Archiv der Kategorie: Andere Länder und Internationales

Samenspende und Reproduktionsmedizin in anderen Ländern, Themen von internationaler Bedeutung

Internationale Unterschriftenkampagne gegen Leihmutterschaft

Seit einigen Wochen läuft die internationale Petition stop surrogacy now. Die Kampagne setzt sich dafür ein, Leihmutterschaft weltweit zu stoppen. Für FrauenrechtsaktivistInnen steht der Aspekt im Vordergrund, dass Leihmutterschaft häufig mit der Ausbeutung ärmerer Frauen zusammenhängt. Aber selbst wenn diese Problematik durch gute Aufklärung und gesundheitliche Versorgung der beteiligten Frauen zu bewältigen versucht wird, wird bei der ganzen Prozedur über den entstehenden Menschen verfügt, er wird zu einem (Handels-)Objekt. Deshalb verletzt dieses Verfahren – auch wenn es in nicht-kommerzieller Form eingesetzt wird – die Würde der entstehenden Menschen. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach einem Kind, gibt es kein Recht auf ein Kind.

Mehr Informationen und die Möglichkeit, die Petition durch eine Unterschrift zu unterstützen, gibt es unter obigem Link.

Irland schafft anonyme Samenspenden ab

Mit Irland schafft ein weiteres europäisches Land anonyme Samenspenden ab. Ein neues Gesetz mit dem Namen Children and Family Relationships Bill verpflichtet alle Ärzte und Kliniken, ab nächstem Jahr die Identität von Samenspendern an ein nationales Register zu melden. Damit verfolgt Irland in etwa das selbe Modell wir Großbritannien. Wir freuen uns, dass ein weiteres Land die Rechte von Spenderkindern erst nimmt, und hoffen dass noch viele andere folgen werden.

Stellungnahme zum Entwurf der ESHRE-Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei unerfülltem Kinderwunsch

Die europäische Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie (ESHRE) ist erfreulicherweise dabei, Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei Unfruchtbarkeit und medizinisch-assistierter Fortpflanzung zu entwickeln. Spenderkinder hat sich mit folgender Stellungnahme an der Revision beteiligt:

 

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zum Entwurf der Leitlinien für psychosoziale Versorgung bei Unfruchtbarkeit und medizinisch-assistierter Fortpflanzung der europäischen Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie (ESHRE)

Die Leitlinien sollten nicht nur das Wohlbefinden der Wunscheltern berücksichtigen, sondern auch das der entstehenden Kinder

Wir begrüßen es sehr, dass ESHRE Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei Unfruchtbarkeit und medizinisch assistierter Reproduktion (im Folgenden „die Leitlinien“) entwickelt und freuen uns über die Möglichkeit, auch unsere Perspektive, die der durch Fremdsamenspende entstandenen Menschen, einbringen zu können.

Beim Durchsehen der Leitlinien ist uns aufgefallen, dass diese ausschließlich das Wohlbefinden, bzw. die psychosozialen Bedürfnisse, der Wunscheltern zum Ziel haben. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass ebenso auch das Wohl der entstehenden Menschen, der Kinder, berücksichtigt werden sollte. Natürlich ist das in erheblichem Ausmaß vom Wohlbefinden der Eltern abhängig, aber es gibt auch einige zusätzliche Aspekte.

Im Folgenden beziehen wir uns auf die Familiengründung zu Dritt mittels Fremdsamenspende. Spenderkinder brauchen in erster Linie informierte Eltern, die selbstbewusst und reflektiert mit den lebenslangen Herausforderungen dieser besonderen Familienkonstellation umgehen.

Zum Zeitpunkt des unerfüllten Kinderwunsches und der Entscheidung für eine Familiengründung zu Dritt gibt es vieles, womit sich die Paare beschäftigen, welche Methoden es gibt, wie erfolgversprechend die einzelnen Methoden sind, Trauer über eigene Unfruchtbarkeit, Ängste und möglicherweise die Bewältigung bereits erfolglos absolvierter Versuche, den Kinderwunsch zu verwirklichen. Psychosoziale Aspekte, die möglicherweise erst in 10, 20 Jahren wichtig werden können, werden deshalb oft nicht beachtet.

Psychosoziale Versorgung der Wunscheltern bedeutet auch, sie aktiv über die Bedürfnisse der Spenderkinder zu informieren: Frühe Aufklärung und mögliches Interesse der Kinder an ihrer biologischen Verwandtschaft

Psychosoziale Sorge für die Wunscheltern und die entstehenden Familien zu tragen, bedeutet deshalb die Wunscheltern nicht nur mit ihren eigenen Ängsten und Sorgen aufzufangen, sondern sie darüber hinaus aktiv über alle wesentlichen psychosozialen Aspekte zu informieren. Nur so können sie eine bewusste, verantwortliche Entscheidung für oder gegen die Familiengründung zu Dritt treffen. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, sollte diese Beratung von ideologisch und wirtschaftlich vom Reproduktionszentrum unabhängigen psychosozialen Fachkräften durchgeführt werden. Dennoch sollten auch die übrigen Mitarbeitenden über die psychosozialen Herausforderungen informiert sein, damit sie die Wunscheltern besser begleiten können.

Das heißt konkret, Wunscheltern sollten darüber informiert werden, dass Forschungsergebnisse und Erfahrungen mittlerweile erwachsener Spenderkinder eine möglichst frühe Aufklärung der Kinder über ihre Entstehung durch Fremdsamenspende empfehlen (i.e. Blyth, Langridge & Harris, 2010; Rumball & Adair, 1999). Außerdem sollten sie wissen, dass die meisten aufgeklärten Kinder früher oder später ein Interesse daran entwickeln, zu erfahren, wer ihr biologischer Vater ist (Beeson, Jennings & Kramer, 2011; Hertz, Nelson & Kramer, 2013; Scheib, Riordan & Rubin, 2005; Blake, Casey, Jadva & Golombok, 2013).

