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Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen zu Samenspenden

Die Bundesregierung hat mittlerweile auf die kleine Anfrage der Grünen zum Auskunftsrecht von durch Samenspende gezeugten Menschen geantwortet.

In der Antwort lässt die Bundesregierung erkennen, dass sie nur wenig Erkenntnisse zur Samenspende in Deutschland hat. Sie weiß zum Beispiel nicht, wie viele Menschen mithilfe dieser Methode gezeugt werden oder welche Samenbanken in Deutschland tätig sind. Darüber hinaus verdeutlichen die Aussagen der Bundesregierung, dass klare Regeln fehlen, wie das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung geltend gemacht werden kann und welche Rechte und Pflichten Kinder, Eltern, Spender, Samenbanken oder behandelnde Ärzte und Ärztinnen haben. Zu den Fragen, wie diese Rechte und Pflichten geregelt werden könnte, wird nur die Antwort gegeben, dass der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen ist.

Wir hoffen,  dass die kleine Anfrage zumindest in dieser Hinsicht einen Denkanstoß gegeben hat, indem sie sichtbar gemacht hat, auf wie viele Antworten die Bundesregierung noch keine (befriedigende) Antwort hat und dass der Meinungsbildungsprozess hierdurch etwas beschleunigt wird.

 

 

Vorschlag des Vereins Spenderkinder für ein Auskunftsverfahren

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2015 und dem Urteil des OLG Hamm vom 6. Februar 2013 haben auch die meisten Reproduktionsärzte und -kliniken eingesehen, dass Spenderkindern ein Recht auf Auskunft über ihren biologischen Vater zusteht. Da Samenspenden in Deutschland kaum rechtlich geregelt sind, gibt es auch keine Regelungen für das Auskunftsverfahren. Wie die Kliniken und Ärzte momentan vorgehen, ist sehr unterschiedlich.

Zum Glück scheinen die wenigsten Kliniken und Ärzte die Ideen einiger Mitglieder des Arbeitskreises Donogene Insemination zu befolgen. Diese haben in einem Aufsatz aus dem Jahr 2012 zahlreiche Voraussetzungen aufgestellt, die eher dazu geeignet scheinen, den Auskunftsanspruch der Spenderkinder zu vereiteln und die teilweise durch das Urteil des OLG Hamm auch nicht gefordert werden dürfen.1

Wir Spenderkinder haben deswegen überlegt, wie das Auskunftsverfahren ablaufen sollte, das unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Schutzes des Rechts auf Kenntnis der Abstammung sowohl die Persönlichkeitsrechte des Spenders als auch die des Spenderkindes respektiert. Dabei haben wir uns vor allem an den Regelungen in der Schweiz orientiert.2

Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung bedeutet, dass das Spenderkind in jedem Fall einen Anspruch auf die Herausgabe identifizierender Informationen des Spenders hat und dafür weder der Zustimmung der biologischen Eltern, noch der des Spenders bedarf oder besondere Beweggründe anführen muss. Wir halten eine Unterteilung des Auskunftsverfahrens in zwei Schritte wie in der Schweiz für sinnvoll, damit auf diese Art – anders als bei einer bloßen Datenherausgabe – ein vermittelter Kontakt zwischen Spenderkind und Spender hergestellt wird. In dem ersten Schritt wird der Spender über das Interesse des Kindes informiert und kann entscheiden, ob er sich aktiv beteiligen möchte, zum Beispiel indem er direkt einem Treffen oder einer Kontaktaufnahme zustimmt. Meldet er sich nicht oder reagiert er ablehnend, wird das Kind auch darüber informiert. Ist das Kind weiterhin an identifizierenden Informationen interessiert, werden ihm diese mitgeteilt.

Der BGH hat mit Urteil vom 28. Januar 2015 entschieden, dass für die Inanspruchnahme des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung kein Mindestalter gilt. Minderjährige Spenderkinder können in dem Verfahren aber durch ihre Eltern vertreten werden, wenn diese die Informationen zur Aufklärung des Kindes benötigen oder wenn das Kind noch zu jung ist, um selbst Auskunft zu fordern. Das folgende Verfahren sollte in diesem Fall bei der Erwähnung von „Spenderkindern“ mit dem Zusatz „vertreten durch ihre Eltern“ gelesen werden.

1. Anmeldung des Auskunftswunsches

Das Spenderkind bittet die Reproduktionsklinik um Auskunft über seinen biologischen Vater und legitimiert sich mit Kopien des Ausweises und der Geburtsurkunde. Das Spenderkind muss keinen besonderen Beweggrund für den Wunsch nach Kenntnis der biologischen Abstammung geben. Genauso wenig ist eine Einwilligung der rechtlichen Eltern erforderlich, da ihre Persönlichkeitsrechte von dem Auskunftsverlangen nicht betroffen sind.3 Eine Einwilligung ist auch bei minderjährigen und nicht voll geschäftsfähigen Spenderkindern nicht erforderlich, da es sich bei dem Anspruch auf Auskunft über die genetische Abstammung um ein rechtlich lediglich vorteilhaftes Geschäft handelt, für das die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter nicht erforderlich ist. Die Kosten des Auskunftsverfahrens trägt grundsätzlich die Klinik als Auskunftsverpflichtete (so auch OLG Hamm, Urteil vom 6. Februar 2014, I-14 U 7/12, Rn. 72).

2. Sachprüfung durch Reproduktionsklinik

Die Reproduktionsklinik prüft nach, ob die Mutter des Spenderkindes vor dessen Geburt eine Samenspende erhalten hat und ob eine Adresse ermittelt werden kann, unter der der Spender kontaktiert werden kann, um ihn entsprechend Nummer 4 um Zustimmung zu bitten. Fehlen Unterlagen, wird das Spenderkind um Nachreichung gebeten. Ein Abstammungsgutachten zwischen Spender und Spenderkind ist zur Bekanntgabe der Daten nicht erforderlich, weil es grundsätzlich die Entscheidung von Spenderkind und Spender ist, ob sie ein solches Gutachten einholen möchten. Für das Auskunftsverfahren reicht es aus, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Verwandtschaftsverhältnis auf Grund der Insemination der Mutter besteht.

