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Aufklärungsquote von Spenderkindern in Deutschland – was ist bekannt?

Der Verein Spenderkinder setzt sich für eine möglichst frühe Aufklärung von Spenderkindern über ihre Entstehungsweise ein. Eine möglichst frühe Aufklärung eines Menschen über seine Herkunft wird auch von psychologischer Seite empfohlen um eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu gewährleisten.1 Erfährt ein Mensch erst als Erwachsener, dass er andere als die bisher als solche geglaubten genetischen Elternteile hat, muss er wesentliche Grundlagen seiner Identität neu aufbauen. Das kann psychisch eine große Herausforderung sein. Zudem erleben es viele erwachsene Menschen als Vertrauensbruch, wenn die Personen, denen sie am meisten vertrauten, sie jahrelang falsche Tatsachen glauben ließen. Auch wenn in den letzten Jahren die Anzahl der aufklärenden Eltern zugenommen zu haben scheint,2 klären immer noch viele Eltern ihr Kind nicht oder zu spät auf. In einer aktuellen Metaanalyse von Tallandini und anderen (2016) konnte zwischen 1996 und 2015 eine steigende Tendenz zur Aufklärung von Spenderkindern nicht bestätigt werden: Die Aufklärungsrate korrelierte nicht mit dem Publikationsjahr der jeweiligen Studie.3

Bagatellisierung von Seiten der Eltern, Berater und Ärzte

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat im Januar einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem unter anderem gefordert wird, dass die Tatsache der Zeugung durch eine reproduktionsmedizinische Maßnahme im Geburtenregister vermerkt wird. In einer gemeinsamen Stellungnahme zu dem Antrag lehnen die Elternorganisation DI-Netz, das Beratungsnetz Kinderwunsch in Deutschland (BKiD) und der Arbeitskreis Donogene Insemination (AK-DI) diese Forderung vehement ab.4 Gleichzeitig werfen sie unserem Verein vor, in der Öffentlichkeit bewusst mit einer niedrigen Aufklärungsrate von 10 Prozent aus einer alten Studie aus den 80er Jahren zu argumentieren.5

Dieser Vorwurf gegenüber unserem Verein ist nicht richtig. Zwar verweisen wir in dem Text zu Aufklärung auf unserer Internetseite auf eine niedrige Aufklärungsquote von etwa 5-10 Prozent. Diese Zahl bezieht sich jedoch auf die Zahl der aufgeklärten Spenderkinder insgesamt – was auch die Spenderkinder beinhaltet, die in den 70er und 80er Jahren gezeugt wurden, als Ärzte ausdrücklich die Geheimhaltung gegenüber den Kindern empfohlen haben. Unmittelbar im nächsten Satz weisen wir mit einem expliziten Verweis auf einige aktuelle Studien darauf hin, dass bei jüngeren Familien mit einer höheren Aufklärungsbereitschaft von bis zu 30 Prozent gerechnet wird. Uns die gezielte Verbreitung falscher Daten vorzuwerfen, ist daher ein ziemlich unfaires Mittel der Auseinandersetzung – das umso fragwürdiger ist, als mit Herrn Prof. Katzorke einer der Unterzeichner der Stellungnahme selbst in einigen Publikationen auf diese niedrige Aufklärungsrate verwiesen hat.6 Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wie die Datenlage zur Aufklärungsrate tatsächlich aussieht.

Welche Erkenntnisse zur Aufklärungsrate liegen bislang vor?

Nach einer aktuellen Meta-Studie von Tallandini aus dem Jahr 2016, die 26 Studien aus den Jahren 1996 bis 2015 umfasst, haben 21 Prozent der Samenspende-Eltern und 23 Prozent der Eizellspende-Eltern ihre Kinder aufgeklärt.7 Bei der Betrachtung einzelner ausländischer Studien zeigen sich darin Aufklärungsraten zwischen 8 und 35 Prozent.8

Aufklärungswille vermutlich höher als tatsächliche Aufklärungsrate

Die Rate der aufklärungswilligen Eltern ist in einigen Studien deutlich höher. Insbesondere eine schwedische Studie von 2011 fällt positiv auf: Darin äußern 90 Prozent der Eltern die Absicht, ihre Kinder aufzuklären.9 Allerdings bedeutet dieses Vorhaben nicht unbedingt, dass dies auch tatsächlich umgesetzt wird. Tallandini et al. (2016) beobachteten diesbezüglich, dass zwar 52 Prozent der Eltern von Kindern im Alter unter 10 Jahren angaben, diese aufklären zu wollen, dass aber nur 9 Prozent ihre Kinder zwischen 10 und 22 Jahren auch tatsächlich aufgeklärt hatten.10 Auffällig ist die Heterogenität der Studien: Neben der optimistisch stimmenden Isaksson-Studie gibt es andere – darunter auch einige recht aktuelle – in denen ein Großteil der Eltern die Kinder (die alle im Kindergartenalter oder älter sind) nicht aufgeklärt hat und ein Teil davon auch in Zukunft nicht aufklären möchte.11

Stichprobenzusammensetzung legt eher Über- als Unterschätzung der Aufklärungsrate nahe

