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Artikel Anonyme Samenspende – Mutters Geheimnis auf SPON

Auf Spiegel Online ist am 29. Mai 2013 der Artikel Anonyme Samenspende: Mutters Geheimnis erschienen. Darin wird die Artikel der 46jährigen Clara erzählt, die ihre 13jährige Tochter und den 15jährigen Sohn mit einer Samenspende in Stuttgart bekommen hat. Das Paar redet miteinander nie über das Thema und blendet das Thema aus, sobald die Behandlung vorbei ist. Die Kinder wissen nichts von ihrer Zeugungsart, der Spender ist anonym. Der Vater trennt sich von der Familie, als die Tochter 5 ist, weil er frei und ungebunden sein möchte. Die Eltern streiten sich über Unterhalt, zu den Kindern hat der Vater nur noch sporadisch Kontakt. Der Arzt hat die Daten angeblich vernichtet, eigene Unterlagen hat die Mutter nicht. Jetzt befürchtet sie, dass ihr Ex-Mann die Vaterschaft anfechten könnte.

In der Vergangenheit hat es mich oft wütend gemacht, Geschichten von nicht-aufklärenden Eltern zu hören. Wahrscheinlich erinnert es mich zu sehr an meine eigenen Eltern und wie schlimm es war, erst mit 26 Jahren die Wahrheit zu erfahren. Aber diese Geschichte ist einfach nur traurig, weil sie so verkorkst ist, und die Mutter versucht auch nicht wirklich, ihr Handeln zu rechtfertigen. Aber die Leidtragenden sind – wieder mal – vor allem die Kinder. Man muss der Mutter zugute halten, dass sie die Kinder aufklären möchte – mit ins Grab nehmen möchte sie das Geheimnis nicht. Aber es wird wahrscheinlich mit jeden Tag schwieriger. Ich hoffe sie tut es bald, denn es wird sicherlich auch einfacher für die Kinder, wenn sie verstehen, weswegen sich ihr Vater so seltsam verhält.

Diese Geschichte zeigt noch einmal eindringlich, weswegen Eltern, wie es auch in unseren Politischen Forderungen steht, verpflichtend eine psychologische Beratung in Anspruch nehmen sollten, bevor sie eine Samenspende erhalten. Zum einen sollten die Eltern dringend auf die Rechte ihrer mit Samenspende gezeugten Kinder hingewiesen werden. Dann ist eine Samenspende aber halt nicht die Beseitigung der Unfruchtbarkeit des Mannes, sondern eine Familiengründung mit dem Erbgut einer dritten Person. Das scheint vor allem den Vätern viel zu oft nicht klar zu sein. Einige lassen sich vielleicht auch nur deswegen auf die Samenspende ein, weil sie ihre Frau nicht verlieren wollen. Mit ihrer Unfruchtbarkeit setzen sie sich aber nicht auseinander, genausowenig, ob sie es verkraften, täglich  durch ein genetisch nicht eigenes Kind daran erinnert zu werden.

Und wenn sich das Familienleben dann nicht so gestaltet, wie sie es sich vorgestellt haben, denke ich schon, dass manchen Vätern der Abschied leichter fällt, wenn sie wissen, dass sie mit den Kindern genetisch nicht verwandt sind. Dann haben die Kinder effektiv oft nur noch die Mutter – kein schöner Zustand. Der Hinweis, dass die Kinder so gewollt waren, stimmt dann auch nur teilweise. Übrigens möchten wir Spenderkinder auch genau aus diesem Grund weiterhin die Möglichkeit besitzen, ab dem Alter von 18 Jahren innerhalb von 2 Jahren die Vaterschaft des sozialen Vaters anfechten zu können.

Bundesverwaltungsgericht: Kein Unterhaltsvorschuss bei anonymer Samenspende

Und ein weiteres Samenspende-Urteil: nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von letzter Woche hat eine Mutter, die ihr Kind mit einer anonymen Samenspende bekommen hat, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG).

Der Grundgedanke der staatlichen Unterhaltsleistungen sei, dass die jeweilige Kommune sie als Vorschuss zahle und dann vom säumigen Unterhaltspflichtigen zurückfordern könne. Das geht bei einem anonymen Samenspender natürlich nicht. Nach dem UVG gibt es auch dann keinen Unterhaltsvorschuss, wenn sich eine Mutter weigert, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Diesen Gedanken wandten die Richter auf eine anonyme Samenspende an.

