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Samenspende und Reproduktionsmedizin in der Politik

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zur Stellungnahme der Leopoldina „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat am 4. Juni 2019 die Stellungnahme „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“ veröffentlicht, in der ein neues Fortpflanzungsmedizinrecht gefordert wird.

Der Verein Spenderkinder kritisiert mehrere Forderungen und zentrale Aussagen der Stellungnahme als einseitig aus der Sicht von Wunscheltern und Reproduktionsmedizin geprägt. Mit Verweis auf die Fortpflanzungsfreiheit wird u.a. gefordert, die bislang in Deutschland verbotene Vermittlung von Eizellen und imprägnierten Eizellen sowie Möglichkeiten der Befruchtung mit Keimzellen Verstorbener zuzulassen. Die von Spenderkindern erlebten Schwierigkeiten werden nicht ernstgenommen und Familiengründung mit Samen und Eizellen Dritter und Vierter zum Vorteil der Reproduktionsmedizin und Wunscheltern beschönigt dargestellt. In der Arbeitsgruppe waren viele (Reproduktions-)MedizinerInnen und JuristInnen vertreten, jedoch keine für einen Perspektivwechsel hilfreichen PsychologInnen oder Adoptionsfachkräfte.

1. Fragwürdige Berufung auf angebliche Diskriminierungen

a) Fortpflanzungsfreiheit ist ein Abwehrrecht und beinhaltet keinen Anspruch, Eltern zu werden

Die AutorInnen der Stellungnahme berufen sich bei ihrer Forderung nach einer Liberalisierung der Regelungen des Embryonenschutzgesetzes vor allem auf die Fortpflanzungsfreiheit. Hierbei handelt es sich jedoch vor allem um ein Abwehrrecht (vgl. S. 36) – der Staat soll nicht entscheiden, welche Menschen eine Familie gründen dürfen, und dies zum Beispiel für politische Oppositionelle oder Behinderte ausschließen. Die Freiheit zur Fortpflanzung umfasst aber nur die eigene Fortpflanzung mit den eigenen Geschlechtszellen. Sie umfasst nicht, hierfür Dritte zu beanspruchen, die Samen oder Eizellen abgeben oder das Kind austragen und übergeben sollen.

Es gibt keinen Anspruch darauf, Eltern zu werden.

Dennoch wird in der Stellungnahme Leihmutterschaft als die „einzige Möglichkeit“ – abgesehen von „Co-Parenting“ genannt, mit der homosexuelle Männer ihren Kinderwunsch verwirklichen könnten (S. 78) und somit eine Diskriminierung durch das Verbot dieses Verfahrens impliziert. Die AutorInnen der Stellungnahme ignorieren die bestehenden Möglichkeiten, ohne reproduktionsmedizinische Verfahren auf natürliche Weise ein Kind zu bekommen. Auch ein Frauenpaar kann mit einem Mann oder Männerpaar ein Kind/Kinder bekommen und für diese sorgen, ohne genetische Elternteile des Kindes auszugrenzen. Laut Artikel 9 der UN-Kinderrechtskonvention hat ein Kind ein Recht auf Kontakt zu beiden Eltern. Das wird auf diese Weise eher als bei einer „Samenspende“ berücksichtigt.

b) Zwischen Eizellabgabe und Samenabgabe bestehen erhebliche Unterschiede

In der Stellungnahme wird behauptet, das Verbot der Eizellvermittlung stelle eine Ungleichbehandlung dar, da Frauen, die z.B. infolge einer Krebserkrankung keine eigenen Eizellen mehr bilden könnten, ihren Kinderwunsch nicht verwirklichen könnten, während Männer, die im Zuge einer Krebsbehandlung ebenfalls unfruchtbar seien, auf Samen anderer Männer zurück greifen könnten (S. 12).

I. Keine klare Unterscheidung in biologische und soziale Mutter möglich

Eizellabgabe ist mit Samenabgabe jedoch nicht vergleichbar. Wird der Samen eines anderen Mannes verwendet, hat das Kind dennoch einen eindeutigen genetischen Vater und zusätzlich einen rechtlichen Vater. Wird die Eizelle einer anderen Frau verwendet, tragen zwei Frauen biologisch existenziell zur Entstehung des Kindes bei, die eine Frau durch die Eizelle, die andere Frau indem sie das Kind austrägt und ihr Organismus mit dem des entstehenden Kindes epigenetisch interagiert. Eine Umfrage innerhalb des Vereins Spenderkinder im Jahr 2017 ergab, dass die Hälfte der Mitglieder, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, sich diese Entstehungsweise nicht für sich wünschte.

II. Eizellabgaben sind mit Gesundheitsgefahren verbunden – drittnütziger medizinischer Eingriff verstößt gegen Gebot der Nicht-Schädigung

Für die Eizellabgabe ist eine hormonelle Stimulation und eine chirurgische Entnahme erforderlich, während Samen ganz ohne ärztliche Hilfe vermittelt werden kann. Auch wenn die Risiken für die Frau verglichen mit anderen medizinischen medikamentösen oder chirurgischen Eingriffen gering sein sollten, ist es fraglich, ob die Kosten-Nutzen-Abwägung verhältnismäßig ist und einen drittnützigen medizinischen Eingriff rechtfertigt.1 Dass auch ein „in absoluten Zahlen niedriges Risiko noch als hoch angesehen werden kann“ (S. 89) bringen die AutorInnen der Stellungnahme selbst ein – allerdings als Argument für eine Lockerung der Regeln zur PID.

III. Risiko der Kommerzialisierung

Aufgrund des aufwändigeren Verfahrens besteht bei der Eizellvermittlung ein höheres Risiko der Kommerzialisierung, dass Frauen Eizellen nicht altruistisch motiviert abgeben, sondern vor allem auf Grund der (wegen der Gesundheitsgefahren) höheren Aufwandsentschädigung und ihre Gesundheit dabei gefährden. Kommerzielle Samen- und Eizellzellvermittlung ist nach der Geweberichtlinie verboten. Außerdem ist es für die entstehenden Kinder verletzend, wenn die Abgabe finanziell motiviert ist und Elternteile kein Interesse am Kind als Person haben.

IV. Wesentlicher Unterschied zur Adoption: Wunsch der Wunscheltern im Vordergrund

Von einer Adoption unterscheidet sich die gespaltene Mutterschaft nach Eizellvermittlung im Wesentlichen dadurch, dass bei einer Adoption die bestmögliche Lösung aus einer Notsituation für ein Kind gesucht wird. Bei der Eizellvermittlung wird das Kind bewusst in die Situation gebracht, weil Erwachsene sich ein Kind wünschen, dem sie Eltern sein können.

2. Konzept der „Spende“ wird nicht hinterfragt

Die Stellungnahme baut auf dem gedanklichen Konzept der Vermittlung von Samen und Eizellen als „Spende“ auf und hinterfragt diese medizinisch-technische Sicht auf Familiengründung nicht. Die Vermittlung von Samen und Eizellen wird als solidarische oder altruistische Tat gewertet (S.31), was einseitig der Perspektive der Wunscheltern entspricht. Das Konzept der „Spende“ ist aus verschiedenen Gründen problematisch:

a) Die meisten Spenderkinder sehen keine „Spende“, sondern sie möchten früher oder später ihren unbekannten genetischen Elternteil kennenlernen. Der unbekannte genetische Elternteil wird als Person wahrgenommen.2 Für die entstandenen Kinder kann es verletzend sein, wenn sie einen genetischen Elternteil haben, der kein Interesse an Ihnen hat und nur „Spender“ für ihre rechtlichen Eltern sein wollte.

b) Das Konzept der „Spende“ setzt voraus, dass sich emotionale Eltern-Kind-Beziehungen durch rechtliche Zuordnung umfassend regeln lassen. Bereits aus dem Adoptionsbereich ist aber die Situation bekannt, dass Kinder trotz einer guten emotionalen Beziehung zu ihren rechtlichen Eltern auch eine emotionale Beziehung zu ihren leiblichen Eltern entwickeln können, selbst dann, wenn sie keinen Kontakt zu ihnen haben.3

Aus der Erfahrung von Spenderkindern ist es wichtig, von Anfang an alle Beteiligten als Menschen wahrnehmbar zu machen. Das beinhaltet eine entsprechende Wortwahl, die die genetischen Elternteile des Kindes auch als solche benennt und nicht aus der Perspektive der Wunscheltern auf ihre Funktion als Helfende oder Gebende reduziert. Eine Familiengründung mit Samen und Eizellen Dritter oder Dritter und Vierter ist folgerichtig keine Behandlung von Unfruchtbarkeit, auch wenn ÄrztInnen beteiligt sind. Weder ist ein Kind ein Heilmittel noch ändert sich durch die Einbeziehung weiterer Menschen etwas an der Fruchtbarkeit der Wunscheltern.