3. Rückmeldung an Spenderkind

Kann die Reproduktionsklinik eine Adresse des Spenders ermitteln, gibt sie eine erste Rückmeldung an das Spenderkind und erklärt das weitere Verfahren, insbesondere dass das Spenderkind begleitend zu dem Informationsschreiben der Reproduktionsklinik entsprechend Nummer 4 eine Nachricht an den Spender übermitteln kann. Die Reproduktionsklinik informiert das Spenderkind außerdem, dass eine psychosoziale Begleitung bei der Kontaktaufnahme zu dem Samenspender hilfreich sein kann und vermittelt auf Wunsch geeignete Angebote.

Kann keine Adresse des Spenders ermittelt werden, gibt die Reproduktionsklinik die identifizierenden Daten des Spenders sowie die letzte bekannte Adresse an das Spenderkind heraus, begleitet von einer Information über die zu achtenden Persönlichkeitsrechte des Spenders.

Die Reproduktionsklinik gibt außerdem weitere vorhandene Informationen über den Spender heraus wie zum Beispiel den Spenderfragebogen sowie Informationen, die der Spender zur Weitergabe an die Spenderkinder hinterlegt hat, und die Spendernummer.

4. Information des Spenders durch Reproduktionsklinik über Auskunftsverlangen

Die Klinik informiert den Samenspender mit einem Schreiben, in dem die Kontaktaufnahme des Spenderkindes grundsätzlich positiv dargestellt wird, und bittet um Zustimmung zu einer Kontaktaufnahme oder zu einem Treffen. Das Spenderkind hat die Möglichkeit, als Anlage zu dem Schreiben eine persönliche Nachricht an den Spender zu übermitteln. Der Inhalt dieser persönlichen Nachricht wird nicht von der Klinik zur Kenntnis genommen. Die Reproduktionsklinik informiert den Samenspender außerdem, dass eine psychosoziale Begleitung bei der Kontaktaufnahme zu dem Spenderkind hilfreich sein kann und vermittelt auf Wunsch geeignete Angebote.

5 a Einwilligung des Samenspenders zu Kontaktaufnahme

Willigt der Samenspender in die Kontaktaufnahme ein, übermittelt die Reproduktionsklinik die Kontaktdaten des Spenders an das Spenderkind. Ist auch die Bereitschaft zu einem Treffen vorhanden, ist das Spenderkind darüber zu informieren, ob der Spender eine psychosoziale Vorbereitung oder Begleitung des Treffens wünscht. Die Klinik kann unverbindlich anbieten, das Treffen selbst zu begleiten oder ein Treffen in ihren Räumlichkeiten stattfinden zu lassen.

5 b Keine Einwilligung des Samenspenders zu Kontaktaufnahme

Erklärt der Samenspender sich nicht bereit zu einem Treffen oder einer Kontaktaufnahme oder meldet er sich nicht innerhalb eines Monats zurück, wird das Spenderkind entsprechend informiert. Gleichzeitig wird es darüber informiert, dass es trotzdem Anspruch auf Bekanntgabe der Personalien des Spenders hat, ein Kontakt aber nicht erzwungen werden kann und die Persönlichkeitsrechte des Spenders geachtet werden müssen. Fordert das Spenderkind trotzdem die Bekanntgabe der identifizierenden Daten des Spenders, gibt die Klinik hierüber Auskunft und informiert den Spender entsprechend. Das ist wichtig, da bereits allein die Kenntnis des Namens und aller weiteren verfügbaren Informationen für viele Spenderkinder eine große Bedeutung besitzt. Die Bereitschaft zu einem persönlichen Kontakt wird von vielen Spenderkindern gewünscht, kann jedoch selbstverständlich nicht erzwungen werden.

  1. S Wehrstedt, P Thorn, K Werdehausen, T Katzorke (2012) Vorschläge zur Vorgehensweise bei Auskunftsersuchen nach donogener Zeugung. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 9 (3), S. 225-231. Gefordert wird die Vorlage von Geburtsurkunde, Ausweis, der aktuellen Adresse der Eltern und der Umstände, die das anfragende Spenderkinder zu dem Auskunftsbegehren veranlassen. Danach soll die Klinik die Wunscheltern anhören und um ihr Einverständnis bitten, das gleiche Prozedere beim Samenspender. Unter Wahrung der Anonymität soll dann ein Abstammungsgutachten eingeholt werden, um nachzuprüfen, ob das Spenderkind tatsächlich durch die Samenspende entstanden ist. Die erste Begegnung soll psychosozial begleitet werden. Alle Kosten soll das anfragende Spenderkind tragen. Wie vorgegangen wird, wenn Eltern oder Spender die Einwilligung nicht geben oder eine psychosoziale Begleitung ablehnen, wird nicht ausgeführt. Vermutlich soll die Auskunft dann nicht gegeben werden. []
  2. In der Schweiz kann ein Spenderkind mit 18 Jahren beim Amt Auskunft über die äußere Erscheinung und die Personalien des Spenders verlangen (Art. 27 Abs. 1 FMedG). Bevor das Amt Auskunft über die Personalien erteilt, informiert es – wenn möglich – den Spender. Lehnt dieser den persönlichen Kontakt ab, so ist das Kind zu informieren und auf die Persönlichkeitsrechte des Spenders und den Anspruch seiner Familie auf Schutz hinzuweisen. Beharrt das Kind nach Absatz 1 auf Auskunft, so wird ihm diese erteilt (Art. 27 Abs. 3 FmedG). Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung überwiegt also im Konfliktfall, weil es auch gegen den Willen des Spenders Informationen über dessen Personalien erhält. []
  3. Der BGH führt in seinem Urteil vom 28. Januar 2015 in den Randnummern 59-60, aus, dass ein Konflikt der Interessen der Kindeseltern mit dem Auskunftsanspruch des Kindes sei nur denkbar sei, wenn sie mit dem Auskunftsbegehren des volljährigen Kindes nicht einverstanden seien – minderjährige Kinder müssen ja von den gesetzlichen Vertretern vor Gericht vertreten werden. Auf Seiten der Eltern ergebe sich jedoch insoweit aber kaum ein schützenswerter rechtlicher
    Belang, weil das Kind Kenntnis von seiner Zeugung mittels Samenspende haben müssen, um die Auskunft zu beanspruchen. Ein schützenswertes Interesse der Kindeseltern, dass dem Kind dann „wenigstens“ der Zugang zur Information über die Identität des Samenspenders
    verwehrt sein soll, sei daher kaum vorstellbar. []