Ich finde das Urteil richtig, trotzdem tut mir das Kind leid: alleine mit einer Mutter, die ihm von vornherein die Kenntnis verwehrt, wer der genetische Vater ist – auch in Dänemark kann man einen offenen Spender wählen. Und die anscheinend gerne andere für ihre Wünsche bezahlen lassen möchte. Wenn die Mutter nicht genug Geld hat, wird das Kind dann wohl auf Sozialhilfe oder Sozialgeld zurück fallen.

In Deutschland hätte die Mutter wahrscheinlich keine Samenspende erhalten: wegen der grundsätzlich bestehenden Unterhaltspflicht für leibliche Väter behandeln die meisten Reproduktionsärzte keine alleinstehenden Frauen – oder nur, wenn diese nachweisen, über genügend finanzielle Mittel für den Lebensunterhalt eines Kindes zu haben.

Sarah wieder bei Stern TV

Am Mittwoch, den 22. Mai wird Sarah wieder bei stern TV in dem Beitrag Hat Sarah P. ihren Vater gefunden? zu sehen sein. Kurzbeschreibung von stern TV: „Sarah P. ist die Tochter eines anonymen Samenspenders. Im Februar erklärte sie bei stern TV, warum sie ihren leiblichen Vater unbedingt finden will. Mehrere Männer meldeten sich darauf. Das Ergebnis.“

Man hört schon: es wird spannend. stern tv läuft um 22.15 auf RTL.

Zum Inhalt der stern-TV Sendung ist unter dem Titel Toll! Spenderkind Sarah hat Vater getroffen ein Artikel auf der welt online erschienen. Nur die Kommentare sind wieder unterirdisch schlecht, einige werfen Sarah vor, dafür das Glück von kinderlosen Paaren zu zerstören, weil jetzt angeblich niemand mehr spenden möchte. Es ist ja okay, eine Meinung zu haben. Aber bevor man anderen Egoismus etc. vorwirft, sollte man sich echt informieren, ob die angenommenen Folgen so tatsächlich gerechtfertigt sind.

BGH: Privater Samenspender kann Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten

Samenspenden scheinen die deutsche Justiz mehr und mehr zu beschäftigen. Heute entschied der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Zivilgericht, dass ein privater Samenspender die Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten kann, weil die Samenspende als „Beiwohnung“ im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt.

Hintergrund war, dass ein lesbisches Paar einen homosexuellen Mann als Samenspender gewinnen konnte. Allerdings haben das Paar und der Spender sich nachher unterschiedlich geäußert, ob vereinbart wurde, dass der Spender auch eine Vaterrolle für das Kind einnehmen sollte. Nach der Geburt erkannte dann ein Freund des Paares die Vaterschaft an und willigte in die Adoption des Kindes durch die Lebenspartnerin der Mutter ein. Gegen die Vaterschaftsanerkennung dieses Mannes erhob der Samenspender dann die Anfechtungsklage.

Diese Anfechtung ist mit dem Urteil des heutigen Tages erfolgreich, der Spender kann sich nun als Vater des Kindes feststellen lassen. Der BGH betonte, dass der Samenspender nur dann nicht anfechten könne, wenn aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung aller Beteiligten von vornherein klar ist, dass ein anderer Mann rechtlicher Vater werden soll. Eine solche Vereinbarung wird in der Regel auch vorliegen, wenn der Spender über eine Samenbank oder Reproduktionsklinik spendet.

Ganz persönlich finde ich solche privaten Spenden, bei denen sich die Beteiligten kennen und auch eine Rolle im Leben des Kindes einnehmen wollen, deutlich sympathischer als eine Spende über eine Klinik, bei welcher der Spender erst einmal anonym bleibt. Aber ein Kind außerhalb einer traditionellen Zweierbeziehung zu bekommen, ist natürlich ungewohnt und vermutlich auch emotional herausfordernder. Dieser Fall zeigt noch einmal, dass bei privaten Samenspenden alle Beteiligten vorher genau diskutieren und auch festhalten sollten, wie die spätere Beziehung zu einander und zu dem Kind aussehen soll. Ich hoffe, alle Beteiligten finden bald eine Lösung, die dem Kindeswohl dient und allen eine Rolle im Leben des Kindes zugesteht, denn zerstrittene Eltern sind für kein Kind angenehm.