3. Reproduktionsmedizin wird aus der Perspektive der Wunscheltern gedacht

Die Stellungnahme der Leopoldina sieht Reproduktionsmedizin einseitig aus der Perspektive der Wunscheltern – ihrer PatientInnen und KundInnen.

Im Gegensatz zur „Samenspende“ und „Eizellspende“ stehen bei der Embryonenadoption die abgebenden Eltern als Menschen im Vordergrund und werden nicht als „SpenderInnen“ sondern als „genetische Eltern“ (S. 58) bezeichnet.

Bei Wunschmüttern ohne Empfängnisproblemen lehnen die AutorInnen der Stellungnahme aus der Perspektive der Wunscheltern die Annahme einer bereits vorhandenen imprägnierten Eizelle ab da „die Wunschmutter in der Regel eine Befruchtung mit dem Samen ihres Partners wünscht“ (S. 67). Die Vermittlung imprägnierter Eizellen wird jedoch dann befürwortet, um Paaren, „die weder geeignete eigene männliche Keimzellen, noch geeignete eigene weibliche Keimzellen zur Verfügung haben, zu einem Kind zu verhelfen“ (S. 76). Ebenso wird als Argument für die Leihmutterschaft vorgebracht, dass männliche homosexuelle Paare dadurch die Möglichkeit hätten, „einen eventuellen Kinderwunsch umzusetzen, etwa wenn das Kind mit zumindest einem der Partner genetisch verwandt sein soll“ (S. 78) oder „Frauen ohne funktionierende Gebärmutter, aber mit fruchtbaren Eizellen (S. 83). Bei dieser Darstellung zeigt sich eine deutliche Präferenz für möglichst viel „eigenes“, seien es Samen oder Eizellen oder wenigstens das Erleben der Schwangerschaft.

Hier wird mit zweierlei Maß gemessen: Während die AutorInnen der Stellungnahme bei den Wunscheltern derlei (menschliche) Bedürfnisse nach genetischer Verbindung zu einem Kind ernst nehmen, zweifeln sie dies bei den durch diese Verfahren gezeugten Kindern an und fordern Studien als Nachweis, dass Kindern eine Verbindung zu ihren genetischen Verwandten nicht nur wichtig sein kann, sondern dass es ihnen schadet, wenn genetische und rechtliche Elternschaft gezielt aufgespalten werden.

4. Klischeehafte Annahmen über die Situation von Wunschkindern

Der Stellungnahme reicht für die Beschäftigung mit der Situation von Spenderkindern der Hinweis darauf aus, dass es sich bei ihnen um Wunschkinder handele, daher müsse ihre Zeugung im Kindeswohl liegen (z.B. S. 28, S. 70).

Leider besteht jedoch kein Kausalzusammenhang zwischen einem Kinderwunsch und einem guten Verhalten als Eltern. Die Stellungnahme blendet aus, dass das Kind in eine psychologisch anspruchsvolle familiäre Situation hineingeboren wird, in der es einen genetischen Elternteil gibt, der ursprünglich nicht gewünscht war und den viele Wunscheltern nicht in ihre Familie integrieren möchten. Auch wenn das Kind vorbildlich aufgeklärt wird und die Möglichkeit hat, die Identität des weiteren Elternteils zu erfahren, weiß das Kind, dass es diesen Menschen nicht lieber mögen soll als den nicht-verwandten Wunschelternteil. Außerdem weiß das Kind, dass es einen genetischen Elternteil hat, der bewusst eine Vereinbarung eingegangen ist, das Kind möglicherweise niemals kennenzulernen. Ein „Wunschkind“ ist das Kind also allenfalls aus Perspektive der Wunscheltern. Und auch die hatten sich meist ursprünglich ein genetisch gemeinsames Kind gewünscht und kein „Spenderkind“ (vgl. zum Wunsch einer genetischen Verbindung der Eltern zum Kind S. 67; S. 76; S.78; S. 83).

Nach den Erfahrungen des Vereins Spenderkinder wachsen nicht alle Kinder, die einst gewünscht wurden, in wünschenswerten Verhältnissen auf. Nicht immer fällt es den Wunschvätern so leicht wie geplant, das genetische Kind eines Dritten anzunehmen und diesen und nicht sich selbst im Kind zu erkennen. Dies wird zum Teil durch die mangelnde Vorbereitung von Wunscheltern auf eine Familiengründung zu dritt begünstigt. Daher fordert der Verein Spenderkinder seit langem eine verpflichtende psychosoziale Information der Wunscheltern und der weiteren genetischen Elternteile. Die AutorInnen der Stellungnahme greifen auch diesbezüglich nicht die Erfahrungen der Spenderkinder auf, sondern fordern lediglich, den Wunscheltern eine psychosoziale Beratung anzubieten (S. 65). Damit stellen sie die Entscheidungsfreiheit der Wunscheltern über den Schutz der Kinder. Die im Beratungskapitel der Stellungnahme erwähnte Qualifikation „Psychosomatische Grundversorgung“ für ÄrztInnen ist dazu eine wünschenswerte Ergänzung, jedoch nicht hinreichend für eine umfassende Information zu den psychosozialen Aspekten einer Familiengründung zu dritt oder viert, wie auch die Inhalte der Stellungnahme zeigen. Es fehlt eine explizit psychologische Perspektive, die nicht allein das Funktionieren, sondern das Erleben aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten in die Überlegungen zu den einzelnen Familienformen einbezieht. Insofern irritiert es, wenn die psychosoziale Beratung in den Empfehlungen sogar als grundsätzlich ärztliche Aufgabe beansprucht wird (S. 95).

5. Keine Studien zum Erleben erwachsener Spenderkinder

In der Stellungnahme wird behauptet, dass die Entwicklung von mit Samen und Eizellen Dritter gezeugten Kindern unproblematisch sei. Zwar gibt es Studien, nach denen Kinder und Jugendliche, die mit vermittelten Eizellen oder Samen entstanden sind, psychopathologisch unauffällig sind und sozial funktionieren. Vom Funktionieren kann jedoch nicht auf das subjektive Erleben der Spenderkinder geschlossen werden. Was bislang fehlt, sind aussagekräftige Studien dazu, wie diese Menschen ihre Entstehungsweise und ihre Familiensituation, die Beziehung zu ihren rechtlichen und genetischen Elternteilen und den weiteren Familien erleben. Es gibt Hinweise darauf, dass erwachsene Spenderkinder international Keimzellvermittlung kritischer sehen, als dies von der Reproduktionsmedizin und Wunscheltern gewünscht ist. Die Stellungnahme setzt sich mit den Argumenten der erwachsenen Spenderkinder jedoch nicht auseinander. So hat der Verein Spenderkinder in der Vergangenheit bereits kritische Stellungnahmen zur Eizellvermittlung, zur Embryonenadoption und zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen veröffentlicht, deren Argumente sich in der Stellungnahme der Leopoldina nicht wiederfinden.

In der Stellungnahme wird die Vermittlung von imprägnierten Eizellen mit dem Argument befürwortet, dass das Kindeswohl durch die gespaltene Mutterschaft nicht gefährdet sei (S. 76). Abgesehen davon, dass es diesbezüglich bislang an Studien fehlt, obwohl mittlerweile erwachsene Menschen dazu nach ihrem Erleben befragt werden könnten, gibt es bei der Vermittlung imprägnierter Eizellen eines genetischen Elternpaares weitere psychologisch bedeutsame Unterschiede. Die entstehenden Menschen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit leibliche Vollgeschwister, die bei ihrem leiblichen Elternpaar aufwachsen. Es gibt folglich eine komplette Parallelfamilie, in der das Kind vielleicht auch gerne aufwachsen würde – es weiß jedoch, dass es in dieser Familie nicht als weiteres Kind erwünscht ist.4 Auch die Möglichkeit, dass es nicht zur Familiengründung kam und sich das Paar getrennt hat, wird in der Stellungnahme erwogen (S.72). Es ist fraglich, wie sich das Kind später mit seinem getrennten genetischen Elternpaar arrangiert und ob dies wünschenswerte Bedingungen für das Kind sind.

