Archiv der Kategorie: Rechtliches

Rechtliche Themen und Fragen, Gerichtsverfahren, Gerichtsentscheidungen

Sehr große Halbgeschwistergruppen sind weltweit ein Thema – ein Beitrag im Deutschlandfunk vom 11. Juni 2023

Im Deutschlandfunkbeitrag Spenderkinder auf Spurensuche. Vater, Mutter, Massenprodukt (1/2): Überall Halbgeschwister vom 11. Juni 2023 geht es um ein Thema, das auch in Deutschland immer offensichtlicher wird: DNA-Datenbanken decken auf, dass in den letzten Jahrzehnten sehr große Halbgeschwistergruppen entstanden sind.

Die Bundesärztekammer empfahl von 2006 bis 2018 eine Begrenzung auf maximal 10 Kinder pro „Spender“1 und der Arbeitskreis für Donogene Insemination, ebenfalls seit 2006, eine Begrenzung auf maximal 15 Kinder pro „Spender“2. Diese Parallelität wirft nebenbei die Frage auf, für wen die Begrenzung der Bundesärztekammer gelten sollte, wenn nicht für die Mitglieder des Arbeitskreises für Donogene Insemination.

Nach wie vor gibt es in Deutschland keine verbindliche Begrenzung. Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass sowohl in der Vergangenheit als auch gegewärtig sehr große Halbgeschwistergruppen entstehen. Neben einer verbindlichen Begrenzung wünschen wir uns, dass Reproduktionsmediziner und Samenbanken offenlegen, mit wie vielen Halbgeschwistern unsere Mitglieder aus den verschiedenen Entstehungsorten rechnen können.

  1. (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion – Novelle 2006. Deutsches Ärzteblatt, 103(20), A 1397. – In der aktuellen Version der „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistiertenReproduktion“ aus dem Jahr 2018 findet sich keine Aussage mehr zu einer Obergrenze. Grund hierfür ist, dass der Vorstand der Bundesärztekammer m Februar 2015 beschlossen hatte, die medizinisch- wissenschaftlichen Fragestellungen klar von den gesellschaftspolitischen Aspekten zu trennen. []
  2. Richtlinien des Arbeitskreises für Donogene Insemination zur Qualitätssicherung der Behandlung mit Spendersamen in Deutschland, S. 25. []

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme von Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats

Kommissionsdokument COM(2022) 695 final (Interinstitutionelles Dossier 2022/0402 (CNS))
vom 7. Dezember 2022

Stellungnahme am 22. Februar 2023 an das Bundesministerium der Justiz übermittelt

Der Verein Spenderkinder bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem Vorschlag für die Verordnung des Rates.

I. Der Verein Spenderkinder

Der Verein Spenderkinder wurde im Jahr 2009 gegründet und arbeitet rein ehrenamtlich. Er vertritt die Interessen von durch Samen“spende“ gezeugten Menschen in Deutschland. Dabei repräsentiert er die Sicht der betroffenen Kinder auf Samenspende und andere Formen der Familiengründung mit den Geschlechtszellen einer dritten Person wie Eizellspende, Embryonenadoption und Leihmutterschaft. Zu den Zielen gehört insbesondere, andere Spenderkinder, Menschen mit Kinderwunsch und Spender über die rechtlichen Rahmenbedingungen und psychologischen Herausforderungen dieser Arten der Familiengründung sowie über den aus Sicht des Vereins bestehenden rechtlichen Handlungsbedarf zu informieren.

II. Verordnungsvorschlag

Der Verein Spenderkinder sieht die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Anerkennung der in einem Mitgliedstaat wirksam anerkannten Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten sowie die vorgesehenen Bestimmungen über das anzuwendende Recht bei der Begründung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen kritisch. Zwar wird das im Vorschlag geäußerte Anliegen begrüßt, eine Gleichstellung von LGBTIQ-Personen und insbesondere von Eltern gleichen Geschlechts (zum Beispiel durch eine innerstaatliche Adoption) zu erreichen. Dies sollte jedoch nicht dadurch erreicht werden, dass die Interessen und Rechte der Kinder übergegangen werden, indem alle Formen der Begründung von Elternschaft gleich behandelt werden. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder dient die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten nicht den Interessen und Rechten des Kindes, sondern viel mehr den Interessen der Eltern. Das zeigt sich auch darin, dass die EU-weite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft vor allem als Schlüsselmaßnahme für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen wahrgenommen wird.1 Zudem zeigt auch die Einführung eines als „Elternschaftszertifikat“ bezeichneten Dokuments, dass der Verordnungsvorschlag auf eine Absicherung der Rechte der Eltern abzielt. Die Bezeichnung zeigt, dass es nicht in erster Linie um die Rechte des Kindes geht, sondern um die der „Wunscheltern“.

Mit dem Vorschlag für eine Verordnung sollen Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Anerkennung von Elternschaft in den Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Als vorrangiges Ziel des Vorschlages wird der Schutz der Grundrechte und anderer Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen genannt. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder werden die Rechte des Kindes durch die Bestimmungen des Verordnungsvorschlags jedoch nicht ausreichend gewürdigt. Bei dem Vorschlag stehen nicht die Rechte des Kindes im Vordergrund, sondern die Rechte der Eltern, die eine Anerkennung ihrer Elternschaft ohne erheblichen Aufwand in den Mitgliedstaaten der EU unabhängig von divergierenden Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten erreichen können sollen. Dadurch besteht die Gefahr, dass innerstaatliche Verbote und Regulierungen umgangen werden können.

Der Vorschlag setzt sich aus Sicht des Vereins Spenderkinder nicht vertieft mit den Rechten der Kinder auseinander, die mithilfe von reproduktionstechnischen Maßnahmen entstanden sind und nimmt keine Unterscheidungen zwischen verschiedenen Konstellationen von Elternschaft vor. Er unterscheidet nicht zwischen genetischer Elternschaft, Eltern, die ein Kind innerstaatlich adoptiert haben und zwischen Eltern, die ein Kind mittels Eizellspende oder Leihmutterschaft erhalten haben. Insbesondere werden die Schwierigkeiten nicht adressiert, die sich aus einer solchen Zeugungsart und der Anerkennung der Elternschaft für die Kinder ergeben. Damit genügt die Kommission ihren eigenen Anforderungen an eine „gute Gesetzgebung“, die empirische Evidenz für Gesetzesvorhaben verlangt, nicht. Der Verein Spenderkinder steht insbesondere der Eizellspende und der Leihmutterschaft aufgrund der Verletzung des Kindeswohls und der Rechte der Person, die ihre Eizellen abgibt bzw. das Kind zur Welt bringt, äußerst kritisch gegenüber (siehe Position des Vereins Spenderkinder zur Leihmutterschaft).

Eine unterschiedslose Regulierung von allen Formen der Elternschaft, ist nach der Ansicht des Vereins Spenderkinder abzulehnen. Sie dient nicht dem Interesse des Kindes, sondern führt zur Anerkennung von Praktiken, die von einzelnen Mitgliedstaaten bewusst abgelehnt werden. Dies führt dazu, dass Elternschaften anerkannt werden müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat gerade aufgrund der Verletzung des Kindeswohls sowie der Grundrechte von anderen in den Vorgang der Zeugung involvierten Personen verhindert werden sollen. Der vorgegebene Zweck des Verordnungsvorschlags würde damit in sein Gegenteil verkehrt. Die Europäische Union muss im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz und der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten, unterschiedliche Praktiken in den Mitgliedstaaten beachten.

III. Im Einzelnen

1. Die Vermeidung von zeit- und kostenaufwendigen Gerichtsverfahren zur Anerkennung von Elternschaft ist nicht im Interesse des Kindes

Der Vorschlag soll auch zu Rechtssicherheit und Berechenbarkeit bezüglich der Begründung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen und der Anerkennung der Elternschaft beitragen und die Gerichtskosten für die Mitgliedstaaten und Familien in Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren zur Anerkennung der Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat senken. Zeit- und kostenaufwendige Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft sollen verhindert werden. Diesbezüglich stellt sich aus Sicht des Vereins Spenderkinder wiederum die Problematik der mangelnden Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen der Begründung von Elternschaft. Insbesondere können Samen-, Eizell-, Embryonen“spende“ und Leihmutterschaft zu erheblichen Identitätskonflikten für das Kind führen. Das gilt insbesondere dann, wenn die „Spende“ primär finanziell motiviert ist und die Kinder kein Recht haben zu erfahren, von wem sie genetisch abstammen.

Im Fall der Inanspruchnahme von assistierter Reproduktion (insbesondere der Inanspruchnahme einer Keimzellen“spende“ oder einer Leihmutterschaft) kann gerade die Aussicht auf ein erforderliches Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten dazu führen, dass sich „Wunscheltern“ intensiv mit dieser Art der Familiengründung auseinandersetzen, sich über alternative Methoden der Kinderwunscherfüllung informieren und das Kindeswohl in den Mittelpunkt ihrer Entscheidung stellen. Eine Anerkennung jeglicher Form von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen ohne erheblichen Aufwand für die „Wunscheltern“ kann dagegen dazu führen, dass diese die medizinischen, psychologischen und ethischen Bedenken hinsichtlich der einzelnen Reproduktionsmaßnahmen weniger in ihre Entscheidung miteinbeziehen und die Rechte des Kindes nicht ausreichend würdigen.

2. Unionsweite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft ist nicht im Interesse und zum Wohl des Kindes

Wie der Verordnungsvorschlag ausführt, sind die Mitgliedstaaten bereits verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete Elternschaft für die Zwecke der Ausübung von aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte anzuerkennen. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass jeder Mitgliedstaat das Eltern-Kind-Verhältnis anerkennen muss, damit das Kind mit jedem Elternteil das in Art. 21 Abs. 1 AEUV garantierte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, uneingeschränkt ausüben kann und darüber hinaus auch alle Rechte ausüben kann, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt.2 Mit dem Vorschlag wird darüber hinaus eine Anerkennung der Elternschaft für alle Zwecke beabsichtigt. Hierbei soll die unionsweite Anerkennung der Elternschaft auch zur Durchsetzung der Rechte führen, die sich aus nationalem Recht herleiten. In seinen Erwägungsgründen beruft sich der Verordnungsvorschlag auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes.3 Demnach ziele der Verordnungsvorschlag darauf ab, das Recht des Kindes auf Identität (Art. 8 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes), Nichtdiskriminierung (Art. 2 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes) und auf Privat- und Familienleben (Art. 9 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes) zu wahren.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder verkennt der Verordnungsvorschlag hierbei, dass es gerade im Interesse des Kindes ist, die Abstammung zu seinen genetischen Eltern zu kennen und zu diesen auch Kontakt pflegen zu können. Die genetische Abstammung macht einen wesentlichen Teil der Identität jedes Kindes aus und einer gezielten Spaltung von genetischer und sozialer Elternschaft durch die Inanspruchnahme von Reproduktionstechniken steht der Verein der Spenderkinder kritisch gegenüber. Diese Rechte der Kinder klammert der Verordnungsvorschlag jedoch vollständig aus. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ist eine unterschiedslose Behandlung von unterschiedlichen Formen der Begründung von Elternschaft (genetische Elternschaft, Elternschaft durch innerstaatliche Adoption, Elternschaft durch Verwendung von Keimzellen“spenden“ oder Leihmüttern) nicht gerechtfertigt.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder verspüren bei einer unterschiedlichen Anerkennung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Fällen primär die Eltern Nachteile. Der Verordnungsvorschlag setzt sich nicht vertieft mit den möglichen negativen Auswirkungen für die Kinder auseinander. Vielmehr wird unterstellt, dass die Nachteile für die Eltern gleichzeitig Nachteile für die Kinder darstellen. Er geht nicht darauf ein, ob die mit dem Vorschlag verbundenen Vorteile die mit ihm verbundenen Nachteile überwiegen. Die Wahrung der Rechte des Kindes kann auch durch andere Regelungen sichergestellt werden. Eine unionsweite Anerkennung jeglicher Form von Elternschaft ist hierzu nicht im Interesse des Kindes und auch nicht erforderlich.

3. Eine unionsweite Anerkennung von Elternschaften führt auch zur Anerkennung von Elternschaften, die zum Schutz des Kindes und der Person, die das Kind zur Welt bringt, in anderen Mitgliedstaaten verboten sind

Besonders problematisch sind aus Sicht des Vereins Spenderkinder die Regelungen des Kapitel III über das anzuwendende Recht. Art. 17 Abs. 1 des VO-Vorschlags bestimmt, dass auf die Begründung der Elternschaft das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder subsidiär das Recht des Staates, in dem das Kind geboren wurde. Bei einer Leihmutter wäre dies der Staat, in dem Leihmutterschaft zulässig ist und die Regelung müsste in anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Diese Vorschrift kann bereits dazu führen, dass Formen der Begründung von Elternschaft, die durch den Verein Spenderkind deutlich abgelehnt werden4, unionsweit anerkannt werden müssen.

Die Regelungen im Bereich der Reproduktionsmedizin divergieren stark zwischen den Ländern. Insbesondere die Leihmutterschaft ist in vielen Mitgliedstaaten verboten, weil sie Kinder zu handelbaren Objekten macht und Schwangerschaft als Dienstleistung kommerzialisiert. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellte, berühren reproduktionsmedizinische Techniken schwierige Fragen der Moral und Ethik und betreffen damit einen Bereich, in denen es keine gemeinsame Vorstellung der Konventionsstaaten gibt.5 Die Regelungen eines Mitgliedstaates zur Begründung von Elternschaft in den Fällen der Erzeugung eines Kindes mithilfe reproduktionsmedizinischer Techniken berühren das Grundverständnis jedes einzelnen Mitgliedstaates und aufgrund des engen Bezugs zur Menschenwürde gleichzeitig die Verfassungsautonomie und -identität. Sie spiegeln damit einen gesellschaftlichen Konsens über höchst komplexe und kulturell-, sozial- und politisch-verwurzelte Fragen der Bioethik wieder. Ein solcher Konsens über bestimmte Fragen der rechtlichen und ethischen Bewertung der Reproduktionsmedizin ist bereits innerhalb einzelner Mitgliedstaaten fraglich. Der Verordnungsvorschlag führt in seiner Begründung aus, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, dass alle Mitgliedstaaten die in Art. 2 EUV festgelegten Werte teilen, eine Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat rechtfertige.6 Damit schreitet die Kommission in ihrem Weg voran, Art. 2 EUV als föderale Homogenitätsklausel umzudeuten.7 Ein solches Verständnis von Art. 2 EUV beraubt die Mitgliedstaaten ihre genuine, in ihrer Staatlichkeit angelegte Verfassungsautonomie.

