Dänemark: Klage gegen anonyme Abgabe von Samen und Eizellen

In Dänemark haben zwei durch Samenvermittlung gezeugte Personen, Ditte und Nette, eine Klage gegen den dänischen Staat eingereicht. Sie machen geltend, dass das Gesetz, das anonyme Vermittlung von Samen und Eizellen erlaubt, ihre Menschenrechte verletzt, insbesondere ihr Recht auf Familienleben.

Bis 2012 waren in Dänemark nur eine anonyme Abgabe von Samen und Eizellen erlaubt. Heute sind in Dänemark sowohl offene als auch anonyme Vermittlungen von Samen und Eizellen erlaubt. Wunscheltern haben die Wahl, ob sie eine anonyme oder eine offene Vermittlung möchten. Meistens sind offene Vermittlungen teurer.

Nette, eine der Klägerinnen, wurde vor 29 Jahren durch eine anonyme Samen“spende“ gezeugt. Von ihrem genetischen Vater kennt sie nur Größe, Gewicht, Augenfarbe und Blutgruppe. Sie stellt sich dieselben Fragen wie viele andere durch Samenvermittlung gezeugte Menschen: Woher komme ich? Was habe ich geerbt? Warum hat mein genetischer Vater seinen Samen abgegeben?

Die Klage argumentiert, dass das dänische Recht gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Artikel 3, 7 und 8 der UN-Kinderrechtskonvention verstößt. Dänemark sei verpflichtet, das Recht eines Kindes auf Identität zu gewährleisten (mehr zum Recht einer Person auf Kenntnis seiner Abstammung unter internationalem Recht auf der internetseite von Donor Offspring Europe). Dazu gehöre auch, unnötige Hindernisse für den Zugang eines Kindes zu Informationen über seine genetische Herkunft zu vermeiden, da der Staat die positive Verpflichtung habe, aktiv dafür zu sorgen, dass auch Spenderkinder Zugang zu Informationen über ihre biologische Herkunft haben.

Das dänische Recht sichert Spenderkindern jedoch keinen Zugang zu Informationen über ihre genetische Herkunft, da die anonyme Vermittlung von Samen und Eizellen weiterhin erlaubt sind. Dem Kind wird somit jegliche Möglichkeit genommen, Informationen über seine biologischen Eltern zu erhalten. Im Fall von Nette und Ditte bedeutet dies, dass sie keine Informationen über ihre biologischen Väter erhalten können.

Viele Nachbarländer wie Schweden, Norwegen, Deutschland, die Niederlande und Frankreich haben ihre Gesetze bereits geändert und erlauben nur noch eine offene Vermittlung von Samen und Eizellen. Im vergangenen Jahr entschied das belgische Verfassungsgericht, dass anonyme Vermittlung von Samen- und Eizellen die Rechte von Spenderkindern verletzt und dass das Recht entsprechend geändert werden muss.

Eine erfolgreiche Klage könnte auch das dänische Gesetz ändern. Dies würde die Rechte der rund 20.000 Kinder, die in Dänemark durch Eizell- und Samenspenden gezeugt wurden, unmittelbar verbessern. Da dänischer Samen in viele andere Länder geliefert wird und viele Eltern auch nach Dänemark kommen, um Samen und Eizellen zu kaufen, würde dies auch die Rechte vieler Spenderkinder in anderen Ländern verbessern. Eine endgültige Entscheidung wird voraussichtlich in zwei Jahren getroffen.

Die Kläger wären für jede Unterstützung ihres Rechtsstreits sehr dankbar, da der Rechtsstreit eine erhebliche finanzielle Belastung für sie darstellt.

Eine Spende kann auf das Konto des dänischen Vereins für Spenderkinder „Donorbørns Vilkår“ überwiesen werden (Mobilepay: 292267) oder per Banküberweisung an die Reg.-Nr.: 5364, Kontonr.: 0244922, IBAN: DK4753640000244922.

Weitere Informationen zur Klage befinden sich auf der Internetseite von Donorbørns Vilkår unter sowie auf den Instagram- und Facebook-Seiten der Organisation.

Samen aus dem Ausland – Nachteile für Spenderkinder

Ein nicht unerheblicher Teil des in Deutschland vermittelten Samens stammt vermutlich aus dem Ausland, überwiegend aus Dänemark. Das ist in anderen europäischen Ländern ähnlich: nach einem Bericht auf Euronews aus dem Jahr 2023 geben einige niederländische Fruchtbarkeitskliniken an, dass mehr als 60 % ihrer Behandlungen mit Sperma einer dänischen Samenbank durchgeführt werden, in Belgien soll es ähnlich sein. () Berichten zufolge gibt es sogar europäische Länder, die fast ausschließlich Samen aus dem Ausland importieren und im eigenem Land keine Personen anwerben, die ihren Samen abzugeben.

In einem Interview äußert der Gründer der dänischen Samenbank Cryos, dass 90 % des dänischen Samens exportiert wird und 60 % der Kinderwunschbehandlungen in Dänemark an Personen aus dem Ausland erfolgt.

Importiert eine dänische Samenbank Samen zur Vermittlung nach Deutschland, muss dieser im Samenspenderregister registriert werden, von dem die Kinder Auskunft verlangen können (§ 5 Absatz 1 Satz 2 Samenspenderregistergesetz).

Grund für den Erwerb von Samen aus dem Ausland sind vermutlich die stark serviceorientiert arbeitenden, den Elternwunsch betonendende Samenbanken. In diesen können Wunscheltern zum Teil wie in einem Shopping Katalog blättern und Bilder der Personen ansehen, deren Samen oder Eizellen erworben werden können. Oft werden die Personen mit Beruf, Eigenschaften und weiteren Informationen beworben (warum das kein angemessener Umgang ist, erklären wir in dem Beitrag Samen und Eizellen im Shopping-Portal). In einem Tagesschau-Artikel berichtet eine Solo-Mutter, dass viele alleinstehende Frauen lieber nach Dänemark fahren würden, weil sie dort weniger Hürden ausgesetzt seien und Atmosphäre und der Service dort besser seien. Auch unter queeren Eltern ist es üblich, für eine Samenvermittlung nach Dänemark zu gehen oder Samen aus Dänemark zu beziehen – obwohl lesbische und auch alleinstehende Frauen inzwischen auch in Deutschland Samenvermittlungen erhalten können.