6. Bestehende Rechte von Spenderkindern sollen eingeschränkt werden

Im Rahmen der Empfehlungen zur Regelung bei ärztlicher Samenvermittlung wird in der Stellungnahme gefordert, bestehende Rechte der Kinder sogar einzuschränken wie das Recht auf Anfechtung der Vaterschaft (S. 65). Auch hierbei handelt es sich um eine Forderung, die allein dem Interesse der Wunscheltern dient. Zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gehört es außerdem, die genetischen Eltern auch gerichtlich feststellen zu lassen.5

7. Vorgeschobene Argumentation mit Kindeswohl

In der Stellungnahme werden Kinder zwar sprachlich in den Mittelpunkt gestellt, aber tatsächlich nicht einbezogen – sie bleiben lediglich Objekt, dessen Erleben seiner Entstehungsweise offenbar unwichtig ist.

a) Eizellvermittlung: Die Missachtung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung im Ausland ändert sich nicht durch eine Zulassung der Eizellvermittlung in Deutschland

In der Stellungnahme wird empfohlen, Eizellvermittlung auch in Deutschland zuzulassen, da sich auf Grund des Verbots viele Frauen im Ausland Eizellen vermitteln ließen, bei denen die Kinder nicht die Identität ihrer genetischen Mutter erfahren könnten (S. 69). Das Kindeswohl gebiete es daher geradezu, Eizellspenden in Deutschland zuzulassen (S. 12). Der Verein Spenderkinder spricht sich zwar ausdrücklich gegen anonyme Samen- und Eizellvermittlung aus – hält das Verbot der Eizellvermittlung in Deutschland jedoch für sinnvoll und gerechtfertigt. Die Tatsache, dass etwas im Ausland erlaubt ist, und von Menschen aus dem Inland dort praktiziert wird, ist kein inhaltliches Argument. Der Verstoß gegen ein Verbot ist kein inhaltliches Argument dafür, etwas zu erlauben. Menschen, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung achten möchten, können bereits jetzt ein Land wählen, in dem die Eizellvermittlung offen erfolgt, z.B. die Niederlande, Großbritannien oder Österreich. Mit dem Wohl der Kinder zu argumentieren ist scheinheilig, weil aus der Rechtsverletzung der Kinder im Ausland Nutzen für Kinderwunschpaare und Reproduktionsmedizin im Inland geschlagen wird, ohne die Perspektive der Kinder tatsächlich einzubeziehen.

b) Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung muss auch in Deutschland stärker respektiert werden

Auch in Deutschland kann der Respekt vor dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung noch verbessert werden. Wichtig wäre es, konsequent und proaktiv auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hinzuweisen, z.B. mit einer deutschland- oder sogar europaweiten Aufklärungskampagne. Eine Forderung von Spenderkindern international ist es außerdem, die genetischen Eltern im Geburtsregister eintragen zu lassen, damit Kinder nicht auf die Aufklärungsbereitschaft ihrer Eltern angewiesen sind, um die Wahrheit über ihre Abstammung zu erfahren.6 Derlei Initiativen sind bislang von Seiten der Reproduktionsmedizin nicht erkennbar. Ein Eintrag im Geburtenregister wird von Wunscheltern, Beratungsfachkräften und Reproduktionsmedizin explizit abgelehnt.7

Zum Wohl des Kindes sollte der genetische Vater von Anfang an auf ein Kennenlernen vorbereitet werden und nur solche Männer als genetische Väter ausgewählt werden, die zumindest zum Zeitpunkt der Samenabgabe spontan und sicher selbst auch einem Kennenlernen positiv entgegensehen.

c) Argumentation für Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung verweist lediglich funktional auf die psychische Gesundheit des Kindes und nicht auf grundsätzliche menschliche Gleichwertigkeit

In der Stellungnahme wird das Recht auf Auskunft des Kindes mit Verweis auf die psychische Gesundheit des Kindes und der Möglichkeit einer ungeplanten Aufdeckung vertreten (S. 63). Abgesehen davon verletzt es grundsätzlich den Aspekt der Gleichwertigkeit des Kindes als Mensch, wenn ihm wesentliche Informationen über sich selbst absichtlich von anderen vorenthalten werden. Insbesondere wenn diese Menschen dem Kind nahestehende sind, wird das Vertrauen des Kindes in eine gegenseitig ehrliche Beziehung ausgenutzt.8

d) Leihmutterschaft ist niemals zum Wohl des Kindes

In der Stellungnahme wird lediglich die kommerzielle Form von Leihmutterschaft mit Verweis auf eine Entscheidung des Europäischen Parlaments (2015; Nr. 115) als Verstoß gegen die Menschenwürde der austragenden Frau eingeordnet (S. 80). Neben der Würde der Mutter ist aber auch die des Kindes betroffen. Auch wenn der entstehende Mensch bei einer „altruistischen“ Leihmutterschaft nicht gegen Geld „gehandelt“ sondern unentgeltlich weitergegeben wird, wird mit dem Menschen umgegangen wie mit einem Objekt. Wenn ein Mensch wie ein Objekt behandelt wird, verletzt das seine Würde als Subjekt.

Davon abgesehen ist es entwicklungspsychologischer Konsens, dass eine willkürliche Trennung eines Säuglings von seiner engsten Vertrauten, die er an Geruch und Stimme von anderen unterscheiden kann, extrem belastend ist. Im Unterschied zu einer Adoption wird diese Trennung von Anfang an bewusst herbeigeführt. Auf die Bindung zwischen Leihmutter und Kind wird in der Stellungnahme immerhin hingewiesen (S. 83). Es ist fraglich, ob sich diese Belastungen auch mit viel Einfühlungsvermögen und dem Aufbau einer sicheren Beziehung zu den Wunscheltern aufwiegen (oder eher rechtfertigen?) lassen (S. 84). Auch wenn Menschen viele Belastungen im Leben aushalten können ist es fraglich, ob es gerechtfertigt ist, einen Säugling in diese Situation zu bringen, damit Menschen sich ihren Kinderwunsch erfüllen können.

Mit Verweis auf Artikel 7 der UN-Kinderrechtskonvention wird in der Stellungnahme eine verbindliche Zuordnung des Kindes zu dessen Wunscheltern gefordert, zumindest dass sich das Verbot der Leihmutterschaft nicht zu Lasten des Kindes auswirke (S. 85). Es ist jedoch fraglich, ob die Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern tatsächlich regelhaft im Sinne des Kindes ist und ob eine ordentliche Adoption durch den nicht-verwandten Wunschelternteil, bei der das tatsächliche Kindeswohl geprüft wird, nicht eher im Sinne des Kindes ist.

Fazit

Die Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zeigt deutlich, dass sich die Reproduktionsmedizin in Deutschland gerne weitere Verfahren und damit auch Einnahmemöglichkeiten erschließen möchte. Das ist verständlich, lässt aber die ethischen und psychologischen Aspekte, die mit einer Form der Familiengründung mit Samen und Eizellen Dritter und Vierter verbunden sind, außer Acht und ignoriert die Erfahrungen und die Perspektive der bereits auf diese Weise entstandenen Menschen.

  1. Vgl. dazu Sigrid Graumann: „Eizellspende und Eizellhandel – Risiken und Belastungen für die betroffenen Frauen.“ In: Umwege zum eigenen Kind, Göttinger Schriften zum Medizinrecht. Bd.3, Göttingen 2008. []
  2. Ravelingien, A., Provoost, V., & Pennings, G. (2015). Open-identity sperm donation: how does offering donor-identifying information relate to donor-conceived offspring’s wishes and needs?. Journal of Bioethical Inquiry, 12(3), 503-509. []
  3. Oelsner, W., & Lehmkuhl, G. (2016). Spenderkinder. Künstliche Befruchtung, Samenspende, Leihmutterschaft und die Folgen. Munderfing: Fischer und Gann. []
  4. vgl. Position des Vereins Spenderkinder zur Embryonenadoption []
  5. BVerfG, Urteil vom 31.01.1989 – 1 BvL 17/87 = NJW 1989, 891, 893 []
  6. ein Vermerk im Geburtsregister erfolgt in Irland und im australischen Bundesstaat Victoria. []
  7. DI-Netz, BKiD und AK DI, Gemeinsame Stellungnahme zum Gesetzesantrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung“ vom 24. März 2016 – siehe auch gesonderter Beitrag „Eintragung des Spenders in das Geburtenregister – das Recht von Spenderkindern auf Wahrheit“.) Sie stellen in diesem Zusammenhang in Frage, ob es überhaupt notwendig sei, die Motivation der Eltern zur Aufklärung ihrer Kinder zu stärken und ob dies Aufgabe des Staates sei (S. 2) []
  8. vgl. Aufklärung []

Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf des Justizministeriums zum Abstammungsrecht

Am 13. März 2019 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen „Diskussionsteilentwurf“ zur Reform des Abstammungsrechts veröffentlicht. Die Veröffentlichung war wohl nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.