Spenderkinder brauchen starke Eltern, die sie unterstützen und mit denen sie offen über die Familiengründung zu Dritt reden können

Wunscheltern sollten sich nur dann für eine Familiengründung zu Dritt entscheiden, wenn sie auch offen zu ihrer Entscheidung stehen können. Spenderkinder brauchen Eltern, die sie unterstützen und mit denen sie über die Familienkonstellation reden können. Sie brauchen Eltern, die sie begleiten, wenn sie ein Interesse an dem unbekannten Dritten entwickeln. Es besteht die Gefahr der Parentifizierung, wenn die Kinder das Gefühl entwickeln, ihre Eltern schonen zu müssen und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Eltern vermeiden, weil diese mit den Herausforderungen der Familienkonstellation überfordert sind.

Weitere familiendynamische Aspekte, die aktiv mit den Wunscheltern thematisiert werden sollten, sind die ungleiche Ausgangslage der Eltern, da nur die Mutter biologisch mit dem Kind verwandt ist (Becker, Butler & Nachtigall, 2005). Regelmäßig äußern Eltern die Befürchtung, der soziale Vater könne vom Kind zurückgewiesen werden (Lalos, Gottlieb & Lalos, 2007) oder das Wissen um die Unfruchtbarkeit könnte als verletzende Waffe gegenüber dem nicht biologisch-verwandten Elternteil eingesetzt werden (Kirkman, 2004). Diese Asymmetrie in der Beziehung zum Kind kann zu Spannungen innerhalb der Paarbeziehung führen und leider auch dazu, dass immernoch viele Spenderkinder entgegen besseren Wissens nicht aufgeklärt werden.

Die Leitlinien vernachlässigen das bestehende Wissen über die Bedürfnisse der Wunschväter

Ein Großteil der Leitlinien soll die Aufklärung und Versorgung der Wunschmütter verbessern und bemängelt die Unwissenheit über die Bedürfnisse der Wunschväter. Deshalb erscheint es uns wichtig, wenigstens die vorhandenen Erkenntnisse in den Leitlinien zu berücksichtigen. Die Belastung der unfruchtbaren Männer wird häufig auch von den Männern selbst übersehen und macht sich erst Jahre später bemerkbar (Thorn & Wischmann, 2014; Indekeu et al., 2012). Die sozialen Väter von Spenderkindern setzen sich oft wenig mit ihren Gefühlen auseinander und haben deshalb häufig große Probleme mit dem notwendigen offenen Umgang (Beeson, Jennigs, Kramer, 2011). Das Gefühl des Verlusts durch die Diagnose der Unfruchtbarkeit kann so überwältigend sein, dass manche (nicht alle) Wunscheltern die Familiengründung zu Dritt zunächst lediglich als pragmatischen Weg sehen, Eltern zu werden – bevor sie die genetische Verbindung aus Sicht ihrer Kinder neu bewerten (Kirkman, 2004).

Der Spender spielt ab der Familiengründung zu Dritt eine existenzielle Rolle für das Kind und damit für die Familie. Auch wenn die Eltern ihn auf seine Funktion als Spender zu reduzieren versuchen, ist er ein Mensch aus Fleisch und Blut, den das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens kennenlernen möchte.

Die (ambivalenten) Gefühle der Männer bezüglich ihrer Unfruchtbarkeit, die Demütigung durch den potenten Spender, von dem ihre Frau möglicherweise ein Kind erwartet, ihre Gefühle gegenüber ihrem (fremden) Kind und der Frau, die im Gegensatz zu ihnen zusätzlich über eine biologische Verbindung zum Kind verfügt, sowie ihre Vorstellungen davon, wie sie ihre soziale Vaterrolle wahrnehmen möchten, sollten unbedingt aktiv mit den Wunschvätern thematisiert werden, auch wenn die Wunschväter keinen Gesprächsbedarf deutlich machen. Die Probleme der Männer schlagen sich nicht notwendigerweise als klinisch relevante Angststörung oder Depression nieder. Die familiendynamischen Zusammenhänge sind komplexer und zeigen sich bei manchen Männern z.B. in Unsicherheit gegenüber dem Kind, indifferenten Gefühlen, die sie selbst nicht einordnen können, in Spannungen mit der Partnerin, obwohl sie doch eigentlich glücklich sein müssten, Vater geworden zu sein. Hier besteht großer Aufklärungsbedarf zum Wohle der Männer und ihrer Paar- sowie Eltern-Kind-Beziehung.

Aus den o.g. Gründen sind wir der Meinung, dass die Familiengründung mit Fremdsamenspende eine sehr große Herausforderung für alle Beteiligten darstellt, die nicht leichtfertig empfohlen werden sollte. In jedem Fall raten wir vor jeder Entscheidung für diese Form der Familiengründung dringend zu einer ausführlichen Aufklärung der Wunscheltern über die psychosozialen Implikationen der Familiengründung zu Dritt.

In vielen europäischen Ländern wie zum Beispiel Schweden, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und zuletzt Irland, ist es bereits selbstverständlich, dass Spenderkinder ihren biologischen Erzeuger in Erfahrung bringen können. Wir möchten darauf hinweisen, dass wir dies für eine Grundvoraussetzung halten als Ausdruck des Respekts vor den Bedürfnissen der (erwachsenen) Spenderkinder.