Arbeitskreis Abstammung des Bundesjustizministeriums

Heute hat der Arbeitskreis Abstammungsrecht beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seine Arbeit aufgenommen. Der Arbeitskreis soll der Frage nachgehen, ob das geltende Abstammungsrecht aktuelle Lebensrealitäten noch adäquat abbildet und ob die derzeitige gesetzliche Regelung nach verschiedenen gesetzgeberischer Einzelmaßnahmen der letzten Jahre noch stimmig ist. Er besteht aus elf interdisziplinären Sachverständigen der Bereiche Familienrecht, Verfassungsrecht, Ethik und Medizin bzw. Psychologie und Vertretern der betroffenen Ministerien und einiger Landesjustizministerien. Den Vorsitz führt die frühere Vorsitzende Richterin des für das Familienrecht zuständigen XII. Senats des Bundesgerichtshofs, Frau Dr. Meo-Micaela Hahne. Bekannt geworden ist außerdem, dass Dr. Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut zu den Teilnehmern gehört.

Gleich bei dem ersten Termin stand das Thema Samenspenden auf der Tagesordnung.

Die Pressemitteilung lässt leider auf ein etwas seltsames Verständnis von Abstammung schließen: „Moderne Familienkonstellationen stellen uns vor neue Herausforderungen – gerade auch im Abstammungsrecht. Ist die Abstammung eher an die biologische oder an die soziale Vaterschaft anzuknüpfen? (…) Sollte es spezifische abstammungsrechtliche Regelungen für eine gleichgeschlechtliche Elternschaft geben? Das Abstammungsrecht, das die Zuordnung eines Kindes zu seinen Eltern regelt, ist für viele Rechtsfragen von enormer Bedeutung. “

Das wirkt so, als würde die Abstammung für völlig verhandelbar gesehen werden. Abstammung ist aber ziemlich eindeutig genetisch (und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts legen diese Auslegung auch nahe), und da stammt man nur von zwei Menschen ab, dem genetischen Vater und der genetischen Mutter. Bislang knüpfen aber viele Sachverhalte an diese genetische Zugehörigkeit an – Sorgerecht, Erb- und Unterhaltsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht. Der Arbeitskreis sollte sich daher eher fragen, ob man die Frage, wer die Eltern eines Kindes sein sollen, in Zukunft mehr von der Frage der Abstammung trennen sollte.

Etwas überraschend war auch die folgende Frage in der Pressemitteilung: „Muss man das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln?“ Dieses Ziel einer gesetzlichen Regelung des Auskunftsrechts befindet sich eigentlich im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und der SPD.

Nichts Gutes verheißt auch die Ankündigung, dass der Arbeitskreis in den nächsten zweieinhalb Jahren regelmäßig zusammentreten wird – das bedeutet nämlich vermutlich, dass in dieser Zeit überhaupt nichts gesetzgeberisch passieren wird. Danach wird das Ende der Legislaturperiode erreicht sein, so dass dann eine Reform des Abstammungsrechts sicherlich nicht mehr vor den nächsten Bundestagswahlen umgesetzt wird.

Kritisch sehen wir das besonders deswegen, weil man viele Regelungen, die uns Spenderkinder rechtlich mehr schützen würden – wie ein ausdrücklicher Auskunftsanspruch, eine Verpflichtung von Ärzten zur langjährigen Datenaufbewahrung und ein zentrales Register zur Spendervewaltung – völlig unabhängig von einer grundlegenden Reform des Abstammungsrechts regeln könnte.

BGH bestätigt Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, das höchste deutsche Zivilgericht, hat am 28. Januar 2015 entschieden, dass auch durch Samenspende gezeugte Menschen ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung und damit auf Auskunft über die Personalien des Samenspenders haben. Diese Entscheidung ist nicht überraschend – sie war stets herrschende Meinung in der juristischen Literatur und entspricht der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Februar 2013, die ebenfalls große Medienbeachtung fand. Auch hatte der BGH das Recht auf Kenntnis der Abstammung in mehreren Urteilen jüngst betont.

Ein Meilenstein ist es trotzdem, und der Verein Spenderkinder freut sich natürlich sehr über dieses Urteil. Damit steht unwiderruflich fest, dass auch durch Samenspende gezeugte Menschen das Recht auf Auskunft über ihren genetischen Vater haben. Auch nach dem Urteil des OLG Hamm vom Februar 2013 hatten Spenderkinder, die Auskunft von der Klinik ihrer Eltern über den Samenspender verlangten, teilweise das Problem, dass Ärzte sich darauf beriefen, dass die Frage noch nicht höchstrichterlich vom BGH geklärt ist. Diese Argumentation hat sich nun erledigt und es wird hoffentlich für Spenderkinder einfacher werden, ihren Auskunftsanspruch durchzusetzen. Ungeklärt bleiben nach wie vor Schadensersatzansprüche wegen der Vernichtung von Daten.

Wir hoffen nun, dass dieses BGH-Urteil ein Signal an die Politik sendet, die umfassende Regelung von Samenspenden endlich tatkräftig anzugehen, damit die Rechte der betroffenen Kinder effektiv geschützt werden. Wie der Verein Spenderkinder sich das vorstellt, kann in unseren Forderungen nachgelesen werden.

Wir begrüßen, dass der BGH festgestellt hat, dass es keine Altersgrenze für diesen Auskunftsanspruch gibt. Auch jüngere Kinder können schon ein Interesse an ihrem biologischen Vater haben. Dazu gehört eine langjährige Sicherung der Unterlagen und eine bessere Vorbereitung der Eltern auf diese Form der Familiengründung zu dritt. Zum Schutz der Samenspender müssen außerdem Unterhalts- und Erbansprüche gesetzlich ausgeschlossen werden.

Wir bedanken uns bei den Eltern der beiden Klägerinnen, dass sie die Klärung durch den BGH veranlasst haben!