In einigen Mitgliedstaaten werden entgegen des Interesses des zu zeugenden Kindes Ei- und Samenzellen kommerziell und anonym gehandelt, die betroffenen Kinder haben kein Recht, Informationen über ihre genetische Eltern zu erhalten. In anderen Mitgliedsstaaten wie z. B. Griechenland dürfen sind „altruistische“ Leihmutterschaften zulässig, die Voraussetzungen werden Berichten zufolge jedoch kaum kontrolliert, so dass sich de facto doch eine Kommerzialisierung entwickelt hat.8 Durch den Verordnungsvorschlag müssten auch diese Begründungen von Elternschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat bewusst abgelehnt werden, dort anerkannt werden. Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ergeben sich hieraus erhebliche Bedenken in Bezug auf den Subsidiaritätsgrundsatz und den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung sowie die Verfassungsautonomie und -identität der Mitgliedstaaten. Die Anerkennung der Souveränität der Mitgliedstaaten wird durch die Forderung einer Anerkennung von materiell-rechtlichen Regelungen über die Begründung von Elternschaft in Frage gestellt, wenn in grenzüberschreitenden Fällen eine fragwürdige – und nach Verständnis des Mitgliedstaates rechtswidrigen – Gesetzgebung im Bereich des Familienrechts den anderen Mitgliedstaaten aufgedrängt wird.

4. Universelle Anwendung des Rechts führt zu Anerkennung von Elternschaften, die mit den Grundsätzen des EU-Rechts nicht vereinbar sind

Verschärft wird das unter III. 2. dargelegte Problem dadurch, dass Art. 16 des VO-Vorschlags vorsieht, dass das nach dem Verordnungsvorschlag als anzuwendende Recht bezeichnete Recht auch dann anzuwenden ist, wenn es sich um das Recht eines Drittstaates handelt (Universelle Anwendung des Rechts). Demnach betrifft dies auch das Verfahren, nach dem Leihmutterschaften in Nicht-EU-Staaten anerkannt werden können. In der EU ist gemäß der Geweberichtline von 20049 ein Handel mit Gewebe und Organen nicht zulässig. Damit ist jede Form des kommerziellen Handels mit Ei- und Samenzellen untersagt. Die Regelungen eines Drittstaates über die Begründung von Elternschaft sind gemäß dem Verordnungsvorschlag jedoch anzuerkennen, selbst wenn ein Handel mit Ei- und Samenzellen stattgefunden hat. Da der gewöhnliche Aufenthaltsort der gebärenden Person für das anzuwendende Recht ausschlaggebend ist, muss auch eine Leihmutterschaft, die in einem Drittstaat durchgeführt worden ist, anerkannt werden. Dies steht in einem erheblichen Konflikt zu den Grundsätzen der EU und führt de facto dazu , dass Verfahren anerkannt werden, die die zMenschenwürde (Art. 1 GRCh, Art. 1 Abs. 1 GG) verletzen, weil Kinder als handelbare Objekte behandelt werden und Schwangerschaft als Dienstleistung. s

5. Unionsweite Anerkennung von Elternschaft führt zu einer Steigerung des globalen „Reproduktionstourismus“

Der Verordnungsvorschlag kann dazu führen, dass der sogenannte „Reproduktionstourismus“ in der EU noch weiter gesteigert wird und „Wunscheltern“ für die Verwirklichung ihres Kinderwunsches mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen in EU-Mitgliedstaaten reisen, die schwächere Regulierungen zum Schutz des Kindes aufweisen, um eine unionsweite Anerkennung ihrer Elternschaft sicherzustellen – und damit auch in dem Staat, in dem sie eigentlich ansässig sind. Dies würde zu einem „race to the bottom“-Effekt auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin führen.

Aufgrund der Anwendung des Rechts von Drittstaaten kann der Verordnungsvorschlag sogar dazu führen, dass der sogenannte „Reproduktionstourismus“ weltweit noch gesteigert wird und „Wunscheltern“ in Drittstaaten reisen, in denen Reproduktionsmedizin völlig unreguliert stattfindet und die Rechte der Kinder nicht geschützt werden und die Personen, die die Kinder zur Welt bringen, ausgebeutet werden. Auch auf globaler Ebene könnten die vorgeschlagenen Regelungen zu einem „race-to-the-bottom“-Effekt im Bereich der Regulierungen der Reproduktionsmedizin führen.

6. Ausschlussgründe vage und rechtsunsicher

Der Verordnungsvorschlag sieht eine Möglichkeit vor, die Anwendung einer Vorschrift des nach der Verordnung bestimmten Rechts zu versagen, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 22 Abs. 1 des VO-Vorschlags). Diese Ausnahme von der Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaates ist aber äußerst vage und unbestimmt. Der Vorschlag sieht hingegen vor, dass Mitgliedstaaten eine Ausnahme nicht anwenden können, um das Recht eines anderen Staates unangewendet zu lassen, wenn dies gegen die Charta verstößt (Art. 22 Abs. 2 des VO-Vorschlags). In der Begründung heißt es, dass die Ausnahme nicht gilt, um eine Rechtsvorschrift eines anderen Staates abzulehnen, in dem eine Elternschaft von zwei gleichgeschlechtlichen Eltern möglich ist (Seite 18 der Begründung). Darüber hinaus schweigt der Vorschlag über die Möglichkeiten von Ausnahmen.

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder ist die Regelung des Art. 22 VO-Vorschlags zur Ausnahme aufgrund eines offensichtlichen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu vage. Es bleibt unklar, wann eine Ausnahme eingreifen kann und wann sich ein Mitgliedstaat nicht auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung berufen kann. Daher sollte das Verbot von Leihmutterschaft hier zumindest ausdrücklich als ein Grund aufgenommen werden, auf den sich die Mitgliedsstaaten als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung berufen können.

7. Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, öffentlicher Urkunden mit verbindlicher Rechtswirkung, die Annahme öffentlicher Urkunden ohne verbindliche Rechtswirkung und die Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats bergen dieselben Problematiken

Aus Sicht des Vereins Spenderkinder sind die weiteren Regelungen zu einer unionsweiten Anerkennung von Elternschaft ebenfalls fragwürdig. Auch eine Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und von öffentlichen Urkunden durch einen Mitgliedstaat, mit denen die Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat begründet wird, führt dazu, dass Formen von Elternschaften anerkannt werden müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat bewusst zum Wohl des Kindes abgelehnt werden. Wiederum ist laut Verordnungsvorschlag eine Versagung der Anerkennung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) möglich, die jedoch nur ausnahmsweise und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen darf und nicht unter abstrakten Gesichtspunkten (vgl. S. 19 der Begründung des Verordnungsvorschlages).

8. Allgemeine Bemerkungen

In einigen Mitgliedsstaaten wie z. B. Spanien, Dänemark und Tschechien sind anonyme Samen- und Eizellenspenden nach wie vor zulässig und werden recht offensichtlich kommerzialisiert. Daher verwundert es doch stark, dass die Kommission nur einen Vorschlag über eine unionsweite Anerkennung solcher Praktiken vorlegt und nicht wenigstens gleichzeitig sicherstellt, dass durch Samen- und Eizellspenden gezeugte Menschen ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung, das auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt wird, auch tatsächlich verwirklichen können. Diesen Aspekt sollte die Bundesregierung daher bei den Verhandlungen zu dem Verordnungsvorschlag einbringen.

Die Bundesregierung sollte sich außerdem bemühen, dass der Leihmutterschaftstourismus in Drittstaaten unterbunden wird, in denen Leihmutterschaft kommerzialisiert durchgeführt wird und die Rechte der Kinder und Leihmütter nicht ausreichend geschützt werden. Die derzeitige Haltung beschränkt sich leider allgemein auf den Hinweis, dass man Wunscheltern entsprechende Verträge im Ausland nicht verbieten könne – und wenn das Kind geboren wurde darauf, dass man das Kind schützen müsse und daher eine Anerkennung zumindest dann zulässig sein müsse, wenn es sich um eine mit einer Gerichtsentscheidung begründeten Elternschaft handelt. Damit wird jedoch eine Situation geschaffen, in der man einen Rechtsbruch für diejenigen Wunscheltern in Deutschland legalisiert, die genug Geld und Zeit investieren. Das wird dann wiederum als Begründung herangezogen, warum Leihmutterschaft (zumindest „altruistisch“) auch in Deutschland erlaubt werden sollte. Die Bundesregierung sollte daher von den Staaten fordern, die derzeit die Hotspots des Leihmutterschaftstourismus darstellen, dass sie ihre „Leistungen“ nur noch an im Inland ansässige Personen vermitteln. Kinder und Schwangerschaft sollten kein Exportgut sein.

1 Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 (COM(2020) 698 final), S. 21.

2VO-Vorschlag, Erwägungsgrund 2.

3Position des Vereins Spenderkinder zu Leihmutterschaft: https://www.spenderkinder.de/leihmutterschaft/

4 EGMR (Große Kammer), Urt. v. 3. 11. 2011 – 57813/00 (S. H. u. a. / Österreich).

5 VO-Vorschlag, Erwägungsgründe Ziff. 21.

6 Nettesheim, EuR 2022, 525 (533 ff.).

7 EG-Richtlinie 2004/23/EG.

8Vgl. Zeit Online vom 24. Mai 2019: Das ist nicht ihr Baby, https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-05/leihmuetter-griechenland-babys-kinderlose-paare-deutschland/komplettansicht

9Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, V.M.S./Stolincha obshtina, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008.

Die Position des Vereins Spenderkinder zu Leihmutterschaft

Leihmutterschaft1 ist ein viel diskutiertes Thema, manche fordern die Zulassung zumindest „altruistischer“ Leihmutterschaft auch in Deutschland. Der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP sieht die Einsetzung einer Kommission vor, die die Möglichkeit der Zulassung von „Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft“ (wir bevorzugen die neutraleren Begriffe „Eizellvermittlung und nicht-kommerzielle Leihmutterschaft“) in Deutschland prüfen soll.

Der Verein Spenderkinder lehnt Leihmutterschaft ab, weil diese gegen die Interessen und gegen die Würde des Kindes verstößt und Menschen zu Handelsobjekten macht. Außerdem verstößt sie häufig gegen die Interessen der Person, die das Kind austrägt. Die Ablehnungsgründe möchten wir in diesem Artikel etwas ausführlicher erklären.

1. Was ist Leihmutterschaft?

Eine Leihmutter trägt bewusst ein Kind für ein Paar oder eine Einzelperson aus und gibt das Kind nach der Geburt an diese ab, üblicherweise gegen Geld oder eine Aufwandsentschädigung.2 Der Begriff der „Leihmutter“ ist beschönigend, weil eine Leihe unentgeltlich ist. Zutreffender wäre eigentlich „Mietmutter“ (um die Entgeltlichkeit zu betonen) bzw. biologische Mutter oder biologischer Elternteil. Wir verwenden den Begriff „Leihmutter“ in diesem Text trotzdem, weil er bekannt ist.

Grund für eine Leihmutterschaft sind meistens Probleme der Wunscheltern, ein Kind selbst auszutragen, oft wegen Fehlbildungen der Gebärmutter oder weil keine Gebärmutter vorhanden ist, aber auch Autoimmunerkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente. Zumindest bei sehr erfolgreichen Menschen sind auch Fälle bekannt, bei denen die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit durch eine Schwangerschaft vermieden werden sollte3.

Wenn die eigenen Eizellen der Leihmutter befruchtet werden, ist die das Kind austragende Person nicht nur biologischer Elternteil, sondern auch genetischer Elternteil des Kindes (auf englisch bezeichnet als „traditional surrogacy“). Diese Form ist heute kaum noch üblich, weil auf Grund der genetischen Verwandtschaft zu dem Kind die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sich die Leihmutter zu sehr an das Kind gebunden fühlt und es nicht abgeben möchte4. In der heute fast ausschließlich angewandten Form trägt die Leihmutter einen mit den Eizellen einer anderen Person gezeugten Embryo aus (etwas beschönigend als „gestational surrogate“ bezeichnet). Es handelt sich für die austragende Person also um ein genetisch fremdes Kind. Die Eizelle kommt meist entweder von einem Wunschelternteil oder von einer weiteren Person, die ihre Eizellen abgegeben hat.

Die Leihmutter wird für das Austragen des Kindes üblicherweise bezahlt (kommerzielle Leihmutterschaft). Der gezahlte Preis hängt von dem Einkommensniveau des Landes ab. In einigen Ländern wie Großbritannien und Griechenland ist nur eine nicht kommerzielle („altruistische“) Leihmutterschaft erlaubt, bei der die Leihmutter nur eine „Aufwandsentschädigung“ erhält. Allerdings muss in diesen Fällen genauer hingesehen werden, wie hoch diese Aufwandsentschädigung auffällt und inwiefern überhaupt kontrolliert wird, dass nicht illegal doch eine Bezahlung vereinbart wird.5

Da genetische bzw. biologische und soziale Elternschaft geplant auseinander fallen, sind Kinder aus Leihmutterschaft Spenderkinder. Das Besondere an der Leihmutterschaft ist dabei, dass vor der Zeugung bereits geplant wird, dass das entstandene Kind nach der Geburt von seiner biologischen Mutter getrennt und anderen Personen übergeben wird. Im Unterschied dazu werden bei einer Adoption geeignete Aufnahme-Eltern für ein bereits gezeugtes oder geborenes Kind gesucht, weil es nicht bei den Geburtseltern bleiben kann. Bei der Vermittlung von Samen- bzw. Eizellen  werden nur die jeweiligen Geschlechtszellen übergeben und nicht ein geborenes Kind. 