Literatur:
Becker G, Butler A, Nachtigall R (2005) Resemblance talk: A challenge for parents whose children were conceived with donor gametes in the US. Social Science & Medicine 61 (2005), p. 1300–1309, p. 1307.
Beeson D, Jennings P, Kramer W (2011) offspring searching for their sperm donors: how family type shapes the process. Human Reproduction 9 (26), p. 2415-2424, p. 2419.
Beeson D, Jennigs P, Kramer W (2011), Offspring searching for their sperm donors: how family type shapes the process. Human Reproduction (9) 26, p. 2415–2424, p. 2422.
Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S (2013) ‘I Was Quite Amazed’: Donor Conception and Parent–Child Relationships from the Child’s Perspective. Children & Society, p. 10.
Blyth E, Langridge D, Harris R (2010) Family building in donor conception: parents‘ experiences of sharing information, in: Journal of Reproductive and Infant Psychology (2) 28, p. 116-127, p. 124-125.
Hertz R, Nelson M, Kramer W (2013) Donor conceived offspring conceive of the donor: The relevance of age, awareness, and family form. Social Science & Medicine 86, p. 52-65, p. 56.
Indekeu A et. al. (2012) Parenthood motives, well-being and disclosure among men from couples ready to start treatment with intrauterine insemination using their own sperm or donor sperm. Human Reproduction (1) 27, p. 159–166, p. 164.
Kirkman M (2004) Genetic Connection And Relationships in Narratives Of Donor-Assisted Conception. Australian Journal of Emerging Technologies and Society (1) 2, p. 1-21, p. 12.
Kirkman M (2004) Genetic Connection And Relationships In Narratives Of Donor-Assisted Conception. Australian Journal of Emerging Technologies and Society (1) 2, p. 1-21, p. 15.
Lalos A, Gottlieb C, Lalos O (2007) Legislated right for donor-insemination children to know their genetic origin: a study of parental thinking. Human Reproduction (6) 22, p. 1759–1768, p. 1766.
Rumball A, Adair V (1999) Telling the story: parents‘ scripts for donor off-jump. Human Reproduction (5) 14 p.1392-1399, p. 1397.
Scheib J, Riordan M, Rubin S (2005) Adolescents with open-identity sperm donors: reports from 12–17 year olds. Human Reproduction (1) 20, p. 239–252, p. 248.
Thorn P, Wischmann T (2014) Der Mann in der Kinderwunschbehandlung (unter besonderer Berücksichtigung der donogen Insemination). Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Pre-Publishing Online.

Spenderkinder ist Gründungsmitglied von Donor Offspring Europe (DOE)!

Seit heute ist die Internetseite von Donor Offspring Europe (DOE) online! DOE ist eine Dachorganisation von Spenderkinder-Organisationen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spenderkindern aus Dänemark, UK und der Schweiz.

Die Abkürzung DOE beruht auf dem Gedanken, dass im englischsprachigen Raum ein „John“ oder eine „Jane Doe“ eine Person ungeklärter Herkunft ist. DOE ist vor allem als Plattform gedacht, um Informationen zu teilen, aber auch, um für unsere Ziele wie die Kenntnis unserer Abstammung auf europäischer Ebene einzutreten. Nicht zuletzt hoffen wir, dass wir dazu beitragen können, dass auch in anderen Ländern Spenderkinder-Organisationen entstehen werden.

Auf der Webseite informieren die einzelnen Verbände über die Situation in ihren Ländern aus der Sicht von Spenderkindern, aber es wird in den nächsten Monaten zusätzliche Informationen zu aktuellen Ereignnissen in unseren Ländern sowie europäischem Recht geben.

Kenia bekommt Spenderregister

Bei künstlicher Befruchtung denkt man vielleicht nicht gleich an Kenia – dennoch wird es auch dort gemacht und das kenianische Parlament berät momentan einen Gesetzesentwurf zur Regelung von künstlicher Befruchtung. Die In Vitro Fertilisation Bill 2014 soll vor allem Menschen schützen, die durch künstliche Befruchtung entstehen, die gleiche Rechte besitzen sollen wir Kinder, die durch Geschlechtsverkehr gezeugt werden. Es soll die damit gezeugten Kinder insbesondere vor einer inzestuösen Beziehung schützen.

Das Gesetz sieht die Schaffung einer Behörde vor, die ein Register mit aus solchen Behandlungen resultierenden Geburten und den dazu gehörigen biologischen Vätern führen wird. Mit dem Alter von 18 Jahren kann jeder Auskunft von dieser Behörde verlangen, ob Informationen in dem Register über den Antragsteller vorhanden sind. Der Antragsteller muss vor Auskunftserteilung über die möglichen Konsequenzen der Informationen beraten werden. Minderjährige können nur bei medizinischer Notwendigkeit Auskunft erhalten.

Das Gesetz trifft allerdings keine Aussagen darüber, wie oft ein Samenspender spenden kann und wie viele Kinder er zeugen darf.

Wir freuen uns, dass sich ein weiteres Land entschieden hat, den Bereich der künstlichen Befruchtung rechtlich zu regeln und sich gegen anonyme Spenden auszusprechen. Es ist lange überfällig, dass sich auch der deutsche Gesetzgeber diesen Sachverhalten widmet und die ungeklärten Fragen nicht weiterhin nur Ärzten und Gerichten überlässt.

 

Keine Spendernot in Großbritannien

Am 27. Juli konnte man auf der Online-Seite der BBC folgende Meldung finden: UK facing ‚major‘ sperm shortage – in etwa: Großbritannien wird der Spendersamen knapp. Hintergrund für diese Befürchtung sind Äußerungen der British Fertility Association, weil nach Zahlen der Regulierungsbehörde HFEA eine von vier Samenspenden jetzt schon aus dem Ausland kommt (auch dann sind übrigens nur nicht-anonyme Spenden erlaubt).