Bei allen Studien lässt sich die Frage aufwerfen, inwieweit die Ergebnisse verallgemeinert werden können bzw. welche zusätzlichen Faktoren das Studienergebnis möglicherweise beeinflusst haben. Bei den Studien zur Aufklärungsrate ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass keine Zufallsstichproben aus allen Eltern gezogen wurden, sondern die Teilnahme freiwillig erfolgte. Daher kann man eine Stichprobenselektion derart vermuten, dass eher aufklärungsbereite Familien sich bereiterklären, an Studien, insbesondere an Langzeitstudien, teilzunehmen weil dies eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema beinhaltet.12 Möglicherweise hat auch allein die Fragestellung nach der Aufklärungsabsicht einige Eltern dazu angeregt, über das Thema Aufklärung weiter nachzudenken und sich schließlich dafür zu entscheiden.13 Eine weitere Schwäche sind die insgesamt eher kleinen Stichprobengrößen. Trotz der sicherlich bestehenden methodischen Schwächen bilden die vorliegenden Untersuchungen aber Tendenzen ab. Insbesondere aufgrund der freiwilligen Teilnahme vermutlich eher offener Eltern und durch die Thematisierung der Aufklärung ist eher von einer Über- als von einer Unterschätzung der tatsächlichen Aufklärungsrate auszugehen.

Geringe Aufklärungsquote für Deutschland naheliegend

Ohne eine Würdigung der ausländischen Studienlage vorzunehmen, verweisen BKiD, DI-Netz und der AK-DI in ihrer Stellungnahme lediglich darauf, es lägen keine belastbaren Daten vor und insbesondere keine Daten aus Deutschland. Auf dieser Grundlage stellen sie eine geringe Aufklärungsrate für Deutschland in Frage. Diese Vorgehensweise ist wissenschaftlich fragwürdig. Vielmehr mangelt es an Argumenten, weshalb die internationalen Ergebnisse ausgerechnet auf Deutschland – zumindest der Tendenz nach – nicht übertragbar sein sollten.

Fehlende Regelungen und jahrzehntelanges Klima der Geheimhaltung deuten auf geringe Aufklärungsquote hin

Es fällt auf, dass die Aufklärungsrate zwischen den Ländern erheblich variiert, zwischen 90 Prozent aufklärungswilliger Eltern in einer schwedischen Studie14 und überhaupt keinen aufklärungswilligen Eltern in Italien15. Selbst wenn sich daraus keine konkreten Zahlen für Deutschland ableiten lassen, so können die ausländischen Studien zumindest als Anhaltspunkte dienen, in welchem Bereich sich die tatsächliche Aufklärungsquote vermutlich bewegt. Schweden war eines der ersten Länder, in denen die anonyme Samenspende verboten wurde (1985) und in dem gesellschaftlich ein Klima der Offenheit herrscht, während in Italien ein konservativeres Familienbild vorherrscht und die Samenspende für viele Jahre komplett verboten war. Auch in Deutschland hüllte sich die Praxis der Samenspende jahrzehntelang in Schweigen und bis vor Kurzem wurde Spendern noch Anonymität zugesichert.16
Das stimmt mit den Beobachtungen der Ethnologin Maren Klotz überein, dass deutsche Eltern größere Angst vor der Aufklärung ihrer Kinder äußerten als britische Eltern, was sie der größeren Verunsicherung der Eltern durch fehlende Regelungen und der Spannung zwischen Geheimhaltungsdruck durch die Kliniken und moralischem Aufklärungsdruck zuschreibt.17 In Großbritannien werden die Spenderdaten in einem Register festgehalten und die Klinik muss den Eltern die Aufklärung der Kinder empfehlen. Vergleichbare Regelungen gibt es in Deutschland nicht.

Auf Grund dieser Überlegungen ist es wahrscheinlich, dass die Aufklärungsrate in Deutschland eher niedriger ist als in den dargestellten Studien. Es gibt jedenfalls keine Hinweise dafür, weswegen sie höher sein könnte.

Praktische Erfahrungen deuten eher auf Angst vor und Vermeidung von Aufklärung hin

Hält man unbeirrbar an den methodischen Mängeln der ausländischen Studien fest und lehnt deshalb eine Auswertung und deren Übertragbarkeit auf die Situation in Deutschland komplett ab, so bleiben empirisch überhaupt keine Anhaltspunkte – weder für eine niedrige, noch für eine hohe Aufklärungsquote. Was bleibt, sind jedoch die praktischen Erlebnisse, Begegnungen mit Eltern auch junger Spenderkinder, die ihre Kinder nicht aufklären möchten, was in direkten E-Mails und Kommentaren an unseren Verein oder aber in einschlägigen Foren deutlich wird. Wie hoch deren Prozentsatz gemessen an der Gesamtanzahl der Eltern auch sein mag – so lange die Aufklärung von Spenderkindern nicht für alle Eltern selbstverständlich ist, kann man nicht ernsthaft behaupten, dass Samenspende-Eltern keiner Motivation zur Aufklärung ihrer Kinder bedürften.