Bundesgerichtshof verhandelt am 28. Januar über den Auskunftsanspruch von Spenderkindern

Der Anspruch von Spenderkindern auf Kenntnis des Samenspenders wird endlich höchstrichterlich geklärt: am 28. Januar verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, das höchste deutsche Zivilgericht, über ein Urteil des Landgerichts Hannover. Das sah den Auskunftsanspruch von zwei 1997 und 2002 geborenen Spenderkindern, den deren Eltern für sie gerichtlich geltend machen, zwar grundsätzlich als gegeben an. Es wies die Klage aber ab, weil diese das Recht erst ab dem Alter von 16 Jahren geltend machen könnten, analog den Vorschriften im Personenstandsgesetz für den Auskunftsanspruch von Adoptierten. Mehr Informationen zum Fall stehen in dem Pressehinweis des BGH.

Wir freuen uns, dass es endlich eine Klärung des BGH zu dem Recht auf Auskunft über die Person des Samenspenders geben wird. Wir erwarten, dass der BGH das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis des Samenspenders stützen wird. Alles andere wäre unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zur Bedeutung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung überraschend. So hat der BGH in einem aktuellen Fall entschieden, dass Verstorbene aufgrund des Rechts auf Kenntnis der Abstammung für einen DNA-Abgleich exhumiert werden können, wenn dies zur Klärung der Abstammung erforderlich ist.

Zu beachten ist, dass es sich bei einer Altersgrenze für das Auskunftsrecht über den Spender um einen Grundrechtseingriff handelt. Bei normal erzeugten Kindern, die zum Beispiel von ihrer Mutter die Person des Vaters wissen möchten, würde man nicht auf die Idee kommen, den Anspruch erst ab 16 Jahren zuzulassen. Das Personenstandsgesetz für eine Grundrechtsbeschränkung analog anzuwenden, ist schwierig, da viele andere Regeln für Adoptierte nicht auf Spenderkinder angewandt werden.

Dass dieser Fall jetzt vom BGH geklärt werden muss und über die analoge Anwendung des Personenstandsgesetzes gestritten wird, zeigt noch einmal deutlich, dass das Recht von Spenderkindern auf Auskunft über den Samenspender und dessen Modalitäten ausdrücklich gesetzlich geregelt werden muss. Das steht zwar auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition, passiert ist bislang aber noch nichts.

Erforderlich ist eine gesetzliche Grundlage, in der die Rechte und Interessen von Spenderkindern abgewogen und berücksichtigt werden. In einem solchen Gesetz sollte dann auch die langfristige Aufbewahrung der Spenderdaten geregelt werden sowie Sorge dafür getragen werden, dass Spenderkinder auch unabhängig von einer Kooperation der Eltern von ihrer Abstammung erfahren können. Selbst optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit nur 30 % der Eltern ihre Kinder über die Zeugung mit Hilfe eines Dritten aufklären.

Der Verein Spenderkinder würde eine Orientierung der Regelung von Samenspenden an den Vorschriften zur Adoption grundsätzlich begrüßen und hat seine politischen Forderungen auch hieran angelehnt. Wir fänden es daher akzeptabel, erst ab dem Alter von 16 Jahren Auskunft über die Person des Samenspenders zu erhalten. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass auch andere Regeln der Adoption Anwendung finden müssen. So sollte der Spender im Geburtenregister des Kindes eingetragen werden und Eltern auf die Herausforderungen einer Elternschaft zu dritt besser vorbereitet werden, zum Beispiel durch eine verpflichtende psychosoziale Beratung vor der Samenspende. Daneben ist es wichtig anzuerkennen und auch Sorge dafür zu tragen, dass Spenderkinder auch vor dem 16. Lebensjahr bestimmte nicht-identifizierende Informationen über den Samenspender erhalten können.

Beibehalten werden muss dagegen die Möglichkeit von Spenderkindern zur Anfechtung der Vaterschaft des sozialen Vaters, weil man eine Familie nicht beliebig konstruieren und zusammenbasteln kann. Vaterschaft ist ein soziales und biologisches Phänomen. Fällt diese auseinander verteilt auf zwei Väter, ist es anmaßend, dass das konstruierende Paar über die Besetzung der Vaterrolle auch für ein inzwischen volljähriges Kind entscheidet.

Wir sind gespannt auf die Verhandlung beim BGH und hoffen auf ein klarstellendes Urteil.

Ist der Wunsch nach Kenntnis der Abstammung heteronormativ?

Samenspenden werden zunehmend auch von lesbischen Frauen in Anspruch genommen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Wir haben Kontakt zu vielen lesbischen Paaren, die einen bekannten Spender oder einen später identifizierbaren Spender gerade aus Achtung der Rechte ihrer Kinder gewählt haben. Leider scheint zumindest bei offiziellen VertreterInnen des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) kein Bewusstsein dafür zu existieren, dass bei der Entscheidung für eine Samenspende auch die Würde und Rechte des Kindes beachtet werden müssen.

In dem Beitrag „Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns?“ des Ratgebers des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland schreibt die Autorin Lisa Green vom LSVD Baden–Württemberg Folgendes:

„Die „Vater-Frage“ beinhaltet die Abwägungen, wie viel von der Person des Spenders bekannt sein soll und was dies für die Kinder, das Elternpaar und die gesamte Familie bedeutet. Auch müssen lesbische Paare ihre persönliche Einstellung bezüglich der Notwendigkeit eines gegengeschlechtlichen Elternteils in der Familie und einer männlichen Bezugsperson für das Kind sowie der Wichtigkeit der biologischen Abstammung des Kindes klären: (…)“1

Die Eltern entscheiden, die Kinder müssen akzeptieren

Schon durch diese Textstelle wird klar: nur die Eltern sollen abwägen, wie ihre Einstellung zur Bedeutung der biologischen Abstammung des Kindes ist und danach ihre Entscheidung treffen. Eine Hinterfragung ihrer Einstellung und ein Hinweis auf die bestehenden Rechte des Kindes findet nicht statt. Daraufhin werden gleichberechtigt die Möglichkeiten eines bekannten Spenders, eines absolut anonymen Vaters und eines für das 18jährige Kind identifizierbaren Spenders dargestellt. Zur absolut anonymen Spende wird ausgeführt:

„Paare, die sich für die Insemination mit dem Samen eines anonymen Spenders im medizinischen System entscheiden, machen sich zwar Sorgen, ob dem Kind ein Vater fehlen wird, schätzen jedoch den „Wunsch nach Wurzeln“ als sozial auferlegt ein. Für sie steht der maximale Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen, die Klarheit der eigenen Familiengrenzen sowie der Wunsch nach einer Elternschaft zu zweit im Mittelpunkt. In dieser Konstellation besteht die Herausforderung im Umgang mit dem gesellschaftlichen Druck durch den Wegfall eines identifizierbaren biologischen Vaters sowie ihre Ambivalenzen, die diesbezüglich entstehen können.