Fehlinterpretationen in einem wissenschaftlichen Aufsatz

Mit anderen Menschen persönliche Erfahrungen und Eindrücke zu teilen, beinhaltet immer das Risiko, falsch verstanden und wiedergegeben zu werden. Schlechte Erfahrungen mit Forschern hatten wir bisher nicht. Leider habe ich jetzt jedoch mit der Sozialwissenschaftlerin Dr. Dorett Funcke von der Universität Bochum den ersten Fall.

Frau Funcke nahm im Jahr 2008 Kontakt zu mir auf und äußerte den Wunsch, mit mir und anderen Spenderkindern für ihre Forschungen zum Stellenwert von genetischer Verwandtschaft für Familienbeziehungen zu sprechen. Wir haben uns daraufhin einmal für ein Interview getroffen und hatten sporadischen Email Kontakt. Ich hatte mich schon etwas gewundert, nie etwas von den Ergebnissen ihrer Forschung zu hören. Letzte Woche fand ich dann ihren Artikel mit dem Titel „Der unsichtbare Dritte“ in der Zeitschrift „Psychotherapie & Sozialwissenschaft“ aus dem Jahr 2009 (S. 61-98). In diesem analysiert sie einen Teil meines Erfahrungsberichts auf dieser Internetseite. Die Interpretation meiner Aussagen in diesem Artikel ist sehr eigenwillig – und in meinen Augen absolut unzutreffend.

Frau Funcke analysiert dabei meinen Erfahrungsbericht mit der Methode der objektiven Hermeneutik, bei der es grob ausgedrückt um die Rekonstruktion angeblicher objektiver Bedeutungsstrukturen von Texten geht. Grundannahme des Verfahrens ist, dass jede Aussage einen objektiven latenten Sinn besitzt. Von besonderer Bedeutung ist, wie etwas gesagt bzw. ausgedrückt wurde; nicht dagegen, wie etwas gemeint sein könnte.

Das sieht in der Praxis an meinem Erfahrungsbericht dann so aus (S. 79): Meine Aussage, dass meine Eltern mir mitgeteilt haben, dass ich durch eine Samenspende „entstanden“ bin, deutet Frau Funcke so, dass ich durch den Gebrauch des Wortes „Entstehung“ die Bedeutung der sozialen Elternschaft meines Vaters für die Praxis der Sozialisation tilgen würde, weil „Entstehung“ immer den gesamten Entstehungsprozess eines Subjektes bis zur Herausbildung der Autonomie bedeute. Ich halte sowohl diese Methode wie auch die konkrete Anwendung in meinem Fall für willkürlich.

Selektive Interpretation meines Erfahrungsberichts

Zunächst ist die Vorgehensweise sehr selektiv. Das sieht man in dem konkreten Beispiel daran, dass Frau Funcke nur den ersten Teil meines Erfahrungsberichts analysiert. Dort versuche ich zu schildern, wie ich die Aufklärung durch meine Eltern in genau diesem Moment wahrgenommen habe. An einer nachfolgenden Stelle des Textes betone ich aber, dass ich Elternschaft auch als soziale Beziehung sehe. Diese spätere Aussage wird in Frau Funckes Interpretation aber nicht berücksichtigt. Damit reduziert sie meine Sichtweise auf Samenspende auf eine rein biologische Sicht. Genau das möchte ich aber eindeutig vermeiden. Genetische und soziale Eltern sind für mich beide wichtig.

Weiterhin stellt Frau Funcke meine Gedanken so dar, als wäre aus meiner Perspektive die meiner Eltern ausgeschlossen (S. 80). Das stimmt aber wiederum nur für den ersten Teil des Textes, in dem ich wiedergebe, wie ich den Abend der Aufklärung wahrgenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir noch keine ausgearbeiteten Gedanken über meine Situation gemacht, ich befand mich in einem Schockzustand. Mit der Motivation meiner Eltern, die natürlich nicht von schlechten Absichten getragen war, beschäftige ich mich an einer späteren Stelle des Textes. Das wird von Frau Funcke wiederum nicht beachtet. Sie stellt es so dar, als könnte man aus meiner Schilderung der Aufklärungssituation alles über meine Reaktion herauslesen.