Fazit

Es spricht viel dafür, dass nach wie vor auch in Deutschland zu wenige Kinder über ihre Zeugung durch eine Samenspende aufgeklärt werden und daher ein Bedarf besteht, Eltern stärker zur Aufklärung zu motivieren.

Das Vorgehen, die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der Eltern trotz mehrerer Studien mit gegenteiligen Ergebnissen in Frage zu stellen, wirkt dabei vielmehr wie ein mehr oder weniger starkes Bedürfnis, Hinweise zu leugnen, die ein schlechtes Bild auf Samenspende-Eltern werfen könnten. Wir würden uns stattdessen wünschen, dass insbesondere Eltern und Beratungsfachkräfte konsequent für das Thema frühe Aufklärung eintreten: Elterliche Verantwortung zu übernehmen, bedeutet aufzuklären und nicht, dass man es den Eltern überlässt, ob sie aufklären.

Dabei ist es Aufgabe des Staates, das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung zu schützen und Vorkehrungen zu treffen, dass Kinder auch unabhängig von ihren Eltern die Wahrheit über ihre Herkunft erfahren können und auch um Inzest nach Möglichkeit ausschließen zu können.

  1. vgl. z.B. Blyth E, Langridge D, Harris R (2010), Family building in donor conception: parents’ experiences of sharing information, Journal of Reproductive and Infant Psychology (2) 28, S. 116–127, S. 124-125; Oelsner W, Lehmkuhl G (2016), Spenderkinder. Was Kinder fragen werden und was Eltern wissen sollten, Munderfing: Fischer & Gann. []
  2. Greenfeld DA. (2008), The impact of disclosure on donor gamete participants: donors, intended parents and offspring. CurrOpinObstetGyn;20, S. 265–268.:Söderström-Anttila V, Sälevaara M, Suikkari AM. (2010), Increasing openness in oocyte donation families regarding disclosure over 15 years. Hum Reprod25, S. 2535–2542.; MacCallum F, Keeley S. (2012), Disclosure patterns of embryo donation mothers compared with adoption and IVF. Reprod Biomed Online 24,S. 745–748. []
  3. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S.9. []
  4. DI-Netz, BKiD und AK DI, Gemeinsame Stellungnahme zum Gesetzesantrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung“ vom 24. März 2016 – siehe auch gesonderter Beitrag „Eintragung des Spenders in das Geburtenregister – das Recht von Spenderkindern auf Wahrheit“.) Sie stellen in diesem Zusammenhang in Frage, ob es überhaupt notwendig sei, die Motivation der Eltern zur Aufklärung ihrer Kinder zu stärken und ob dies Aufgabe des Staates sei. ((S. 2 []
  5. Fußnote 2: „Die medial kursierende Zahl von 10% Aufklärungsrate bei Samenspende stammt aus einer kleinen Studie einer Forschergruppe um Susan Golombok aus den späten 1980er Jahre mit 111 Patienten aus den Ländern Spanien, Italien, den Niederlanden und Großbritannien (Deutschland wurde nicht erfasst). Die geschätzte Zahl von 10% Aufklärungsquote wird in Deutschland derzeit durch den Verein „Spenderkinder“ lanciert.“ []
  6. siehe z.B. Katzorke T (2008) Entstehung und Entwicklung der Spendersamenbehandlung in Deutschland. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 5(1), S.14-20, 20; Katzorke T (2003), Donogene Insemination –  Gegenwärtiger Stand der Behandlung in der BRD, Gynäkologische Endokrinologie, S. 85-94, 88. []
  7. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 9. []
  8. 8% bei Owen L, Golombok S (2009), Families created by assisted reproduction: Parent-child relationships in late adolescence, Journal of Adolescence 32, 835-848; 8,6% bei Golombok S et al. (2002), The European study of assisted reproduction families: the transition to adolescence. Human Reproduction Vol. 17 No. 3, S. 830-840; 17% bei Sälevaara M, Suikkari A-M, Söderström-Anttila V (2013), Attitudes and disclosure decisions of Finnish parents with children conceived using donor sperm. Human Reproduction, Vol. 28, No. 10, S. 2746–2754; 28% bei Readings J, Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S (2011), Secrecy, disclosure and everything in-between: decisions of parents of children conceived by donor insemination, egg donation and surrogacy. Reprod Biomed Online; 22: 485 – 495; 35% bei Daniels K, Gillett W, Grace V (2009), Parental information sharing with donor insemination conceived offspring: a follow-up study. Human Reproduction, Vol.24, No.5 S. 1099–1105; 35% bei Kovacs G T, Wise S, Finch S (2013), Functioning of families with primary school-age children conceived using anonymous donor sperm. Human Reproduction, Vol.28, No. 2, S. 375–384. []
  9. Isaksson S et al. (2011), Two decades after legislation on identifiable donors in Sweden: are recipient couples ready to be open about using gamete donation? Human Reproduction, Vol.26, No.4 pp. 853–860. []
  10. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S.10. []
  11. z.B. haben 61% zum Zeitpunkt der Studie noch nicht aufgeklärt, insgesamt 43% haben sich ausdrücklich gegen Aufklärung entschieden bei Lycett E, Daniels K, Curson R, Golombok S (2005), School-aged children of donor insemination: a study of parents‘ disclosure patterns. Human Reproduction Vol. 20, No. 3 S.810-819; 92% haben noch nicht aufgeklärt, 81% haben sich explizit dagegen entschieden bei Owen L, Golombok S (2009), Families created by assisted reproduction: Parent-child relationships in late adolescence, Journal of Adolescence 32, 835-848; 53% haben nicht aufgeklärt und haben es auch nicht vor bei Daniels/Gillet/Grace (2009), Human Reproduction Vol. 24, S. 1099–1105, 1102; 72% haben noch nicht aufgeklärt, 39% der Eltern wollen ausdrücklich nicht aufklären bei Readings J, Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S. (2011), Secrecy, disclosure and everything in-between: decisions of parents of children conceived by donor insemination, egg donation and surrogacy. ReprodBiomed Online; 22: 485 – 495. []
  12. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 11. []
  13. Daniels et al. (2009) untersuchten 43 Familien, von denen 15 (35%) ihre 17-21jährigen Kinder aufgeklärt hatten. Zu einem Folgezeitpunkt hatten sich weitere 5 Familien für eine Aufklärung entschieden – Daniels K, Gillett W, Grace V (2009), Parental information sharing with donor insemination conceived offspring: a follow-up study. Human Reproduction, Vol.24, No.5 pp. 1099–1105. []
  14. Isaksson S et al. (2011), Two decades after legislation on identifiable donors in Sweden: are recipient couples ready to be open about using gamete donation? Human Reproduction, Vol.26, No.4 pp. 853–860. []
  15. Golombok S et al. (2002), The European study of assisted reproduction families: the transition to adolescence. HumanReproduction Vol. 17 No. 3 830-840 []
  16. Thorn P, Katzorke T, Daniels K (2008), Semen donors in Germany: A study exploring motivations and attitudes. Human Reproduction Vol. 23(11) pp. 2415–2420. []
  17. Klotz M (2013), Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956. []