Paare, die sich für einen für das Kind identifizierbaren Spender (in der Regel mit Volljährigkeit) entscheiden, sind der Ansicht, das Beste beider Alternativen zu vereinen. Obwohl der Spender in diesen Familien nicht mehr als bei einem anonymen Spender als Vater für die Kinder zur Verfügung steht, leiden die Eltern weniger diesbezüglich unter Schuldgefühlen. Die Herausforderung, die ihnen bevorsteht, liegt im Umgang mit den Auswirkungen und Konsequenzen, wenn die volljährigen Kinder die Identität des Spenders erfahren wollen.“2

Bei einem Vergleich dieser Alternativen stellt man fest: bei einem anonymen Spender ist die Herausforderung der Umgang mit gesellschaftlichen Druck. Bei dem identifizierbaren Spender leiden die Paare zwar weniger unter Schuldgefühlen, aber dort droht die vermeintliche Herausforderung der Auswirkungen und Konsequenzen, wenn die volljährigen Kinder die Identität des Spenders erfahren möchten. Ein paar Schuldgefühle werden dem Spender als potentiellen Konkurrenten zu den Eltern gegenübergestellt. Kein Wort dazu, dass auch die Kinder homosexueller Eltern Rechte haben und Eltern durchaus ihre eigenen Wünsche hinterfragen sollten, bevor sie für ihre Kinder Entscheidungen treffen, die deren Persönlichkeitsrechte ignorieren.

Die Bedeutung von Abstammung als Auseinandersetzung mit angeblich heteronormativen Vorstellungen von Familie

Die Bedeutung der biologischen Abstammung liegt für Lisa Green augenscheinlich woanders als in einer Abwägung mit den Rechten des Kindes: „Die Vater-Frage stellt Sie auf die Probe und zwingt sie, sich mit heteronormativen Vorstellungen von Familie und internalisierter Homophobie (gegen Lesben und Schwule gerichtete Feindseligkeit) auseinanderzusetzen.3

Ist der Wunsch nach Kenntnis der Abstammung also heteronormativ? Zum Hintergrund dieses Vorwurfs: Heteronormativität beschreibt eine Weltsicht, die Heterosexualität als soziale Norm postuliert und ein ausschließlich zweiteiliges Geschlechtssystem vorsieht, in welchem das biologische Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung für alle gleichgesetzt wird. Normen sind Verhaltenserwartungen – aber die Erwartung, dass ein Mensch eine Mutter und einen Vater hat, ist eine biologische Tatsache und keine Verhaltenserwartung. Ohne männlichen Samen und eine weibliche Eizelle entsteht kein neues Leben. Dass ein Mensch als soziale Eltern nicht unbedingt einen Mann und eine Frau haben muss, ist eine andere Sache.

Dabei ist die Vorstellung, dass ein Mensch nur zwei Eltern haben kann, viel eher heteronormativ begründet als die nicht widerlegbare Tatsache, dass es biologisch immer einen Vater und eine Mutter gibt und dass diese beiden Personen auch für das Kind Bedeutung erlangen können. Gerade die Vorstellung, dass nur zwei Personen die Eltern eines Kindes sein können, ist geprägt von der genetischen Komponente und der Idee, dass die eigenen Gene an das gemeinsame Kind weitergegeben werden.

Vorwurf der Heteronormativität soll sorgsam konstruierte Eltern-Zweisamkeit schützen

Was Lisa Green mit dem Vorwurf der Heteronormativität im Sinne von „Angriff ist die beste Verteidigung“ eigentlich rechtfertigten möchte, ist die Zementierung des lesbischen Paares in seiner sozialen Elternrolle. Der Spender als genetischer Vater ist potentieller Konkurrent, er droht die sorgsam konstruierte Eltern-Zweisamkeit, die durch das Kind zur Familie wird, zu sprengen und um einen dritten Elternteil zu erweitern. Anstatt die biologische Notwendigkeit eines Mannes zur Zeugung eines Kindes anzuerkennen und dem biologischen Vater des Kindes seinen Platz und Raum, den er zumindest biologisch innerhalb der Familie innehat, zuzugestehen, wird es für legitim gehalten, seine biologische Bedeutung mit einer anonymen Spende zu leugnen und zu versuchen, ihn auf diese Weise für immer aus der Familie fernzuhalten und gleichzeitig auch aus dem Leben des Kindes zu verbannen. Der Vorwurf der Heteronormativität soll eine Absicht rechtfertigen, die auch heterosexuelle Paare teilweise äußern: Die Beziehung zueinander als Paar und zu dem Kind soll vor Konkurrenz geschützt werden. Die Wunscheltern konstruieren nach ihrem Willen eine Familie und definieren dabei selbst deren (enge) Grenzen nach ihren Wünschen. Dabei ist es nicht vorgesehen und nicht erwünscht, dass das Kind auf die Idee kommt, dass eine dritte Person außerhalb der Paarbeziehung der Wunscheltern ebenfalls ein Elternteil ist und Bedeutung für das Kind haben könnte.