Der Artikel führt dann aus, dass man vermutet, dass es weniger Samenspender gibt, seitdem 2005 anonyme Samenspenden verboten wurden. Es gäbe nun zu wenige Spender, obwohl die Nachfrage nach Samenspendern  dank Fortschritten in der Reproduktionsmedizin, die mehr Männern genetisch eigene Kinder ermöglichen, gesunken sei.

Beides ist aber falsch. Die Anzahl der Samenspender ist seit 2005 nach den Zahlen der Regulierungsbehörde HFEA sogar gestiegen. Auf der anderen Seite ist aber auch die Nachfrage gestiegen, weil – anders als in den Anfangszeiten der Samenspende – auch lesbische Paare und alleinstehende Frauen Samenspenden in Anspruch nehmen können. Zu wenige Spender sollte es in Großbritannien aber trotzdem nicht geben: die Zahlen der HFEA zeigen außerdem, dass die bestehenden Spenden nicht ausreichend verwendet werden. Obwohl ein Spender Kinder für bis zu 10 Familien zeugen darf,  werden sie durchschnittlich nur für 1,5 Familien verwendet. Anscheinend haben manche Kliniken Probleme nachzuvollziehen, für wie viele Familien ihre Spender verwendet wurden.

Ein weiterer Grund für den Import von ausländischem Sperma mag finanzieller Natur sein. Zumindest bei Eizellspenden haben viele Reproduktionskliniken wohl lukrative Absprachen mit Zentren in Spanien und Tschechien, wo es nur anonyme Spenden gibt. Den Eltern wird dann mitgeteilt, dass die Warteliste in Großbritannien unglaublich lang sei (tatsächlich beträgt die Wartezeit wohl weniger als ein Jahr) und empfehlen dann eine Partnerklinik, von deren Behandlungshonoraren sie dann einen Anteil für die Empfehlung erhalten.

Leider zeigt dieser Artikel wieder einmal, wie unkritisch viele Medien die Äußerungen von Reproduktionsmedizinern übernehmen – vielleicht auch weil es einfach viel zu gut in die vorgefertigte Meinung passt, dass Samenspender anonym bleiben wollen.

Teilnehmer für Online-Studie des DSR und Wellesley College and Middlebury College gesucht

Das Donor Siblings Registry in Zusammenarbeit mit dem Wellesley College and Middlebury College suchen Teilnehmer (Spenderkinder, Eltern, Spender) für ihre Studie “Donor Gametes, Donor Siblings, and the Making of New Families.” Die Studie soll Einstellungen zu Eizell-, Samen und Embryonenspende untersuchen und die Beziehungen zwischen Familien mit dem selben Spender, die Kontakt zueinander geknüpft haben. Die Teilnahme am englischsprachigen Online-Formular dauert etwa 15 Minuten.

Die Studie zielt von den Fragen her zwar eher auf die USA und Nutzer des Donor Siblings Registry, aber ist offen für alle Nationalitäten. Das Donor Siblings Registry hat schon an einigen sehr interessanten Studien mitgewirkt, daher empfehlen wir eine Teilnahme, auch damit die Forscher ihre Ergebnisse auf mehr Fallzahlen basierend erhalten können.

Es gibt getrennte Fragebögen für Spenderkinder ab 13 Jahren, Spenderkinder-Eltern und Spender.

 

Andere Länder, andere Gesetze

Andere Länder, andere Gesetze – das ist selbstverständlich und trifft auch auf die Regelung von Samenspenden und anderen reproduktionsmedizinischen Verfahren in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zu. Seit ein paar Tagen ist die Neubearbeitung von Andere Länder online, wo wir die rechtliche Lage in anderen Ländern besprechen – mit einem Fokus auf europäische Länder und das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung.

Bei der Neubearbeitung haben wir uns bemüht, die tatsächlichen Rechtsgrundlagen ausfindig zu machen und zu verlinken, damit alles im Original nachgelesen werden kann. Wir hoffen, dass die Verweise auf andere Länder gerade bei der Formulierung des Auskunftsrechts von Spenderkindern – das ja im Koalitionsvertrag steht – eine Inspiration sein werden – auch dafür, dass es nicht nur bei einem Auskunftsrecht bleibt, sondern die reproduktionsmedizinischen Verfahren umfassend geregelt werden. Besonders vorbildhaft sind die Regelungen in Großbritannien und der Schweiz. 

2 Aspekte finde ich besonders auffällig: Zuerst besitzt fast jedes andere europäische Land mehr Regelungen zur Reproduktionsmedizin als Deutschland. Hier gibt es nur das relativ knappe Embryonenschutzgesetz, das Eizellspenden und Leihmutterschaft untersagt und regelt, wie man mit Embryonen umgehen soll. Welchen Regelungen aber Samenspenden unterliegen und welche Rechte die Betroffenen haben, wird nur rudimentär im BGB-Familienrecht geregelt und ansonsten den Ärzten überlassen, die natürlich erhebliche Eigeninteressen haben. Das ist in fast keinem anderen europäischen Land so und ich frage mich, wie man auf die Idee kam, den Embryo besser zu schützen als die über 100.000 Spenderkinder, die ja unbestritten existierende Menschen sind.

