Marie

Bericht von Marie über die Entscheidung für eine donogene Insemination, die Aufklärung ihrer Kinder und wie die Familie damit umgeht

Es gibt Momente die man nie vergisst. Einer davon war, als uns unser behandelnder Arzt eröffnete, dass ich keine Kinder mit meinem Mann zusammen haben würde. Nach 4 künstlichen Befruchtungen war sein Spermiogramm dermaßen schlecht, dass nichts mehr zu machen war. Irgendwie hatten wir das erwartet. Denn selbst bei den ICSI’s waren dermaßen wenige Samen zu finden, dass es einfach nicht klappen konnte. Aus der Traum.

Mein Mann wollte sofort wissen, was denn jetzt noch möglich sei um ein eigenes Kind zu haben. Unser Arzt gab uns eine Broschüre über eine Samenbank und sagte, dass er damit gute Erfahrungen gemacht habe. Sicher war so was schon in unseren Gedanken immer mal wieder herumgegeistert, aber so wirklich damit befasst hatten wir uns bisher noch nicht. Ich weiß noch genau, wie wir auf dem Heimweg im Auto saßen und darüber sprachen. Ich fragte ihn, ob er das denn wirklich will. Er sagte, dass es ja unsere einzige Möglichkeit sei. Ich hielt die Möglichkeit der Adoption dagegen, denn wenn unser Kind nicht von ihm sei, dann wäre es nur gerecht, dass wir ein Kind adoptieren. Nein, das wollte er nicht, ich sollte die Möglichkeit haben, eine Schwangerschaft zu erleben, und er wollte das auch miterleben. Dann wäre unser Kind wenigstens von einem von uns beiden. Ich war ihm unendlich dankbar. Meine Bedingung damals war jedoch: Das wird nie nie nie jemand erfahren.

Leider haben wir uns damals überhaupt nicht weiter informiert, und so war die Tatsache, dass unser Spender kein „Yes“-Spender ist, überhaupt nicht relevant bei der Spenderauswahl. Äußerliche Merkmale wie z.B. Größe, Haarfarbe, Augenfarbe, Blutgruppe waren uns wichtig, denn wir wollten die DI ja geheim halten. Dass unsere Mädels einmal Probleme mit der DI haben könnten war uns nicht klar, bzw. so weit haben wir damals nicht gedacht. Dehalb würde ich heute auf jeden Fall einen Spender nehmen, der den Kindern die Möglichkeit der Kontaktaufnahme bietet. Heute sind unsere Kinder aber auch aufgeklärt über die Art ihrer Entstehung.

In der zweiten Schwangerschaft, als unsere große Tochter schon zweieinhalb war, dämmerte mir, dass irgendwas an der Geheimniskrämerei falsch sein könnte. Es war nur so ein Gefühl, aber irgendwie kam es mir nicht richtig vor, die Mädels zu belügen. Einerseits – die Große ist mein Ebenbild und die Kleine sieht angeblich aus wie mein Mann – wäre es nicht unbedingt „nötig“ gewesen, die Mädels und auch die Familie, Erzieherinnen und ein paar enge Freunde aufzuklären. Aber andererseits fing ich an, mich ausgiebiger mit dem Thema DI auseinanderzusetzen. Ich besorgte mir Literatur, leider gab es hauptsächlich englische. Besonders das Buch „Lethal Secrets“ (auf deutsch immerhin „Tödliche Geheimnisse“), hat mir einen Schrecken eingejagt und mich gleichzeitig darin bestärkt, meinem Gefühl zu vertrauen. Allein der Gedanke, dass unsere Mädels dermaßen verletzt und enttäuscht sein könnten, wenn die DI durch einen dummen Zufall oder unglückliche Umstände heraus käme, das wollte ich nicht. Als ich meinen Mann darauf ansprach, dass es besser sei, die Mädels und die Familie aufzuklären, stimmte er mir sofort zu.

Da saß sie nun, unsere Große, vor mir auf dem Teppich im Wohnzimmer und ich versuchte, etwas von Samen, Eiern und Kinder kriegen zu erzählen. „Weißt Du Schatz, damit Kinder entstehen können, braucht man Eier und Samen. Eier haben die Frauen, und Samen die Männer. Nur leider hat der Papa keinen Samen. Da haben wir den Samen von einem anderen Mann genommen.“ Mir klopfte das Herz bis zum Hals, aber die Maus sagte nur: „Was war das für ein Mann, von dem die Samen sind?“ „Ein netter Mann.“ Und es war OK, erst mal.