Willkürliche Auslegung von einzelnen Wörtern und Formulierungen

Außerdem halte ich die Grundannahme, dass jede Aussage einen objektiven Sinngehalt hat, den jeder Mensch gleich beurteilen würde, für nicht richtig. In dem oben genannten Beispiel ist es das Wort „Entstehung“. Ich messe dem Wort die Bedeutung der körperlichen Entstehung bei. Diese Bedeutung hat das Wort zum Beispiel auch in dem Buch „Ein Kind entsteht“ von Lennart Nilsson. Ich habe das Wort gewählt, weil mir „Zeugung“ zu technisch war. Dass damit die Entstehung als ganzer Mensch gemeint ist, finde ich absolut nicht zwingend. Frau Funcke sagt jetzt mit ihrer Theorie der objektiven Hermeneutik im Hintergrund, dass das sehr wohl meine unterbewusste Intention war. Das empfinde ich als ziemliche Bevormundung – wie ich etwas meine, kann ich am besten selbst sagen. Andere können höchstens sagen, wie etwas auf sie wirkt. Auch diese Wirkung ist aber in diesem Fall sicherlich nicht zwingend.

Fast absurd wird es, wenn Frau Funcke einem Tippfehler von mir eine besondere Bedeutung beimisst (S. 89). In dem Satz „Zwischendrin ging ich ins Badezimmer, sah mich lange im Spiegel an und überlegt, was ich wohl von meinem unbekannten Vater habe (…)“. Die völlig unbewusste Handlung, beim Schreiben am Computer auf der Tastatur den Buchstaben „e“ aus Versehen zu verfehlen, soll dann folgende Bedeutung haben: „Die Erfahrung der Nicht-Leiblichkeit“ ist noch so akut wie zum Zeitpunkt der Protokollierung des Gesprächs.“ 

Eine weitere, seltsam subjektiv geprägte und absolut unzutreffende Interpretation trifft Frau Funcke bei meiner Erzählung, dass meine Mutter beteuerte, dass sie mich wegen der Spendung durch Samenspende nicht weniger lieben würden. Dazu schreibt Frau Funcke (S. 86): „Anna [das bin ich] erkennt aber das Schuldgefühl nicht, das von ihr im Aufklärungsgespräch mit zum Ausdruck gebracht wird. Sie legt den Eltern stattdessen lauter Klischees in den Mund und sie erzählt so, als ob die Eltern eine Art Kalkulationsprogramm für Affektverteilung angewendet hätten.“ Damit unterstellt Frau Funcke mir zunächst, dass meine Darstellung der Aussagen meiner Eltern nicht den Tatsachen entspräche. Genauso frage ich mich, wie sie auf die Idee kommt, dass ich von der Aussage meiner Mutter deswegen so betroffen gewesen wäre, weil ich darin ein „Affektverteilungsprogramm“ wahrgenommen hätte. Was soll das überhaupt sein? Mich hat die Aussage deswegen so betroffen gemacht, weil ich nie daran gezweifelt hätte, dass meine Eltern mich wegen der Zeugung durch Samenspende weniger lieben. Ich habe ihre Aussage eher als Demonstration von zu viel Liebe wahrgenommen, als Erdrückung, und als mangelndes Verständnis für die Gedanken, die ich mir in diesem Moment tatsächlich gemacht habe.

Genauso wenig zutreffend ist daher Frau Funckes Interpretation, dass für mich mit der verspäteten Offenbarung, ein Spenderkind zu sein, die Wahrscheinlichkeit gering gewesen sei, aus einem Kinderwunsch hervorgegangen zu sein (S. 83). Genau dies war mir in diesem Moment sehr bewusst – aber auf eine schmerzhafte Art und Weise, da es für mich bedeutete, dass sich meine Eltern trotz dieses Kinderwunsches sehr wenig damit auseinandergesetzt haben, wie ich mich als Individuum später aufgrund dieser Zeugungsweise fühlen würde.

Mutmaßungen ohne Anhaltspunkte

Wenig objektiv ist auch, dass Frau Funcke in dem Text trotzdem zahlreiche Mutmaßungen über meine Eltern und mich aufstellt, die keine Grundlage in meinem Erfahrungsbericht haben. So mutmaßt sie zum Beispiel auf S. 88, meine Eltern hätten sich einen kleinen Spender gewünscht, weil mein Vater ebenfalls klein ist. Das Gegenteil ist der Fall. Meine Eltern sind beide über 1,80 Meter groß, und meine Mutter wollte verhindern, dass ich ebenfalls so groß werde.