Aus Sicht der durch ausländischen Samen gezeugten Kinder gibt es deutliche Nachteile:

Samenvermittlung im Ausland

Erfolgt die Vermittlung des Samens im Ausland, gilt in Bezug auf das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung das Recht dieses Landes. In Dänemark ist anonyme Samenvermittlung nach wie vor zulässig (zwei dänische Spenderkinder haben jüngst eine Klage dagegen eingereicht). Wird nicht ausdrücklich eine offene Spende vereinbart, die oft teurer ist, wird der Samen anonym vermittelt. Wir hatten in der Vergangenheit Kontakt zu Wunscheltern, denen dies nicht bewusst war und die mit Bestürzung auf die Information reagiert haben, dass ihr Kind nicht erfahren kann, wer sein genetischer Elternteil ist. Wenn eine offene Spende vermittelt wird, kann das Kind oft erst mit 16 oder 18 Jahren Auskunft verlangen. In Deutschland besteht keine Altersgrenze für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr können Kinder den Auskunftsanspruch zwar nur selbst geltend machen (§ 10 Absatz 1 Satz 2 Samenspenderregistergesetz). Vorher können sie ihn jedoch vertreten durch die Eltern geltend machen.

Vermittlung ausländischen Samens in Deutschland

Wird ausländischer Samen in Deutschland vermittelt, gilt das Samenspenderregistergesetz. Das bedeutet: zulässig ist nur eine offene Samenvermittlung, die Person, von der der Samen stammt, wird im Samenspenderregister registriert und das Kind kann von diesem Auskunft über die Identität des genetischen Elternteils verlangen.

Unabhängig vom Ort der Vermittlung gelten bei Samen aus dem Ausland folgende Nachteile:

  • Die Kinder können eine sehr hohe Anzahl von Halbgeschwistern haben. In Dänemark gilt eine Obergrenze von 12 Kindern pro Spender, aber nur innerhalb von Dänemark. Der Export in andere Länder stellt daher eine Möglichkeit dar, noch weitere Kinder mit demselben genetischen Elternteil zu zeugen. Im April 2025 wurde bekannt, dass mit Samen eines dänischen Mannes mit hohem Krebsrisiko mindestens 67 Kinder in verschiedenen europäischen Ländern gezeugt wurden. Für Spenderkinder kann es belastend sein, eine so hohe Anzahl von Halbgeschwistern zu haben (siehe unser Beitrag 100 Halbgeschwister und mehr). Es verringert auch die Wahrscheinlichkeit, eine echte Beziehung zu dem genetischen Elternteil aufbauen zu können, der potentiell sehr viele Anfragen von Kindern erhalten kann.
  • Wenn die Spenderkinder Kontakt zu Halbgeschwistern oder dem genetischen Elternteil aufnehmen möchten, werden sie dies voraussichtlich in einer anderen Sprache tun müssen. Zwar lernt inzwischen jeder Englisch an der Schule, aber um einen echten Kontakt zu einem anderen Menschen, einem unmittelbaren Verwandten, aufbauen zu können, muss man eine Fremdsprache gut beherrschen. Dies kann eine Kontaktaufnahme, die bereits mit vielen aufrüttelnden und verunsichernden Emotionen verbunden sein kann, weiter erschweren. Hinzu kommt, dass die Halbgeschwister voraussichtlich über ganz Europa verstreut sind und ein persönliches Treffen nicht so einfach möglich ist.

67 Kinder durch Samenvermittlung eines Mannes mit Krebs-Gen gezeugt

Die in Dänemark sitzende European Sperm Bank hat den Samen eines Mannes vermittelt, der eine Genmutation hatte, die zu einer stark erhöhten Krebswahrscheinlichkeit führt. In acht europäischen Ländern wurden so zwischen 2008 und 2015 mindestens 67 Kinder gezeugt. Mindestens 23 dieser Kinder tragen die Mutation, mindestens zehn sind bereits an Krebs erkrankt.

Der Fall wurde in den Medien bekannt, als eine Expertin für genetische Krebsanlagen am Universitätsklinikum der nordfranzösischen Stadt Rouen im Mai auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik (ESHG) in Mailand davon berichtete.

Die Mutation befindet sich auf dem TP53-Gen, das ein Tumorsupressor-Protein codiert. Bei der Mutation ist die Menge des erzeugten Proteins zu gering. Der Spender selbst ist bis heute gesund. Zum Zeitpunkt der Spende im Jahr 2008 sei die Mutation nicht nachweisbar gewesen.

Die betroffenen Kinder müssen nun engmaschige Vorsorgeuntersuchungen einhalten. Die Erkrankung selbst ist nicht heilbar, aber bei frühzeitigem Erkennen einer Krebserkrankung besteht die Aussicht auf erfolgreiche Behandlung. Leider besteht eine Chance von 50 %, dass sie das Gen an ihre eigenen Kinder weitergeben werden.

Der Samen wurde nach Belgien, Bulgarien, Zypern, Deutschland, Spanien, Ungarn, Irland, Griechenland, die Niederlande und Polen vermittelt. Die in Deutschland betroffenen Familien sind dem Verein Spenderkinder nicht bekannt.

Mit 52 betroffenen Kindern stammt eine besonders hohe Anzahl betroffener Familien aus Belgien. Hierdurch wurde deutlich, dass sich einige belgische Kliniken nicht an die seit 2007 geltende gesetzliche Obergrenze gehalten hatten. Nach dieser darf der Samen einer Person höchstens an sechs Frauen gegeben werden. Die Kliniken behaupteten zunächst, ihnen habe der Gesamtüberblick in Belgien gefehlt. Einige Kliniken hatten die Zahl von sechs Frauen jedoch schon allein bei ihnen überschritten.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Spender eine genetische Krankheit an eine große Anzahl von Nachkommen weitergibt. Schon vor 12 Jahren gab es bei der dänischen Samenbank Nordic Cryobank einen ähnlichen Fall : Ein Samenspender, der die genetische Krankheit Neurofibromatose Typ 1 (kurz: NF1) trug, auch Morbus Recklinghausen oder Periphere Neurofibromatose genannt, gab diese an mindestens 9 der 45 durch ihn gezeugten Kinder weiter. Die Samenbank hatte hier zunächst die betroffenen Familien nur zögerlich informiert.