Dazu passt der Ratschlag von Lisa Green dazu, was man dem Kind sagen könnte, wenn es im Alter von drei Jahren nach seinem Vater fragt: „Du hast keinen Papa. Deine Eltern sind Mami und Mama. Oder: Du hast keinen Vater. Ein netter Mann hat uns seinen Samen gespendet.4

Auch lesbische Paare müssen sich von der Vorstellung eines biologisch eigenen, gemeinsamen Kindes zu zweit verabschieden

Aus unserer Sicht müssen sich lesbische Paare – wie auch heterosexuelle Paare, die den Weg der Familiengründung zu Dritt wählen – von biologisch eigenen, gemeinsamen Kind zu zweit verabschieden. Ein biologisch gemeinsames Kind ist bei heterosexuellen Paaren nicht möglich, wenn ein Wunschelternteil unfruchtbar ist. Bei lesbischen Paaren ist es biologisch nicht möglich. Dieser Schritt ist wichtig, damit das vermeintliche gemeinsame „Wunschkind“ durch Samenspende kein „Ersatzkind“ für das eigentlich gewünschte biologisch gemeinsame Kind wird. Nur wenn diese Tatsache akzeptiert wurde, kann sich das Wunschelternpaar auf einen Spender einlassen, der nicht sofort wieder ausgegrenzt werden muss, sondern dessen Bedeutung respektiert werden kann. Das Kind trägt einen Teil des Spenders biologisch in sich. Versuchen die Wunscheltern den Spender auszugrenzen und seine Bedeutung zu minimieren, erschwert das die vollständige Akzeptanz des Kindes, das eben nicht nur Kind von „Mami und Mama“5 ist, sondern auch Kind des Spenders, eines real existierenden Mannes aus Fleisch und Blut.

Das Recht auf Kenntnis der Abstammung hindert lesbische Paare nicht daran, ein Kind zu bekommen

Dabei kann der Wunsch von lesbischen Paaren, ein Kind zu bekommen, und das Recht des zukünftigen Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung unproblematisch miteinander vereinbart werden. In Deutschland sind anonyme Samenspenden nicht möglich, und auch hier gibt es Ärzte, die lesbischen Paare trotz der bestehenden rechtlichen Risiken eine Samenspende vermitteln. Das Kind hat dann mit 18 Jahren das Recht, die Identität seines genetischen Vaters zu erfahren. Eltern sollten es ihrem Kind dann selbst überlassen, zu entscheiden, welche Bedeutung es seinem biologischen Vater geben möchte. Wünschenswert wäre es außerdem, wenn die Wunscheltern ihre Situation für sich soweit geklärt hätten, dass sie das Kind in der Phase des Erwachsenwerdens und möglicherweise sein wachsendes Interesse am biologischen Vater begleiten könnten. Das Kind sollte nicht das Gefühl haben, sich gegen die Wunscheltern zu richten, wenn es seinem Interesse folgt.

  1. Lisa Green, Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns, in: Dorothee Wallraff, Petra Thorn, Tewes Wischmann: Kinderwunsch – Der Ratgeber des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BkiD), Kohlhammer Verlag 2014, S. 98-105, S. 99. []
  2. Lisa Green, Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns, in: Dorothee Wallraff, Petra Thorn, Tewes Wischmann: Kinderwunsch – Der Ratgeber des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BkiD), Kohlhammer Verlag 2014, S. 98-105, S. 99-100. []
  3. Lisa Green, Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns, in: Dorothee Wallraff, Petra Thorn, Tewes Wischmann: Kinderwunsch – Der Ratgeber des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BkiD), Kohlhammer Verlag 2014, S. 98-105, S. 100-101. []
  4. Lisa Green, Lesben und Samenspende – Familie, ganz normal anders, in: Andreas Hammel, Petra Thorn: Spendersamenbehandlung in Deutschland – Alles was Recht ist?! Mörfelden 2014, S. 57-65, 63. []
  5. Lisa Green, Lesben und Samenspende – Familie, ganz normal anders, in: Andreas Hammel, Petra Thorn: Spendersamenbehandlung in Deutschland – Alles was Recht ist?! Mörfelden 2014, S. 57-65, 63. []

Wunschkind – Elternwunsch oder Kinderwunsch?

Eltern, die sich für eine Samenspende oder Embryonenadoption entscheiden, wünschen sich ein Kind. Den Kindern wird deswegen oft gesagt, dass sie „echte Wunschkinder“ seien. Spätestens seit Einführung der Antibabypille ist die Zahl der Abtreibungen und ungewollte Schwangerschaften rückläufig und der Kinderwunsch planbar geworden. Dennoch wird die Betitelung als Wunschkind häufig damit in Verbindung gebracht, angenommen zu sein und dankbar sein zu sollen.

„Ich erinnere mich mehrfach von Wunscheltern und Ärzten gehört zu haben ‚aber Sie sind doch ein absolutes Wunschkind‘. Ich frage mich dann immer, was das eigentlich ausdrücken soll. Es klingt nach ‚Sei dankbar und beklag Dich nicht – Dir gehts sowieso schonmal besser als vielen anderen.'“

Trotz der Vorstellung, dass die Kinder voll und ganz angenommen werden, mussten Spenderkinder leider auch andere Erfahrungen machen: Dass sie im Nachhinein doch nicht so gewollt waren und voll angenommen wurden, weil ihre Eltern mit der Familiengründung zu Dritt nicht zurechtkommen. Zudem ist es fraglich, ob die Kinder oder späteren Erwachsenen sich über die Gewolltheit der Eltern definieren.

„Als ich noch Kind war, war ich froh zu wissen, dass ich per Samenspende gezeugt wurde. Ich war kein Unfall, dem man im Streit sagen konnte ‚du bist nicht gewollt gewesen‘. Gründe für Streit gab es genug. Meine Eltern haben sich nämlich kurz nach dem dritten Kind per Samenspende geschieden.“

„Bezeichnenderweise sagt mir das Wunschkind-Argument nie jemand ins Gesicht, sondern immer nur übers Internet. Ich vermute weil bei einem persönlichen Kontakt klar ist, dass eine über 30jährige sich nicht über die Gewolltheit von ihren Eltern definiert.“

Oft wird die Bezeichnung auch damit verbunden, dass Spenderkinder ihren Eltern, dem Samenspender oder gar den Ärzten deswegen dankbar sein sollen. Dabei sind es die Eltern, die dankbar dafür sein sollten, dass sie ein Kind beim Aufwachsen begleiten dürfen. Während der Wunsch der Eltern klar im Vordergrund steht, sind eigene Wünsche und Bedürfnisse vieler „Wunschkinder“ nur in begrenztem Rahmen erlaubt und enden häufig da, wo sie die von den Wunscheltern mühsam konstruierte Familie zu sprengen drohen, wenn also die engen Familiengrenzen um die Person des Spenders erweitert werden sollen.