Genauso stellt Frau Funcke – weswegen auch immer – die These auf, dass die Beziehung zwischen meinen Eltern „authentisch“ und damit anscheinend gut funktionierend gewesen wäre (S. 80-81). Weiterhin stellt sie Mutmaßungen an, inwiefern die Unfruchtbarkeit meines Vaters Teil der Beziehung war. (S. 83) Das hat keine Grundlage in meinem Erfahrungsbericht. Ich habe versucht, so wenig wie möglich über andere Aspekte der Beziehung zwischen meinen Eltern und mir und insbesondere zwischen meinen Eltern zu berichten, weil mir das zu persönlich für eine öffentliche Darstellung auf einer Internetseite ist und ich meine Eltern auch nicht bloßstellen möchte. Ich kann verstehen, dass einen tiefere Analyse für Sozialwissenschaftler natürlich besonders interessant ist. Dafür sollten sie aber mit mir – oder meinen Eltern – sprechen, und nicht Mutmaßungen aufgrund eines Textes anstellen, in dem ich gerade über solche Aspekte nicht berichte.

Unterstellungen zu meiner Motivation, meine Erfahrungen öffentlich zu machen

Frau Funcke unterstellt mir außerdem, ich hätte meine Erzählung in das Internet gestellt, um über eine Anklage und Schuldzuweisung an meine Eltern dieses Ereignis in meine Biografie zu integrieren (S. 81, 91). Auch das stimmt nicht. Eine Anklage und Schuldzuweisung wäre auch ohne eine öffentliche Darstellung möglich gewesen, und ich nennen ja meine Eltern auch nicht bei ihrem Namen. Mein Ziel durch die öffentliche Darstellung war immer, durch die Schilderung meiner persönlichen Erfahrungen zusammen mit anderen Spenderkindern eine gesellschaftliche Veränderung anzustoßen. Ein Teil davon ist, Eltern dazu zu bewegen, ihre Kinder früher und sensibler aufzuklären, als es meine Eltern getan haben.

Lückenhafte Schlussfolgerungen

Nur teilweise kann ich die Schlussfolgerungen von Frau Funcke nachvollziehen, zu denen sie aufgrund der Interpretation meines Textes kommt. So schlägt sie vor, Paaren, die eine Samenspende erwägen, von einer Samenspende abzuraten und sie zumindest für die Schuld zu sensibilisieren, die sie auf sich laden, wenn sie dem Kind ein vermeidbares Lebensthema auferlegen (S. 92).

Damit scheint Frau Funcke gar nicht in Erwägung zu ziehen, dass Eltern ihre Kinder von Anfang an aufklären und einen offenen Spender auswählen könnten und somit dieses Lebensthema zumindest erträglicher machen. Insbesondere sind Samenspenden in Deutschland nicht anonym. Das Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung sollte auch mittlerweile für jüngere Spenderkinder besser durchzusetzen sein, da die Daten inzwischen zumindest 30 Jahre aufbewahrt werden müssen.

Frau Funcke stellt außerdem die These auf, dass es einen richtigen Zeitpunkt für die Offenbarung der Samenspende gegenüber den Kindern nicht gibt (S. 92): Eine Aufklärung in zu jungen Jahren könne die Kinder überfordern. Für diese Mutmaßungen bietet sie aber keinerlei Beweise an. Weder die Erfahrungen der Mitglieder von Spenderkinder, die im Kindesalter aufgeklärt wurden, noch die Adoptionsforschung stimmen hiermit mit dieser Meinung überein. Der Verein Spenderkinder tritt deswegen für eine Aufklärung im Kindesalter ein.

Mein Fazit

Zusammengefasst kann ich mich angesichts dieser selektiven und eigenwilligen Interpretationen des Eindrucks nicht erwähnen, dass Frau Funcke mich gezielt als einseitig, egoistisch und in einer Opferrolle gefangen darstellen möchte (S. 91-92). Kein Wunder, dass sie mich nie auf diesen Artikel aufmerksam gemacht hat. Ich frage mich, was sie erst mit meinem Interview angestellt hat.

Ich denke, dass Frau Funcke wie jeder Mensch eine bestimmte Meinung besitzt, die sie natürlich der Öffentlichkeit mitteilen kann. Trotzdem empfinde ich es als äußerst ärgerlich, dass sie mir unter dem Vorwand einer wissenschaftlichen Methode bestimmte Einstellungen und Erlebnisse unterstellt und auf Basis hiervon zu angeblich allgemein gültigen Schlussfolgerungen kommt.