Der Fall zeigt deutlich, dass die grenzüberschreitende Vermittlung von Samen auch europaweit einheitlich geregelt sein muss.

Wenn eine Person über Samenvermittlung eine erhebliche Anzahl von Nachkommen zeugt, erhöht dies das Risiko, dass auch Krankheiten an viele Kinder weitergegeben werden. Dieses Risiko ist mit Samenvermittlung eng verbunden. Eine derart hohe Anzahl von Kindern ist bei natürlichen Zeugungen extrem selten. Die Spenderkinder-Organisationen anderer Länder berichten auch von weiteren Fällen, in denen mit der Samenvermittlung vermutlich eine genetische Erkrankung übertragen wurde. Diese Fälle sind bislang jedoch noch nicht öffentlich. Neben diesen gesundheitlichen Risiken birt eine zu hohe Zahl von Nachkommen auch Risiken für das Wohlbefinden der so entstandenen Kinder (siehe hierzu unser Artikel 100 Hakbgeschwister und mehr).

Nationale Obergrenzen für die Anzahl der gezeugten Kinder oder entstehenden Familien sind besser, als wenn ein Land wie Deutschland keine Obergrenze hat. Wenn der Samen europaweit vermittelt wird, können hierdurch aber dennoch eine erhebliche Anzahl von Kindern gezeugt werden. Daher sollte eine europaweite Obergrenze geschaffen werden.

Die Handhabung in Belgien zeigt zudem, dass die Einhaltung der Obergrenzen auch kontrolliert werden muss.

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Obergrenze von Familien, die durch Samenvermittlung einer Person entstehen können. Ein Spender kann an mehreren Samenbanken spenden. Das Samenspenderregister könnte eine Obergrenze gut kontrollieren, da ihnen die Identität der Samen abgebenden und empfangenden Personen bekannt ist. Dies gehört jedoch bislang nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Samenspenderregisters.

Der Verein Spenderkinder fordert eine Begrenzung auf sechs Familien. Diese Grenze sollte vom Samenspenderregister kontrolliert werden und auch international gelten.

Buchempfehlung: Das Kind eines Fremden

Im Roman „Das Kind eines Fremden“ von Petra Aepfelbach geht es um ein Ehepaar, das eine Familie gründen möchte. Aufgrund einer Diagnose des Mannes entscheidet sich das Ehepaar dafür, ein Kind mit dem Samen eines ihnen unbekannten Mannes zu bekommen. Einige Jahre später wird die Frau zusätzlich spontan mit dem Samen ihres Mannes schwanger.

Man wird intensiv ins Gefühlsleben der Wunscheltern mitgenommen und möchte wissen, wie es weitergeht. Aus Spenderkindersicht empfand ich es als interessant und traurig zugleich zu lesen, wie das Spenderkind ständig mit dem genetisch gemeinsamen Kind verglichen und teilweise ausgegrenzt wurde (anderer Charakter, Wesen, anstrengender als das 100% „eigene“ Kind).

Eine klare Leseempfehlung sowohl für Spenderkinder als auch für Wunscheltern von Spenderkindern! Ich hoffe, dass das Buch dabei hilft, offener über das Tabuthema „Samenspende“ und seine Herausforderungen zu sprechen. Jeder hat das Recht, über 100% seiner Abstammung Bescheid zu wissen!

Autorin: Helena

Spenderkinder-Jahresrückblick 2024

1. Verein

Am 14. September 2024 fand unser offizielles Vereinstreffen in Berlin bzw. hybrid statt. Katharina unterstützt seitdem bei der Beantwortung von Elternanfragen.

Im Februar und November fanden Online-Spenderkindertreffen statt. Jan organisiert und moderiert die Treffen. Vorgesehen ist ein Treffen alle zwei bis drei Monate. Das nächste Online-Treffen findet am 18. Februar 2025 statt.

2. Verwandtentreffer

Für Spenderkinder, die noch keinen DNA-Test gemacht haben, empfehlen wir weiterhin Ancestry, weil man die Rohdaten dieses Tests auch bei FamilyTreeDNA und MyHeritageDNA kostenlos hochladen kann.

Dieses Jahr haben unsere Mitglieder mindestens 4 weitere genetische Väter identifiziert. Insgesamt haben wir 60 genetische Väter identifiziert. Außerdem haben wir 8 neue Halbgeschwistergruppen (insgesamt 82), die größte Gruppe umfasst 35 Kinder.

3. Veranstaltungen

  • Öffentlicher Abend von terre des femmes zum Thema Leihmutterschaft in Berlin im Mai
  • Workshop der ev. Kirche Deutschland (EKD) in Hannover im September
  • Online-Vortrag bei Fortbildungsveranstaltung für ErzieherInnen „Eltern-Kind-Beziehung ohne biologische Verwandtschaft“ des Fortbildungszentrums Köln/Kalk im Oktober

4. Öffentlichkeitsarbeit / Internetseite

Tobias Bauer und Anne Meier-Credner haben den zweiten Artikel über die Befragung von Spenderkindern in Deutschland veröffentlicht, die mit 59 Teilnehmenden zwischen 21 und 46 Jahren die Studie mit den bislang meisten Befragten in Deutschland darstellt: Bauer, T., & Meier-Credner, A. (2024). Intra-familial dynamics of knowledge and ignorance experienced by donor-conceived adults in Germany. SN Social Sciences, 4, 163. doi.org/10.1007/s43545-024-00967-w

Spenderkinder-Mitglied Roman Rübe hat mit einem kleinen Team aus seiner eigenen Geschichte ein Solo-Theaterstück entwickelt. Das Theaterstück „Kein Bild von dir“ hat den Schweizer Nachwuchspreis für Kleinkunst „Jungsegler“ beim Theaterfestival „nordart“ in Stein am Rhein gewonnen. Unseres Wissens ist es das erste Theaterstück eines Spenderkindes über diese Thematik.

Spenderkinder-Mitglied Julia Walerian hat für ihre Bachelorarbeit in Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin schon im letzten Jahr eine Videoinstallation mit dem Titel „Dein Papa ist nicht dein Papa“ gestaltet. Der Film der Videoinstallation ist jetzt auch auf Youtube zu sehen.