Radiobeitrag auf WDR5 Leonardo am 20. Juli 2016

WDR 5 berichtete am 20. Juli 2016 im Gespräch mit dem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Wolfgang Oelsner und Spenderkinder-Mitglied Maria darüber Wie Kinder damit leben von einem Samenspender zu stammen .

Etwas irreführend ist die Nennung von zunächst 10.000 und etwas später von 100.000 Spenderkindern in Deutschland. Verlässt man sich auf die Angaben von Reproduktionsmedizinern, stimmt eher die zweite Zahl.1

Nicht korrekt ist die Aussage, dass das Auskunftsrecht von Spenderkindern erst seit 2015 gelte. Das Auskunftsrecht von Spenderkindern wurde in einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm 2013 erstmalig gerichtlich bestätigt. Bereits im deutschen Ärzteblatt von 1970 wird darauf hingewiesen, dass ein Spenderkind ein Auskunftsrecht hat. Mehr dazu in unserer Rubrik Die rechtliche Situation. In Marias Klage ging es nicht um das Auskunftsrecht, sondern um die Herausgabe der nötigen Unterlagen. Diese wurden in der Vergangenheit angeblich häufig entgegen entsprechender Hinweise frühzeitig vernichtet. Dadurch wird deutlich, dass Auskunftsrecht und Auskunftsmöglichkeit zwei verschiedene Dinge sind, die in Deutschland noch klarer gesetzlich geregelt werden sollten. Seit 2007 ist eine ausdrückliche Aufbewahrungsfrist von mindestens 30 Jahren vorgeschrieben, zuvor gab es keine explizite Angabe von Jahren, sondern es galt die 10jährige Mindestaufbewahrungsdauer mit dem Zusatz „…soweit nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungsfrist besteht. Eine längere Aufbewahrung ist auch dann erforderlich, wenn sie nach ärztlicher Erfahrung geboten ist.“ 2

Abgesehen von diesen Informationsdrehern ist die Sendung sehr einfühlsam und informativ gemacht und stellt die Herausforderungen differenziert dar, die sich für die Kinder ergeben können. Maria, die erst als Erwachsene über ihre Entstehung aufgeklärt wurde, erlebte bereits als Kind Fremdheitsgefühle ihrem Vater gegenüber, die sie sich nicht erklären konnte. Sie beschreibt zum Beispiel, dass sein Geruch sie irritierte.  Gleichzeitig spürte und wusste sie, dass ihr Vater sie liebt. Das zusammen erzeugte bei Maria Schuldgefühle und ließ sie an sich und ihrer Wahrnehmung zweifeln.

Das sind Wahrnehmungen und Gefühle, die wir bereits von mehreren Spenderkindern gehört haben. Wir möchten deshalb alle Eltern eindringlich bitten, ihre Kinder auf jeden Fall von Anfang an im Wissen um ihre Herkunft aufwachsen zu lassen und ihnen keine falschen Tatsachen vorzuspielen.