Zweitens fällt bei einem Vergleich der rechtlichen Regelungen in Europa auf, dass es bei der Frage, ob anonyme Spenden von Fortpflanzungszellen verboten sind, ein deutliches Nord-Süd Gefälle gibt. In Schweden, Norwegen, Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz sind anonyme Spenden verboten. In Belgien, Frankreich, Spanien und Tschechien sind anonyme Spenden dagegen verpflichtend oder zumindest die Regel. Ich vermute, dass diese Unterschiede mit der politischen Kultur der jeweiligen Länder und auch der religiösen bzw. weltlichen Prägung zu tun haben. Die Länder, die anonyme Spenden verbieten, haben alle eine eher offene politische Kultur und sind eher evangelisch-weltlich geprägt. Etwas aus dem Rahmen fällt dabei nur Dänemark, wo Spender die Wahl haben. Vermutlich beeinflusst hier aber auch die Tatsache, dass die weltweit größten Samenbanken ihren Sitz in Dänemark haben, die rechtlichen Regelungen.

Die Länder mit anonymen Samenspenden sind dagegen eher katholisch und noch von einem konservativen Familienbild geprägt. Meine Vermutung ist, dass man in solchen Ländern eher davon ausgeht, dass die Familie vor dem Spender als Dritten geschützt werden muss (daher die Anonymität) und das Kindeswohl nicht als eigenen Belang berücksichtigt. In Frankreich laufen Samen- und Eizellspenden sogar ausschließlich über staatliche Kliniken ab – als hätte der Staat eine Pflicht, Paaren zu Kindern zu verhelfen. Der Spender hat noch nicht mal das Recht, freiwillig auf seine Anonymität zu verzichten. Italien ist einen ganz anderen Weg gegangen und hat jegliche reproduktionsmedizinischen Verfahren mit den Fortpflanzungszellen Dritter untersagt.

Spannend wird die Frage sein, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angesichts der sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung im Rahmen des Rechts auf Familie nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention beurteilen wird. Es ist möglich, dass sie in nicht allzu ferner Zeit einen Fall aus Frankreich bekommen werden. In der Vergangenheit hat das Gericht besonders die Rechte leiblicher Väter gestärkt – es wäre an der Zeit, dass dies auch für die Rechte leiblicher Kinder getan wird.

Zwei interessante Beiträge im britischen Guardian

Im britischen Guardian sind zwei interessante Artikel über Samenspenden erschienen.

Who is my sperm donor father“ über das 21jährige Spenderkind Natasha Fox ist schon fast ein Jahr alt. Natasha ist das Kind einer alleinstehenden Mutter, die sich für eine Samenspende entschieden hat, weil sie nicht den passenden Mann gefunden hat. Wie fast alle Spenderkinder von diesen solo mums und lesbischen Paaren weiß sie seit dem Kleinkindalter von ihrer Entstehungsweise. Es ist spannend zu lesen, wie sie von Anfang an sehr unbefangen damit umgeht, sie sich aber ab dem Alter von 12 Jahren eine Vater-Tochter Beziehung wünscht und sie die Anonymität des Spenders schmerzt. Inzwischen sucht sie nicht mehr nach einem Vater, sondern möchte nur mehr über den Spender erfahren und ihre Halbgeschwister kennenlernen. Der Artikel zeigt, dass die von manchen Eltern geäußerte Erwartung (oder Hoffnung), ihre Spenderkinder würden sich bei früher Aufklärung nicht für den Spender interessieren, keine Grundlage hat.

In dem Artikel „I fathered 34 children through sperm donation“ vom 31. Januar 2014 erzählt ein ehemaliger britischer Samenspender, dass er sich mit eher wenigen Gedanken in den 90ern dazu entschloss. Interessanterweise änderte sich seine Perspektive dann, als er selbst Vater wurde: „Looking back I can see that becoming a father made me more conscious of the consequences of my earlier actions.“ Leider führte erst das Ende seiner Ehe dazu, dass er sich entschloss, bei der britischen Regulierungsbehörde HFEA nachzufragen, was aus seinen Spenden geworden ist. Dass er 34 Kinder gezeugt hat, kam dann doch sehr überraschend für ihn. Als er den zuerst erwähnten Artikel letztes Jahr las, entschloss er sich, gegenüber der HFEA auf seine Anonymität (die für Spender zwischen 1991 und 2004 in Großbritannien besteht) zu verzichten. „I came to feel that to deny someone the opportunity to try to find what he or she is seeking would be an act of selfishness on my part.“ Vor kurze hat das erste seiner Kinder bei der HFEA Informationen über ihn angefordert. Bleibt zu hoffen, dass es mehr ehemalige Spender wie ihn gibt.

Das Beispiel Großbritannien – vorbildhafte Regulierung der Reproduktionsmedizin und Achtung der Rechte von Spenderkindern

Reproduktionsärzte und Samenbanken, die nur anhand rudimentärer rechtlicher Regeln und ohne staatliche Kontrolle den Wunsch von Erwachsenen nach einem Kind bedienen und dabei meistens die Rechte der entstehenden Kinder ignorieren – so sieht die Situation momentan in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern aus. Dass es auch ganz anders geht, zeigt das Beispiel von Großbritannien.

Dort sind seit 2005 anonyme Samenspenden verboten – übrigens ohne dass die Zahl der Spender zurückging, sie ist im Gegenteil sogar gestiegen.

Wie sehen die rechtlichen Regelungen aus?

In Großbritannien sind neben Samenspenden auch Eizell- und Embryonenspenden und nicht kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt. Alle diese Aktivitäten werden von einer Regulierungsbehörde mit dem Namen Human Fertility and Embryology Authority („HFEA“) überwacht. Alle Reproduktionskliniken benötigen eine Lizenz der HFEA (sec. 4, 11 ff. HFE-Act) und müssen an diese bestimmte Daten weitergeben.