Donum vitae e.V., einer der großen Anbieter von Schwangerschafts(konflikt)beratung hat Ende 2024 sein Konzept zur psychosozialen Kinderwunschberatung veröffentlicht. Wir freuen uns besonders, dass donum vitae sich ausdrücklich dem Grundsatz einer „doppelten Anwaltschaft“ verpflichtet, bei der die Beratungsfachkraft an der Seite der ratsuchenden Person steht und gleichzeitig die Rechte anderer involvierter Personen aufzeigt, die in dem Moment nicht für sich selbst sprechen können. In den vergangenen Jahren brachten wir als Referentinnen bei Fortbildungsveranstaltungen von donum vitae mehrfach die Perspektive von Spenderkindern ein.

Das Projekt Kompetenzzentrum Kinderwunsch (KompKi) endete im Juli mit einem virtuellen Fachtag in Berlin. Der Abschlussbericht und das im Rahmen des Projektes entwickelte Konzept für ein Kompetenzzentrum Kinderwunsch sind bis März auf der Projekthomepage und anschließend auch auf dem Informationsportal Kinderwunsch des BMFSFJ unter Publikationen abrufbar. Spenderkinder hatte sich bei dem Projekt vielfältig als Gesprächspartner an Fachgesprächen und mit einem Workshop eingebracht. Wir freuen uns, die Perspektive der Spenderkinder auch im Konzept und im Abschlussbericht wiederzufinden.

Infos zu Beiträgen von, über und mit uns oder unser Thema posten wir gelegentlich auch auf unserer Internetseite, Twitter, Facebook und Instagram.

Sunny hat auf ihrem YouTube Kanal Reagenzglasbaby einige spannende Beiträge veröffentlicht, die über die Playlist für Spenderkinder zu finden sind:

Sehr präsent waren auch 2024 die Themen Eizellspende und Leihmutterschaft sowie Massenspender. Das spiegelt sich insbesondere in den Punkten Rechtliches, Medienbeiträge und Beratung wider.

5. Rechtliches

Die Beratung von Spenderkindern findet vor allem zum Thema Vaterschaftsanfechtung und Überprüfung der Vaterschaft statt, von Wunscheltern in Bezug auf Durchsetzung von Auskunft für ihre Kinder. Immer wieder geht es dabei um Keimzellvermittlung im Ausland.

Gerichtsverfahren

Es laufen weiterhin mehrere Gerichtsverfahren unserer Mitgieder gegen Novum sowie eins gegen einen Arzt aus Bad Nauheim.

Politik

Im Januar 2024 hat das Bundesministerium der Justiz Eckpunkte veröffentlicht zur Reform des Abstammungsrechts sowie des Kindschaftsrechts. Der Verein Spenderkinder hat dazu eine Stellungnahme abgegeben.

Die Reform des Abstammungsrechts sah eine Weiterentwicklung des Abstammungsrechts insofern vor, dass eine Elternstellung auch durch eine Vereinbarung vor Zeugung des Kindes geschaffen werden sollte. Wichtig für Spenderkinder ist insbesondere, dass ein Anspruch geschaffen werden sollte, die leibliche Abstammung auch gegenüber Dritten gerichtlich zu klären, ohne dass damit Rechtsfolgen wie eine Feststellung als Elternteil verbunden sind. Bislang gab es den Anspruch auf Klärung der Abstammung nur gegen die rechtlichen Eltern (§ 1598a BGB). Außerdem sollte der in der Rechtsprechug anerkannte Anspruch des Kindes gegen die Eltern auf Informationen über seine Abstammung ausdrücklich im Gesetz festgehalten werden.

Mit dem vorzeitigen Ende der Regierungskoalition Anfang November 2024 werden die Vorhaben nun erst einmal nicht weiterverfolgt. Das Bundesministerium der Justiz hat die Gesetzentwürfe jedoch als Diskussionsetwürfe veröffentlicht. Inwiefern diese weiterverfolgt werden, wird sich erst mit der Zusammensetzung einer neuen Regierung nach der voraussichtlichen Bundestagswahl Ende Februar 2025 klären.

7. Beratung

Beratung von Wunscheltern: Auch in diesem Jahr haben sich wieder einige Wunscheltern bei unserem Verein mit Beratungsgedarf gemeldet. Es gab insbesondere einige Anfragen von Müttern, die wissen oder vermuten, ein Kind des Massenspenders Jonathan Jacob Meijer zu haben sowie Anfragen von Frauen, die überlegen, als Single-Mother ein Kind zu bekommen. Seit September unterstützt Katharina bei der Elternberatung. Weiterhin bieten wir für Eltern (von Spenderkindern) einen Austausch über einen eigenen Mail-Verteiler an.

Kontakt zu ehemaligen „Samenspendern“/Beratung: Gelegentlich melden sich Männer bei uns, die in der Vergangenheit Samen „gespendet“ haben und mehr oder weniger offen für Kontakt sind. Wir informieren diese Männer über die Möglichkeiten der Suche über DNA-Datenbanken und unterstützen bei der Kontaktaufnahme zu genetischen Kindern. Frühere Spender haben angeboten, die Personen ebenfalls direkt zu beraten.

8. Internationales

Beim Europarat wurde ein „Committee of Experts on Access to Origins“ (CJ-OR) eingerichtet. Das Komitee wird in mehreren Sitzungen Leitlinien erarbeiten, wie die Mitgliedsstaaten des Europarates mit dem Thema unter Beachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention umgehen sollen. Das wird vermutlich auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte prägen. Die Mitglieder des Kommittees stammen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Kroatien, Tschechien, Dänemark und England. Damit sind auch Länder vertreten, die nach wie vor anonyme Spenden vorsehen oder erlauben.

In Belgien, das bislang ausschließlich die anonyme Vermittlung von Samen- und Eizellen erlaubt hat, hat das Verfassungsgericht diese Regelungen Ende September für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, eine Regelung zu finden, die auch die Interessen der Kinder einbezieht und dafür eine Frist bis 2027 gesetzt (Pressemeldung des belgischen Verfassungsgerichts (auf französisch)) sowie ein Artikel auf Englisch.

9. Ausblick auf 2025

Am 18. Februar findet das nächste Online-Spenderkindertreffen statt.

Das jährliche Spenderkindertreffen 2025 wird am 13. September stattfinden (vermutlich wieder hybrid).

Euer Vorstandsteam Anne, Sunny, Christina, Britta, Jan, Janina und Sandra

SWR Nachtcafé „Und das soll Familie sein“ mit Dietrich

Diese Woche war Dietrich, der Vater von Spenderkinder-Mitglied Britta, beim SWR Nachtcafé zum Thema „Und das soll Familie sein“ zu Gast. Ihr könnt die Sendung auch über die ARD Mediathek ansehen.