Fabian

Vortrag beim Arbeitskreis Donogene Insemination – vom Wunschkind zum Erwachsenen mit Wünschen

Letzten Samstag waren Spenderkinder-Vorständin Sarah und ich zu Besuch beim Jahrestreffen des Arbeitskreises Donogene Insemination. Wir haben dort einen Kurzvortrag über unsere Wünsche an Reproduktionsmediziner und Samenbanken mit dem Titel „Vom Wunschkind zum Erwachsenen mit Wünschen“ gehalten und mit den Mitgliedern diskutiert. Eine kurze Zusammenfassung des Vortrags findet sich unter diesem Bericht.

Mitglieder des Arbeitskreises sind vor allem Reproduktionsärzte und psychosoziale Berater. Da wir einige Reproduktionsärzte seit Jahren kritisieren und wir uns teilweise schon vor Gerichte getroffen haben, war unser Auftritt nicht ganz unbefangen. Gerade deswegen waren wir aber sehr dankbar für die Gelegenheit, unsere Sicht auf die Arbeit von Reproduktionsmedizinern erklären und diskutieren zu können.

Unser Eindruck war, dass im Arbeitskreis ein sehr breites Spektrum von Meinungen vorhanden ist. Während einige (vor allem jüngere) Mitglieder meinten, dass unsere Wünsche doch alle schon erfüllt würden, zeigten einige Redebeiträge leider, dass dem noch nicht so ist. Insbesondere das Recht auf Kenntnis der Abstammung scheint von einigen immer noch nicht anerkannt zu werden. Interessant war auch, dass die Vorgaben der Ärztekammer, dass nicht mehr als zehn Kinder durch einen Spender gezeugt werden sollen, lediglich als unverbindliche Orientierungshilfe angesehen wird. Auch unsere Forderung nach mehr Engagement für Altfälle, die die seit den 80er Jahre tätigen Ärzte betrifft, schien leider nicht wirklich auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Auf jeden Fall war es wichtig, einmal miteinander und nicht wie so häufig nur übereinander zu reden. Hoffnung macht auch, dass gerade die jüngeren Mitglieder des Arbeitskreises offener wirken.

Wünsche des Vereins Spenderkinder an Reproduktionsärzte und Samenbanken

1. Anerkennung der Bedürfnisse von Spenderkindern und mehr Engagement für Altfälle

  • Akzeptanz des Wunsches von Spenderkinderm, ihre genetische Abstammung zu kennen;
  • Freundliche und korrekte Beantwortung von Anfragen, Übermittlung der den Spender identifizierenden Daten, Angebot der Begleitung des Erstkontaktes zum Spender;
  • langjährige Aufbewahrung der Spenderdaten bei einem Notar (solange es noch keine Eintragung im Geburtenregister oder ein zentrales Register gibt).

Mehr Engagement für Spenderkinder, bei denen auf den ersten Blick keine Behandlungsdaten mehr vorhanden sind:

  • ernsthafter Versuch der Beschaffung von Informationen;
  • Befragung von Angestellten, auch ehemaligen;
  • gründliche Sichtung des Aktenbestandes;
  • Kontaktierung von ehemaligen Spendern, die den Empfängern nicht mehr zugeordnet werden können, Bitte um Kontaktaufnahme so dass Zuordnung noch gelingen kann, Hinweis auf DNA Test Family Finder (https://www.familytreedna.com/family-finder-compare.aspx);
  • Suchannonce der Klinik nach ehemaligen Spendern;
  • Angebot, Kontakt zu Spendern und anderen Spenderkindern herzustellen, die sich in Zukunft melden werden.

2. Anerkennung von Verantwortung für die entstehende Familie

  • Weil die Gründung einer Familie mit Hilfe eines Dritten eine andere und auch herausforderndere Situation ist, als ein genetisch eigenes Kind zu bekommen, sollen Eltern diese Möglichkeit nur nach gründlicher Überlegung unter Berücksichtigung ihrer eigenen Wünsche und der Rechte der zukünftigen Kinder wählen.
  • Reproduktionsmediziner müssen Eltern mit Blick auf die Verantwortung für die ganze Familie – und das beinhaltet das zukünftige Kind – beraten. Im Sinne eines informed consent müssen die Wunscheltern auf die psychosozialen Herausforderungen vorbereitet werden. Diese beinhalten:
    – dass sie das Kind auf jeden Fall aufklären sollten, um es nicht zu bevormunden und eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu ermöglichen. Hinweise, dass Eltern rechtlich nicht verpflichtet sind, die Kinder aufzuklären, helfen dagegen überhaupt nicht weiter,
    – dass das Kind höchstwahrscheinlich im Laufe seines Lebens Kontakt zum Spender herstellen möchte,
    – dass der Spender eine existenzielle Rolle durch seine biologische Verbindung zum Kind inne haben wird,
    – dass der Wunschvater Wege finden muss, mit dieser potenziellen Konkurrenzsituation umzugehen, und dass er eine soziale Beziehung anders als bei biologischer Verwandtschaft aktiv herstellen muss.
  • Ärzte sollten daher eine Samenspende nicht einfach als Folgebehandlung empfehlen, wenn die Zeugungsunfähigkeit des Mannes feststeht.
  • Eine ideologisch und wirtschaftlich unabhängige Beratung durch eine psychosoziale Fachkraft vor der Entscheidung für oder gegen eine Familiengründung zu Dritt muss Voraussetzung sein.
  • Hinweis der Wunscheltern auf Organisationen wie Spenderkinder oder DI-Netz.
  • Vorsicht bei der Werbung für Familienbildung durch Samenspende, keine beschönigenden oder verharmlosenden Aussagen wie „Die Scheidungsrate bei den Eltern, die eine entsprechende Behandlung haben durchführen lassen, ist geringer als in der durchschnittlichen Bevölkerung“ oder „das Kind darf von ihnen geliebt aufwachsen“. Forschungsergebnisse legen eine höhere Scheidungsrate nahe (Owen /Golombok (2009), Daniels/Gillett/Grace (2009) Scheib/Riordan/Rubin (2003)). Menschen, die durch Samenspende entstanden sind, sind nicht glücklicher oder dankbarer für ihr Leben als andere Menschen.