2. Rechtslage

2.1 Deutschland

Die Vermittlung von Leihmutterschaft ist in Deutschland strafbar.6 Bestraft werden allerdings nur Vermittler*innen und Ärzt*innen, nicht die Wunscheltern oder die Leihmutter. Ebenfalls nicht erlaubt ist die Vermittlung von fremden Eizellen, die in vielen Fällen zur Leihmutterschaft dazukommt. Nicht bestraft werden allerdings Wunscheltern, die eine Leihmutter in anderen Ländern engagieren. 

Verträge über Leihmutterschaft sind in Deutschland sittenwidrig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen7 und weil sie das entstehende Kind zum Handelsobjekt machen, was es in seiner grundrechtlich garantierten Würde verletzt. Entsprechende Verträge können daher in Deutschland rechtlich nicht durchgesetzt werden.

Auch im deutschen Abstammungsrecht gibt es das Konzept einer Leihmutter nicht. Mutter ist nach § 1591 BGB immer die Frau, die das Kind geboren hat, unabhängig davon, ob sie mit dem Kind genetisch verwandt ist. Damit ist eine Leihmutter rechtlich gesehen immer die Mutter des Kindes.

Wegen des grundrechtlich garantierten Schutzes der Menschenwürde ist es wahrscheinlich, dass Leihmutterschaft in Deutschland nur in sehr engen Grenzen zugelassen werden dürfte. Die FDP fordert die Zulassung nicht-kommerzieller Leihmutterschaft.8 In dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 wurde daher vereinbart, dass eine Kommission eingesetzt werden soll, um die Zulassung von „altruistischer“ (also nicht-kommerzieller) Leihmutterschaft zu prüfen.

Auch bei einer „altruistischen“ (nicht-kommerziellen) Leihmutterschaft müsste die Mutter wegen grundrechtlicher Wertungen wohl letztlich die Entscheidung darüber behalten, ob sie das Kind wirklich abgeben möchte, und wie bei der Freigabe zur Adoption eine mehrwöchige Bedenkzeit  erhalten9, vor der die Übergabe des Kindes nicht stattfinden darf. Zudem müsste wie auch bei der Adoption sichergestellt werden, dass die Annahme des Kindes durch andere als seine Geburtseltern in seinem Wohl liegt. Dann besteht aber nur wenig Unterschiede zu einer Adoption und ein neues Rechtsinstitut ist nicht erforderlich.

Allerdings beschäftigen regelmäßig Fälle die deutschen Gerichte, bei denen deutsche Staatsbürger Kinder durch Leihmütter im Ausland austragen lassen.10 Anschließend beantragen sie eine Anerkennung der ausländischen Rechtslage oder einer ausländischen Gerichtsentscheidung in Deutschland oder beantragen eine Einreisegenehmigung für das Kind. Die Tendenz in der deutschen Rechtsprechung geht dahin, dass allein die Zulässigkeit von Leihmutterschaft in einem anderen Land nicht dazu führt, dass das Kind in Deutschland wohnenden Wunscheltern zugeordnet wird. Allerdings können Gerichtsentscheidungen über Leihmutterschaft aus den USA nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs anerkannt werden.11 Dies gilt jedoch nicht für Länder wie die Ukraine oder Russland. In einigen Fällen haben die Wunscheltern jahrelang auf Einreisepapiere für die Kinder gewartet.12 Wenn der Wunschvater auch der genetische Vater des Kindes ist, kann er das Sorgerecht erhalten und der nicht-genetische Elternteil das Kind unter Umständen später adoptieren. Zwar sieht § 1741 Absatz 1 Satz 2 vor: „Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.“ Das soll jedoch nicht für Leihmutterschaft gelten, sondern Kinderhandel und vergleichbaren Praktiken entgegenwirken.13

Schwierig an der letztlich auf diesem Weg möglichen Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen bzw. der Adoption ist, dass damit diejenigen Wunscheltern eine Leihmutterschaft durchsetzen können, die fähig und bereit sind, deutsche Gesetze zu brechen und genügend Geld zu investieren.

2.2 Europa

Kommerzielle Leihmutterschaft ist in den meisten europäischen Staaten nicht erlaubt.14 In einigen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien ist eine nicht-kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt, bei der die austragende Person aber eine Aufwandsentschädigung zwischen 12.000 und 20.000 Pfund erhält.15 In Griechenland sind nicht-kommerzielle Leihmutterschaften erlaubt, wenn ein Richter sie genehmigt. Voraussetzung ist, dass sowohl die Wunscheltern wie auch die Leihmutter einen ständigen Wohnsitz in Griechenland und ein Näheverhältnis haben. Beides wird bei der Ausstellung richterlicher Genehmigungen aber anscheinend kaum überprüft. Die Personen, die die Kinder austragen, stammen oft aus armen Nachbarstaaten wie Bulgarien, Albanien und der Ukraine.16

In Europa bieten inzwischen insbesondere die Ukraine und Russland Leihmütter an, zum Teil sogar über deutschsprachige Anzeigen über Google Ads oder auf Verbrauchermessen in Deutschland wie den Kinderwunschtagen. In einigen Ländern ist die Rechtslage so ausgestaltet, dass unmittelbar die Wunscheltern als Eltern des Kindes gelten.

Fälle zur Anerkennung von Leihmutterschaft im Ausland haben mehrfach den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschäftigt.17 Der EGMR hat ein französisches Gesetz  gerügt, das eine Anerkennung von durch Leihmutterschaft in den USA geborenen Kindern durch den genetischen Vater untersagte.18 Dabei stellt es vor allem auf den Schutz der Kinder ab, die trotz bestehender genetischer Verwandtschaft zum französischen Vater keine offiziell anerkannte rechtliche Bindung herstellen konnten. Der Gerichtshof hat es aber nicht als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingestuft, wenn durch Leihmutterschaft gezeugte Kinder durch den nicht-genetischen Elternteil erst adoptiert werden müssen19 oder wenn eine Adoption eines durch Leihmutterschaft entstandenen Kindes nicht möglich ist, weil keiner der Wunscheltern mit dem Kind genetisch verwandt ist.20

2.3 Weltweit

Weltweit besteht ein erheblicher Leihmutterschaftstourismus, vor allem aus Industriestaaten mit einer teilweise restriktiveren Gesetzeslage in Länder mit geringerem Einkommen.21

Neben grundsätzlichen ethischen Bedenken an Leihmutterschaft (Kinderhandel, Vermeidung emotionaler Beziehung zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft, geplante Trennung des Kindes von erster Bezugsperson) ist an diesem Tourismus insbesondere bedenklich, dass viele dieser Länder die Wunscheltern nicht überprüfen und die Leihmütter durch Agenturen faktisch ausgebeutet werden. In der Ukraine sind dem Vernehmen nach Verträge üblich, in denen Abzüge bei Komplikationen in der Schwangerschaft drohen und kein Kontakt zwischen Leihmutter und Kind nach der Geburt vorgesehen ist.22

Auch in den USA, wo in einigen Bundesstaaten Leihmutterschaft relativ weit verbreitet und sehr professionalisiert ist,23 werden vor allem Frauen mit geringem Einkommen Leihmütter. Dennoch nehmen Gerichte an, dass die Rechte der Leihmutter und des Kindes in den USA noch am ehesten geschützt werden.

In der Vergangenheit waren Länder mit geringem Einkommensniveau für den Leihmutterschaftstourismus sehr attraktiv, bis sich die bedenklichen Fälle so häufen, dass die entsprechende Regierung Maßnahmen dagegen trifft.24 So wurden in Thailand und Indien Vereinbarungen mit Ausländern über Leihmutterschaft verboten, nachdem regelrechte Babyfabriken entdeckt wurden, in denen sich die schwangeren Leihmütter aufhielten.

Der Leihmutterschaftstourismus funktioniert im Ergebnis, weil die meisten Staaten durch Leihmutterschaft ausgetragene Kinder schließlich doch einreisen lassen, wenn die Wunscheltern dort ansässig sind, auch wenn Leihmutterschaft in dem Herkunftsstaat verboten wird.

Eigentlich müssten international durch die Zusammenarbeit verschiedener Staaten mehr Maßnahmen getroffen werden, um Leihmutterschaftstourismus zu verhindern. Artikel 35 der UN-Kinderrechtskonvention sieht vor, dass alle unterzeichnenden Staaten angemessene nationale, bilaterale und multilaterale Maßnahmen treffen müssen, um die Entführung, den Kauf und den Handel von Kindern in jeglicher Form zu verhindern. Die Konvention ist fast von allen UN-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme der USA unterzeichnet worden.

3. Leihmutterschaft aus Sicht des Kindes

Die gezielte Trennung eines Kindes von der Person, die es ausgetragen hat, widerspricht dem Interesse des Kindes. Der große Unterschied zur Adoption ist dabei, dass das Kind bei einer Leihmutterschaft bewusst gezeugt wird, um es an andere Menschen (meist gegen Bezahlung) abzugeben. Bei einer Adoption wird dagegen auf eine Notlage der das Kind austragenden Person reagiert und die annehmenden Eltern unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausgesucht.

3.1 Verstoß gegen die Menschenwürde

Wegen der vertraglich vereinbarten Abgabe gegen Geld ist das Kind bei einer Leihmutterschaftsvereinbarung ein Handelsgegenstand. Wird das Kind den Eltern nicht übergeben, erhält die Leihmutter auch kein Geld. Ein handelbares Objekt zu sein, widerspricht der Würde und dem Achtungsanspruch eines Menschen. Strafrechtlich ist die Ausbeutung und der Handel von Menschen in den meisten Staaten verboten. Bei Leihmutterschaft wird dies – meist ohne Angabe von Gründen – anders gesehen. Dabei sollte gerade die Zeugung eines Kindes in der Absicht, es gegen Geld weiterzugeben, für Menschenhandel sprechen.

Auch wenn ein Vertrag über die Übergabe des Kindes geschlossen wird, ohne dass dafür Geld bezahlt werden soll, wird das Kind als Vertragsobjekt betrachtet. Deshalb verstößt auch die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft gegen die Würde des Kindes.

3.2 Bewusste Verhinderung einer Beziehung zwischen biologischer Mutter und dem Kind

Leihmutterschaft trennt bewusst die natürliche Beziehung zwischen dem Kind und dem Elternteil, der es ausgetragen hat. Das gesamte Konzept der Leihmutterschaft wird inzwischen so ausgestaltet, dass eine Bindung zwischen der austragenden Person und dem Kind möglichst verhindert werden soll. So werden die Kinder fast ausschließlich per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und die das Kind austragende Person darf es nicht stillen.

In den neun Monaten der Schwangerschaft entwickelt das Baby eine Bindung zur austragenden Person, indem es die Stimme, den Herzschlag, Gerüche und Geschmack in der Gebärmutter wahrnimmt. Diese Bindung wird bei der austragenden Person bei normalen Schwangerschaften von Ärzt*innen und Hebammen gefördert. Eine Leihmutter soll sich dagegen emotional von dem Kind abschotten, damit sie es nach der Schwangerschaft abgeben kann. Das liegt nicht im Interesse des Kindes. Babys können ein tiefes unterbewusstes Trauma erleiden, wenn sie von der Person bewusst getrennt werden, die ihnen Schutz und Sicherheit bietet. So ist eine Freigabe zur Adoption immer eine Notlösung aufgrund tragischer äußerer Umstände.  

3.3 Gespaltene und kommerzialisierte Mutterschaft kann für das Kind problematisch sein

Bei Leihmutterschaften wird genetische, biologische und soziale Elternschaft bewusst getrennt. Ein durch Leihmutterschaft entstandenes Kind kann fünf oder mehr Elternteile haben: einen das Kind austragenden biologischen Elternteil, den genetischen Elternteil von dem die Eizelle stammt, den genetischen Elternteil von dem der Samen stammt und einen oder mehrere soziale Wunscheltern.

Die Trennung in biologische, genetische und soziale Elternschaft kann zu Verunsicherung des Kindes führen, wer zu den Eltern zählt und welchen Stellenwert diese innehaben – für das Kind selbst, aber auch für andere Personen, mit denen das Kind in Kontakt kommt. Manche Wunscheltern scheinen sich dieser Probleme durchaus bewusst zu sein: ein schwules Wunschelternpaar wird in dem Buch „Kind auf Bestellung“ so zitiert, dass sie sich entschieden haben, dem Sohn zu erzählen, dass die Leihmutter die Mutter sei, um es nicht noch komplizierter zu machen.25

Für das Kind stellen sich die gleichen herausfordernden Fragen wie für andere Spenderkinder:  „Wie komme ich damit zurecht, dass mein genetischer oder biologischer Elternteil mich – evtl. gegen Geld – abgegeben hat? Was mache ich, wenn der weitere biologische oder genetische Elternteil möglicherweise keinen Wert auf eine soziale Beziehung zu mir legt? Wie kann ich miteinander vereinbaren, dass ich an meiner Abstammung interessiert bin, während sich meine Eltern wünschen, dass vor allem die soziale Beziehung zählt? Welche Art von Beziehung kann zu den genetischen Verwandten eingegangen werden?“

Bei nicht-kommerziellen Leihmutterschaften ist die Leihmutter meistens eine Verwandte der Wunscheltern.26 Das kann für das Kind jedoch schwierig sein, weil sich damit die Familiengrenzen verschieben. Für das Kind kann unklar sein, ob die Leihmutter die Tante / Oma oder die Mutter ist.