Britta und Dietrich haben sich im Jahr 2019 über eine DNA-Datenbank gefunden. Dietrich hatte Anfang der 80er Jahre in der praxis von Dr. Poluda in München Samen gespendet. Seitdem erzählen sie gerne von ihrer Geschichte als Beispiel dafür, wie bereichern eine Familienerweiterung sein kann (Brittas Geschickte auf unserer Internetseite).

Die Sendung ist insgesamt sehenswert, auch wegen der anderen Gäste unter dem Aspekt, wie unterschiedlich Familiensysteme aussehen können. Dietrich ist am Ende dran.

ARD Doku: „Ein Samenspender und seine 30 Kinder“

Seit Anfang Oktober ist in der ARD Mediathek eine Dokumentation über den privaten Samenspender Gerrit abrufbar, der 30 Kinder gezeugt hat.

Das Erste zeigt den Film am 6. November um 23.20 Uhr.

Gerrit wurde vor mehr als zehn Jahren privater Samenspender, weil er einen eigenen Kinderwunsch hatte, aber Kinder nicht in sein damaliges Leben mit vielen Reisen passten. Er ist ein offener Spender: die Kinder, die durch seine Spende entstehen, haben die Möglichkeit, Kontakt zu ihm und Halbgeschwistern aufzunehmen. Inzwischen hat er auch drei Kinder aus einer eigenen Beziehung.

Unser Mitglied Sina hat die Dokumentation mit gemischten Gefühlen gesehen. Einerseits verspürte sie Freude über die Offenheit und das Glück der lesbischen Mütter und der Solo-Mütter und die nahbare und reflektierte Art von Gerrit. Andererseits habe sie erschreckt, wie schnell die Halbgeschwistergruppe auf 30 angewachsen sei. Es stelle sich die Frage, wie sehr sich die Mütter darauf verlassen können, dass er wirklich mit dem Spenden aufhört und wie groß die Gruppe der Kinder vielleicht doch werden könnte.

Die nicht kontrollierbare Zahl der Kinder sowie die fehlende Absicherung, dass das Kind tatsächlich von seiner Zeugungsart erfährt, kann problematisch bei privaten Samenspenden sein (siehe dazu auch unser Beitrag Private Samen“spende“ und Co-Parenting). Im Jahr 2023 wurde der niederländische Samenspender Jonathan Jacob Meijer aus den Niederlanden gerichtlich verboten, weitere Kinder zu zeugen, nachdem bekannt geworden war, dass er über 500 Kinder gezeugt hatte (siehe auch unser Beitrag hierzu).

Der mögliche Kontakt zum genetischen Vater und den Halbgeschwistern kann aber sehr positiv bei privaten Samenspenden sein. So sieht es auch unser Mitglied Sina: Es sei toll, dass die Kinder direkt voneinander wüssten und sich treffen könnten. Sie selbst hätte sich gefreut, ihre erst vor kurzem gefundene Halbschwester schon als Kind gekannt zu haben. Trotzdem sei ihr schwer ums Herz geworden, als eine achtjährige Tochter von Gerrit gesagt habe, sie würde sich eigentlich mehr Kontakt zu ihm wünschen.

Sina hatte an einigen Stellen außerdem das Gefühl, dass die Erwachsenen nicht über ihre eigenen Wünsche hinaussehen können: Wenn Gerrit sage, als er ein Baby auf dem Arm halte, das sei nicht sei Kind, stimme faktisch nicht. Es sei sein Kind, wenn auch nicht sozial, doch zumindest biologisch. Sie könne auch nicht mitgehen mit der Aussage einer Mutter, dass es das wichtigste sei, dass die Kinder Wunschkinder seien. Zwar sei es toll, geliebt zu werden, aber damit seien auch Erwartungen verbunden. Sowohl die Mütter wie auch Gerrit würden sich nicht damit beschäftigen, wie es den Kindern damit geht und in Zukunft gehen wird. Trotzdem würde sie sich freuen, wenn es mehr solcher für Kontakt offener, reflektierter Samenspender gäbe. Für die Kinder sei es wichtig und absolut richtig, dass sie mit dem Wissen um ihre Zeugung aufwachsen.

Videoinstallation Dein Papa ist nicht Dein Papa

Spenderkind Julia Walerian hat für ihre Bachelorarbeit in Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin eine Videoinstallation mit dem Titel „Dein Papa ist nicht dein Papa“ gestaltet.

Darin sprechen eine Solomama, ein Reproduktionsmediziner, Spenderkind Verena, ein Samenspender und Verenas sozialer Vater (Verenas Vater) in einer virtuelle Diskussion miteinander. Um die verschiedenen Stimmen klar voneinander abzutrennen, werden die Protagonisten in der Installation jeder für sich, auf einem eigenen Monitor gezeigt. Das Ganze bekommt durch einen semitransparenten Raumtrenner einen intimen Rahmen. Ziel der Arbeit ist es, dass die Betrachtenden den verschiedenen Ansichten zuhören können, um sich dadurch ein ganzheitlicheres Bild der Debatte zu Samenspende und der Bedeutung der eigenen Abstammung zu verschaffen.

Dazu sagt Julia: „Denn nur wenn wir einander zuhören, werden wir weiterkommen, weil wir Zusammenhänge besser verstehen können. So helfen die Argumente anderer, den eigenen Standpunkt zu überdenken und die eigene Haltung zu hinterfragen. Das gelingt nur, wenn man sich auf einen Perspektivwechsel einlässt und sich mit den Argumenten anderer auseinandersetzt.

Weitere Infos sowie den Trailer zum Projekt findet ihr auf der Internetseite des Projekts.

Julia erzählt mehr von der Instalation und über Ihre eigene Geschichte in einem Artikel im Frameless Magazin.

Den Film der Videoinstallation ist auf YouTube zu sehen.

Die Videoinstallation wurde bislang zweimal ausgestellt: im Rahmen einer Fachtagung des Netzwerk Qualitative Familienforschung und beim Fachtag des Arbeitskreis Frauengesundheit. Julia würde sich freuen, wenn die Videoinstallation weitere Ausstellungsorte finden würde – Anfragen leiten wir gerne an Julia weiter.

