindestens 67 Kinder in verschiedenen europäischen Ländern gezeugt wurden. Für Spenderkinder kann es belastend sein, eine so hohe Anzahl von Halbgeschwistern zu haben (siehe unser Beitrag 100 Halbgeschwister und mehr). Es verringert auch die Wahrscheinlichkeit, eine echte Beziehung zu dem genetischen Elternteil aufbauen zu können, der potentiell sehr viele Anfragen von Kindern erhalten kann.
- Wenn die Spenderkinder Kontakt zu Halbgeschwistern oder dem genetischen Elternteil aufnehmen möchten, werden sie dies voraussichtlich in einer anderen Sprache tun müssen. Zwar lernt inzwischen jeder Englisch an der Schule, aber um einen echten Kontakt zu einem anderen Menschen, einem unmittelbaren Verwandten, aufbauen zu können, muss man eine Fremdsprache gut beherrschen. Dies kann eine Kontaktaufnahme, die bereits mit vielen aufrüttelnden und verunsichernden Emotionen verbunden sein kann, weiter erschweren. Hinzu kommt, dass die Halbgeschwister voraussichtlich über ganz Europa verstreut sind und ein persönliches Treffen nicht so einfach möglich ist.