Auch wenn die ersten durch Leihmutterschaft entstandenen Menschen erwachsen geworden sind, gibt es bislang keine wissenschaftlichen Langzeitstudien über die Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung und wie diese Menschen selbst den Umstand der Spaltung in einen genetischen und einen biologischen Elternteil und grundsätzlich ihre Entstehung erleben. Zwar gibt es Studien, nach denen Kinder und Jugendliche, die mit Leihmutterschaft entstanden sind, ihre Entstehungsweise grundsätzlich positiv sehen, psychopathologisch unauffällig sind und sozial funktionieren.27 Vom „sozialen Funktionieren“ kann jedoch nicht auf das tatsächliche Erleben der Spenderkinder geschlossen werden (siehe auch unser Beitrag „Wie gut geht es Spenderkindern wirklich“ sowie die beiden Blogs Son of a Surrogate und The other side of surrogacy)). Von durch Samenvermittlung gezeugten Menschen weiß man, dass die Entstehungsweise – wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter an Bedeutung gewinnt, wenn sie sich zunehmend von ihrer Herkunftsfamilie emotional lösen. Es gibt Hinweise darauf, dass – nicht nur in Deutschland – erwachsene Spenderkinder Keimzellvermittlung kritischer sehen, als dies von der Reproduktionsmedizin und Wunscheltern gewünscht ist.

Für die entstehenden Kinder ist es verletzend, wenn der biologische Elternteil sie primär aus finanziellen Interessen bekommen hat, um sie abzugeben. Das gilt auch für die sogenannte altruistische (also nicht-kommerzielle) Leihmutterschaft, weil bereits eine Aufwandsentschädigung einen starken finanziellen Anreiz darstellen kann.

3.4 Gesundheitsgefahren für das Kind

Babys, die mit Eizellen einer anderen als der austragenden Person gezeugt wurden, wie es bei Leihmutterschaft meistens der Fall ist, haben ein erhöhtes Risiko mit einem geringen Gewicht und zu früh zur Welt zu kommen.28 Das gilt selbst im Vergleich zu Babys, die durch eine In-vitro-Fertilisation gezeugt werden, bei der bereits höhere Gesundheitsrisiken bestehen als bei natürlichen Schwangerschaften. Diese Risiken werden mit Gesundheitsgefahren im späteren Leben verbunden wie Herzkrankheiten und Diabetes.

4. Leihmutterschaft als ethisches Problem

Auch aus einer allgemeineren ethischen Perspektive beinhaltet Leihmutterschaft eine Vielzahl an ethischen Problemen: Ausbeutung und Degradierung von Frauen, eine (teilweise sehr weitereichende) Bestimmung über den Körper der austragenden Person und die Verlagerung der Gesundheitsgefahren einer Schwangerschaft und Geburt.

4.1 Ausbeutung der das Kind austragenden Personen

Leihmutterschaft ist wie Kinderarbeit ein Phänomen der Armut.29

Die meisten Personen, die für andere Menschen ein Kind austragen, gehören zu der ärmeren Bevölkerungsschicht. Die “Dienstleistung” wird daher meistens primär aus finanzieller Not angeboten – was angesichts der körperlichen Belastungen durch eine Schwangerschaft und der damit verbundenen Fremdbestimmung nachvollziehbar ist.

Auch in Industriestaaten wie den USA kommt Leihmutterschaft typischerweise nur für ärmere und weniger gebildete Frauen in Frage. Laut dem Bericht Surrogacy in America stammt die durchschnittliche US-Leihmutter aus der unteren Mittel- oder Unterschicht und besitzt eine niedrige Schulbildung und ein geringes Familieneinkommen.30 Aufsehen erregte der Bericht „Her Body, My Baby“ der US Lifestylejournalistin Alex Kuczynski aus dem Jahr 2008, in dem sie über den von ihr als Wunschmutter abgeschlossenen Leihmutterschaftsvertrag berichtet und in dem die Macht- und Geschäftverhältnisse zwischen weißer Auftraggeberin und schwarzer Leihmutter insbesondere durch die dazugehörigen Bilder deutlich werden.

Ein erhebliches Macht- und Informationsgefälle zwischen Wunscheltern und der das Kind austragenden Person gibt es insbesondere bei Leihmutterschaftstourismus in Länder wie Indien, Kambodscha, Thailand und Nepal. So weist Eva Maria Bachinger darauf hin, dass die meisten indischen Leihmütter Analphabetinnen seien und den von ihnen abgeschlossenen Vertrag daher nicht lesen können. Die Verträge würden meistens erst im vierten Schwangerschaftsmonat unterzeichnet, wenn die Frauen nicht mehr zurücktreten könnten und faktisch gezwungen wären, nahezu beliebige Bedingungen zu akzeptieren. Trete im Verlauf der Schwangerschaft ein Problem auf, entschieden die Paare oder die Klinik über einen Abbruch.31

Hiergegen wird oft vorgebracht, dass daher Leihmutterschaft in den Herkunftsstaaten der Wunscheltern zugelassen werden sollten, wo die Bedingungen reglementiert werden könnten. Das ist aber fraglich. Das Hauptmotiv für Wunscheltern, für reproduktive Maßnahmen ins Ausland zu gehen, sind laut einem Bericht des Europäischen Parlaments die damit verbundenen Kosten.32 Man geht dahin, wo es am billigsten ist, auch wenn die eigenen Gesetze liberal sind. Dafür sprechen Erfahrungen mit der Eizellvermittlung: Obwohl in UK die Abgabe von Eizellen zugelassen ist, gehen viele Britinnen hierfür nach Spanien, Tschechien und Griechenland aus, weil das Angebot größer ist und weil es günstiger ist.33

Medizinisches Fachpersonal und Reproduktionskliniken behaupten meistens, dass die Leihmütter vor allem altruistisch motiviert seien und Menschen mit Kinderwunsch helfen wollen. Das sind jedoch typische Verkaufsargumente, die den beunruhigenden Aspekt der Kommerzialisierung verdecken sollen.34 Man möchte den Eindruck vermeiden, dass man ein Kind kaufen kann. Von dieser Argumentation überzeugt ist aber letztlich niemand: Würde man der Leihmutter und ihrer Selbstlosigkeit vertrauen, müsste man keine Verträge mit ihr schließen, die notfalls gerichtlich durchgesetzt werden können.35

Wunscheltern weisen oft darauf hin, dass die Leihmutter ihnen selbst gesagt habe, dass sie sich über ihre Tätigkeit freue und auch nach der Geburt weiterhin Kontakt zu der Familie hat. Was eine Person, die Eizellen oder das von ihr ausgetragene Kind abgibt, zu Wunscheltern und dem medizinischen Fachpersonal sagt, ist aber wohl oft gut überlegt.36 Die Leihmütter sind auf ein gutes Verhältnis zu den Kunden angewiesen (insbesondere falls sie einen Kontakt zu dem Kind wünschen) bzw. auf eine gute Bewertung gegenüber der Agentur, falls sie weitere Folgeaufträge benötigen. Es ist eine Dienstleistung, bei der die Wunscheltern als Kunden ein gutes Gefühl behalten sollen. In Interviews wird deutlich, dass bei kommerzieller Leihmutterschaft vor allem finanzielle Motive bestehen und die austragenden Personen sehr bewusst Gefühle gegenüber dem Kind verhindern.37

Bei der nicht-kommerziellen, oft auch schönfärbend als „altruistisch“ bezeichneten Leihmutterschaft kann eine Aufwandsentschädigung zwischen 12.000 und 20.000 Britischen Pfund, wie sie im Vereinigten Königreich gezahlt wird, einen finanziellen Anreiz darstellen. Ob man hier noch von nicht-kommerzieller Leihmutterschaft bzw. Altruismus sprechen kann, ist fraglich. Bei rein unentgeltlicher Leihmutterschaft für nahe stehende Personen sollte außerdem der erhebliche Druck nicht unterschätzt werden, der bei Leihmutterschaften durch enge Verwandte auftreten kann. Wenn ein Geschwisterkind, das Kind oder eine sehr nahestehende Person nur über eine Leihmutterschaft Eltern werden kann, werden viele es schwierig finden, den Wunsch abzulehnen. Um solchen Druck zu verhindern, besteht bei Organspenden durch Verwandte die Praxis, dass das medizinische Fachpersonal anbietet, den Erkrankten mitzuteilen, dass der Verwandte genetisch nicht passt. Die Bezeichnung als altruistisch passt auch deshalb nicht, weil das beziehungslose Austragen und die Trennung des Kindes nach der Geburt vom austragenden Elternteil nicht dem Wohl des Kindes dienen. 

In der Regel finden sich nur wenige Personen, die bereit sind, ohne finanzielle Gegenleistung ein Kind für andere Menschen auszutragen. In dem Vereinigten Königreich wurden im Jahr 2020 insgesamt 413 Leihmutterschaften registriert, die Nachfrage übersteigt deutlich das Angebot.38 In Australien, wo ebenfalls nur nicht-kommerzielle  Leihmutterschaft zulässig ist, wird die Zahl der Leihmutterschaften auf etwa 100 pro Jahr geschätzt. Häufig wird deswegen auch in Ländern, in denen nicht-kommerzielle Leihmutterschaft zulässig ist, die Forderung erhoben, auch kommerzielle Leihmutterschaft zuzulassen, weil die Nachfrage höher ist.39

Eva Maria Bachinger beschreibt die Mechanismen folgendermaßen: Die Nachfrage wird größer sein als das Angebot. Die Nachfrage schafft das Angebot, wenn Geld fließt. Und eins ist sicher: die größten Profiteure sind die Ärzte und Vermittler.40

Manche fordern eine freie Entscheidung von Frauen, als Leihmutter tätig werden zu können, als Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper. Die Personen, die solche Meinungen vertreten, sind jedoch meistens nicht diejenigen, die ihre Eizellen verkaufen oder Kinder für andere austragen würden. Zumindest kommerzielle Leihmutterschaft ist überwiegend ein Phänomen von Armut. Wunscheltern nutzen damit eine Notlage aus. Eine Entscheidung aus materieller Not heraus ist zwar rational, aber nicht frei. Würde man Leihmüttern die Möglichkeiten eröffnen, sinnvolle, erfüllende Aufgaben anzunehmen, mit fairen Arbeitsbedingungen und zu akzeptablen Löhnen, würden sie diese wohl annehmen. Die Realität ist, dass sie diese Möglichkeiten nicht haben. Diese Tatsache mit Autonomie zu beschönigen, ist unverfroren und zynisch.41 Auch bei einer nicht kommerziellen Leihmutterschaft liegt ein erheblicher Druck auf Menschen nahe,  Freunden/Geschwistern/Kindern den Kinderwunsch zu erfüllen und für sie ein Kind auszutragen.

Hinzu kommt, dass es sich um eine Verpflichtung für mindestens neun Monate handelt, aus der sich die Person, die das Kind austrägt, nicht einfach lösen kann, vor allem wenn eine Schwangerschaft erst einmal besteht. Eine solche Ausbeutung zu verbieten ist auch nicht bevormundend. Aus gutem Grund ist auch der Verkauf von Organen verboten oder die Entscheidung, sich versklaven zu lassen.

4.2 Bestimmung über den Körper der austragenden Person und Verlagerung der Gesundheitsgefahren einer Schwangerschaft

Eine Frau trägt und gebiert ihr Kind auch heuzutage und trotz Hightech Medizin unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit.42

Eine Schwangerschaft ist emotional und physisch herausfordernd, jedoch normalerweise mit der Vorfreude auf ein Kind verbunden. Für eine andere Person schwanger zu sein, beinhaltet dagegen, sich für Monate für jemand anderen bereit zu halten und Einschränkungen im Privatleben, der Gesundheit und der Arbeit hinzunehmen. Dazu kommt, dass Leihmütter oft eine zusätzlich belastende hormonelle Stimulation erhalten und mehrere Embryonen eingesetzt bekommen und daher oft Mehrlingsschwangerschaften austragen.

Leihmütter müssen sich oft vertraglich verpflichten, einen bestimmten Lebenswandel zu führen, sich mit einer Fruchtwasserpunktion einverstanden zu erklären und den Fötus im Fall einer Behinderung abzutreiben.43 Aus Kalifornien sind Verträge bekannt, nach denen die austragende Person nicht ins Ausland reisen darf, ab der 20. Schwangerschaftswoche auch nicht außerhalb Kaliforniens, keine schweren Gegenstände heben darf (einschließlich ihrer Kinder) und nur nach ärztlicher Genehmigung Geschlechtsverkehr haben darf. Sie muss die Auftraggeber regelmäßig über die Schwangerschaft auf dem Laufenden halten, mailen, anrufen, treffen und Fotos schicken.44

Personen, die mit fremden Eizellen schwanger werden, haben ein deutlich höheres Risiko für Schwangerschaftsvergiftung und hohen Blutdruck.45 Mehrere Leihmütter sind bereits an Schwangerschaftskomplikationen gestorben.46 Dieses Risiko wird in der Regel nicht thematisiert.

Viele Leihmütter berichten außerdem, dass die Wunscheltern und Agenturen sich nach der Geburt des Kindes nicht mehr um sie gekümmert haben, wenn es Folgekomplikationen gab.47 Als Russland die Ukraine im Frühjahr 2022 angriff, verhinderten ukrainische Leihmutterschaftsagenturen Medienberichten zufolge mit Drohungen, dass schwangere Leihmütter aus dem Kriegsgebiet flohen oder ließen sich von den flüchtenden Leihmüttern versichern, dass sie zum Geburtstermin zurück in die Ukraine reisen. Leihmütter wurden gezwungen, einen Tag nach der Geburt im Bunker auf eigene Faust nach Hause zu kommen.48

5. Öffentlich gewordene problematische Leihmutterschaftsfälle

Leihmutterschaftsvereinbarungen können zu schwierigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten führen. Es wird immer Fälle geben, in denen die Wunscheltern sich aus der Vereinbarung lösen möchten, eine Abtreibung von der Leihmutter verlangen oder die Kinder nach der Geburt nicht annehmen möchten. Auf der anderen Seite kann es auch Leihmütter geben, die gegenüber dem Kind eine Bindung entwickeln und es nicht abgeben möchten. Das kann bedeuten, dass Gerichte komplizierte und sehr emotionale Fälle über die Herausgabe eines Kindes lösen müssen. Bekannt geworden sind folgende Fälle:

5.1 Leihmutter möchte das Kind nicht abgeben

Ein sehr naheliegender Konflikt ist, dass die Leihmutter das Kind nach der Geburt nicht abgeben möchte. Der erste berühmte Fall dieser Art geschah 1986 im US-Bundesstaat New Jersey und wurde als „Baby M“-Fall bekannt. Das Baby war auch das genetische Kind der Leihmutter, die es wegen der Ähnlichkeiten zu ihren Kindern nach der Geburt nicht abgeben wollte. Das Sorgerecht wurde in erster Instanz den Wunscheltern zugesprochen. Erst der Supreme Court of New Jersey nahm in zweiter Instanz eine Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtungen an, sprach das Sorgerecht aus Gesichtspunkten des Wohls von Baby M den Wunscheltern zu, weil es zu dem Zeitpunkt bereits eineinhalb Jahre bei diesen gelebt hatte. Seitdem achten Agenturen darauf, fremde Eizellen zu verwenden.