Vaterschaftsanfechtung durch ein Spenderkind

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Menschen, deren rechtlicher Vater nicht ihr genetischer Vater ist, können die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters anfechten (§ 1600 Absatz 1 Nummer 4 BGB) und damit beseitigen. Das gilt auch für Spenderkinder. ((Die Einwilligung in eine Samenspende führt nur dazu, dass die Mutter und der Vater die Vaterschaft nicht anfechten können. Das gilt aber nicht für das Kind.))

Wenn die Anfechtung erfolgreich ist, hat die Person, die angefochten hat, keinen rechtlichen Vater mehr. Man kann entweder eine Leerstelle im Personenstandsregister lassen und nur noch eine rechtliche Mutter haben oder den genetischen Vater in einem weiteren Verfahren als rechtlichen Vater feststellen lassen1

Geschätzt haben etwa zehn Prozent der Mitglieder des Vereins Spenderkinder die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters angefochten. In dem meisten dieser Fälle hatten die Spenderkinder eine schlechte Beziehung zu ihrem rechtlichen Vater. Teilweise hatten sich die Eltern bereits getrennt und der Kontakt war seit längerem abgerissen. Daher war es den Spenderkindern wichtig, sich auch rechtlich zu lösen. Anderen Spenderkindern war wichtig, dass öffentliche Register ihre genetische Abstammung richtig wiedergeben. Zum Teil haben Spenderkinder auch erst nach dem Tod des rechtlichen Vaters dessen Vaterschaft angefochten, weil sie sich während seiner Lebzeit verpflichtet gefühlt haben, auf seine Gefühle Rücksicht zu nehmen.

Sind mit der Anfechtung Risiken verbunden?

Ob die Anfechtung der Vaterschaft mit Risiken verbunden ist, hängt von der individuellen Situation des Spenderkindes ab:

Erbe

Mit der Anfechtung der Vaterschaft verliert das Kind die Stellung als gesetzlicher Erbe des Vaters, weil sie nicht mehr miteinander verwandt sind. Der Vater kann das Kind aber – wie jeden anderen Dritten – natürlich als Erben in seinem Testament einsetzen. Das Erbrecht hat aber nur Bedeutung, wenn es überhaupt etwas zu erben gibt.

Unterhalt

Mit Wegfall der rechtlichen Verwandtschaft entfällt die Verpflichtung, sich als Verwandten gerader Linie Unterhalt zu gewähren (vgl. § 1601 BGB). Das wirkt sich aber auf beide aus: der Vater ist bei erfolgreicher Anfechtung gegenüber dem Kind nicht mehr zu Unterhalt verpflichtet und das Kind nicht mehr gegenüber dem Vater. Für ein erwachsenes Kind kann die Anfechtung unter Umständen günstig sein, weil es dann bei hohen Pflegekosten des Vaters nicht unterhaltspflichtig ist.

Staatsangehörigkeit

Eine Anfechtung kann Auswirkungen auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben, wenn sich diese von dem rechtlichen Vater ableitet. Ein Verlust der Staatsangehörigkeit wegen einer Vaterschaftsanfechtung ist jedoch nach dem 5. Geburtstag einer Person nicht möglich (§ 17 Absatz 2 Satz 2 Staatsangehörigkeitsgesetz).

Zeugnisverweigerungsrecht

Verwandte in gerader Linie sind im gerichtlichen Verfahren zur Zeugnisverweigerung berechtigt, das entfällt mit Anfechtung ebenfalls.

Familienname

Nach einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung muss das Spenderkind seinen Familiennamen nicht ändern. Es kann aber beantragen, dass es den Namen als Geburtsnamen erhält, den die Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt geführt hat (§ 1617b Absatz 2 Satz 1 BGB). Ist das kein andere Name, weil die Eltern verheiratet waren und den Namen des Vaters als Ehenamen geführt haben, kann das Spenderkind eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nach § 3 Absatz 1 Namensänderungsgesetz beantragen und sich darauf berufen, dass mit der Anfechtung ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

Geburtsurkunde

Nach erfolgreicher Anfechtung informiert das Gericht auch das zuständige Standesamt2. Das Spenderkind kann eine Neuausfertigung der Geburtsurkunde erhalten.

Anfechtungsfrist zwei Jahre

Die Vaterschaftsanfechtung muss innerhalb einer Frist von zwei Jahren erklärt werden. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (§ 1600b Absatz 1 BGB). Sie läuft aber frühestens ab dem 18. Geburtstag (§ 1600 Absatz 3 BGB). Hat ein Kind also im Altern von 6 Jahren von der Samenspende erfahren, kann es bis zum 20. Geburtstag die Vaterschaft anfechten. Erfährt ein Spenderkind erst mit 26 Jahren von der Samenspende, läuft die Frist ab diesem Zeitpunkt.

Die Fristen berechnet sich ab der tagesgenauen Kenntnis von der nicht bestehenden Abstammung zum rechtlichen Vater3. Die Frist wird eingehalten, wenn der Anfechtungsantrag fristgerecht bei Gericht zugeht.

Wiederaufleben der Anfechtungsfrist z. B. bei Tod des Vaters

Die Anfechtungsfrist von zwei Jahren kann aber auch mehrere Jahre nach dem Ablauf erneut zu laufen beginnen. Das Gesetz stellt hierfür auf die Kenntnis von Umständen beim Kind ab, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden (§ 1600b Absatz 6 BGB).

Ein sehr wichtiger Grund für das Wiederaufleben ist der Tod des rechtlichen Vaters. Es wird angenommen, dass sich das Kind zu Lebzeiten des rechtlichen Vaters zu Rücksicht verpflichtet gefühlt hat und man ihm deswegen nicht zumuten konnte, fristgemäß anzufechten. Ab Kenntnis des Todes beginnt die Frist daher erneut zu laufen. Eine andere Fallgruppe ist eine spätere Scheidung der Eltern – aus den oben genannten Gründen. oder wenn der rechtliche Vater eine Straftat gegen das Kind begeht.

Voraussetzungen der Anfechtung

Die Anfechtung muss beim Amtsgericht (als Familiengericht) erklärt werden, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat4. Erforderlich ist ein Antrag, in dem folgendes angegeben wird (§ 171 FamFG):

  • das Ziel (Anfechtung der Vaterschaft),
  • die betroffenen Personen (Beteiligte: Mutter, Vater, Kind),
  • die Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen sowie
  • der Zeitpunkt, zu dem die Umstände bekannt wurden.