3. Eintreten für mehr Offenheit

  • Überzeugtes Eintreten dafür, dass es bei einer Familiengründung durch Samenspenden nichts zu verheimlichen gibt.
  • Förderung von Verbindungen zwischen Spenderkindern, Spender, Familien: Hinweis auf DI-Netz, Spenderkinder, donor siblings registry, Family Finder Test.
  • Geben Sie Familien die Nummer des Spenders, damit sie diese in sozialen Netzwerken verwenden können.
  • bieten Sie Wunscheltern an, Kontakt zu anderen Eltern herzustellen, die ebenfalls Kinder vom selben Spender haben. Verstehen sich alle, könnten die Kinder von Anfang an Kontakt zu ihren Halbgeschwistern haben.
  • Suchen Sie explizit offene Samenspender, für die die Motivation, anderen helfen zu wollen und Leben zu zeugen im Vordergrund steht.
  • Nehmen Sie diese Spender als Mensch war und vermitteln sie ihnen, dass es nicht nur auf ihr Material ankommt, zum Beispiel durch Fragebögen zur Persönlichkeit des Spenders. Spender könnten außerdem schon jetzt mitteilen, welche Form der Kontaktaufnahme sie in 19 Jahren oder später bevorzugen würden.
  • Fragen Sie Samenspender, ob diese an – anonymisierten – Informationen über die durch sie gezeugten Kinder interessiert sind oder bei einem entsprechenden Wunsch auch zu einem Kontakt vor dem 18. Lebensjahr des Kindes bereit sind.

Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz

Über ein Jahr ist es her, dass CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass Recht von durch Samenspende gezeugten Menschen auf Kenntnis ihrer Abstammung rechtlich regeln zu wollen. Passiert ist bisher leider nichts. Grund genug für uns, den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas an das Vorhaben zu erinnern:

Sehr geehrter Herr Minister,

ich schreibe Ihnen als Vorstand des Vereins Spenderkinder, ein Zusammenschluss von durch Samenspende gezeugten Erwachsenen.

Wir haben uns sehr gefreut, dass die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen hat, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich zu regeln. Leider haben wir jedoch bislang nicht von einer entsprechenden Gesetzesinitiative gehört. Bekannt geworden ist uns lediglich die Einberufung eines Arbeitskreises Abstammung zur Regelung von so genannten „privaten Samenspenden“.

Wir möchten Sie bitten, das Thema der rechtlichen Regelung von über Kliniken und Ärzten vorgenommenen Samenspenden (denn das sind die meisten Samenspenden) unabhängig von der Einberufung dieses Expertenkreises engagiert zu verfolgen. Private Samenspenden betreffen unserer Erfahrung nach andere Interessen: diese werden vor allem gewählt, um die (anfängliche) Anonymität der Samenspender bei über Kliniken und Ärzte vermittelten Samenspenden zu vermeiden. Oft ist auch ein geteiltes Sorgerecht oder ein Umgangsrecht geplant, über das in der Folge gestritten wird.

Bei über Reproduktionskliniken und -ärzte vermittelten Samenspenden gibt es jedoch Probleme, die seit Jahren bekannt sind. Schätzungen zufolge klären nur 10 % der Eltern ihre durch Samenspende gezeugten Kinder über ihre Entstehungsart auf. Faktisch wurde den Spendern lange Zeit Anonymität zugesichert und ein ein Recht auf Kenntnis der Abstammung von mit einer Samenspende gezeugten Menschen geleugnet. Erst das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm von 6. Februar 2013 hat hier eine gewisse Klärung gebracht. Ein gesetzlich fixierter Auskunftsanspruch würde dieses Recht kodifizieren und auch eine Ausstrahlungswirkung auf Ärzte und Eltern haben.

Für viele durch eine Samenspende gezeugte Menschen ist die Realisierung ihres Auskunftsanspruchs weiterhin schwierig. Viele Ärzte und Kliniken behaupten, nach 10 Jahren die Behandlungsunterlagen vernichtet zu haben. Andere berufen sich darauf, dass der Auskunftsanspruch inzwischen aufgrund eines Ablaufs von mehr als 30 Jahren verjährt sei. Auch heute beträgt die Aufbewahrungsdauer für Behandlungsunterlagen nur 30 Jahre – eine deutliche Ungleichbehandlung zu Adoptierten.

Wir bitten Sie daher, über Ärzte und Samenbanken vermittelte Samenspenden möglichst schnell umfassend zu regeln. Neben einem gesetzlich kodifizierten Auskunftsanspruch sollte eine umfassende Regelung beinhalten:

  • eine Eintragung des Spenders in das Geburtenregister, entsprechend der Regelung bei Adoptivkindern, oder zumindest ein nationales Register dass die Daten für die Lebenszeit eines Menschen speichert,
  • eine effektive Kontrolle der Vorgabe des Bundesärztekammer, dass von einem Spender nicht mehr als 10 Kinder gezeugt werden,
  • eine Freistellung des Samenspenders vor Unterhalts- und Erbansprüchen,
  • eine Verpflichtung der Wunscheltern zu einer unabhängigen psychologischen Beratung vor Inanspruchnahme einer Samenspende, da diese sich unserer Erfahrung nach oft nicht der besonderen Herausforderungen bewusst sind, die eine Familiengründung mit Hilfe eines Dritten lebenslang beinhaltet. In dieser Beratung sollte auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hingewiesen werden.

Wir würden uns daher freuen, wenn Sie uns über den Ansatz und den Zeitplan für die Umsetzung des Rechts von Kindern aus Samenspenden auf Kenntnis ihrer Abstammung informieren könnten. Gerne sind wir auch bereit, unsere Erfahrungen in den Gesetzgebungsprozess oder einen Arbeitskreis mit ein zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen