Auf Netflix ist seit Mitte Mai die Dokumentation „Our Father“ abrufbar (Trailer und mehr Hintergrundinformationen).
Die
Dokumentation erzählt – fast im Stil eines Thrillers – die fast
unglaubliche Geschichte der US-Amerikanerin Jacoba Ballard und ihrer
inzwischen fast 100 Halbgeschwister. Sie finden über DNA-Datenbanken
heraus, dass ihr genetischer Vater der Reproduktionsmediziner ihrer
Mütter ist, Dr. Donald Cline. Manche der Halbgeschwister wussten
nicht, dass sie durch eine Samenspende gezeugt wurden, bei anderen
wussten es noch nicht einmal die Eltern, weil eigentlich das Sperma
des Ehemannes verwendet werden sollte.
Viele der Halbgeschwister wohnen in einem Umkreis von nur 40 km, manchen kannten sich vorher. Dr. Cline wurde schließlich zwar strafrechtlich verurteilt, aber nur wegen „Obstruction of Justice“ („Behinderung der Justiz“). Dass er sich ohne Wissen der Mütter als Spender eingesetzt hat, erfüllt keinen Straftatsbestand in den USA. Inzwischen haben Betroffene in einigen US-Bundesstaaten erreicht, dass dieses Verhalten in Zukunft unter Strafe gestellt wird.
In
teilweise sehr emotionalen Interviews erzählen die Halbgeschwister
und ihre Mütter, welche Auswirkungen diese Enthüllungen auf sie
hatten und wie sie versuchen, Antworten auf ihre Fragen von Dr. Cline
zu bekommen – vor allem was ihn dazu motiviert hat, sich selbst als
Spender einzusetzen und so viele Kinder zu zeugen. Hinzu kommt, dass
Dr. Cline einige Vorerkrankungen hat, auf Grund derer er vermutlich
nie offiziell seinen Samen hätte abgeben dürfen. Während das
Ansehens muss man sich teilweise daran erinnern, dass es sich um
einen echten Fall handelt.
Der
„Fall“ zeigt, wie wichtig rechtliche Regelungen sind, um die
entstandenen Menschen und auch „Wunscheltern“ zu schützen, und
wie wichtig es ist, überhaupt über dieses Thema der „Spende“ in
der Öffentlichkeit zu reden und hierüber aufzuklären, um Menschen
wie Dr. Cline nicht freie Bahn zu lassen.
Der Verein Spenderkinder weiß von inzwischen vier Fällen in Deutschland, in denen der Arzt sein eigenes Sperma ohne Wissen der Empfänger verwendet hat. Der bekannteste Fall ist der von Prof. Dr. Thomas Katzorke, einem der bekanntesten Reproduktionsmediziner Deutschlands, Mitgründer der Klinik Novum in Essen und langjährigen Vorsitzenden des Arbeitskreises Donogene Insemination. Anders als in den USA handelt es sich aber (bislang) um Einzelfälle, weil die betroffenen Spenderkinder noch keine Halbgeschwister gefunden haben.
Viele
Reproduktionsmediziner haben sich in den 70er und 80er Jahren
anscheinend als über den Gesetzen und anderen moralischen Regeln
stehend betrachtet. Dass sie sich auch als hervorragenden genetischen
Elternteil angesehen haben, liegt nahe. Daher ist es
wahrscheinlich, dass mehr Fälle in den nächsten Jahren ans Licht
kommen werden, weil sich erst langsam mehr Menschen in Deutschland
bei DNA-Datenbanken eintragen.
Eine Parallele gibt es jedoch, denn auch im Verein Spenderkinder zeigt sich, dass es einige schon recht große Halbgeschwistergruppen gibt (siehe der Beitrag „100 Halbgeschwister und mehr?“). Wir setzen uns daher dafür ein, dass durch den Samen einer Person nur eine bestimmte Anzahl von Familien entstehen darf, und dass dies durch das Samenspenderregister kontrolliert wird.