Über das Internet kamen wir zu den Treffen mit den anderen Spendersamenkindern. Es ist eine Gruppe, die aus einem Seminar bei Petra Thorn entstand und sich halbjährlich trifft. Wir sind erst später dazu gestoßen und wurden herzlich aufgenommen. Mittlerweile sind diese Treffen fast wie ein Familientreffen, und wieder mal eine Gelegenheit, das Thema bei unseren Kindern anzuschneiden. Aber ehrlich gesagt, interessiert es die Kinder herzlich wenig, ob sie „Spendersamenkinder“ sind oder nicht. Was sie stolz macht ist die Tatsache, dass sie so sehr gewollt sind. Sie hören gerne, wie traurig wir waren, bevor es sie gab und wir glücklich wir in und über die Schwangerschaften waren. Ihre Beziehung zu ihrem Vater hat die Aufklärung überhaupt nicht beeinflusst. Sie haben nur diesen einen Vater. Der andere ist der „Spender“ wenn ich mit den Kindern rede, oder der „Erzeuger“ wenn ich mit anderen darüber rede.

Manchmal entstehen natürlich schon Situationen in denen man schluckt, und versucht souverän zu bleiben 🙂 Das gelingt aber nicht immer.

Zum Beispiel die 5. Geburtstagsparty meiner Nichte. Meine Schwester war gerade schwanger mit ihrem zweiten Kind und ich war da, um zu helfen. Immerhin hatte sie 10 Kinder zwischen 4 und 6 Jahren da. Eine Mutter war auch noch dabei, da ihre Tochter leicht behindert ist und nicht allein bleiben wollte. Meine Schwester sagt zu meiner Großen “ Also die Essgeschwindigkeit hat Du nicht von Oma Gabi (unsere Mutter, die immer total schnell aß).“ Ich dazu: „Nee, von mir auch nicht (denn ich gehöre auch zu den Schnellessern)“. Da sagt meine Tochter doch glatt mit einem dicken Grinsen:“Na, dann habe ich das halt vom Samenspender.“ Ich weiß nicht genau, ob die andere Mami das gehört hatte, aber mir rutschte das Herz in die Hose! Das einzige, was mir einfiel, war: „Ja, Schatz, vielleicht“.

Oder: Im Ski-Urlaub. Auf dem Weg ins Ski-Gebiet, 8-er Gondel, sitzen wir in einer voll besetzten Gondel und die Große fragt: Mama, wäre ich dann schon 10 Jahre alt, wenn der Papa Samen hätte? Ich habe ihr geantwortet, dass ich es ihr nachher erkläre. Später sagte ich dann ihr, dass es andere Leute nichts angeht, ob der Papa Samen habe oder nicht, und dass wir da gerne immer drüber reden können, aber nicht wenn Fremde dabei sind.

Oder: Ich war mit meiner Schwester und den 3 Mädels Eis essen. Urplötzlich sagt die Große: „Du Mama, Kinder haben immer die Hälfte von allem von ihrer Mama und die andere Hälfte von ihrem Papa. Ich meine das Aussehen und so.“ Ich sagte dann: „Bei uns ist das ja nicht so, das weißt Du ja“. Sie darauf:“Ja, ich weiß, wir haben ja einen Samenspender gehabt, da sehen wir halb aus wie der Spender.“ Ich: „Und, findest Du das schlimm?“ Sie:“ Nee, den kenne ich ja nicht, was soll daran dann schlimm sein?“ Soviel zur Logik einer damals 6-jährigen. Die ganze Konversation war jedoch nicht gerade leise, und die Leute am Nebentisch könnten was mitbekommen haben. Für mich war das jedoch irgendwie wurscht, und ich habe mich selbst gewundert, wie cool ich war. Meine Schwester sagte dann, dass sie es gut fände, wie das bei uns so läuft und wie besonders die Große es so aufnähme. Ich muss zugeben, ich war schon ein bisschen stolz.

Oder: Wir machen einen Sonntagsausflug und ich sitze mit der Kleinen bei einer Bekannten im Auto. Plötzlich trällert die Kleine, 3 Jahre alt, los: „Ja wir fahren zu den Spendersamenkindern…“ Meine Bekannte stutzt, und fragt:“Was hat sie da gesungen?“ Ich habe dann alles kurz erklärt, und das war’s. Mir ist aber schon das Herz in die Hose gerutscht.

Die Reaktionen der Menschen, denen ich davon erzählt habe, waren fast durchweg positiv. Eine Freundin sagte, sie hätte das nie gemacht, aber sie würde auch nie wieder selbst ein Kind haben wollen. Alle anderen fanden es gut, dass wir die DI gemacht haben. So nach dem Motto: Na und, wenn es halt nicht anders ging.

Die Große hat auch schon gefragt, ob der Papa traurig sei, dass er keinen Samen hat. „Ja“ habe ich gesagt, „das ist er.“ Aber der Papa hat auch gesagt, dass er dermaßen stolz ist auf seine Mädels, dass er nicht glaubt, dass er sie selbst „so gut hinbekommen hätte“.

Wer gerne Kontakt zu Marie hätte, kann ihr unter DI-Mama[at]web[punkt]de schreiben.