In dem Fall Johnson vs. Calvert im US-Bundesstaat Kalifornien wollte eine Leihmutter im Jahr 1990 das genetisch mit ihr nicht verwandte Kind nach Auseinandersetzungen mit den Wunscheltern ebenfalls nicht abgeben. Alle Instanzen (und letztinstanzlich der Supreme Court of California 199349 entschieden, dass die Wunscheltern als die genetischen Eltern auch die rechtlichen Eltern des Kindes seien, weil sie die Intention zur Elternschaft gehabt hätten. Die Leihmutter sei dagegen nur eine Pflegemutter und Amme.

5. 2 Wunscheltern möchten das Kind nicht annehmen

Regelmäßig gibt es auch Fälle, in denen die Wunscheltern das durch Leihmutterschaft ausgetragene Kind nicht annehmen – meistens weil es behindert ist, zum Teil aber auch ohne Grund.50 Berühmt geworden ist der Fall „Baby Gammy“ im Jahr 2014, bei dem die australischen Wunscheltern den Jungen Gammy, der einen Herzfehler und das Down-Syndrom hatte, bei der thailändischen Leihmutter ließen und nur seine gesunde Zwillingsschwester nach Australien holten. Aber auch in der Ukraine gibt es mehrere Fälle von Leihmutterschaftskindern, die von den Wunscheltern nicht angenommen wurden.51

In Australien wollte ein Paar ein durch Leihmutterschaft geborenes Kind nicht annehmen, weil die Reproduktionsklinik versehentlich den Samen eines fremden Mannes und nicht des Ehemannes verwendet hatte.52

5. 3 Wunscheltern verlangen Abtreibung

In fast allen Leihmutterschaftsverträgen wird die Leihmutter verpflichtet, bei einer Schwangerschaft mit mehreren Kindern oder bei Krankheit der Kinder diese auf Verlangen der Wunscheltern abzutreiben. In den USA versuchte ein alleinstehender Wunschvater die Leihmutter zu einer Abtreibung von einem von drei Embryonen zu zwingen, weil er nicht drei Kinder haben wollte. Als sie sich weigerte, drohte er, sie finanziell mit einer Schadensersatzklage wegen einer Vertragserletzung zu ruinieren. In einem anderen Fall brachte eine Leihmutter das erkrankte Kind gegen den Willen der Wunscheltern zur Welt, die ihr 10.000 Dollar für eine Abtreibung zusätzlich anboten und sie verklagten. In einem Fall wollten die Wunscheltern ohne besonderen Grund keine Kinder mehr bekommen53

5.4 Zweifel an der Eignung der Wunscheltern

Zum Teil beauftragen Menschen Leihmutterschaften, die vermutlich kein Kind hätten adoptieren dürfen. So war der Wunschvater in dem Baby Gammy Fall wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Gegen einen Wunschvater in den USA ermittelte das FBI wegen sexueller Gewalt gegen Minderjährige und Menschenhandel mit Kindern.54 Ein alleinstehender Japaner ließ 13 Kinder durch thailändische Leihmütter austragen, um seinen Kinderwunsch zu befriedigen.

6. Kommission zur Zulassung der „altruistischen“ (nicht-kommerziellen) Leihmutterschaft in Deutschland

Die im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 angekündigte Kommission, die die Zulassung von „Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft“ in Deutschland diskutieren soll, wird derzeit erst eingesetzt. Wir hoffen, dass in dieser Kommission auch Personen vertreten sein werden, die die Perspektive der betroffenen Kinder vertreten – und nicht nur solche, die die Interessen von  Wunscheltern und der Reproduktionsindustrie repräsentieren.

Wir sind gespannt, welche Antworten die Kommission zu den folgenden Fragen finden wird:

  • Wie kann sichergestellt werden, dass eine Leihmutterschaft tatsächlich nicht-kommerziell ist? Wer überprüft das?
  • Soll eine Leihmutterschaft nur mit Eizellen und Samen der Wunscheltern möglich sein oder dürfen auch Eizellen und Samen weiterer Personen verwendet werden?
  • Wenn es eine Aufwandsentschädigung geben soll, wird die Höhe dann festgelegt? Wie wird sichergestellt, dass die Aufwandsentschädigung für arme Personen nicht doch einen finanziellen Anreiz darstellt? Wie wird sichergestellt, dass es keine zusätzlichen Zahlungen oder anderweitigen Zuwendungen gibt?
  • Erfolgt eine Aufwandsentschädigung für den tatsächlichen Aufwand, d.h. z.B. für den Transfer des Embryos und ggf. begleitende Hormonstimulation sowie für die eingegangenen Risiken und die aufgewendete Zeit oder für die Übergabe eines Kindes?
  • Soll für Leihmutterschaften geworben werden können?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass die austragende Person die Entscheidung frei trifft und nicht auf Grund von sozialem Druck?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass die austragende Person in ausreichendem Maße über die Gesundheitsgefahren informiert wird, die mit jeder Schwangerschaft verbunden sind, sowie mit den zusätzlichen Risiken einer Schwangerschaft mit fremden Eizellen?
  • Kann die Person, die das Kind zur Welt gebracht hat, sich entscheiden, dass sie Elternteil bleiben und das Sorgerecht ausüben möchte? Wie kann verhindert werden, dass eine eventuelle Pflicht zur Rückzahlung der Aufwandsentschädigung faktisch Druck ausübt, die Vereinbarung einzuhalten und das Kind abzugeben?
  • Gibt es Mechanismen zur Überprüfung, dass die Übergabe an die Wunscheltern auch dem Kindeswohl entspricht?
  • Kann es verantwortet werden, die geplante Zeugung eines Kindes zu erlauben und rechtlich abzusichern, das nach der Geburt absichtlich von seiner ersten, unmittelbaren Bezugsperson getrennt wird?
  • Wie wird es gegenüber dem Kind verantwortet, dass die Leihmutter in den neun Monaten Schwangerschaft keine emotionale Bindung zu ihm aufbauen soll?

7. Links

Leihmuttterschaft /Eizellenspende aus Sicht des Kindes – Youtube Video von Spenderkinder-Helen, die in den USA entstanden ist.

Son of a Surrogate und The other side of surrogacy (zwei englischsprachige Blogs, in denen mit Leihmutterschaft entstandene Menschen von ihren Erfahrungen berichten)

Verein Stoppt Leihmutterschaft

The Center for Bioethics and Culture Network (CBC)

Das Geschäft mit dem Kinderwunsch – Film von Julia Kaulbars.

#BigFertility: It’s All About The Money

Breeders: A Subclass of Women? (2014)

Google Baby (2009) Dokumentarfilmüber Leihmutterschaft in Indien (Trailer)

Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015.

Andreas Bernard, Kinder machen – Samenspender, Leihmütter, Künstliche Befruchtung. Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie. S. Fischer 2014.

  1. Wir verstehen den Begriff der „Leihmutter“ im Folgenden vom Geschlecht unabhängig als die Person, die ein Kind zur Welt bringt. []
  2. siehe auch die Legaldefinition der „Ersatzmutter“ in § 13a Adoptionsvermittlungsgesetz. []
  3. zum Beispiel bei Schauspieler*innen oder Manager*innen). Zunehmend stellen auch schwule Paare die Zielgruppe von Leihmutterschaftsagenturen dar. ((Leihmutterschaft wird fälschlicherweise oft als einzige Möglichkeit dargestellt, mit der schwule Paare Kinder bekommen könnten – was die Möglichkeit von Co-Parenting mit einer Frau oder einem Paar völlig ignoriert. []
  4. so geschehen in dem Fall „Baby M.“ in den USA im Jahr 1986. []
  5. Zu Griechenland siehe Das ist nicht ihr Baby, Zeit vom 24.5.2019. []
  6. §1 Absatz 1 Nummer 7 Embryonenschutzgesetz, § 13c i. V. m. § 14b Adoptionsvermittlungsgesetz. []
  7. Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 138 Rn. 48 []
  8. siehe Interview mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr, Die Legalisierung der Leihmutterschaft ist überfällig, Redaktionsnetzwerk Deutschland 1.1.2020. []
  9. § 1747 Absatz 2 BGB Satz 1 BGB sieht vor, dass die Einwilligung in die Freigabe zur Adoption erst erteilt werden kann, wenn das Kind acht Wochen alt ist. []
  10. Zusammenfassend siehe Oldenburger, Die Abstammung von Leihmütterkindern, in Neue Zeitschrift für Familienrecht 2020, S. 457 ff. []
  11. BGH, Beschluss vom Beschl. v. 5.9.2018, Az. XII ZB 224/17, besprochen in der Legal Tribune Online. []
  12. siehe z. B. Warnung der deutschen Botschaft in Indien vor indischen Leihmutterschaften; Gesetzesbruch für den Kinderwunsch, Tagesspiegel vom 27.3.2018 []
  13. Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1741 Rn. 6. []
  14. für einen Überblick siehe Europäisches Parlament, Generaldirektion für interne Politikbereiche, Das System der Leihmutterschaft in den EU-Mitgliedstaaten, 2013. []
  15. siehe Informationstext der britischen Regierung; Surrogacy is absolutely what I want to do, BBC News 22.9.2021. []
  16. Das ist nicht ihr Baby, Zeit vom 24.5.2019; Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 116. []
  17. siehe Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2018. []
  18. EGMR, Urteil vom 26. Juni 2014, Mennesson gegen Frankreich, Beschwerde-Nr. 65192/11, deutsche Übersetzung NJW 2015, S. 3211. []
  19. EGMR, Urteil vom 16.07.2020 – Beschwerde-Nr. 11288/18, Paradiso u. Campanelle gegen Italien. []
  20. EGMR, Beschwerde-Nr. 25358/12, Besprechung in der Legal Tribune Online vom 25.1.2017. []
  21. siehe Überblick über die Rechtslage und Kosten in der NZZ vom 19.4.2022, Babys im Luftschutzkeller: Der Krieg in der Ukraine wirft ein Schlaglicht auf das Geschäft mit der Leihmutterschaft. []
  22. NZZ vom 19.4.2022 Babys im Luftschutzkeller: Der Krieg in der Ukraine wirft ein Schlaglicht auf das Geschäft mit der Leihmutterschaft. []
  23. Einige US-Bundesstaaten verbieten Leihmutterschaft aber auch. In Kalifornien, wo etwa die Hälfte aller Leihmutterschaftsverträge abgeschlossen werden, bestehen keine rechtlichen Regelungen zu Leihmutterschaft. []
  24. siehe Das Geschäft mit dem Frauenbauch, Handelsblatt vom 31.12.2016. []
  25. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 56. []
  26. siehe z. B. Ein Fall in Brasilien, bei dem die Mutter die Leihmutter für ihren schwulen Sohn war. []
  27. siehe z. B. V. Jadva, S. Imrie: Children of surrogate mothers: psychological well-being, family relationships and experiences of surrogacy; Human Reproduction, Vol. 29 (1), S. 90–96 []
  28. Mariano Mascarenhas, Sesh Kamal Sunkara, Belavendra Antonisamy, Mohan S Kamath: Higher risk of preterm birth and low birth weight following oocyte donation: A systematic review and meta-analysis; Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2017 Nov;218:60-67. []
  29. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 131. []
  30. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015,S. 99. []
  31. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 121. []
  32. Europäisches Parlament, Generaldirektion für interne Politikbereiche, Das System der Leihmutterschaft in den EU-Mitgliedstaaten, 2013. []
  33. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 86. []
  34. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 98. []
  35. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 90. []
  36. Das ist nicht ihr Baby, Zeit vom 24.5.2019, Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 112. []
  37. Ich bin nicht Mutter Teresa„: Warum eine Ukrainerin zur Leihmutter wurde, Deutsche Welle 14.6.2020. []
  38. Surrogacy is absolutely what I want to do‚, BBC 22.9.2021. []
  39. so zum Beispiel in Australien, wo argumentiert wurde, Paare seien deswegen gezwungen, nach Indien auszuweichen – Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 86-87. []
  40. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 114. []
  41. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 131. []
  42. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 131. []
  43. Andreas Bernard, Kinder machen – Samenspender, Leihmütter, Künstliche Befruchtung. Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie. S. Fischer 2014, S. 273. []
  44. Eva Maria Bachinger, Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen, Deuticke 2015, S. 123-124. []
  45. D. H. Adams, R. A. Clark, M. J. Davies and S. de Lacey: A meta-analysis of neonatal health outcomes from oocyte donation, Journal of Developmental Origins of Health and Disease (2016), 7(3), 257–272; Y. B. Jeve, N. Potdar, A. Opoku, M. Khare; Donor oocyte conception and pregnancy complications: a systematic review and meta-analysis, BJOG 2016 Aug;123(9):1471-80. []
  46. Birth of a Baby, Death of a Mother: A Secondhand Victim of Surrogacy Speaks Out, CBC 13.6.2022; Nachruf für Lydia Katherine Cox, verstorben am 18.7.2021; Calif. Mother of 2 Who Was on Her Second Surrogacy for Another Family Dies Giving Birth, People 21.1.2020; Delhi: 42-year-old woman who died is case study against commercial surrogacy, The Indian Express 1.10.2019. []
  47. Swissinfo vom 28.4.2022, Der Krieg wirft ein Licht auf die Leihmutterschaft in der Ukraine. []
  48. Ukrainische Leihmütter zwischen den Fronten, Deutsche Welle vom 28.3.2022. []
  49. Urteil des California Supreme Court vom 20.5.1993 []
  50. Viral TikTok Shows The Dark Side of Surrogacy, Reduxx 11.5.2022 []
  51. Damaged babies and broken hearts: Ukraine’s commercial surrogacy industry leaves a trail of disasters, ABC Net 9.8.2019. []
  52. I hired a surrogate and now I don’t want the baby‚, Kidspot 8.11.2021. []
  53. Infants Born Through Surrogacy Contracts Cannot Be Canceled or Returned, Bill of Health (blog of the Petrie-Flom Center at Harvard Law School), 8.2.2021. []
  54. My Surrogacy Nightmare, CBC 4.2.2021. []

Radiosendungen RBBInforadio am 12. und 15. April 2022

Zwei Interviews im RBB-Inforadio mit Spenderkindermitglied Anne – über die Suche nach dem leiblichen Vater, viele Halbgeschwister und die rechtliche Situation:

Spenderkinder: Auf der Suche nach der eigenen Herkunft (die Kurzform)

Das genetische Erbe: Spenderkinder und die Suche nach der Herkunft (etwas längere Form)

Samen und Eizellen im Shopping Portal?