Zu dem Diskussionsteilentwurf hat der Verein Spenderkinder eine Stellungnahme an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz übermittelt (Stellungnahme_Diskussionsteilentwurf).

Anders als die bisherigen Gesetzentwürfe aus der Opposition handelt es sich um ein Gesamt-Reformpaket mit sehr weitreichenden Änderungen, das Elternschaft mit den Keimzellen Dritter rechtlich umfassend regeln soll und insbesondere auch voluntative Elemente zur Begründung von Elternschaft anerkennen möchte.

Aus unserer Sicht schießt der Entwurf aber weit über das Ziel hinaus und stellt soziale Elternschaft letztlich genauso unangreifbar wie eine bestehende genetische Vater- oder Mutterschaft. Insbesondere wird das Recht der Kinder zur Anfechtung der rein sozialen Elternstellung im Vergleich zur bestehenden Rechtslage stark eingeschränkt.
Das ist nicht sachgemäß und stellt eine Verletzung des Rechts von Spenderkindern auf Kenntnis der Abstammung dar.

Genetische und soziale Elternschaft sind nicht völlig gleichzusetzen. Bei einer genetischen Verwandtschaft teilt das Kind etwa 50 % der Gene mit jedem genetischen Elternteil. Diese sind der Bauplan für die äußere Erscheinung, bestimmen aber auch gesundheitliche Dispositionen und zum Teil auch Interessen. Die genetische Verwandtschaft besteht unabhängig von einer sozialen Beziehung. Sie ist unauflösbar und wirkt weiter fort, indem sie von dem Kind an die eigenen genetischen Kinder weitergegeben wird. Soziale Elternschaft muss im Gegensatz zu genetischer Elternschaft erst wachsen und entsteht aus gemeinsam verbrachter Zeit, die zu einer Bindung führen kann. Daher muss die Zuordnung zumindest für das Kind angreifbar sein, wenn keine soziale Elternbeziehung zu dem nicht-genetischen Elternteil entstanden ist oder wenn das Kind die Herstellung einer rechtlichen Beziehung zu dem genetischen Elternteil wünscht.

Andere Regelungen wie die beabsichtigte Freistellung von privaten Samenspendern sind erheblich missbrauchsanfällig und führen zu Wertungswidersprüchen gegenüber „normalen“ Familien und Konstellationen, in denen durch Geschlechtsverkehr unbeabsichtigt ein Kind gezeugt wurde, für das der genetische Vater keine finanzielle Verantwortung übernehmen möchte.

Wir hoffen, dass das Konzept noch einmal überarbeitet wird und insbesondere die Rechte und Interessen von durch Samenspende gezeugten Menschen stärker berücksichtigt.

Spenderkinder bei öffentlicher Anhörung im Rechtsausschuss zu Abstammungsrecht

Am 18. März 2019 hat Spenderkinder-Mitglied Anne als Sachverständige an einer öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen mit dem Titel „Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ teilgenommen.

 
Der Gesetzentwurf fordert eine Änderung im Abstammungsrecht, so dass Kinder, deren Mütter mit einer Frau verheiratet sind, die Ehefrau der Mutter automatisch als zweiten rechtlichen Elternteil zugeordnet bekommen. Die Zuordnung der Ehefrau der Mutter als zweiter rechtlicher Elternteil soll vom Kind nicht anfechtbar sein. Begründet wird die Änderung mit einer angeblichen Ungleichbehandlung zu verschiedengeschlechtlichen Ehen, bei denen der Ehemann der Mutter automatisch Vater der Kinder wird, die die Frau während der Ehe bekommt.

 
Der Verein Spenderkinder begrüßt die Intention des Antrags, Spenderkinder rechtlich besser abzusichern, deren Mutter mit einer Frau verheiratet ist. Ein Kind, das durch eine ärztlich vermittelte Samenspende an ein lesbisches Paar gezeugt wurde, hat bis zur Adoption durch die soziale Mutter nur einen rechtlichen Elternteil. Überlegt es sich die Frau der Mutter von der Zeugung bis zum Adoptionszeitpunkt anders, hat das Kind auch anschließend keinen zweiten rechtlichen Elternteil. Würde die leibliche Mutter vor der Adoption sterben, hätte das Kind überhaupt keine rechtlichen Eltern mehr. Das ist aus Sicht des Kindes kein wünschenswerter Zustand.

 
Der Verein Spenderkinder hält die vorgeschlagene Lösung jedoch nicht für sinnvoll. Die autmoatische Zuordnung des Ehemanns der Mutter als Vater eines Kindes beruht auf der Vermutung, dass der Mann auch biologischer Vater des Kindes ist. Diese Vermutung ist bei der Ehefrau der Mutter unmöglich. Da es sich um eine Vermutung handelt, ist sie außerdem anfechtbar, so dass der tatsächliche biologische Vater auch rechtlicher Elternteil werden kann. Aus einer Ehe allein lässt sich außerdem auch nicht der Wille ableiten, auch Elternteil der Kinder der Ehefrau zu werden.

 
Um sicherzustellen, dass das Kind von Anfang an zwei rechtliche Elternteile hat, hält der Verein Spenderkinder eine Anerkennung des Kindes durch die Co-Mutter für sinnvoller, idealerweise schon vor Zeugung des Kindes. In dieses Konzept könnte man neben der Zustimmung der Mutter auch die Zustimmung des biologischen Vaters zu dieser Zuordnung einbinden. Vom Kind müsste diese Form der Anerkennung – wie bei der Anerkennung durch einen Mann nach § 1592 Nummer 2 BGB – anfechtbar sein.

 
Die Stellungnahme der Vereins Spenderkinder und der übrigen Sachverständigen (Dr. Markus Buschbaum, Prof. Dr. Nina Dethloff, Stephanie Gerlach, Prof. Dr. Rolf Jox, Prof. Dr. Katharina Lugani, Prof. Dr. Christopher Schmidt, Wolfgang Schwackenberg, Markus Witt) zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen können öffentlich auf der Seite des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages nachgelesen werden.

 
Unter den Sachverständigen herrschte überwiegend Konsens dahingehend, dass das Kind bei einer Zuordnung auch ein Anfechtungsrecht haben muss. Auch der Ansatz am Abstammungsrecht wurde teilweise deutlich kritisiert und eine weitere Unterscheidbarkeit von Abstammungsrecht und Adoptionsrecht gefordert. Da es sich um einen Oppositionsantrag handelt, sind die Chancen relativ gering, dass der Entwurf angenommen wird. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat zudem wenige Tage vor der Anhörung einen eigenen Diskussionsentwurf zur Modernisierung des Abstammungsrechts veröffentlicht, der jedoch wohl innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmt war. Zu diesem Entwurf wird der Verein Spenderkinder bis Anfang Mai Stellung nehmen.

Pressemitteilung: Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ wirbt für in Deutschland verbotene Verfahren – Verein Spenderkinder äußert ethische und rechtliche Bedenken

Am 9. und 10. März 2019 findet in Berlin erneut die umstrittene Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ statt. Auf dieser Messe werden offensiv sämtliche in Deutschland aus ethischen und psychologischen Gründen verbotene Verfahren wie Eizellspende, kombinierte Samen- und Eizellspende, Leihmutterschaft bis hin zur PID zur Geschlechterselektion angeboten. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, findet es sehr bedenklich, dass diese Veranstaltung bereits zum dritten Mal in Berlin stattfinden soll, obwohl regelmäßig Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen.

Die gesamte Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, KundInnen zu gewinnen und die – zum großen Teil in Deutschland verbotenen – Dienstleistungen zu vermarkten. Anders wären die zahlreichen ausländischen Aussteller, die zum Teil auch als Sponsoren genannt werden, wohl kaum bereit, an einer Veranstaltung in Deutschland mit entsprechenden Ausstellungsgebühren teilzunehmen.