Die HFEA führt seit 1991 ein nationales Register mit allen reproduktionsmedizinischen Behandlungen, den davon betroffenen Patienten, Spendern und den daraus resultierenden Geburten. Hierfür speichert die HFEA jede Nutzung von Spendern über Kliniken (sec. 31 HFE-Act). Zwar findet ein Abgleich mit Melderegistern nicht statt, um zu erfahren, ob tatsächlich ein Kind als Resultat der jeweiligen Behandlung geboren wird. Die HFEA weiß aber von fast von allen mit Hilfe von Gametenspenden gezeugten Kindern, da sie von der jeweiligen Klinik erfährt, ob die jeweilige Behandlung tatsächlich erfolgreich war. Die Kliniken sind selbst interessiert daran, erfolgreiche Behandlungen an die HFEA zu melden, da nur solche für die Erfolgsstatistik zählen, die für die jeweiligen Kliniken veröffentlicht wird. Aus diesem Grund weisen die Kliniken ihre Patienten bereits bei der Behandlung auf das Erfordernis der Informationsweitergabe an die HFEA hin und fragen auch aktiv bei den Patienten nach. Teilweise lassen sie sich über den Behandlungsvertrag auch das Recht geben, bei dem behandelnden Frauenarzt nachzufragen.

Jede Person kann ab dem Alter von 16 Jahren bei der HFEA anfragen, ob sie mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung über eine Klinik entstanden ist und ob eine bestimmte Person, mit der sie eine intime Beziehung haben, mit ihr verwandt ist (sec. 31ZB HFE-Act). Spenderkinder können ab dem Alter von 16 erfahren, wie viele Halbgeschwister sie haben und bestimmte nichtidentifizierende Informationen über den Spender wie Geburtsdatum, Geburtsland, ethnische Zugehörigkeit, Größe, Gewicht, Augen- Haar- und Hautfarbe, Kinder erhalten (sec. 31ZA HFE-Act). Ab dem Alter von 18 können sie sich zu einer Kontaktaufnahme mit ihren Halbgeschwistern bereit erklären (sec. 31 ZE HFE-Act). Dies gilt jedoch nur für Kinder, die ab 1991 gezeugt wurden.

Spenderkinder, die durch Spenden nach dem 31. März 2005 gezeugt wurden, können ab dem Alter von 18 Jahren die identifizierenden Daten des Spenders erhalten (sec. 31ZA para 2a HFE-Act, sec. 2 para 3 Human Fertilisation and Embryology Authority (Disclosure of Donor Information) Regulations 2004). Dies wird erstmals im Jahr 2023 der Fall sein. Spenderkinder, die vor diesem Datum gezeugt wurden, erhalten nur dann identifizierende Informationen über ihren Spender, wenn ihr Spender auf Anonymität verzichtet. Bislang haben dies lediglich 126 Spender getan. Spenderkinder erhalten jedoch nicht-identifizierende Informationen über den Spender sowie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu Halbgeschwistern. Spenderkinder, die vor 1991 gezeugt wurden, haben dagegen nur wenige oder überhaupt keine Informationen über ihren Spender. Für sie existiert jedoch seit 2004 ein staatlich gefördertes Register, das Donor Conceived Register (früher bekannt unter dem Namen UK DonorLink), bei dem sich Spenderkinder und Spender registrieren lassen können und per DNA-Test auf Verwandtschaft abgeglichen werden.

Spender können sich über die Anzahl, das Geschlecht und das Geburtsjahr aller mit ihrer Hilfe gezeugten Kinder informieren (sec. 31ZD para 3 HFE-Act). Ein Spender darf nur für 10 Familien verwendet werden. Dies wird durch die HFEA überwacht und Verstöße sind äußerst selten. Die Eltern erhalten auf Anfrage Informationen über die Anzahl, das Geschlecht und das Geburtsjahr von Halbgeschwistern ihrer Kinder.

Rechtlich werden die Empfänger Eltern, die Spender sind dagegen keine rechtlichen Eltern (sec. 27-29 HFE-Act). Spender und Empfänger haben keine Ansprüche gegeneinander. Dies gilt jedoch nur für Samenspenden über die von der HFEA lizensierten Kliniken, bei privaten Samenspenden kann ein Samenspender auch rechtlicher Vater werden.

Die HFEA verpflichtet die von ihr lizensierten Kliniken außerdem, Spender und Empfänger über die Auswirkungen der Behandlungen zu informieren (sec. 13 para 6 C HFE-Act). Das beinhaltet Informationen darüber, dass die Eltern ihre Kinder im jungen Alter über ihre Abstammung aufklären sollten und wie sie dies tun können. Hierzu müssen die Kliniken standardisierte Informationen verwenden und weitergeben.

Wie kam es zu diesen fortschrittlichen rechtlichen Regelungen?

1984 empfahl ein Bericht des Untersuchungsausschusses zu Menschlicher Fruchtbarkeit und Embryologie (sog. Warnock-Report) die Einrichtung einer Behörde, die IVF und Embryonenforschung überwachen sollte. Aufgrund des Human Fertilisation and Embryology Act 1990 („HFE-Act 1990“) wurde im August 1991 die Regulierungsbehörde HFEA als weltweit erste dieser Art gegründet.

Der HFE-Act 1990 sah noch eine Anonymität von Spendern vor, unter anderem weil ansonsten ein Rückgang der Spender und rechtliche und emotionale Schwierigkeiten innerhalb der Familie befürchtet wurde. Allerdings schloss die Regierung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht aus, dass Spenderkinder in Zukunft einmal die Identität der Spender erfahren könnten.1 Auch riet der Warnock-Ausschuss von einer Geheimhaltung innerhalb der Familie ab und empfahl einen Zugang von Spenderkindern zu Basisdaten über den Spender ab dem 18. Lebensjahr.