  1. T Katzorke (2008), Entstehung und Entwicklung der Spendersamenbehandlung in Deutschland. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 5 (1), 14-20, S. 18. []
  2. Berufsordnung für die deutschen Ärzte (MBO) – Deutsches Ärzteblatt 1979, 2442. []

Aktuelles Heft der Zeitschrift für medizinische Ethik zum Thema Fortpflanzungsmedizin

Das Heft 2/2016 der Zeitschrift für medizinische Ethik vereint unter dem Titel „Neue Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin“ verschiedene Beiträge zum Thema aus theologischer, medizinischer, ethischer, biologischer und psychotherapeutischer Perspektive.

Neben den Themen Leihmutterschaft und der Kryokonservierung von Eizellen zur Familienplanung sind zwei Artikel der Embryonenadoption gewidmet und gehen der Frage nach, ob man aus ethisch-theologischer Sicht bzw. aus psychologischer und der Perspektive von durch Keimzellspende entstandenen Menschen, die Freigabe von bei In-vitro-Fertilisationen übrig gebliebenen Embryonen zur Adoption verantworten kann und welche unbeabsichtigten problematischen Folgen damit verbunden sein können.

 

Roman „Jackpot – Eine Heidelberger Romanze“ von Lars Holgersson

Am 30.10.2015 ist der Roman mit dem Titel „JACKPOT – Eine Heidelberger Romanze“ des Autors Lars Holgersson erschienen (neobooks Self-Publishing, ISBN 978-3-7380-4140-8).

Der Roman beschäftigt sich mit der Liebesbeziehung zweier Spenderkinder, die sich zufällig begegnen und sich direkt ineinander verlieben. Die Erzählung wird aus der Sichtweise beider dargestellt. Im Verlauf der Handlung stellt sich für den männlichen Protagonisten nicht nur heraus, dass sein Vater nicht sein biologischer Vater ist sondern auch, dass er sich in seine Halbschwester verliebt hat und diese nun ungewollt ein wahrscheinlich behindertes Kind von ihm erwartet. Hierbei erfahren die Lesenden wie beide – aus ihrer Sichtweise – mit der komplexen Situation umgehen.

Der Autor versucht damit zwar kontrovers diskutierte Fragestellungen zu adressieren wie die rechtliche Situation von Spenderkindern, den Inzestparagrafen und die Frage nach der Abtreibung behinderter Kinder. Allerdings ist erkennbar, dass das Themenspektrum zu umfangreich ist, da es dem Autor nicht vollumfänglich gelingt die Vielfältigkeit der seelischen Vorgänge, die Menschen in diesen Ausnahmesituationen erleben, abzubilden. Nicole meint „nette Bettlektüre“, Ella meint „eher unseriös“.

Autorinnen: Ella und Nicole

Stellungnahme des Deutschen Ethikrates „Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung“ vom 22. März 2016

Am 22. März 2016 hat der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme „Embryonenspende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung“ veröffentlicht. Darin geht es um die Frage, inwieweit die Vermittlung von bei In-vitro-Fertilisationen übrig gebliebenen Embryonen, ethisch vertretbar und rechtlich zulässig ist. Der Deutsche Ethikrat orientiert sich dabei an der Definition eines Embryos im Rechtssinn und am Embryonenschutzgesetz. Rechtlich gesehen liegt ein Embryo ab dem Zeitpunkt vor, an dem Ei- und Samenzelle miteinander verschmolzen sind. Imprägnierte Eizellen, bei denen die Kernverschmelzung noch nicht stattgefunden hat, sind keine Embryonen im Rechtssinn. Das Embryonenschutzgesetz untersagt es, Embryonen zu erzeugen mit dem Ziel, sie einer anderen Frau als der Frau von der die Eizelle stammt, einzupflanzen um den Zustand einer gespaltenen Mutterschaft für das Kind zu vermeiden. Der Deutsche Ethikrat ist der Auffassung, dass die Adoption überzähliger Embryonen mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar sei, Embryonen jedoch nicht gezielt zur Weitergabe erzeugt werden dürfen. Die Weiterkultivierung imprägnierter Eizellen mit dem Ziel, sie einer anderen Frau als der genetischen Mutter einzupflanzen verstoße gegen das Embryonenschutzgesetz.

Der Deutsche Ethikrat hält die rechtliche Regelung der Embryonenadoption für notwendig und formuliert dafür die folgenden Empfehlungen, die Frau Prof. Woopen für die Pressekonferenz anlässlich der veröffentlichten Stellungnahme zusammengefasst hat:

  1. Der Gesetzgeber sollte die Rahmenbedingungen der Embryospende/-adoption regeln.
  2. Es sollen gemäß geltendem Embryonenschutzgesetz keine Embryonen in der Absicht erzeugt werden, um sie zu spenden. Nur überzählige Embryonen dürfen als Notlösung gespendet/adoptiert werden. 14 Mitglieder des Ethikrates befürworten eine strikte Auslegung der Dreierregel, 12 Mitglieder eine erweiterte.1
  3. Die Abgabe und Übernahme der Elternrechte und -pflichten sollte klar und dauerhaft geregelt werden: Nach Abgabe sollte das Spenderpaar keine Elternrechte mehr haben und das Empfängerpaar die elterliche Verantwortung auf Dauer übertragen bekommen. Weder Eltern noch Kind sollten ein Anfechtungsrecht haben.
  4. Damit das Kind sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausüben kann, soll eine zentrale Dokumentationsstelle eingerichtet werden, an die sich das Kind mit Vollendung des 16. Lebensjahres wenden kann.
  5. Die fortpflanzungsmedizinischen Zentren sollen verpflichtet werden, die Identität der Spender- und Empfängereltern an die Dokumentationsstelle zu übermitteln. Die Aufbewahrungsdauer soll 110 Jahre betragen.
  6. Die einzurichtende Stelle soll ebenfalls die Zuordnung von Spender- und Empfängereltern nach ausgewiesenen Kriterien vornehmen und dokumentieren. Die Kriterien sind am Kindeswohl auszurichten und können beispielsweise die phänotypische Passung berücksichtigen. Wünsche der Spendereltern sollen wie in der Adoptionspraxis zur Geltung kommen können.
  7. Je nach Wunsch der Spender- und Empfängereltern sollen zwei unterschiedliche Verfahren möglich sein: Entweder bleiben die Elternpaare einander anonym, oder sie lernen sich in einem offenen Verfahren persönlich kennen.
  8. Es sollte eine umfassende Aufklärung und Beratung von Spender- und Empfängereltern stattfinden, die medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte umfasst. Dabei soll das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausdrücklich berücksichtigt werden.
  9. Fortpflanzungsmedizinische Zentren sollten verpflichtend mit einer psychosozialen Beratungsstelle zusammenarbeiten.
  10. In der Regel sollten zwei Elternteile die rechtliche Verantwortung übernehmen.

Wir begrüßen es sehr, dass sich der Deutsche Ethikrat mit der Embryonenadoption beschäftigt hat und bedanken uns herzlich für die Anhörung unserer Perspektive als Vertretung von durch Keimzellspende entstandenen Menschen. Die Forderungen 1; 2; 5 bis 7 und 10 unterstützen wir aus Kinderperspektive uneingeschränkt.

Forderung 3, die dauerhafte Abgabe und Übernahme der Elternrechte und –pflichten, erscheint uns ebenfalls wichtig zur Sicherstellung der Versorgung des Kindes. Bislang kann jeder Mensch die Zuordnung zu seinen rechtlichen Eltern anfechten, wenn dies nicht seine genetischen Eltern sind. Davon ausgenommen sind Adoptionen. Aufgrund der erheblichen rechtlichen Tragweite einer Adoptionsentscheidung, geht Adoptionen sowohl eine Adoptionspflegezeit als auch eine Kindeswohlüberprüfung voraus, die erst nach Geburt des Kindes endgültig sein darf. Wenn analog zu herkömmlichen Adoptionen auch bei Embryonenadoptionen ausgeschlossen werden soll, dass das Kind die Zuordnung zu seinen rechtlichen Eltern anfechten kann, halten wir es für angemessen, den übrigen Voraussetzungen zur Adoption ebenfalls zu folgen. Aus Elternsicht ist es verständlich, dass eine garantierte Elternstellung gewünscht wird. Zur Sicherstellung der Versorgung des Kindes wäre es jedoch ausreichend, die Eltern würden sich selbst verpflichten, für das Kind zu sorgen, ohne umgekehrt vom Kind den Verzicht auf sein Anfechtungsrecht zu fordern. Eine zwischenmenschliche Beziehung kann auch mit Ausschluss des Anfechtungsrechts des Kindes nicht garantiert werden.

Forderung 4, die Einrichtung einer zentralen Dokumentationsstelle, an die sich das Kind wenden kann, um sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung auszuüben, unterstützen wir ebenfalls. Nachdem der Bundesgerichtshof am 28. Januar 2015 entschieden hat, dass es keine Altersgrenze für den Auskunftsanspruch von Spenderkindern gibt, halten wir die Einführung einer Altersgrenze für Menschen aus Embryonenadoption für unangemessen. Embryonenadoptions-Kinder sollten wie natürlich gezeugte Menschen und Spenderkinder von Anfang an erfahren können, wer ihre genetischen Eltern sind.

Neben der Erfassung in einer zentralen Dokumentationsstelle halten wir es außerdem für notwendig, dass die genetischen Eltern – wie bei herkömmlichen Adoptionen – im Geburtenregister eingetragen werden. Ein Geburtenregisterausdruck ist ein Dokument, das häufig noch bei Eheschließungen vorgelegt werden muss, um (unwissentlichen) Inzest zu verhindern. Der Geburtenregistereintrag ist bei der Embryonenadoption fast noch wichtiger als bei Samenspendern, weil hier die Aufklärungsbereitschaft Studien zufolge noch geringer ist.

Forderung 8, eine umfassende Aufklärung und Beratung von Spender- und Empfängereltern, die medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte umfasst, begrüßen wir sehr. Aus der Formulierung geht nicht eindeutig hervor, ob diese umfassende Aufklärung lediglich wünschenswert wäre oder verpflichtend stattfinden soll. Wir halten eine verpflichtende Aufklärung der abgebenden und annehmenden Eltern zu allen drei Aspekten für unbedingt notwendig, da unsere Erfahrung gezeigt hat, dass viele Eltern vorab unzureichend informiert sind.