Nach Werbe-Richtlinie1 ist jegliche Maßnahme, die über die Schilderung der Rechtslage zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in anderen Ländern hinausgeht, Werbung. Hierzu gehört zum Beispiel, wenn ein Aussteller niedliche Babyfotos verwendet, um an den Kinderwunsch der Interessierten anzuknüpfen. Werbung ist auch, wenn eine Klinik ihr Vorgehen bei dem jeweiligen reproduktionsmedizinischen Verfahren schildert.2

Die Themen der im Seminarbereich angebotenen Vorträge zeigen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Hintergründen der Verbote nicht vorgesehen ist. Stattdessen scheint es, als sei es wesentlicher Inhalt der Veranstaltung, Wege zu vermitteln, wie die kindzentriert engen Grenzen der deutschen Rechtslage umgangen werden können.

Der Verein Spenderkinder wendet sich deshalb erneut an die zuständige Ordnungsbehörde in Berlin und fordert ein Einschreiten gegen die Werbung für Eizellspende, anonyme Keimzellspenden und Leihmutterschaft.

  1. Werbe-Richtlinie 2006/114/EG, Artikel 2 Buchst. a []
  2. Unter den Begriff der Werbung können selbst sachliche Informationen fallen, vgl. dazu das Urteil des Amtsgerichts Gießen zu verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbruch nach § 219a StGB (AG Gießen, Urteil v. 24.11.2017, 507 Drs – 501 Js 15031/15). []

Spenderkinder bei öffentlicher Anhörung im Gesundheitsausschuss

Stina hat den Verein Spenderkinder als Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages am 28. November 2018 zu dem Thema Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vertreten (zur Aufzeichnung der Anhörung).

Hintergrund der Anhörung war ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen sowie ein Antrag der Fraktion Die Linke. Der Gesetzentwurf, der fast unverändert einem Antrag aus dem Jahr 2015 entspricht, fordert eine Änderung des § 27a Absatz 1 SGB V, so dass auch unverheiratete und lesbische Paare einen Kostenzuschuss für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung erhalten, und zwar (anders als derzeitig) auch bei der Verwendung von Samenspenden. Der Antrag der Linken möchte die Förderung auf Frauen ohne Partner/in ausweiten.

Wir haben uns in unserer Stellungnahme gegen den Gesetzentwurf und den Antrag ausgesprochen, weil wir die Übernahme von Behandlungskosten ärztlich vermittelter Samenzellen nicht als Frage der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu Ehepaaren sehen, da die Kosten für eine Samenvermittlung bei Ehepaaren derzeit auch nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Wir befürchten zudem, dass, wenn die Kosten von der Krankenkasse übernommen würden, sich Wunscheltern ohne die erforderliche gründliche Aufklärung und Reflektion über diese Form der Familiengründung zu dritt dafür entscheiden würden.

Bei der Anhörung haben wir uns gefreut, dass uns insgesamt fünf Fragen gestellt wurden und damit großes Interesse an unserer Perspektive gezeigt wurde. Auffallend war allerdings die starke Repräsentation der Perspektive von Wunscheltern und ihren Beratern.

Anders als von der Vertreterin von DI-Netz und Prof. Nina Dethloff dargestellt, gibt es durchaus Studien zur Aufklärungsrate bei Spenderkindern. Die Metaanalyse von 2016 aus der renommierten Zeitschrift Human Reproduction (Tallandini et al.), die 26 Studien zur Aufklärung von Spenderkindern umfasst, berichtet eine Aufklärungsrate von 21 Prozent bei Samenspende und 23 Prozent bei Eizellspende. Die Aufklärungsrate in den einzelnen Studien variiert dabei zwischen 8 und 35 Prozent. Dabei fällt auf, dass die Werte für Aufklärungswille und tatsächliche Aufklärung deutlich differieren, ebenso die Aufklärungsbereitschaft in einzelnen Ländern. Wir haben uns damit in einem ausführlichen Beitrag auf unserer Seite auseinandergesetzt.

Erfreulich war bei der Anhörung, dass zumindest mit den Vertretern der Ärzteschaft Einigkeit darüber bestand, dass zunächst die abstammungsrechtliche Situation von Spenderkindern abgesichert werden muss, die in nichteheliche Lebensgemeinschaften oder lesbische Ehen oder Partnerschaften geboren werde, bevor über eine finanzielle Förderung gesprochen werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob hierzu vom federführenden Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in dieser Legislaturperiode noch ein Gesetzentwurf vorgelegt wird.

Pressemitteilung: Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ am 13./14. Oktober 2018 in Köln wirbt für in Deutschland verbotene Verfahren – Verein Spenderkinder äußert ethische und rechtliche Bedenken

Am 13. und 14. Oktober 2018 findet in Köln die umstrittene Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ statt. Auf dieser Messe werden offensiv sämtliche in Deutschland aus ethischen und psychologischen Gründen verbotene Verfahren wie Eizellspende, kombinierte Samen- und Eizellspende, PID zur Geschlechterselektion bis hin zur Leihmutterschaft angeboten. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, findet es sehr bedenklich, dass wiederholt eine Veranstaltung stattfinden soll, bei der Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen.

Die gesamte Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, KundInnen zu gewinnen und die – zum großen Teil in Deutschland verbotenen – Dienstleistungen zu vermarkten. Anders wären die zahlreichen ausländischen Aussteller, die zum Teil auch als Sponsoren genannt werden, wohl kaum bereit, an einer Veranstaltung in Deutschland mit entsprechenden Ausstellungsgebühren teilzunehmen.

Nach Werbe-Richtlinie1 ist jegliche Maßnahme, die über die Schilderung der Rechtslage zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in anderen Ländern hinausgeht, Werbung. Hierzu gehört zum Beispiel, wenn ein Aussteller niedliche Babyfotos verwendet, um an den Kinderwunsch der Interessierten anzuknüpfen. Werbung ist auch, wenn eine Klinik ihr Vorgehen bei dem jeweiligen reproduktionsmedizinischen Verfahren schildert.2

Die im Seminarbereich angebotenen Vorträge machen deutlich, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Hintergründen der Verbote nicht vorgesehen ist. Stattdessen scheint es, als sei es wesentlicher Inhalt der Veranstaltung, Wege zu vermitteln, wie die kindzentriert engen Grenzen der deutschen Rechtslage umgangen werden können.

Der Verein Spenderkinder wendet sich deshalb auch an die zuständige Ordnungsbehörde in Köln und fordert ein Einschreiten gegen die Werbung für Eizellspende, anonyme Keimzellspenden und Leihmutterschaft.

  1. Werbe-Richtlinie 2006/114/EG, Artikel 2 Buchst. a []
  2. Unter den Begriff der Werbung können selbst sachliche Informationen fallen, vgl. dazu das Urteil des Amtsgerichts Gießen zu verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbruch nach § 219a StGB (AG Gießen, Urteil v. 24.11.2017, 507 Ds – 501 Js 15031/15). []

Pressemitteilung: Ethische und rechtliche Bedenken gegenüber der Veranstaltung „Kinderwunsch-Tage“ am 17./18. Februar 2018 in Berlin

Am 17. und 18. Februar 2018 findet erneut die Veranstaltung „Kinderwunsch-Tage“ in Berlin statt. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, sieht diese Veranstaltung sehr kritisch.
Die „Kinderwunsch-Tage“ sollen im Oktober dieses Jahres durch den auf Verbrauchermessen spezialisierten Organisator „F2F Events“ zusätzlich auch in Köln ausgerichtet werden. Die Werbeveranstaltung verletzt massiv die Rechte und Bedürfnisse der durch anonyme Keimzellspenden entstehenden Menschen und nutzt die Notlage von Wunscheltern aus.

Laut Ankündigung auf der Internetseite werden – wie bei der erstmaligen Durchführung der „Kinderwunsch-Tage“ im vergangenen Jahr – erneut zahlreiche ausländische Unternehmen an der Veranstaltung teilnehmen. Unter anderem stellen die Teilnehmer „IVFSpainAlicante“ aus Spanien, die tschechische Reproduktionsklinik „Karlsbad Fertility“ sowie die amerikanische Reproduktionsklinik „OregonReproductiveMedicine“ Verfahren bereit, die gegen das deutsche Embryonenschutzgesetz verstoßen. Sie bieten die in Deutschland verbotene Eizell- oder die kombinierte Eizell- und Samenspende an. Die spanische und tschechische Klinik weisen außerdem auf die Anonymität ihrer Spender hin. Auch die ebenfalls teilnehmende dänische Samenbank „Cryos International Denmark ApS“ bietet anonyme Samenspenden an. Das widerspricht eindeutig dem in Deutschland geltenden Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das auch für Spenderkinder 2015 höchstrichterlich bestätigt wurde (Urteil des BGH vom 28.01.2015). Im Juli 2018 tritt in Deutschland außerdem das Samenspenderregistergesetz in Kraft, das die Dokumentation und Auskunftserteilung für in Deutschland gezeugte Spenderkinder sicherstellen soll.