Eine der Hauptaufgaben der HFEA war seit ihrer Gründung ist die Führung eines Registers über alle Spender, Empfänger und entstandene Spenderkinder. Spender wurden von Anfang an um zusätzliche Informationen gebeten die mit den Eltern und dem Kind geteilt werden können. Außerdem konnte jede Person im Alter von 18 Jahren eine Anfrage an die HFEA stellen, ob er oder sie mit Hilfe eines Spenders entstanden ist. Verlobte konnten anfragen, ob sie von demselben Spender abstammen.

In den 90er Jahren erschienen jedoch zunehmend Berichte von Spenderkindern, die von Problemen mit der Anonymität ihrer genetischen Eltern und der Art ihrer Aufklärung berichteten und die Ungleichbehandlung mit Adoptierten kritisierten.2 Auch das Donor Conception Network, eine im Jahr 1993 gegründete Elternorganisation, setzten sich für die Aufhebung der Anonymität von Spendern ein.3

Im Jahr 2000 klagten zwei britische Spenderkinder, Joanna Rose und EM, vor dem „England and Wales High Court“ gegen die HFEA auf Aufhebung der Anonymität der Spender wegen einer
Verletzung von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dem Recht auf Familienleben, und Art. 14 EMRK Gleichheit, wegen der Ungleichbehandlung in Vergleich zu adoptierten Personen. Das Gericht entscheid mit Urteil vom 26. Juli 2002 zunächst nur, dass Art. 8 EMRK einschlägig ist, behielt sich jedoch eine weitere Entscheidung bis zum Abschluss einer 2001 begonnenen Regierungskonsultation vor. Bereits diese Entscheidung stellte jedoch einen Erfolg in dem Angriff auf die Anonymität der Spender dar.

Nach Abschluss der Regierungskonsultation kündigte im Januar 2004 die Gesundheitsministerin Melanie Johnson in einer Rede an, dass die HFEA von 2005 an nur noch Spender akzeptieren würde, die mit der Bekanntgabe ihrer Identität an die von ihnen abstammenden volljährigen Kinder einverstanden wäre. Dies beinhaltet den vollen Namen, Geburtsdatum und -ort und die letzte bekannte Adresse.

Sie begründete diese Entscheidung vor allem mit der Ähnlichkeit der Situation von Spenderkindern zu Adoptierten, die Informationen über ihre Abstammung erhalten können und bei denen man früher ebenfalls davon ausging, dass die Adoption einen Bruch zu ihrer vorherigen Familie darstellte, der auch durch Informationen nicht überwunden werden sollte. Als wichtigen Grundsatz für die Infertilitätsbehandlungen setzte sie hinzu: „The interests of the child are paramount. We live in an age where, as technology continues to develop, our genetic background will become increasingly important.“ Und: „Clinics decide to provide treatment using donors; patients make a decision to receive treatment using donors; donors decide to donate. Donor-conceived children, however, do not decide to be born – is it therefore right that access to information about the donation that led to their birth should be denied to them?

Die überwiegende Zahl der Kliniken und die British Fertility Society kritisierte die Entscheidung und äußerte (im Nachhinein unbegründete) Befürchtungen, dass die Zahl der Spender um bis zu 80 Prozent sinken könnte. Melanie Johnson äußerte jedoch bereits in ihrer Rede: „We can change the culture of donation“ – was sich im Nachhinein als wahr erwies.

Die angekündigten Änderungen wurden in der Human Fertilisation and Embryology Authority (Disclosure of Donor Informations) Regulation 2004 umgesetzt.
Die HFEA revidierte gleichzeitig auch ihre interne Politik. Nachdem sie zwischen 1991 und 2005 Kliniken lediglich verpflichtete, das potentielle Interesse der Kinder an Kenntnis ihrer Abstammung zu beachten und ob die zukünftigen Eltern auf diese Fragen vorbereitet sind, verpflichtete sie nun die Kliniken, die Wunscheltern zu ermutigen, gegenüber den Kindern offen mit der Entstehungsweise umzugehen.4

Alles gut in Großbritannien?

Ist in Großbritannien nun alles perfekt für Spenderkinder geregelt? Angesichts der Tatsache, dass das Verbot anonymer Spenden erst seit 2005 gilt und Spenderkinder, die vor 1991 gezeugt wurden, keinerlei Informationen über Spender und Verwandte erhalten können, kann man das nicht sagen. Man muss auch sehen, dass für Spenderkinder, die zwischen 1991 und März 2005 gezeugt worden sind, das Recht der Spender auf Anonymität höher bewertet wird als das Recht der Spenderkinder auf Kenntnis ihrer Abstammung. Da es sich hierbei um ein Menschenrecht der Spenderkinder handelt (so ja auch das Gerichtsurteil des High Court of England and Wales) und eine Ungleichbehandlung zu Adoptierten, ist diese Wertung zweifelhaft. Viele Spenderkinder würden es außerdem begrüßen, wenn sie zu Halbgeschwistern auch schon vor dem Alter von 18 Jahren Kontakt aufnehmen könnten.

Für viele Spenderkinder ist es jedoch eine Genugtuung, dass ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung zumindest für die Zukunft anerkannt wird und die Regierung versucht, den Interessen der vorher gezeugten Spenderkinder durch die nachträgliche Registrierung von Kontaktmöglichkeiten und der Unterstützung eines DNA-Registers zumindest ein bisschen Rechnung trägt. Allerdings sind gerade die staatlichen Zuschüsse in den letzten Jahren deutlich gekürzt worden, und dort arbeiten keine Personen mit einem sozialberatenden Hintergrund.