Forderung 9, der Verpflichtung fortpflanzungsmedizinischer Zentren zur Zusammenarbeit mit einer psychosozialen Beratungsstelle, stehen wir skeptisch gegenüber. Eine verpflichtende psychosoziale Aufklärung der Elternpaare wäre auch ohne eine direkte Beratungskooperation möglich. Bei einer Kooperationsverpflichtung sehen wir die Gefahr einer Verquickung ökonomischer und ideeller Interessen, die einer inhaltlich unabhängigen und ergebnisoffenen psychosozialen Aufklärung und Beratung im Wege stehen könnte.

  1. Die „Dreierregel“ besagt, dass pro Zyklus höchstens drei Eizellen befruchtet werden dürfen – so viele wie der Frau maximal auch Embryonen eingepflanzt werden dürfen. Seit etwa 1998 hat sich in der Reproduktionspraxis eine deutlich liberalere Auslegung des Embryonenschutzgesetzes verbreitet, die es erlaubt, eine Misserfolgsquote einzukalkulieren und so viele Embryonen pro Zyklus herzustellen, wie nach ärztlicher Prognose bei dem betroffenen Paar erforderlich sind, um schließlich zwei oder drei entwicklungsfähige Embryonen zur Übertragung zu haben. (vgl. U. Riedel, Präimplantationsdiagnostik. Man wird mehr und noch mehr Embryonen brauchen, in: FAZ.NET vom 01.07.2011, abgerufen am 14.11.2015 unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/praeimplantationsdiagnostik-man-wird-mehr-und-noch-mehr-embryonen-brauchen-16648.html.) Ob diese Auslegung – der sogenannte deutsche Mittelweg (vgl. M. Frommel, Deutscher Mittelweg in der Anwendung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) mit einer an den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand orientierten Auslegung der für die Reproduktionsmedizin zentralen Vorschrift des § 1, Abs. 1, Nr.5 ESchG, in: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 4 (2007) 27-33.) – mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar ist, wird derzeit von verschiedenen Staatsanwaltschaften geprüft. Diese liberalere Gesetzesauslegung begünstigt das Entstehen überzähliger Embryonen. Nicht von der Dreierregel betroffen sind außerdem die Vorkerne, die in weitaus größerer Anzahl erzeugt werden dürfen. []

Diskussion des Antrags der Grünen zur rechtlichen Regelung von Samenspende im Bundestag am 02. Juni 2016

Am 02. Juni 2016 wurde der Gesetzesantrag der Grünen zur rechtlichen Regelung von Samenspenden in Deutschland diskutiert. Es fand keine Abstimmung statt, der Antrag wurde den Ausschüssen überwiesen.

Der Antrag der Grünen stellt einen Versuch dar, Rechtssicherheit für Spenderkinder, Eltern und Samenspender zu schaffen. Für die Spenderkinder steht dabei die Umsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis ihrer Abstammung im Vordergrund, das bislang nur wenige Spenderkinder realisieren konnten. Auf Elternseite dominiert der Wunsch nach Sicherung der gewünschten Elternstellung gegenüber dem Kind. Auf Spenderseite steht vor allem der Wunsch, rechtsgültig theoretisch mögliche finanzielle Ansprüche des Kindes auszuschließen.

In der Debatte wurde von allen Beteiligten die Notwendigkeit bestätigt, eine rechtliche Regelung der Samenspende in Deutschland zu finden. Von Seiten der Linken wurde an die Vereinbarung im Koalitionsvertrag erinnert, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung bei Samenspenden in der aktuellen Legislaturperiode gesetzlich zu regeln. Die Koalition verwies auf den u.a. zu diesem Zweck eingerichteten Arbeitskreis Abstammung, der sich darüberhinaus aber auch mit notwendigen Regelungen bei Eizellspende oder Leihmutterschaft befasse. Eine Entscheidung dieses Arbeitskreises werde zwar erst im Sommer 2017 erwartet, dennoch wurde von übereilten Entscheidungen abgeraten, da die von den Grünen angedachten Regelungen zum Teil weitreichende Auswirkungen auf das geltende Abstammungsrecht nach sich ziehen würde, die im Antrag der Grünen in dieser Reichweite nicht berücksichtigt sind. Sonja Steffen (SPD) verwies außerdem auf ein geplantes Forum, in dem der Arbeitskreis Abstammung auch die beteiligten Eltern und Kinder anhören wolle.

Der Verein Spenderkinder unterstützt die Forderungen a) eines einfachgesetzlichen Anspruchs auf Kenntnis der Abstammung zu schaffen, b) die Einrichtung eines Registers, bei dem Spenderkinder die Identität des Samenspenders und möglicher Halbgeschwister erfahren können, c) einen Anspruch zu schaffen, mit dem ein Spenderkind feststellen lassen kann, ob der (von der Samenbank genannte) Samenspender tatsächlich der biologische Vater ist sowie d) eine Begrenzung der Zahl der Familien, die mit Hilfe eines Samenspenders gegründet werden dürfen.