Die amerikanische Klinik bietet sogar Leihmutterschaft als Dienstleistung an. Leihmutterschaft ist in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern verboten, weil es gegen die Würde eines Menschen verstößt, gegen Geld gehandelt zu werden. Anstatt die Anzahl der Anbieter von in Deutschland verbotenen Verfahren zu reduzieren, sind in diesem Jahr sogar noch weitere Anbieter von Leihmutterschaft aus den USA, Zypern und Griechenland hinzugekommen.

Der Verein Spenderkinder findet es außerordentlich bedenklich, dass wiederholt eine öffentliche Veranstaltung stattfinden soll, bei der Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen. Im März 2016 veröffentlichte der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zur Embryonenspende/-adoption, in der er auf die Unvereinbarkeit der Eizellspende mit dem Embryonenschutzgesetz verweist. Der Verein Spenderkinder fordert die staatlichen Behörden und politischen Akteure auf, die „Kinderwunsch-Tage“ kritisch zu hinterfragen, die Einhaltung des Embryonenschutzgesetzes zu gewährleisten sowie sicherzustellen, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft respektiert wird.

Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen tritt zum 1. Juli 2018 in Kraft

Das „Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen“ ist am 17. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Es tritt am 1. Juli 2018 in Kraft (Artikel 4). Ab diesem Datum wird es also endlich ein Samenspenderregister geben, über das ab diesem Zeitpunkt gezeugte Spenderkinder Auskunft über ihren genetischen Vater erhalten können.

Auch wenn dieses Register leider noch sehr rudimentär konzipiert ist, weil die Daten von Altfälle nicht enthalten sind und kein Kontakt zwischen Halbgeschwistern hergestellt werden kann (siehe dazu unsere ausführliche Kritik zum Gesetzentwurf für die öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses), handelt es sich hierbei dennoch um eine deutliche Verbesserung. Zumindest ab dem 1. Juli 2018 gezeugte Spenderkinder werden ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung sicher verwirklichen können, und mit dem Register wird hoffentlich auch die Tatsache in das öffentliche Bewusstsein übergehen, dass es ein Recht auf Kenntnis der Abstammung gibt und dass Samenspenden nicht anonym erfolgen dürfen.

Wir haben die neue Rechtslage ab dem 1. Juli 2018 bereits unter „Die rechtliche Situation“ ergänzt und werden demnächst unsere politischen Forderungen aktualisieren.

Bericht des Arbeitskreises Abstammung

Am 4. Juli 2017 hat der Arbeitskreis Abstammungsrecht seinen Abschlussbericht an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas offiziell übergeben und anschließend auch veröffentlicht. Der Arbeitskreis wurde im Februar 2015 eingesetzt, um Reformbedarf im Abstammungsrecht angesichts Entwicklungen der Reproduktionsmedizin zu prüfen.

Der Arbeitskreis war interdisziplinär zusammengesetzt (Liste der Teilnehmenden). Allerdings konnte man an der Vorauswahl mancher Expertinnen und Experten schon vermuten, dass der Bericht eher in die Richtung gehen sollte, dass das Abstammungsrecht die Entwicklungen der Reproduktionsmedizin und die Bedeutung sozialer Elternschaft stärker berücksichtigen sollte. Die Veröffentlichungen einiger Experten und Expertinnen im Vorfeld ließen leider bereits vermuten, dass die Interessen von Spenderkindern stark verkürzt gesehen wurden und sich der wahrgenommene Reformbedarf eher an den Interessen der Wunscheltern orientiert.

Kernthesen des Berichts

Der Bericht schlägt eine moderate Fortentwicklung der bisherigen Regelungen vor.

  • Anstelle des Begriffs „Abstammung“ sollte zukünftig der Begriff „rechtliche Eltern-Kind- Zuordnung“ verwendet werden, da der Begriff „Abstammung“ zu Unrecht suggeriere, es gehe hierbei allein um Personen, die genetisch miteinander verwandt sind.
  • Bei einer ärztlich assistierten Fortpflanzung mit Spendersamen soll derjenige zweiter Elternteil werden, der gemeinsam mit der Mutter in die ärztlich assistierte Fortpflanzung eingewilligt hat, sofern der Spender auf die Elternschaft verzichtet hat. Entsprechendes gilt bei der Embryospende.
  • Jeder Mensch soll ein Recht darauf haben, seine genetische Abstammung „statusunabhängig“ gerichtlich klären zu lassen, also ohne dadurch zugleich die Zuordnung zu seinen rechtlichen Eltern zu verändern.
  • Für Fälle der ärztlich assistierten Fortpflanzung unter Verwendung von Spendersamen und für Fälle der Embryospende soll ein zentrales Spenderregister eingerichtet werden, bei dem jeder so gezeugte Mensch Auskunft über die Identität seiner genetischen Eltern erhalten kann.
  • Die Möglichkeiten der späteren Korrektur der Eltern-Kind-Zuordnung durch Anfechtung der Elternschaft sollen im Übrigen eingeschränkt werden.

Bewertung der Vorschläge

Insgesamt enthält der Bericht viele gute Vorschläge zur Modernisierung des Abstammungsrechts unter Beibehaltung altbewährter Prinzipien. Auch aus der Sicht von Spenderkindern ist zu begrüßen, dass der Begriff des Abstammungsrechts durch den treffenderen Begriff der Eltern-Kind-Zuordnung ersetzt wird und dass ein Kind von Geburt an auf Grund einer entsprechenden Willenserklärung einem zweiten (auch gleichgeschlechtlichen) Elternteil zugeordnet werden kann. Das würde die im Moment bestehende Rechtslücke schließen, dass  ein nicht mit der Mutter verheirateter Mann zwar in die Samenspende einwilligt, aber dann die Vaterschaft nicht anerkennt bzw. bei lesbischen Paaren die Partnerin der Mutter in die Samenspende einwilligt, das Kind aber nicht adoptiert.

Anspruch auf statusunabhängige gerichtliche Abstammungsklärung

Der Bericht betont die herausragende Bedeutung der Kenntnis von der Abstammung und fordert daher ein Recht zur statusunabhängigen gerichtlichen Klärung der Abstammung (S. 83). Ein solcher Anspruch würde auch vielen Spenderkindern zu Gute kommen, da es Fälle gab, in denen auf Grund von unsauberer Dokumentation der beteiligten Ärzte unklar war, ob der Spender auch der genetische Vater ist. Momentan gibt es lediglich einen Anspruch auf eine außergerichtliche Klärung der Abstammung von den rechtlichen Eltern in § 1598a BGB. Positiv ist, dass nach Ansicht des Berichts in Fällen der Leihmutterschaft auch die Kenntnis über die Geburtsmutter zur Abstammung zählt.

Schaffung eines staatlichen Registers für Spenderkinder

Für durch Samen- und Embryonenspende gezeugte Menschen fordert der Bericht außerdem die Schaffung eines staatlichen Registers zur Dokumentation und Auskunftserteilung. Diese Forderung wird für durch Samenspende gezeugte Menschen grundsätzlich bereits durch das „Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen“ verwirklicht, das vom Bundestag am 18. Mail 2017 beschlossen wurde und voraussichtlich bald verkündet wird.1 Der Bericht fordert zusätzlich die Möglichkeit einer freiwilligen Registrierung von Altfällen sowie dass der Spender Auskunft über die Zahl der durch ihn gezeugten Kinder erlangen kann, was das Gesetz nicht vorsieht.2 Ebenfalls erfreut nahmen wir zur Kenntnis, dass offenbar Einigkeit über die Notwendigkeit einer psychosozialen Beratung vor einer ärztlich-vermittelten Samenspende besteht (S.58). Bedauerlich ist, dass die Idee noch nicht einmal diskutiert wird, den genetischen Vater in das Personenstandsregister einzutragen.