Für mich selbst ziehe ich aus diesem Erlebnis die Erkenntnis, dass ich meinen Erfahrungsbericht umformulieren sollte und an manchen Stellen genauer erklären sollte, wie ich mich weswegen gefühlt habe, um solchen Fehlinterpretationen nicht mehr so viel Raum zu bieten.

Artikel Samen ohne Namen in der FAZ

In der Frankfurter Allgemeine Zeitung ist am 4. März 2013 der Artikel Samen ohne Namen der Journalistin Florentine Fritzen erschienen. Untertitel: „Kinder von Samenspendern haben das Recht zu erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist. Aber heißt das auch, dass sie Unterhalt von ihm fordern können?“

Es geht also – mal wieder – um die drohende Unterhaltspflicht für Samenspender. Das Thema finden Medien leider besonders interessant – obwohl in Deutschland noch nie ein Samenspender zu Unterhalt verurteilt wurde, das auch nicht so einfach ist, und wir Spenderkinder gefühlte tausend Mal gesagt haben, dass es uns darauf absolut nicht ankommt. Nachdem die FAZ vor ein paar Wochen dem Beklagten des Prozesses vor dem OLG Hamm, Prof. Katzorke, viel Raum für die Darstellung seiner antiquierten und unzutreffenden Ansichten gegeben hat, ist der Gesprächspartner jetzt immerhin Dr. Andreas Hammel, Leiter der Samenbank Erlangen. Diese Samenbank hinterlegt alle Daten bei einem Notar, damit die Kinder dort später Zugriff haben, sollten Sie mehr über ihre genetische Abstammung erfahren sollen. Die Spender werden vor ihrer Spende darüber aufgeklärt. Die Zahl der Spender ist deswegen nach dem Urteil des OLG Hamms nicht zurück gegangen (anderswo übrigens auch nicht). Leider gibt es die Samenbank noch nicht so lange, die ältesten Kinder sind 2003 geboren worden.

Trotzdem frage ich mich nach wie vor, weswegen es in den Medien so wenig um unsere Perspektive geht. Die meisten von uns mussten die Erfahrung machen, dass unser Wunsch zu wissen, wer der genetische Vater ist, wenig anerkannt wird, und dass die Ärzte uns gegenüber behaupten, dass sie die Unterlagen vernichtet haben. Und das, obwohl das Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung seit den siebziger Jahren herrschende juristische Meinung ist und auch die Bundesärztekammer seit 1970 darauf hinweist, dass Ärzte den Kindern auf Nachfrage die Identität des Spenders nennen müssen. Insofern ist es gut, in dem Artikel zu lesen, dass die befragten Politiker immerhin auch das Kindeswohl nennen. Ich hoffe sie berücksichtigen es dann auch bei ihren konkreten Vorschlägen.

Kurzbesprechung des Urteils des OLG Hamm in der NJW

In der Neuen Juristischen Wochenschrift, wohl der allgemeinen juristischen Fachzeitschrift, befindet sich eine Kurzdarstellung des Samenspende-Urteils vom OLG Hamm vom 6. Februar (NJW-Spezial 2013, 165). Als Kommentar steht dort nur: „Das Urteil bestätigt die herrschende Meinung“. So viel zu der Aufregung der Medien und einiger Privatpersonen zu diesem Urteil.

Artikel über Leihmutterschaft im SZ-Magazin

Im SZ-Magazin vom 19.4.2013 ist der Artikel Und siehe, es war sehr gut erschienen. Der Artikel des Journalisten Thorsten Schmitz erzählt die Geschichte eines schwulen Paares, die ihre 3 Kinder über Leihmutterschaft in Indien und den USA bekommen haben, und ist leider ein ziemlich unverhohlenes und unkritisches Plädoyer für die Zulassung von Leihmutterschaft in Deutschland.