Der Verein Spenderkinder hat eine Beschwerde gegen zwei Samenbanken eingereicht, die einen öffentlich im Internet einsehbaren Katalog von Männern anbieten, die ihren Samen abgeben.

In den USA üblich, in Deutschland aber nicht: Datenbanken von Samen- und Eizellbanken, in denen sich Wunscheltern Menschen aussuchen können, deren Samen oder Eizellen sie kaufen möchten. Die Menschen werden mit Fotos, ethnischem Hintergrund, Größe, Gewicht, Aussehen und Hobbys beworben, meistens sind Fotos beigefügt. Für Sperma und Eizellen von attraktiven und hoch gebildeten Menschen werden dabei üblicherweise höhere Preise gefordert.

In Europa haben sich die Mitgliedsstaaten der EU jedoch entschieden, dass Organe und Gewebe, wozu auch Ei- und Samenzellen zählen, keine Handelsware sein dürfen. Die „Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen“ (auch bezeichnet als Gewebe-Richtlinie) sieht vor, dass Organe und Gewebe nicht mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben werden.1 Umgesetzt worden ist dies in Deutschland in § 17 Absatz 1 Satz 1 des Transplantationsgesetzes (TPG): „Es ist verboten, mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.“ Ausgenommen ist lediglich die „Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen“. Entsprechend dürfen Spermien nicht gekauft und auch nicht zum Kauf angeboten werden, erlaubt ist lediglich eine Aufwandsentschädigung.2 Hieran erinnern wir regelmäßig Samenbanken in Deutschland, die versuchen, für die Abgabe von Samen vor allem mit der dafür gezahlten Aufwandsentschädigung zu werben.

Inzwischen gibt es auch zwei Samenbanken in Deutschland, die einen öffentlich einsehbaren Katalog von Menschen anbieten, die Samen abgeben.3 In dem Katalog werden ethnischer Hintergrund, Augenfarbe, Größe, Gewicht, Ausbildung, Hobbys und Motivation angegeben. Bei der einen Samenbank können nach Erstellung eines Accounts sogar Fotos betrachtet und Favoritenlisten angelegt werden. Bei der anderen Samenbank ist das bei Internetshops übliche Symbol für den Einkaufswagen durch einen Kinderwagen ersetzt worden. Letztere ist mit Novum verbunden – eine reproduktionsmedizinische Praxis, mit der viele unserer Mitglieder rechtliche Auseinandersetzungen führen. Die andere Samenbank scheint eine deutsche Niederlassung einer dänischen Samenbank zu sein – die sich aber dennoch an deutsches Recht halten muss.

Solche Kataloge sind aus Sicht des Vereins Spenderkinder in Deutschland wegen eines Verstoßes gegen § 17 TPG rechtswidrig, weil sie Samen wie ein kommerzielles Produkt darstellen, das wie bei einem Shopping-Portal mit wenigen Klicks gekauft werden kann. Es handelt sich hierbei jedoch um einen Vorgang, der zur Zeugung eines Menschen führen wird – die Person, deren Sperma gewählt wird, ist der genetische Elternteil des entstehenden Kindes. Ein solcher Vorgang muss aus unserer Sicht mit dem entsprechenden Respekt behandelt werden. Eine anpreisende Werbung erfüllt nicht diesen Respekt. Außerdem dürfte es die Auswahl von genetischen Elternteilen nach als wünschenswert beurteilten Merkmalen wie Studium und Aussehen fördern – teilweise vielleicht in der Hoffnung, dass das entstehende Kind diese Merkmale ebenfalls aufweisen wird. Das kann dazu beitragen, dass das durch den Samen dieser Person entstehende Kind sich wie ein gekauftes Profukt fühlen. Einige Mitglieder unseres Vereins schildern dieses Gefühl bereits jetzt.

Zwar ist nach § 17 Absatz 1 Satz 2 TPG die „Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen“ zulässig sei. Das beinhaltet unserer Ansicht nach jedoch nicht, die Samen abgebenden Menschen mit anpreisenden Angaben zu bewerben. Wenn Ärzte beteiligt sind, dürfte es sich außerdem um einen Verstoß gegen § 27 Absatz 3 der der (Muster-)Berufsordnung für Ärzte handeln.

Auffallend ist, dass andere Samenbanken in Deutschland einen vergleichbaren Online-Katalog nicht anbieten, sondern den Wunscheltern Spender lediglich aufgrund einer Typangleichung in Beratungsgesprächen vorschlagen. Damit können Wunscheltern immer noch in einem gewissen Umfang den genetischen Elternteil auswählen, aber nicht nach völlig frei gewählten Merkmalen. Wir hoffen, dass dies so bleibt. Eine Samenbank aus München lehnt eine solche Katalogbestellung sogar ausdrücklich ab: „Eine Kommerzialisierung der Samenspende durch optimierende Auswahlverfahren (z.B. nur Universitätsprofessoren und Leistungssportler) fördert die Cryobank-München deshalb ebenso wenig, wie anonymen Versandhandel übers Internet. Auch können Sie bei uns nicht aus Katalogen auswählen und bestellen.“

Noch handelt es sich bei den Katalogen um einen ungewöhnlichen Vorgang in Deutschland. Wir befürchten jedoch, dass in der Zukunft viele andere Samenbanken nachziehen könnten, um nicht in einen Wettbewerbsnachteil zu gelangen. Insbesondere müssen denkbare Steigerungen der Kommerzialisierung verhindert werden, zum Beispiel indem Rabatte für die Proben von wenig beliebten Spendern gewährt werden oder Samenbanken an Verkaufsaktionen wie dem „Black Friday“ mitwirken (beides ist in den USA bereits vorgekommen).

Der Verein Spenderkinder hat daher gegen die beiden Samenbanken mit Internet-Katalog eine Beschwerde bei den jeweiligen Aufsichtsbehörden eingereicht und hofft, dass diese entsprechende Maßnahmen ergreifen wird. Ganz allgemein halten wir es jedoch für erforderlich, dass sich Berufsverbände wie die Bundesärztekammer und der Arbeitskreis Donogene Insemination auch verstärkt damit beschäftigen, welche Art von Information zu Samenvermittlung zulässig ist bzw. wo die Grenze zwischen Werbung und Informationsvermittlung verläuft. In den derzeitigen Richtlinie finden sich hierzu keine Hinweise.

Wünschenswert wäre aus unserer Sicht eine Darstellung von Samenvermittlung, die einerseits Informationen über das Angebot der Familiengründung mit dem Samen eines Fremden bietet, gleichzeitig aber auch die daraus entstehende Verantwortung und Herausforderungen betont. Dazu gehört bei der Suche nach Samen abgebenden Personen unbedingt, dass diese durch die Samenabgabe der genetische Elternteil eines Kindes wird und dies Auswirkungen auf seine oder ihre weiteren Kinder haben kann. Gleichzeitig sollten die Wunscheltern informiert werden, dass das Kind im Wissen um seine Abstammung aufwachsen sollte und es möglicherweise später Kontakt zum genetischen Elternteil und Geschwistern haben möchte. Auf keinen Fall sollte eine Darstellung von Samenvermittlung erlaubt sein, die die vermeintlichen körperlichen und intellektuellen Vorzüge der Samen abgebenden Personen hervorhebt oder die vor allem den finanziellen Aspekt als Motivation anspricht.

  1. Artikel 12 Absatz 2: „Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass jede Werbung und sonstige Maßnahmen zur Förderung von Spenden menschlicher Gewebe und Zellen im Einklang mit den von den Mitgliedstaaten festgelegten Leitlinien oder Rechtsvorschriften stehen. Diese Leitlinien oder Rechtsvorschriften enthalten geeignete Beschränkungen oder Verbote, damit der Bedarf an menschlichen Geweben und Zellen oder deren Verfügbarkeit nicht in der Absicht bekannt gegeben werden, finanziellen Gewinn oder vergleichbare Vorteile in Aussicht zu stellen oder zu erzielen. Die Mitgliedstaaten streben danach, sicherzustellen, dass die Beschaffung von Geweben und Zellen als solche auf nichtkommerzieller Grundlage erfolgt.“ []
  2. Makoski, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 Recht der Reproduktionsmedizin, Rn. 99. []
  3. In Deutschland ist die Abgabe oder Vermittlung von Eizellen nicht erlaubt. []

Fachkonferenz der KAS und der Leopoldina am 22. April 2021

Anlässlich des 30. Geburtstages des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) veranstalteten die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am 22. April 2021 eine Fachkonferenz unter dem Titel Medizinischer Fortschritt, gesellschaftlicher Wandel und politischer Handlungsbedarf.

Die Veranstaltungsaufzeichnung ist online verfügbar.

Wir freuen uns, dass es zu dieser Veranstaltung kam und Anne als Vertreterin unseres Vereins die Perspektive der entstandenen Menschen einbringen konnte (Minute 37 bis 1:01). Einleitend betonten Prof. Norbert Lammert, Vorsitzender der KAS, und Prof. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina, die große Bedeutung der Fortpflanzungsmedizin für die Gesellschaft und dass Wissenschaft und Politik die Entwicklungen so vorantreiben müssten, dass Fehlentwicklungen vermieden und Chancen genutzt werden könnten.

Das Programm begann mit einem Impulsvortrag der Soziologin Prof. Heike Trappe, die einen Überblick über die Familiendemografie in Deutschland gab und Anknüpfungspunkte zur Fortpflanzungsmedizin aufzeigte. Es folgten vier moderierte Debattenrunden zu den Fragen 1. Was wird von der Fortpflanzungsmedizin erwartet? 2. Was darf Fortpflanzungsmedizin? 3. Was können wir von anderen Ländern lernen? und 4. Wie muss Fortpflanzungsmedizin reguliert werden? Dazu wurden jeweils zwei Expert*innen interviewt. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion gesundheitspolitischer Vertreterinnen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vor den Schlussworten des stellvertretenden Vorsitzenden der KAS, Hermann Gröhe, und des Vizepräsidenten der Leopoldina, Prof. Dr. Thomas Krieg.

Zentrales Thema war die Eizellvermittlung, die laut ESchG in Deutschland verboten ist. Die Diskussion dazu wirkte eher politisch als wissenschaftlich geleitet. Anstatt zunächst Pro- und Contra-Argumente zu sammeln und transparent abzuwägen, servierte bereits der Impulsvortrag ein Plädoyer für die Legalisierung der Eizellvermittlung.

Viele kritische Argumente, die in der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages Ende Januar zur Eizellvermittlung eingebracht wurden, wurden auf der Fachkonferenz kaum oder gar nicht aufgegriffen.

Es wirkte, als würde aus dem Wunsch nach einem Kind ein Bedarf an Realisierungsmöglichkeiten abgeleitet, dem sich die Beteiligten gleichsam als Erfüllungsgehilfen unterordneten. Dies überspringt die Notwendigkeit, den vermeintlichen Bedarf kritisch zu hinterfragen. Der Wunsch nach einem Kind ist verständlich und es ist naheliegend, alles zur Erfüllung der eigenen Wünsche zu unternehmen bzw. zu fordern. Wichtig wäre daher zu diskutieren, welche Grenzen dennoch verbindlich gelten sollen. Auch die Rolle/Funktion, in die das Kind bei dieser Herangehensweise gerät, wurde nicht reflektiert.

Anne hatte direkt in der ersten Debattenrunde darauf aufmerksam gemacht, dass es wichtig ist, alle Beteiligten als Menschen wahrnehmbar zu machen. Denn die entstehenden Menschen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre genetischen Eltern und (Halb-)geschwister kennenlernen wollen. Depersonalisierende und technisierende Begriffe wie „Spender“, „Spende“ und „Behandlung“ sind weder treffend noch langfristig hilfreich. Sie verschleiern, dass Keimzellvermittlung keine einfache Lösung ist, um Erwachsenen ihren Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen, sondern eine Form der Familiengründung mit ganz eigenen psychosozialen Herausforderungen für alle beteiligten Menschen. Trotzdem wurde weiter über „Eizellspendebehandlung“ und „Spender*innen“ diskutiert.

In der politischen Abschlussdiskussion wurde die Idee aufgeworfen, eine Enquête-Kommission einzurichten, um das Thema in der nächsten Legislaturperiode weiter zu verfolgen. Wir hoffen, dass die Auseinandersetzung mit der komplexen menschlichen Thematik dort vertieft wird.

Veranstaltungsbericht der KAS

Am 30. Mai ist Tag der genetischen Identität

Am 30. Mai ist jedes Jahr der weltweite Tag der genetischen Identität (international genetic identity day). Dieser Tag macht aufmerksam auf das Recht auf genetische Identität. Alle Menschen, auch Adoptierte und Spenderkinder, sollen erfahren können, wer ihre leiblichen Eltern sind. In Deutschland gibt es ein aus der Verfassung abgeleitetes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Trotzdem werden viele Spenderkinder von ihren Eltern nicht über ihre Herkunft aufgeklärt. Viele Spenderkinder erfahren erst von ihrer Abstammung, wenn sie über DNA-Datenbanken Halbgeschwister finden. In vielen Ländern werden Samen und Eizellen immer noch anonym vermittelt. Darunter sind auch einige europäische Nachbarländer wie Dänemark und Tschechien. Das ist problematisch, weil dadurch das Recht eines jeden Kindes, seine leiblichen Eltern zu kennen, nicht anerkannt wird. Dieses Recht steht in der internationalen Kinderrechtskonvention, die von fast allen Staaten ratifiziert wurde.