Forderung nach Einschränkung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft nicht nachvollziehbar

Sehr kritisch sehen wird jedoch die Forderung, das Recht des Kindes zur Anfechtung der Vaterschaft einzuschränken (S. 50). Positiv im Vergleich zu vorher erhobenen Forderungen der einzelnen Mitglieder des Arbeitskreises ist allerdings herauszuheben, dass die Einschränkung für alle Kinder gelten sollen (und nicht nur für Spenderkinder) und es nicht vollständig abgeschafft werden soll, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände erlaubt sein soll wie

  • wenn der Vater gestorben ist,
  • wenn der Vater eine schwere Verfehlung gegenüber dem Kind begangen hat,
  • wenn der Vater einverstanden ist oder
  • wenn keine gefestigte sozial-familiäre Beziehung zum Vater entstanden ist.

Einige Mitglieder des Vereins Spenderkinder haben die Vaterschaft ihres nur-sozialen Vaters angefochten. Diese Fälle würden vermutlich alle unter einen der Ausnahmegründe fallen, insbesondere weil eine gefestigte sozial-familiäre Beziehung zum Vater oft nicht bestand, weil die Eltern bereits seit längerem geschieden waren.

Verfassungsrechtlich wäre eine Einschränkung des Anfechtungsrechts möglich,  wenn wie vom Arbeitskreis vorgeschlagen parallel die Möglichkeit zur gerichtlichen Abstammungsklärung eingeführt wird.3 Trotzdem stellt sich die Frage, weswegen das Anfechtungsrecht des Kindes eingeschränkt werden soll. Der Bericht argumentiert, dass die Einschränkung von Anfechtungsmöglichkeiten die bestehende Eltern-Kind-Zuordnung und die daran anknüpfenden sozial-familiären Beziehungen stärken würde. Das ist nicht überzeugend. Wenn das Kind die Vaterschaft anfechten möchte, ist fraglich, ob die Zuordnung und die daran anknüpfenden sozial-familiären Beziehungen überhaupt gestärkt werden sollen. Eine Einschränkung des Anfechtungsrechts dient einzig und alleine dem Sicherheitswunsch der Wunscheltern. Wenn das Kind die Vaterschaft des sozialen Vaters nur anfechten kann, wenn dieser einverstanden oder gestorben ist, eine schwere Verfehlung gegenüber dem Kind begangen hat oder wenn keine gefestigte sozial-familiäre Beziehung entstanden ist, so kann dies als Schonung des sozialen Vaters verstanden werden. Wird das Kind idealerweise früh über seine Entstehungsweise aufgeklärt und hat die Gelegenheit auch seinen genetischen Vater kennenzulernen, wäre es dem Kind zu wünschen, dass es auch zu diesem Mann eine positive soziale und emotionale Beziehung entwickelt. In diesem Fall wäre es nicht im Sinne des Kindes, eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung zum Wunschvater zwangsweise aufrechtzuerhalten, wenn der genetische Vater und das Kind eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung wünschen. Zwar kann sich ein Kind Eltern nicht aussuchen. Es sollte aber nicht möglich sein, dass sich Menschen eine Elternschaft für einen anderen Menschen frei wählen können.

Besonders ärgerlich ist der vom Bericht zur Rechtfertigung bemühte Vergleich zur Adoption, die nur unter engen Voraussetzungen aufgehoben werden könne. Zwischen einer Adoption und einer Samenspende bestehen jedoch deutliche Unterschiede. Der wohl größte Unterschied ist, dass eine Adoption nur auf Grund einer Gerichtsentscheidung möglich ist, die eine positive Kindeswohlprüfung voraussetzt. Bei Samenspenden und anderen Fällen, in denen ein Mann zum Beispiel die Vaterschaft wahrheitswidrig anerkennt, wird das Kind lediglich in die Familie hineingeboren. Bei einer Adoption wird zudem ein Kind aus einer äußeren Not heraus rechtlichen Eltern zugeordnet, in der Regel weil die genetischen Eltern ihre Verantwortung nicht wahrnehmen können. Bei einer Samenspende wird ein Kind rechtlichen Eltern zugeordnet, weil diese ein Kind haben, bzw. Eltern sein möchten.

Der Bericht verweist außerdem darauf, dass dem Bedürfnis nach Kenntnis der eigenen (genetischen) Abstammung durch erweiterte Möglichkeiten der isolierten, statusunabhängigen gerichtlichen Klärung entsprochen werden könne. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend und verkennt, dass die Zuordnung zu einem Mann, mit dem das Kind genetisch nicht verwandt ist, unter Umständen eine deutliche psychische Belastung für das Kind darstellen kann. Tröstlich ist allerdings, dass die Entscheidung für diese Empfehlung mit 6 Ja- bei 4 Nein-Stimmen und einer Enthaltung relativ knapp ausfiel und der Bericht auch die Argumente der Gegenmeinung darstellt (S. 51, die aber teilweise eine Ausschlussregelung nur für durch Samenspende gezeugte Menschen forderten, hierzu S. 63).

Elternzentrierte und unkritische Wortwahl des Berichts

Die Wortwahl im Bericht veranschaulicht, dass der Arbeitskreis die von der Reproduktionsmedizin verwendeten technischen, elternzentrierten Konstrukte unkritisch übernommen hat: So wird das Konstrukt der beziehungslosen und verantwortungsfreien Vaterschaft bei der Samenspende unkritisch als gegeben gesetzt. Aus dieser Perspektive der elterlichen Absprachen wird dargestellt, dass der Samenspender auf die Übernahme von Elternverantwortung „verzichte“ (S.58). Der aus Elternperspektive positiv erscheinende Verzicht bedeutet aus Kinderperspektive jedoch gleichzeitig ein mehr oder weniger ausgeprägtes Desinteresse des genetischen Vaters am Kind als Person, wenn Verantwortungsübernahme und eine soziale Beziehung abgelehnt werden. Es wäre wünschenswert, die rechtliche Absicherung des Wunsches nach beziehungsloser genetischer Vaterschaft aus Perspektive des Kindes zu hinterfragen. Zumindest könnte durch eine personifizierende Wortwahl (z.B. „genetischer Vater“ statt „Spender“/“Spendermaterial“) verdeutlicht werden, dass Keimzellen nicht isoliert für sich verfügbar sind, sondern dass durch die Zeugung genetischer Elternteil und genetisches Kind miteinander in Beziehung stehen – ob dies gewünscht wird, oder nicht. Dem elterlichen Wunsch entsprechend wird zudem der „intendierte Vater“ zum „richtigen Vater“ des Kindes erklärt (S.61). Die Entscheidung, welchen Vater das Kind als „richtigen“ ansieht, bleibt jedoch letztlich immer beim Kind – egal welcher Mann rechtlich als dessen Vater eingetragen ist.

Interessen von Spenderkindern spielen keine Rolle bei dem meisten persönlichen Leitlinien der Mitglieder des Arbeitskreises

Insbesondere bei den persönlichen Leitlinien der Mitglieder fällt auf, dass die Interessen der durch Reproduktionsmedizin gezeugten Kinder bei der Neuordnung des Abstammungsrechts kaum angesprochen werden. Wenn überhaupt, soll es nach Meinung der meisten Mitglieder ausreichen, dass sie Kenntnis über ihre genetische Abstammung erlangen oder diese gerichtlich feststellen lassen können. Dass sich das Interesse aber auch darauf richten kann, auch rechtlich dem genetischen Elternteil zugeordnet zu werden oder zumindest eine der Abstammung entsprechende rechtliche Zuordnung selbst herbeiführen zu können, sehen nur wenige.

Dabei irritiert vor allem, dass manche Experten die Familie als Schicksalsgemeinschaft betonen, um zu rechtfertigen, dass die Kinder die Elternschaft des nicht-genetischen Elternteils nicht anfechten können sollen. Das einzige, was in diesem Bereich aber schicksalshaft gegeben ist, ist die genetische Abstammung. Dieser kann sich tatsächlich niemand entziehen, sozialen Beziehungen dagegen sehr wohl. Es ist widersprüchlich zu fordern, dass soziale Elternschaft oder Elternschaft auf Grund von Willenserklärungen anerkannt wird und diese Anerkennung dann gleichzeitig als schicksalhaft darzustellen.

Was passiert mit dem Bericht?