In Studien wird davon ausgegangen, dass die Möglichkeit, Informationen über den Spender zu erhalten, dazu führt dass Eltern offen und positiv mit dieser Form der Familiengründung umgehen.5 Daher ist davon auszugehen, dass Eltern in Großbritannien ihre Kinder häufiger aufklären als Eltern in Deutschland, wo das Recht von Spenderkindern auf Informationen über ihren Spender immer noch wenig geregelt ist und auch in den verschiedenen Kliniken deutlich anders gehandhabt wird. Auch in Großbritannien klären jedoch viele Eltern ihre Kinder immer noch nicht darüber auf, dass sie mit einer Samen- oder Eizellspende entstanden sind. Viele britische Spenderkinder würden daher begrüßen, wenn die Abstammung auf der Geburtsurkunde festgehalten würde. Hierzu gab es eine Initiative im Jahr 2008, die leider bei der Gesetzgebung bislang nicht berücksichtigt wurde. Auch die British Association for Adoption and Fostering setzt sich für dieses Ziel ein.

Ein Vorbild für Deutschland?

Für Deutschland sollte das britische System der Regulierung von Reproduktionskliniken als Vorbild dienen. Ich finde es immer wieder verwunderlich, dass man eine Methode, bei der Menschen erzeugt werden, ganz der Selbstregulierung durch die Ärzte überlassen hat, die natürlich erhebliche finanzielle Eigeninteressen haben und nicht qualifiziert dafür sind, die Auswirkungen auf den Familienbildungsprozess zu beurteilen. Aufgrund der lockeren politischen Steuerung der Reproduktionsmedizin in Deutschland befinden sich die individuellen Ärzte dagegen in einer Autoritätsposition, wie sie die Informationen über den Spender handhaben und wie sie die betroffenen Familien beraten. In der Praxis hat dies zu sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Erfassung und Aufbewahrung der Spenderdaten geführt.6 Die Untätigkeit des Gesetzgebers ist umso verwunderlicher, als dass dem Schutz von Embryonen – also Menschen, die möglicherweise gar nicht auf die Welt kommen – ein Gesetz mit Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften gewidmet ist, das Embryonenschutzgesetz. Auch dieses Gesetz wird jedoch nicht durch Regulierung überwacht, sondern es wird nur über die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft auf Verstöße reagiert.

Insbesondere wenn man sich die Internetseiten verschiedener Reproduktionsärzte, -kliniken und Samenbanken ansieht, stellt man fest, dass diese völlig unterschiedliche Informationen vermitteln. Viele schreiben überhaupt nichts über die psychosozialen Herausforderungen, die eine Samenspende auf die Familienbildung hat. Andere weisen gar nicht oder nur sehr zurückhaltend auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hin und stellen auch die rechtliche Lage unzutreffend dar. Manche versehen dies sogar mit Hinweisen, dass ihrer Meinung nach ein Verschweigen der Samenspende das Beste für die Familie ist. Angesichts solcher unzutreffender Informationen wäre eine Regulierungsbehörde, die die Tätigkeiten der Kliniken überwacht und die Bereitstellung bestimmter standardisierter Informationen für Spender, Empfänger und Kinder durchsetzen kann, absolut wünschenswert.

Vorbildhaft sind ebenfalls die Informationsmöglichkeiten für alle Beteiligte, insbesondere dass Spender nicht-identifizierende Informationen über die durch sie gezeugten Kinder erhalten können und Spenderkindern eine Kontaktaufnahme zu Halbgeschwistern vermittelt wird.

Andere Aspekte der britischen Gesetzgebung würden wir lieber nur angepasst in Deutschland übernehmen. Wie die britischen Spenderkinder stellt für uns die Eintragung des Spenders in das Geburtenregister entsprechend der Situation bei Adoptierten die beste Lösung dar, weil dann Eltern einen sehr deutlichen Anreiz haben, ihre Kinder über ihre Abstammung aufzuklären. Bei einem zentralen Register muss man ja erst einmal auf die Idee kommen, dass man nicht von den Eltern abstammt, um über eine Anfrage dann Klarheit zu erhalten.

Ein Recht von Spenderkindern auf Erhalt identifizierender Informationen über ihren Spender nur für die Zukunft einzuführen, wäre dagegen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich in Deutschland. Hier muss davon ausgegangen werden, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung von Spenderkindern gegenüber anderen Interessen überwiegt, insbesondere weil dieses Recht seit den 60er Jahren in Deutschland anerkannt ist und die entsprechenden Beschlüsse und Richtlinien der Ärztekammer seit 19707 darauf hinweisen, dass dem Spender keine Anonymität zugesichert werden kann.

  1. Blyth E (2008) Donor insemination and the dilemma of the unknown father. Bockenheimer-Lucius G, Thorn P, Wendehorst C (Hrsg.), Umwege zum eigenem Kind, Göttingen, S. 157 ff., S. 159. []
  2. Turner A, Coyle A (2000) What does it mean to be a donor offspring? The identity experiences of adults conceived by donor insemination and the implications for counselling and therapy. Human Reproduction 15 (9): 2041-2051, 2045. []
  3. Daniels K (2007) Anonymity and openness and the recruitment of gamete donors. Part 2: Oocyte donors. Human Fertility (4) 10 S. 223–231, S. 229. []
  4. Blyth E, Langridge D, Harris R: Family building in donor conception: parents’ experiences of sharing information, in: Journal of Reproductive and Infant Psychology Vol. 28, No. 2, May 2010, 116–127, S. 116. []
  5. Freeman T, Jadva V, Kramer W, Golombok S (2009) Gamete donation: parents’ experiences of searching for their child’s donor siblings and donor. Human Reproduction 24 (3): 505-516, 506. []
  6. Klotz M (2013) Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956, S. 944, 946. []
  7. Deutsches Ärzteblatt 1970, 1982. []