Die Bilder sind von Friedel Grant, inspiriert durch die ursprüngliche Kampagne der belgischen Spenderkinderorganisation: https://www.donorkinderen.com/

Solo Mütter durch Samenvermittlung aus Sicht des Kindes

Medienberichten zufolge entscheiden sich zunehmend Frauen ohne Partner*in, mit einer Samen“spende“1 (im Folgendem Samenvermittlung genannt) „alleine“ Mutter zu werden. Angeblich werden knapp 30% der Vorräte aus Samenbanken heutzutage an alleinstehende Frauen mit Kinderwunsch verkauft, so genannte Solo-Mütter (oder auf Englisch „Single Mothers By Choice“ (SMBC)). Auch die Elternorganisation DI-Netz bietet hierzu bereits Informationsveranstaltungen an.

In Diskussionen wird diese Form der Kinderwunscherfüllung oft eher oberflächlich behandelt und entweder als egoistisch verdammt oder als Emanzipation der Frau gefeiert. Beides trifft aus unserer Sicht das Problem nicht: jeder Kinderwunsch ist auf gewisse Weise egoistisch. Auch bei Samenvermittlung an Paare geht es darum, Menschen ihren Wunsch nach einem Kind zu erfüllen. Dabei wird dem Kind der genetische Vater (zumindest zunächst) vorenthalten. Grundsätzlich sind alle ethischen Bedenken in Bezug auf Samenvermittlung auch auf alleinstehende Frauen anwendbar (siehe hierzu unser Text Ethische Aspekte). Bei Solo-Müttern kommen aus Sicht des gezeugten Kinder jedoch noch einige weitere Aspekte hinzu, die wir in diesem Artikel darstellen – und am Ende auch einige inzwischen erwachsene Kinder von Solo-Müttern selbst erzählen lassen.

Motivation von Solo-Müttern

Solo-Mütter entscheiden sich überwiegend, ohne Partner ein Kind mit einer Samenvermittlung zu bekommen, weil sie einen starken Kinderwunsch haben, ihnen aber der passende Partner fehlt, um ein Kind bekommen.2 Für manche dieser Mütter kommt auf Grund zunehmenden Alters hinzu, dass sie das Gefühl haben, nicht mehr lange warten zu können, um ein Kind zu bekommen. Eine Samenvermittlung erscheint daher vielen als schnell zu realisierende Lösung. Dagegen scheint eher nur eine Minderheit gar keine Beziehung eingehen zu wollen.

Samenvermittlung ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, ohne Liebesbeziehung ein Kind zu bekommen: so wird beim Co-Parenting bewusst ein Vater für das Kind gesucht, mit dem die Mutter keine Liebesbeziehung führt, der aber die Vaterrolle einnimmt. Dies entspricht aus Sicht des Vereins Spenderkinder wesentlich mehr den Interessen des Kindes (siehe unser Beitrag Private Samen“spende“ und Co-Parenting). Einige Solo-Mütter scheinen hier aber Vorbehalte wegen der hierfür erforderlichen Abstimmungen und Kompromisse zu haben. So schreibt eine Solo-Mutter hierzu: „Die Möglichkeit eines Co-Parenting-Modells habe ich kurz überlegt, war dann aber nicht davon überzeugt, dass ein “fremder” Mann und ich einen gemeinsamen Weg finden können, unser Kind aufzuziehen.“

Rechtliche Aspekte bei Solo-Müttern

In Deutschland ist nicht gesetzlich geregelt, welche Personengruppen das Recht haben, ein Kind mit einer Samenvermittlung zu bekommen. Bis 2018 sprachen sich die Richtlinien der Bundesärztekammer gegen eine Vermittlung an alleinstehende Frauen aus. Die aktuelle Richtlinie der Bundesärztekammer zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion aus dem Jahr 2018 enthält hierzu jedoch keine Aussage mehr.

Bis zum Jahr 2018 vermittelten die meisten Ärzte keinen Samen an alleinstehende Frauen, weil das so gezeugte Kind keinen rechtlichen Vater hatte und man den Samengeber somit als Vater hätte feststellen können. Am 1. Juli 2018 trat das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen in Kraft. Das Gesetz sah insbesondere die Schaffung des Samenspenderregisters vor, gegen das Spenderkinder ein Recht auf Auskunft über ihren genetischen Vater ausüben können. Es sah aber auch eine Regelung vor, nach der ein Mann, der seinen Samen über eine medizinische Einrichtung zur Zeugung eines Kindes abgegeben hat, nicht als Vater des Kindes festgestellt werden kann (§ 1600 Absatz 4 BGB). Das gilt unabhängig davon, ob die Mutter des Kindes mit einem Mann oder eine Frau verheiratet ist.

Seitdem diese Regelung in Kraft getreten ist, nimmt der überwiegende Teil der juristischen Literatur an, dass die rechtlichen Risiken für Ärzte bei der Samenvermittlung an alleinstehende Frauen entfallen sind. Entsprechend wird zumindest berichtet, dass mehr deutsche Samenbanken Solo-Mütter als Kundinnen akzeptieren. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, die weiterhin ein rechtliches Risiko für Ärzte und Kliniken bei der Vermittlung an alleinstehende Frauen annehmen, weil der Gesetzgeber bei dem Ausschluss der Feststellung des Samengebers als Vater davon ausgegangen wäre, dass dem Kind einen anderen Mann als Vater zugeordnet werde.3

Wir haben auf Grund von Anfragen an unseren Verein den Eindruck gewonnen, dass viele Solo-Wunschmütter weiterhin für eine Samenvermittlung in europäische Nachbarländer wie die Niederlande oder nach Dänemark gehen. Zum Teil ist die seit 2018 veränderte Rechtslage in Deutschland möglicherweise nicht bekannt. Oft erwarten die Frauen aber auch, dass ihre Entscheidung bei ausländischen Kliniken besser angenommen wird und dass sie mehr Einfluss auf die Auswahl des Samengebers nehmen können. In diesen Fällen ist allerdings das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung vom betreffenden Recht des Landes abhängig. Dieses kann sehr anders aussehen als in Deutschland, wo das Recht auf Kenntnis der Abstammung verfassungsmäßig geschützt ist und Kinder seit 2018 vom Samenspenderregister Auskunft über den genetischen Vater erhalten können. So ist in Dänemark eine anonyme Samenvermittlung der Normalfall, offene Samen“spenden“ müssen ausdrücklich vereinbart werden und sind teurer. Beim Verein Spenderkinder haben sich einige Solo-Mütter gemeldet, denen erst im Nachhinein bewusst wurde, dass ihr Kind bei einer Samenvermittlung in Dänemark – anders als in Deutschland – nicht den Namen des genetischen Vaters erfahren kann. Daher sollte eine Samenvermittlung im Ausland nur in Ländern in Anspruch genommen werden, in denen das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung geschützt ist.

Kinder von Solo-Müttern sind finanziell und emotional schlechter abgesichert

Ein Kind ist finanziell und emotional besser abgesichert, wenn es zwei Elternteile hat. Zum Teil wird hiergegen eingewandt, dass die Situation bei Solo-Müttern nicht anders sei als bei allen anderen Alleinerziehenden. Das ist aus unserer Sicht nicht zutreffend. „Normale“ Alleinerziehende sind meistens nicht geplant alleinerziehend. Das Kind weiß, wer Vater und Mutter sind. Oft ist der andere Elternteil weiterhin im Leben des Kindes präsent, zahlt Unterhalt und übernimmt einen Teil der Betreuung des Kindes.

Schlechtere finanzielle Absicherung

Das gilt erst einmal finanziell: Kinder verursachen viele Kosten, brauchen aber insbesondere auch Betreuung – das ist Zeit, in der man nicht erwerbstätig sein kann. Wer weiterhin erwerbstätig ist, ist darauf angewiesen, anderweitige Betreuung zu organisieren und in der Regel auch zu bezahlen. Da ist es gut, wenn es zwei Gehälter in der Familie gibt. Das gilt insbesondere, wenn man selbst oder das Kind erkrankt. Auch für den schlimmsten denkbaren Fall ist das wichtig: Wenn die Mutter stirbt oder erkrankt, ist noch ein anderer Elternteil vorhanden, der für das Kind sorgen kann.

Solo-Mütter erhalten keinen Unterhaltsvorschuss, weil ein Samen“spender“ nicht als Vater festgestellt werden kann und daher auch nicht unterhaltsverpflichtet ist.4 Nicht wenige Solo-Mütter lügen Berichten zufolge und geben nicht an, dass sie eine Samenvermittlung in Anspruch genommen haben, sondern behaupten, sie könnten die Identität des Vaters lediglich nicht ermitteln. Das dürfte jedoch eine Straftat darstellen. Viele Gerichte verlangen außerdem zumindest Bemühungen, den genetischen Vater zu ermitteln.5

Wenn die Mutter nicht erwerbstätig ist oder nur ein geringes Gehalt verdient, bleibt nur der Anspruch auf andere Sozialleistungen wie das ALG II, Sozialhilfe oder Wohngeld.

Herausforderungen für die emotionale Entwicklung

Ein zweiter Elternteil ist aber auch wichtig für die emotionale Entwicklung des Kindes: Auch sehr gewünschte Kinder können für Eltern sehr anstrengend sein. Zwei Partner können sich gegenseitig entlasten: bei anstehenden Besorgungen, aber auch wenn ein Elternteil oder das Kind gerade eine schwierige Phase durchmacht. Von einer Entlastung durch den zweiten Elternteil profitiert das Kind, weil es gelassenere und geduldigere Eltern hat, die sich ausgleichen können. Außerdem lernt ein Kind durch das Vorleben einer Partnerschaft, wie Menschen zusammenleben und Konflikte konstruktiv lösen können. Das gilt selbst dann, wenn die Eltern aktuell kein Paar mehr sind.

Obwohl die meisten Studien sagen, dass es Kinder von Alleinerziehenden grundsätzlich gut geht, sind sie doch besonderen Belastungen ausgesetzt. So haben sie haben ein deutlich höheres Risiko, depressiv zu werden. Das wirkt sich auch auf das Kind aus. Einige Kinder von Solo-Müttern berichten, dass sie sich als Mittel gefühlt hätten, die Einsamkeit ihrer Mutter zu lindern. Solo-Mütter sollten daher sicherstellen, dass ihr Kind weitere Bezugspersonen hat, insbesondere auch männliche, und Personen, die sie verlässlich unterstützen werden.

Kinder von Solo-Müttern wachsen – anders als viele Spenderkinder von heterosexuellen Wunschelternpaaren – meistens in dem Bewusstsein auf, dass ihr Vater ein Samen“spender“ ist. Wird das Kind einer Solo-Mutter älter, wird es wahrnehmen, dass sein Vater nicht präsent in seinem Leben ist und auch kein anderer zweiter Elternteil dessen Rolle teilweise übernimmt.6 Die Wahrnehmung des genetischen Vaters durch das Kind kann sich über die Zeit verändern und von der von der Mutter gewünschten Rolle oder ihrer Wahrnehmung des genetischen Vaters abweichen. Viele Spenderkinder möchten wissen, wer ihr genetischer Vater ist und zum Teil auch eine Beziehung zu ihm aufbauen. Grundvoraussetzung einer Samenvermittlung ist jedoch meistens, dass der Vater kein wirkliches Interesse am Kind hat. Das kann potentiell kränkend für das Kind sein. Auch wenn ein Kind eine sehr gute Beziehung zu seiner Mutter hat, so bleibt am Ende doch diese Kränkung, dass der andere Elternteil, von dem das Kind 50 % hat, nicht wirklich an ihm interessiert ist, es ignoriert oder sogar ablehnt. Vereinbarungen im Bereich der privaten Samen“spende“, bei denen das Kind zumindest einen gewissen Kontakt zum Vater haben kann, liegen eher im Interesse des Kindes. Noch wünschenswerter wäre Co-Parenting, das, anders als Solo-Mutterschaft, den zweiten Elternteil des Kindes integriert (siehe hierzu auch unser Beitrag zu Co-Parenting).

Von alleinerziehenden Elternteilen ist bekannt, dass für die Kinder das Risiko einer so genannten „Parentifizierung“ besteht. Dabei fühlen sich Kinder aufgefordert, nicht kindgerechte Rollen einzunehmen und sich um die Eltern oder einen Elternteil zu kümmern. So übernehmen manche Kinder Aufgaben des fehlenden Partners, weil sie merken, dass dieser Part dem Elternteil fehlt und sie meinen, ihn unterstützen zu müssen. Von dieser Gefahr sind Spenderkinder allgemein betroffen – unabhängig davon, ob sie nur eine Mutter haben oder zwei Elternteile. Es gehört zum Konzept der Samenvermittlung, dass der genetische Vater gerade nicht in der Familie präsent sein soll. Die Elternschaft durch Samenvermittlung ist also mit der unausgesprochenen Bitte an das Kind verbunden, von ihm als gleichwertige Eltern anerkannt zu werden. Spenderkinder möchten z.B. oft ihr Interesse an ihrer Abstammung aus Rücksicht auf die Wunscheltern nicht zeigen. Zum Teil spüren sie eine starke Erwartung der Eltern, dass diese ihnen genug sein sollen. Damit die Eltern sich selbst als gute Eltern wahrnehmen können, darf es dem Kind nicht schaden, dass sie ihm den genetischen Vater vorenthalten. Es ist möglich, dass Kinder von Solo-Müttern diesen Druck noch stärker empfinden. Genauso gut möglich ist allerdings, dass Solo-Mütter eine Kontaktaufnahme des Kindes zum genetischen Vater offener gegenüberstehen, weil er nicht als Konkurrenz empfunden wird.