Der Bericht ist ein unverbindlicher Ratschlag von Expertinnen und Experten. Da im September Bundestagswahlen sind, kann dieses Jahr nichts mehr passieren. Inwiefern der nächste Deutsche Bundestag und ein womöglich anderer Justizminister oder eine andere Justiziministerin die Vorschläge aufgreift, ist offen.

  1. Zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens siehe http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP18/788/78824.html []
  2. Zur Kritik des Vereins Spenderkinder an dem Gesetz siehe http://www.spenderkinder.de/gesetz-zur-regelung-des-rechts-auf-kenntnis-der-abstammung-bei-heterologer-verwendung-von-samen-am-18-mai-2017-vom-deutschen-bundestag-verabschiedet/ []
  3. vgl. Motejl, FamRZ 2017, Heft 5, 345 – 350. []

Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen am 18. Mai 2017 vom Deutschen Bundestag verabschiedet

Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat der Bundestag am 18. Mai 2017 u.a. die Einrichtung eines zentralen Samenspenderregisters beschlossen. Ziel des neuen Gesetzes ist es, dass Menschen, die mit einer Samenspende gezeugt wurden, auf einfachem Wege erfahren können, von wem sie genetisch abstammen.1 Das geplante Register wird beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eingerichtet. Dort sollen die Daten des Samenspenders und der Empfängerin 110 Jahre lang gespeichert werden. Personen, die meinen, durch eine Samenspende entstanden zu sein, können eine Anfrage an das Register stellen. Eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) soll außerdem ausschließen, dass der Samenspender als rechtlicher Vater festgestellt werden kann. Dadurch soll verhindert werden, dass Unterhalts- oder Erbansprüche gegenüber dem Samenspender entstehen könnten. Das Gesetz wird Mitte 2018 in Kraft treten und die Daten für die ab dann entstehenden Menschen speichern. Alle bisherigen Unterlagen über Samenspenden gehen nicht in das Register ein, müssen aber auch 110 Jahre lang aufbewahrt werden. Der Verein Spenderkinder hat das Gesetz bei einer Verbändeanhörung zum Referentenentwurf und einer Sachverständigenanhörung im Gesundheitsausschuss kritisch begleitet. Während wir die lange überfällige Einführung rechtlicher Regelungen zur Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung begrüßen, trifft das Gesetz jedoch auch hierüber hinausgehende negative Regelungen für Spenderkinder und lässt wichtige Bereiche ungeregelt.

Spenderregister – wichtige Investition in die Zukunft aber kaum Verbesserung des Schutzes der Rechte bisheriger Spenderkinder

Der Verein Spenderkinder begrüßt die Einrichtung eines unabhängigen Registers. Den bisherigen Spenderkindern nützt das neue Gesetz jedoch kaum. Sie müssen sich weiter an Ärzte und Samenbanken wenden, die sich in der Vergangenheit wenig auskunftsbereit zeigten. Diese müssen noch vorhandene Unterlagen aber immerhin 110 Jahre aufbewahren. Es ist anzunehmen, dass die bereits existierenden Spenderkinder auch weiterhin die Herausgabe ihrer Unterlagen einklagen müssen.

Das Ziel „dass die genannten Personen ihr grundrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung einfach und unbürokratisch umsetzen können“ wird so für die vor 2018 gezeugten Spenderkinder nicht erreicht. Das ist keine zufriedenstellende Lösung nachdem in der Vergangenheit bereits Maßnahmen zum Schutz der Rechte der entstehenden Menschen versäumt wurden. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, nicht auch die bereits vorhandenen Dokumentationen in das Zentralregister zu überführen, wenn nicht die rechtswidrigerweise zugesicherte Anonymität höher geachtet wird als das Persönlichkeitsrecht des Kindes.

Keine Erfassung von Embryonenadoptionen im Samenspenderregister

Ebenfalls außen vor bleiben Menschen, die durch eine Embryonenadoption entstehen, wie sie auch in Deutschland seit 2014 vom Netzwerk Embryonenspende vermittelt werden. Auch die auf diese Weise entstehenden Menschen haben das Recht zu erfahren, von wem sie abstammen und auf eine Sicherung ihres Auskunftsrechts. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum das Samenspenderregister nicht auch für sie das Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung absichern soll.

Eintragung des genetischen Vaters im Geburtsregisters für wahrheitsgemäße Abstammungsunterlagen

Nach wie vor ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Spenderkinder nicht über seine Entstehungsweise aufgeklärt wird. Spenderkinderorganisationen fordern auch deshalb international einen Eintrag des genetischen Vaters – oder zumindest einen Vermerk über die Entstehungsweise – im Geburtsregister, wie er in Irland oder dem australischen Bundesstaat Victoria erfolgt. Ein Ausdruck aus dem Geburtsregister ist bei vielen Standesämtern zur Eheschließung erforderlich. Nur mit wahrheitsgemäßen Angaben über die genetische Herkunft können unwissentliche Ehen zwischen nahen Verwandten verhindert werden.2

Ausschluss der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders ist verfassungsrechtlich bedenklich – finanzielle Verpflichtungen einfachgesetzlich und auch rückwirkend ausschließen

Der Verein Spenderkinder fordert sei vielen Jahren Unterhalts- und Erbansprüche zwischen Spender und Spenderkind auszuschließen um deutlich zu machen, dass Spenderkinder keine finanziellen Interessen haben. Die vorgesehene Ergänzung im BGB, die ausschließen soll, dass der Samenspender als rechtlicher Vater festgestellt wird, halten wir zu diesem Zweck jedoch für ungeeignet und verfassungsrechtlich bedenklich. Zum Recht auf Kenntnis der Abstammung gehört ebenfalls, diese Abstammung durch öffentliche Urkunden deutlich zu machen. Mit Spenderkindern wird damit erstmals eine Kategorie von Menschen festgelegt, die ihren genetischen Vater nicht rechtlich als Vater feststellen lassen können. Darin liegt eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Der Verein Spenderkinder fordert stattdessen einen einfachgesetzlichen Ausschluss von Erb- und Unterhalsansprüchen, ohne die Feststellung der Vaterschaft auszuschließen. Zudem gilt der Ausschluss der Vaterschaftsfeststellung ebenfalls erst für ab 2018 gezeugte Kinder und damit nicht für bisherige Spender.3

Obergrenze erstmals überprüfbar – Möglichkeit nutzen!

Ärztliches Standesrecht sieht eine Begrenzung der durch einen Samenspender gezeugten Kinder auf 10 bzw. 15 vor um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ein durch Samenspende gezeugter Mensch unwissentlich eine Beziehung zu einem Halbgeschwister eingeht. Mit einer begrenzten Anzahl von Kindern wird ein Spender außerdem eher dazu bereit sein, Kontakt zu seinen genetischen Kindern aufzunehmen. Bei den bisherigen Vorgaben handelt es sich jedoch um eine unverbindliche Soll-Verpflichtung, die bisher nicht kontrolliert werden konnte und vermutlich häufig deutlich überschritten wurde. Mit dem zentralen Register wäre es erstmals möglich, eine Obergrenze zu überprüfen. Diese Möglichkeit sollte unbedingt genutzt werden und Verletzungen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Auch Informationen über Halbgeschwister vermitteln

Viele Spenderkinder möchten gerne erfahren, wer ihre Halbgeschwister sind. Das Register könnte und sollte auch nicht-identifizierende Informationen über Halbgeschwister weitergeben (z.B. Anzahl und Geschlecht), und, wenn diese damit einverstanden sind, auch identifizierende Informationen vermitteln.

Verpflichtende, unabhängige psychosoziale Information notwendig

Das Samenspenderregistergesetz sieht vor, dass die Wunschmutter und der Samenspender über das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft informiert werden. Aus Erfahrung des Vereins Spenderkinder wäre zudem eine verpflichtende, umfassende Information von Wunscheltern und potenziellen Spendern über die psychosozialen Aspekte dieser Familienform durch eine unabhängige psychosoziale Fachkraft notwendig. Familiengründung durch Samenspende ist keine Behandlung von Unfruchtbarkeit, sondern eine lebenslange Herausforderung für alle Beteiligten.

  1. siehe Gesetzentwurf und Begründung. []
  2. siehe hierzu unsere ausführliche Begründung in dem Beitrag Eintragung des Spenders in das Geburtenregister – das Recht von Spenderkindern auf Wahrheit. []
  3. siehe nähere Ausführungen dazu in unserer Stellungnahme anlässlich der Anhörung des Gesundheitsausschusses. []