Es ist für die Anfechtung nicht erforderlich, dass Mutter oder Vater noch am Leben sind. Wenn der Vater nicht mehr lebt und auch kein DNA-Material vorhanden ist, kann dies allerdings die Einholung eines Abstammungsgutachtens erschweren.

Auch ein minderjähriges Kind kann die Vaterschaft anfechten. Hierbei stellen sich jedoch schwierige Fragen zur Vertretung und inwiefern die Anfechtung dem Kindeswohl dient.

Was passiert im Anfechtungsverfahren vor Gericht?

Die Vaterschaftsanfechtung durch das Kind ist erfolgreich, wenn keine genetische Verwandtschaft besteht und die Anfechtungsfrist eingehalten wurde. Es sind keine Gründe für die Anfechtung erforderlich (z. B. dass keine soziale Beziehung zum Vater mehr vorhanden ist). Zum Teil bestehende soziale Erwartungen wie dass ein Spenderkind gegenüber dem rechtlichen Vater dankbar sein muss, dürfen keine Rolle spielen.

Das Gericht wird einen Termin bestimmen, zu dem alle Beteiligten persönlich erscheinen müssen. Es muss eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt werden5. Die Beteiligten werden dazu angehört, aber auch vernommen. Das Gericht prüft von Amts wegen, ob eine genetische Verwandtschaft besteht. Daher ist ein Anerkenntnis durch den Vater nicht dadurch möglich, dass er auch nicht mehr Vater sein möchte. Grund hierfür ist, dass ein allgemeines öffentliches Interesse daran besteht, dass der familienrechtliche Status wahrheitsgemäß zugeordnet wird und Bestand hat. Auskunftsperson (vergleichbar dem Zeugen) könnte bei einer Samenspende auch der damals behandelnde Arzt sein, falls er sich noch erinnert oder noch Unterlagen besitzt.

Ist ein genetisches Abstammungsgutachten erforderlich?

Das Gericht ordnet bei einer Vaterschaftsanfechtung in der Regel an, dass ein genetisches Abstammungsgutachtens eingeholt wird, um zu überprüfen, ob eine genetische Verwandtschaft zwischen Kind und Vater besteht6. Zum Teil wird auch die Mutter mitgetestet. Die Untersuchungen für die Abstammungsfeststellung müssen die Beteiligten dulden (§ 178 FamFG). Das Gericht kann die Mitwirkung an der Untersuchung mit Zwangsgeld durchsetzen. Für die Probeentnahme wird in der Regel ein Schleimhautabstrich, Speichel, eine Blutprobe, Gewebeproben oder Haare mitsamt der Haarwurzel verwendet.

Ein Auszug aus einer DNA-Datenbank wie Ancestry, 23andme, MyHeritageDNA oder FTDNA ist vor Gericht nicht verwertbar, weil die DNA-Datenbanken eine andere Testmethode verwenden und die Identität der Getesteten nicht überprüfen.

Wurde vor dem gerichtlichen Verfahren mit Zustimmung der anderen Beteiligten ein privates Abstammungsgutachten erstellt, kann das Gericht dieses Gutachten zur Entscheidungsgrundlage machen, wenn die anderen Beteiligten einverstanden sind und keine Zweifel an der Richtigkeit des privaten Gutachtens bestehen7. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass das private Gutachten durch ein nach § 5 Absatz 1 Gendiagnostikgesetz zertifiziertes Institut erstellt wurde. Außerdem muss das Institut bei der Erstellung des Gutachtens die Standards der Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung und an die Qualifikation von ärztlichen und nichtärztlichen Sachverständigen eingehalten haben.

Abstammungsgutachten, denen die anderen Getesteten nicht zugestimmt haben (so genannte heimliche Vaterschaftstests), sind rechtswidrig und daher vor Gericht nicht verwertbar.

Einige Familiengerichte haben bei einer Vaterschaftsanfechtung durch das Kind wegen einer Samenspende darauf verzichtet, ein Abstammungsgutachten einzuholen. In einem Fall lagen neben den Aussagen der Eltern ein Schreiben der Reproduktionsklinik vor, in dem der Samenspender gegenüber der Antragstellerin bezeichnet wurde8. Da aber auch eine solche Auskunft nicht zweifelsfrei ergibt, dass die Abstammung zum rechtlichen Vater nicht besteht, kann es sein, dass das Gericht auch in vergleichbaren Fällen anordnet, dass ein genetisches Gutachten eingeholt werden muss.

Das AG Pankow hat bei einer Samenspende von der Einholung eines genetischen Gutachtens abgesehen, weil der rechtliche Vater bereits verstorben war, kein DNA-Material von ihm vorhanden war, der Vortrag der anderen Beteiligten übereinstimmend war und ein Auszug aus einer DNA-Datenbank vorlag, wonach ein anderer Mann als genetischer Vater gelistet wurde9.

Was kostet die Vaterschaftsanfechtung?

Die Gerichtsgebühren einer Vaterschaftsanfechtung betragen 219 Euro10 Sie werden bereits mit der Stellung des Anfechtungsantrags bei Gericht fällig. Nur wenn sie von dem anfechtenden Kind gezahlt werden, wird der Antrag auch an die anderen Beteiligten zugestellt.

Zu den Gerichtsgebühren hinzu kommen die Kosten der Beweisaufnahme, insbesondere wenn das Gericht anordnet, dass ein genetisches Abstammungsgutachten eingeholt werden muss. Die Kosten für ein gerichtlich angeordnetes Abstammungsgutachten sind unterschiedlich, können aber bis zu 1.000 Euro betragen.

Außergerichtliche Gutachten sind ab ca. 300 Euro erhältlich und damit deutlich günstiger. Sie müssen aber vor dem Verfahren mit Einvernehmen von Vater und Mutter erstellt werden und beide müssen mit der Verwertung im gerichtlichen Verfahren einverstanden sein. Ein außergerichtliches Gutachten eignet sich also nicht, wenn die Eltern die Anfechtung nicht unterstützen oder sie sogar ablehnen.

Alle Beteiligten müssen die Kosten eines Anwalts selbst tragen, wenn sie einen engagieren.