Besonders ungünstig kann eine Solo-Mutterschaft mit Samenvermittlung sein, wenn bereits Geschwisterkinder existieren, die in einer normalen Partnerschaft entstanden sind. Unter Geschwistern kann es zu Enttäuschungen, Neid und vielen anderen negativen Gefühlen kommen, wenn ein Kind einen verantwortlichen Vater hat und der Vater des Geschwisterkindes ein Samen“spender“ ist, der keine Rolle im Leben des Kindes einnehmen möchte.

Zwar gibt es Studien, nach denen Kinder und Jugendlichevon Solo-Müttern ihre Entstehungsweise grundsätzlich positiv sehen, psychopathologisch unauffällig sind und sozial funktionieren. Vom Funktionieren kann jedoch nicht auf das subjektive Erleben der Spenderkinder geschlossen werden (siehe auch unser Beitrag „Wie gut geht es Spenderkindern wirklich“). Für viele durch Samenvermittlung gezeugte gewinnt die Entstehungsweise – wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter an Bedeutung, wenn sie sich zunehmend von ihrer Herkunftsfamilie emotional emanzipieren. Es gibt Hinweise darauf, dass – nicht nur in Deutschland – erwachsene Spenderkinder Keimzellvermittlung kritischer sehen, als dies von der Reproduktionsmedizin und Wunscheltern gewünscht ist.

Was sagen Kinder von Solo-Müttern?

Die folgenden Zitate stammen aus Diskussionen in der Facebook Gruppe „We are donor conceived“ und wurden mit Zustimmung der UrheberInnen veröffentlicht und auf Deutsch übersetzt.

Maria
Meine Mutter hatte viele Zweifel, ob es überhaupt ethisch für sie vertretbar ist, als alleinstehende Frau schwanger zu werden und ein Kind zu haben. Sie war immer ehrlich zu mir, woher ich komme und was meine Rechte sind, und hat mir mehrere Male gesagt dass ich das Recht habe wütend auf sie zu sein, dass sie mich unter diesen Umständen auf diese Welt gebracht hat, obwohl ich ihr gegenüber niemals Wut oder Groll deswegen empfunden habe. Ich verurteile Solo-Mütter nicht, aber ich denke, dass jede Situation suboptimal ist in der man seine biologischen Eltern nicht kennt oder nicht bei ihnen aufwächst und wenn möglich vermieden werden sollte. Ich persönlich habe nichts bestimmtes in meiner Kindheit vermisst, und ich glaube das hat auch damit zu tun, dass meine Großmutter praktisch wie ein zweiter Elternteil für mich war. Ich habe es nie als Problem gesehen, eine alleinstehende Mutter zu haben, aber ich glaube, dass ein Kind immer mehrere Erwachsene (idealerweise unterschiedlichen Geschlechts) um sich herum haben sollte, die wie eine Art Eltern sein können oder mit denen man sprechen kann, wenn man Streit mit dem offiziellen Elternteil hat. Obwohl ich nichts Bestimmtes vermisste, habe ich mich immer gefragt wer mein Vater sein könnte, und es hat mich manchmal traurig gemacht, nicht zu wissen wer er ist.7

H.
Meine Mutter war eine Solo-Mutter und sie hat ihr ganzes Leben lang deutliche psychische Probleme gehabt. Erst als ich deutlich älter war, sah ich, wie ungewöhnlich und isoliert meine Kindheit war. Ich bin auf die Welt gekommen, um eine Rolle zu erfüllen, die man nicht erfüllen kann.8

Karla
Meine Mutter hat eine nicht diagnostizierte Borderline-Persönlichkeitsstörung. Sie hat absolut ein Kind bekommen, um jemanden nur für sich alleine zu haben.9

J.
Ich wurde gezeugt, um eine unmögliche Rolle für meine Mutter zu erfüllen. Meine Mutter wollte ein Kind haben, um nicht alleine zu sein und Kontrolle ausüben zu können. Ich hatte eine furchtbare Kindheit und habe nie ganz verstanden, was falsch mit meiner Mutter ist, bis ich älter wurde und das größere Bild sehen konnte. (…). Manchmal frage ich mich, was mein Samenspendervater darüber denken würde, dass seine Spende an eine Frau ging, die unethische Gründe hatte ein Kind zu bekommen.10

B.
Ich bin bei einer alleinstehenden Mutter aufgewachsen. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich mit der Aufgabe gezeugt wurden, ihr Gesellschaft zu leisten. Sie wollte keinen Partner. Sie wollte eine Mutter sein und Kinder haben, dass sie nicht verlassen würden. Ich war immer neugierig, wer mein Vater ist, sogar als ich sehr jung war.11

J.
Meine Mutter wollte bewusst eine alleinstehende Mutter sein. Sie hatte mehrere Jahre versucht, auf traditionelle Weise eine Famiilie zu gründen und hat nie den Richtigen getroffen. Bis ich 28 Jahre alt wurde habe ich nicht gewusst, wer mein Spender ist und mich auch nicht dafür interessiert. Er hat mich nicht aufgezogen, und ich habe ganz sicher nicht meine Identität von ihm abgeleitet. Ich habe mich als Resultat von meiner Mutter, Spendersamen und anderen Einflüssen um mich herum gesehen. Nachdem ich mich mit den Umständen von Samenspenden beschäftigt habe, fing ich an mich zu wundern, woher meine Gewohnheiten und Neigungen herkommen. Ich bin mir bewusst dass ich andere Gefühle als andere habe, aber ich würde die Umstände ehrlich gesagt nicht anders haben wollen. Ich bin nie mit einer Vaterfigur aufgewachsen, aber hatte viele männliche Rollenmodelle, zu denen ich aufblicken und von denen ich lernen konnte.12

Links

Blog von Hanna

Golombok, S., Zadeh, S., Imrie, S., Smith, V., & Freeman, T. (2016). Single mothers by choice: Mother–child relationships and children’s psychological adjustment. Journal of Family Psychology, 30(4), 409-418. http://dx.doi.org/10.1037/fam0000188


Mayer-Lewis, Birgit: Familiengründung von Frauen außerhalb einer Partnerschaft. Was Solo- Mütter in Deutschland bewegt – eine qualitativ- empirische Untersuchung, in: K. Beyer/C. Brügge/P. Thorn/C. Wiesemann (Hrsg.) , Assistierte Reproduktion mit Hilfe Dritter, Springer 2020, S. 213-227, S. 218.

Rüchel, Yvonne: Solomama – Mit Samenspende Schwanger werden
Produktion von Tellux Film GmbH / ARD im Auftrag des SWR / 45 Minuten / 2020

  1. Weswegen wir den Begriff kritisieren, erklären wir in unserem Beitrag: Was ist problematisch am Begriff der Spende []
  2. Birgit Mayer-Lewis, Familiengründung von Frauen außerhalb einer Partnerschaft. Was Solo- Mütter in Deutschland bewegt – eine qualitativ- empirische Untersuchung, in: K. Beyer/C. Brügge/P. Thorn/C. Wiesemann (Hrsg.) Assistierte Reproduktion mit Hilfe Dritter, Springer 2020, S. 213-227, S. 218. []
  3. Wehrstedt, Das neue Samenspenderregister und die Auswirkungen auf notarielle Beurkundungen anlässlich einer heterologen Insemination, MittBayNot 2019, 122, 127. []
  4. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.05.2012, Az. 12 S 2935/11, besprochen in der Legal Tribune Online. []
  5. siehe Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.09.2018, Az. 7 A 103000/18.OVG, besprochen in der Legal Tribune Online. []
  6. Die Rolle des genetischen Vaters kann nicht vollständig von einem anderen Menschen übernommen werden. []
  7. My mother had a lot of doubts whether it would even be ethical for her to become pregnant and have a child as a single woman. She was always honest to me about everything, where I came from and what my rights were, and has told me many times that I am allowed to be angry at her for bringing me into this world in these circumstances, though I’ve never felt anger or resentment towards her for this. I do not condemn smbc, but I do think that every situation in which you do not know and/or are not raised by your biological parent(s) is suboptimal and should be avoided if possible. I personally did not miss anything specific while growing up, and I think that also has to do with the fact that my grandmother was basically a second parent to me. I never considered having a single mother as a problem, but I do think that as a child you should always have multiple adults (of different genders, ideally) around who function as some sort of parent or who you can always talk to if you’re having an argument with your one official parent. Though I didn’t miss anything specific, I always did wonder about who my father would be, and not knowing him made me sad sometimes. []
  8. My mother was a SMBC and she has significant lifelong mental health issues. I never realized how unusual and isolating my childhood was until I was much older. I hear you about being born to fulfill an impossible role []
  9. My mother has undiagnosed borderline personality disorder. She absolutely had a child to have someone “all to herself.” []
  10. I was conceived to fulfill an impossible role for my mother. My mother wanted a child to never be alone and exact control. I had a horrible childhood and never quite understood what was wrong with my mom until I got older and could see the bigger picture. (…) I sometimes wonder what my donor sperm father would think about donating to a woman who had unethical reasons to conceive. []
  11. I was raised by a single mom. I felt like I was created with a job to keep her company. She didn’t want a partner. She wanted to be a mom and have kids who wouldn’t leave her. I was always curious about whom my father was, even when I was very young. []
  12. My mother wanted to be a single mother by choice. This happened after trying to have a family the traditional way for many years and just never meeting Mr. Right. From the time I was born until around 28, I never knew or cared about who my donor was. He didn’t raise me, and I certainly didn’t form my identify off of him. As far as I was concerned, I was the product of my mother, donor sperm, and other influences around me. After diving into the donor-conceived vortex, I have started to wonder where I get all of my habits and tendencies from. I know I feel differently than some, but I honestly wouldn’t have had it any other way. I never had a „dad figure“ growing up but I had plenty of male role models to look up to and learn from. []

Welt am Sonntag „Suche nach dem Vater“ am 21. Februar 2021

In der Welt am Sonntag vom 21. Februar 2021 erzählt der Artikel „Suche nach dem Vater“ von Wolfgang Büscher die Geschichte der Halbgeschwister Alexander, Stefano, Nina und Anne (mir). Wir haben uns über DNA-Datenbanken gefunden und sind nun gemeinsam auf der Suche nach unserem genetischen Vater. Der Artikel ist auch als Online-Version verfügbar, unter dem Titel Anonyme Samenspender – „Du bist eben der Sohn deiner Mutter“ allerdings nur mit Welt-Abo (kostenloser Probemonat möglich).

Anders als es in der Zusammenfassung der Printausgabe steht, ist das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung altbekannt und waren Anonymitätsversprechen immer ungültig.

Im Artikel wird beschrieben, dass Stefanos Eltern zunächst ein Spanier als „Spender“ zugesagt worden war. Stefanos DNA-Test zeigte jedoch, dass er keine spanischen Wurzeln hat. Wer ist dann unser genetischer Vater? Wir freuen uns sehr über alle Hinweise. Und natürlich freuen wir uns auch über weitere Halbgeschwister! Auch Menschen, die selbst keine Spenderkinder sind, uns aber bei der Suche helfen möchten, können das tun, indem sie sich selbst in DNA-Datenbanken registrieren lassen. Je mehr Menschen sich registrieren lassen, desto einfacher können Verbindungen aufgespürt werden.

Spenderkinder bei öffentlicher Anhörung im Gesundheitsausschuss zu Eizellvermittlung

Anne hat den Verein Spenderkinder als Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages am 27. Januar 2021 zum Thema Legalisierung der Eizellvermittlung in Deutschland vertreten.

In dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren“ fordert die FDP die Legalisierung der Eizellspende (im Folgenden Eizellvermittlung) in Deutschland. Als Hauptargument dafür nennt sie, dass Kinderwunschpaare sich sonst anonyme Eizellen im Ausland vermitteln lassen und die entstehenden Kinder ihr Recht auf Kenntnis ihrer genetischen Abstammung kaum wahrnehmen könnten. Außerdem werde die Eizellvermittlung im Ausland oft kommerziell angeboten, so dass Paare aus Deutschland viel Geld dafür bezahlen müssten.

Wir haben uns in unserer Stellungnahme gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Aus unserer Sicht sprechen viele Argumente gegen die Legalisierung der Eizellvermittlung in Deutschland, wie z.B. fehlende Erfahrung zum Erleben der Kinder, aber auch die drohende Kommerzialisierung und die erhöhten gesundheitlichen Risiken für die abgebende Frau. Abgesehen davon enthält der Gesetzentwurf keine flankierenden Maßnahmen, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung in Deutschland sichern würden, wie eine Änderung des Samenspenderregistergesetzes. Diese hätte der Gesetzentwurf aber ebenfalls vorsehen müssen. Dem Gesetzentwurf nach dürften Eizellen bei einer Legalisierung der Eizellvermittlung völlig unreguliert vermittelt werden.

Ebenfalls fehlen Ausführungen dazu, wie eine Kommerzialisierung der Eizellvermittlung in Deutschland verhindert werden könnte. Erfahrungen aus Großbritannien und Österreich zeigen, dass nur sehr wenige Frauen bereit sind, ihre Eizellen abzugeben, wenn sie dafür keinen deutlichen finanziellen Vorteil erhalten. Wunscheltern gehen außerdem nach wie vor in andere Länder, in denen sich wegen niedrigerer Einkommen mehr Frauen finden, die bereit sind, ihre Eizellen gegen Bezahlung abzugeben. Wunscheltern, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung respektieren möchten, können für eine Eizellvermittlung in Länder reisen, in denen die abgebenden Frauen nicht anonym sind, wie z.B. die Niederlande, Österreich, Großbritannien und Finnland.

Bei der Anhörung hat uns gefreut, dass auch viele andere der Sachverständigen vor allem ethische und medizinische Argumente gegen die Legalisierung der Eizellvermittlung eingebracht haben. Die Stellungnahmen sind öffentlich einsehbar.

Auch wenn der Entwurf der FDP abgelehnt werden sollte, wird uns das Thema Eizellvermittlung künftig weiterhin beschäftigen.