Die Schwierigkeiten des Paares, die Leihmutterschaft in Deutschland anerkennen zu lassen und die Kosten werden als unglaublich groß und unverhältnismäßig dargestellt, und mehrmals wird gefragt, warum Deutschland diesem Paar so viele Steine in den Weg legt. Darauf gibt es nur eine Antwort: Weil es vielleicht doch Menschenhandel ist, wenn man sich Eizellen bei einer Frau kauft und die Gebärmutter einer anderen Frau mietet, um sich das Kind nach der Geburt gegen Geld überreichen zu lassen. Das wird als Verstoß gegen die durch Art. 1 Grundgesetz geschützte Würde des Kindes gesehen, weil es zum Objekt gemacht wird. Genauso bleibt in dem Artikel unerwähnt, dass Eizellspende nicht ungefährlich für die Spenderinnen ist und dass man das Engagement von Leihmütter aus den ärmsten Gesellschaftsschichten oder Entwicklungsländern vielleicht schon als Ausbeutung sehen kann. Natürlich sind diese Mütter einverstanden, das Kind abzugeben, wenn sie das Geld benötigen.

Die eigentliche Aussage des Artikel ist, dass alles erlaubt ist, um Menschen zu ihrem Wunschkind zu verhelfen oder mehr Kinder in Deutschland zu haben. Das lässt jegliche ethische Perspektive und vor allem auch die Interessen der so gezeugten Kinder außer Acht und ist eine extrem von der Elternsicht geprägte Anschauung. Besonders interessant fand ich dabei eines: Den beiden Männern hat es nicht gereicht, Kinder mit einem lesbischen Paar zu bekommen, sie wollten eigene Kinder, die nur bei ihnen leben. Ein anderes Arrangement war für sie anscheinend nicht vorstellbar. So sehr ich für die Gleichstellung homosexueller Paare bin, denke ich nicht, dass diese – unabhängig von den natürlichen Gegebenheiten – ein Recht auf Kinder nur für sich alleine haben. Dass es für schwule Paare auch anders als über Leihmutterschaft geht, zeigt der Artikel des Journalisten Sven Stockrahm Vater, Vater, Mutter, Mutter, Kind, Kind in der Zeit vom 13.04.2013.

In unserem Verein haben wir keine Mitglieder aus Eizellspende und Leihmutterschaft. Als Spenderkind finde ich es aber schwierig genug, dass mein genetischer Vater, der Samenspender, (vielleicht) nur wegen des Geldes gespendet hat, sich (vielleicht) nicht für mich interessiert und dass meine Eltern somit eigentlich 50 % meines Erbgutes gekauft haben. Wie wäre das erst, wenn meine Eltern gleich zwei Menschen dafür bezahlt hätten, darunter den Menschen, in dessen Körper ich mich 9 Monate entwickelt und der mich zur Welt gebracht habe?

Sollte die Entstehung von Kindern wirklich der totalen Kommerzialisierung überlassen werden? Solche Gesichtspunkte hätte ich eigentlich von SZ Magazin erwartet – und kein Rührstück über zwei Menschen, die endlich Kinder erhalten haben, auf welchem Weg auch immer.

Aktualisierte politische Forderungen

Auf unserem Treffen am 6. April haben wir Spenderkinder unsere politischen Forderungen, die ursprünglich aus dem Jahr 2007 stammen, diskutiert und überarbeitet und gerade eben neu veröffentlicht. Hinzugefügt haben wir eine Begründung für jede Forderung.

Neu ist vor allem, dass wir – entsprechend der Rechtslage bei Adoptionen – den Eintrag des Spenders in das Geburtenregister fordern. Der Grund dafür ist, dass dies der beste Anreiz für die Eltern ist, ihr Spenderkind auch wirklich über seine Zeugungsart aufzuklären. Ein nationales Register wie in UK, bei dem jede Person anfragen kann, ob er oder sie mit Hilfe eines Dritten gezeugt wurde, würden wir immer noch begrüßen, aber wäre für uns nur noch die zweitbeste Alternative, weil man für eine solche Anfrage erst einmal misstrauisch werden muss.

Relaunch der Spenderkinder-Seite

Vielleicht ist es einigen schon aufgefallen: Unsere Spenderkinder-Seite sieht seit 3 Tagen etwas anders aus – wir finden besser und übersichtlicher. Der Hauptvorteil ist nun, dass unsere Beiträge unter „Aktuelles“ einzeln angezeigt werden und damit besser auffallen und schneller gefunden werden können. Außerdem kann man sich vergangene Beiträge nach Jahren anzeigen lassen. Und das Beste: LeserInnen können Aktuelles nun auch als RSS-Feed abonniert werden und über alle neuen Posts auf dem Laufenden gehalten werden. Einen herzlichen Dank an unseren ehrenamtlichen Web-Admin für die Arbeit!