Ist die Anfechtung erfolgreich, müssen die Beteiligten die Gerichtskosten (bestehend aus den Gerichtsgebühren und den Kosten der Beweisaufnahme) zu gleichen Teilen tragen (§ 183 FamFG). Das bedeutet: Leben Mutter und der bisherige Vater noch, muss jeder (Kind, Mutter, Vater) 1/3 der Gerichtskosten tragen. Da das Kind, wenn es die Anfechtung erklärt hat, die Gerichtsgebühren bereits vorstrecken musste, hat es einen Anspruch auf anteilige Kostenerstattung gegen die anderen Beteiligten.

Was ist, wenn ein Spenderkind die Kosten des Verfahrens nicht tragen kann?

Hat ein Spenderkind nur ein geringes Einkommen oder Vermögen, kann es Verfahrenskostenhilfe für eine Vaterschaftsanfechtung beantragen (76 Absatz 1 FamFG). Hierfür finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe muss zusammen mit dem Anfechtungsantrag und einem Formblatt über die persönlichen Verhältnisse eingereicht werden.

Die Verfahrenskostenhilfe kann auch die Kosten für einen Rechtsanwalt umfassen. Da bei der Vaterschaftsanfechtung keine anwaltliche Vertretung erforderlich ist, wird dies nur gewährt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 78 Absatz 2 FamFG). Die Verfahrenskostenhilfe muss unter Umständen zurückgezahlt werden. Über das Verfahren, den Umfang und die eventuelle Rückzahlungspflicht bei Prozesskostenhilfe informiert das Bundesministerium der Justiz auf seiner Internetseite.

Braucht man einen Anwalt für die Vaterschaftsanfechtung?

Vor dem Familiengericht besteht kein Anwaltszwang11. Ein Spenderkind kann also ohne Anwalt bei Gericht auftreten. Aber ist es auch empfehlenswert, als Kind ohne Unterstützung eines Anwalts die Vaterschaft anzufechten? Dabei muss man berücksichtigen, dass man auch bei einer erfolgreichen Anfechtung die Kosten für den Anwalt selbst zahlen muss (wenn keine Rechtsschutzversicherung für Familienrecht besteht).

Die Vaterschaftsanfechtung durch ein volljähriges Kind ist rechtlich nicht sonderlich schwierig, da es – bis auf die fehlende Verwandtschaft und die Einhaltung der Anfechtungsfrist – keine weiteren Voraussetzungen gibt. Wer bereit ist, sich gut vorzubereiten, kann sich auch selbst vor dem Familiengericht vertreten. Für den Anfechtungsantrag gibt es Muster, man kann aber notfalls auch zur Geschäftsstelle des Gerichts gehen und sich helfen lassen. Im Anfechtungsverfahren besteht anders als im normalen familiengerichtlichen Verfahren nur ein eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz12. Das Gericht darf von Amts wegen nur Tatsachen berücksichtigen, die für die Vaterschaft sprechen. Tatsachen, die dagegen sprechen, muss der Antragsteller selbst vorbringen. Bei einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten wird das Gericht aber vermutlich schon in gewissem Umfang unterstützen.

Wir würden die Unterstützung durch einen Anwalt empfehlen, wenn man sich selbst nicht gut vorbereiten kann / möchte, die anderen Beteiligten voraussichtlich Einwände vorbringen werden, die Einhaltung der Anfechtungsfrist angezweifelt werden könnte oder das Gericht dazu bewegt werden soll, kein Abstammungsgutachten einzuholen. Allerdings haben einige Spenderkinder Schwierigkeiten gehabt, einen Anwalt oder eine Anwältin zu finden, die bereit waren, die Vaterschaftsanfechtung zu übernehmen. Grund hierfür könnte sein, dass die gesetzlichen Gebühren vergleichsweise gering sind.

  1. Eine Feststellung ist nach § 1600d Absatz 4 BGB ausgeschlossen, wenn das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde. Das gilt allerdings erst seit dem 1. Juli 2018 für Kinder, die seitdem gezeugt wurden. []
  2. § 56 Absatz 1 Nr. 1 Ziff b) Personenstandsverordnung. []
  3. § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 BGB. []
  4. § 170 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG, § 23a Absatz 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz. []
  5. § 177 Absatz 2, 3 FamFG []
  6. Musielak/Borth FamFG § 177 Rn. 2. []
  7. § 177 Absatz 2 Satz 2 FamFG. []
  8. AG Nürnberg, Beschluss vom 8.10.2013, Az. 107 F 2604/13. []
  9. AG Pankow/Weißensee, Beschluss vom 29.10.2018, Az. 26 F 5828/18. []
  10. Stand Oktober 2024, nach § 47 Absatz 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert bei einer Vaterschaftsanfechtung 2.000 Euro. Daraus ergeben sich Gerichtsgebühren von 219 Euro. []
  11. §§ 114, 10 FamFG. []
  12. § 177 FamFG. []

Spenderkinder-Theaterstück „Kein Bild von dir“ – Tournee in der Schweiz vom 8. November 2024 bis 8. Mai 2025

Spenderkinder-Mitglied Roman Rübe hat mit einem kleinen Team aus seiner eigenen Geschichte ein Solo-Theaterstück entwickelt. Das Theaterstück „Kein Bild von dir“ hat den Schweizer Nachwuchspreis für Kleinkunst „Jungsegler“ beim Theaterfestival „nordart“ in Stein am Rhein gewonnen. Unseres Wissens ist es das erste Theaterstück eines Spenderkindes über diese Thematik.

Das Festival schreibt als Begründung für den Preis: „Die Fragen, die ihn seither beschäftigen, sind die Grundlage für ein fein gearbeitetes Bühnensolo, das immer wieder weit über den persönlichen Lebensbericht hinausgeht. Die kluge Regie von Leonardo Raabe, das stimmige Bühnen- und Kostümbild von Andrea Castañon Gillessen und das wandelbare Spiel von Roman Rübe zeichnen dieses Theatererlebnis aus.

Roman hat „Kein Bild von dir“ bislang fünf mal in Zürich und zwei mal in Basel aufgeführt. Der Nachwuchspreis für Kleinkunst beinhaltet nun eine Tournee des Stücks mit 22 Shows vom 8. November 2024 bis 8. Mai 2025 in der ganzen Deutschschweiz. Roman und sein Team freuen sich über ein interessiertes Publikum und ganz besonders darauf, mit Spenderkindern über das Stück ins Gespräch zu kommen!