Wir wünschen uns zusätzlich die namentliche Eintragung des biologischen Vaters im Geburtenregister. Die von den Grünen geforderte Einrichtung eines Instituts zur vorgeburtlichen Elternschaftsvereinbarung lehnen wir ab. Die damit verbundene Abschaffung der Anfechtungsmöglichkeit der Vaterschaft durch das Kind ist ebenfalls nicht im Interesse des Kindes und stößt aus unserer Sicht zudem auf verfassungsrechtliche Bedenken. Bereits im Februar hat der Verein Spenderkinder eine Stellungnahme zum Antrag der Grünen verfasst, in der ausführlich auf die einzelnen Punkte eingegangen und die Bedenken näher erläutert werden.

Aufhebung der Spenderanonymität durch zunehmende Verbreitung von DNA-Untersuchungen?

In einem kürzlich erschienenen Artikel in der Fachzeitschrift Human Reproduction wird darauf hingewiesen, dass angesichts der zunehmenden Verfügbarkeit von DNA-Tests Spenderinnen und Spendern von Keimzellen keine Anonymität mehr zugesichert werden könne. Auch in Ländern, in denen anonyme Keimzellspenden rechtlich erlaubt seien, ließe sich die Anonymität der Spender und Spenderinnen nicht garantieren. Über drei Millionen Menschen hätten sich bereits bei diversen DNA-Datenbanken registriert. Biologische Elternteile könnten aufgespürt werden, wenn sie selbst oder Verwandte von ihnen sich dort registrieren. Umgekehrt könnten über die freiwillige Registrierung bei einer DNA-Datenbank auch unwissende Spenderkinder herausfinden, dass sie andere biologische Eltern haben, als bisher angenommen. Eltern, die sich für eine Familiengründung mit Hilfe einer Keimzellspende entscheiden, sollten deshalb darüber aufgeklärt werden, dass anhand der DNA ihrer Kinder zu sehen ist, dass sie nicht deren biologische Eltern sind. Zudem sollten die Eltern ermutigt werden, ihre Kinder über die Keimzellspende aufzuklären.

Wir Spenderkinder freuen uns über diese Entwicklung, die hoffentlich die Aufklärungsbereitschaft unter den Eltern erhöht. Es ist psychologisch hinreichend bekannt, dass Eltern ihre Kinder darüber aufklären sollten, wenn diese mit Hilfe einer Keimzellspende entstanden sind. Dennoch finden immernoch viele Eltern Gründe, ihre Kinder nicht über deren wirkliche Entstehungsweise zu informieren. Auch wenn wir uns wünschten, alle Eltern würden verstehen, wie wichtig ein aufrichtiger, ehrlicher Umgang innerhalb der Familie ist, hoffen wir, dass die hohe Wahrscheinlichkeit einer unfreiwilligen Enthüllung durch eine DNA-Untersuchung viele bisher abgeneigte Eltern zu einem offenen Umgang mit ihren Kindern motiviert.

Auch wenn sich die Wahrscheinlichkeit von der Entstehung durch eine Keimzellspende zu erfahren, durch die zunehmende Verbreitung von DNA-Untersuchungen erhöht, stellt das Auffinden des unbekannten genetischen Elternteils oder von Halbgeschwistern in der Regel noch eine große Schwierigkeit dar, da die Mehrzahl der KeimzellspenderInnen oder deren Verwandte nicht zufällig in einem DNA-Register erfasst sind. Dennoch freuen wir uns über einzelne Ausnahmen, in denen Spenderkinder bereits Halbgeschwister identifizieren konnten und sogar über Spender, die sich – zum Teil ohne unser Wissen – bei der von uns verwendeten Datenbank registrierten.

Dokumentarfilm „Future Baby“ in österreichischen Kinos mit anschließenden Diskussionsrunden

Am 15. April 2016 ist der Dokumentarfilm „Future Baby“ der Regisseurin Maria Arlamovsky in den österreichischen Kinos angelaufen. Es geht um verschiedene Verfahren der Reproduktionsmedizin, u.a. Samenspende, Eizellspende und Leihmutterschaft, aber auch um Präimplantationsdiagnostik und Social Freezing. Frau Arlamovsky geht der Frage nach, wie weit Menschen schon jetzt und möglicherweise in Zukunft für die Erfüllung ihres Kinderwunsches gehen (wollen). Ohne eine explizite Antwort zu geben, werden in der aufwendigen, internationalen Dokumentation die verschiedenen Perspektiven von unfruchtbaren Paaren, ReproduktionsmedizinerInnen, Eizellspenderinnen, Leihmüttern, einem Spenderkind und seiner Mutter gezeigt. Flankierend kommen außerdem EthikerInnen, LabormitarbeiterInnen und ein Biotechnologe zu Wort.

Im Anschluss an einige Filmvorführungen fanden in Österreich Podiumsdiskussionen mit verschiedenen ExpertInnen zum Thema statt. Der Verein Spenderkinder war zu zwei Diskussionsrunden in Wien eingeladen und durch ein Vorstandsmitglied vertreten. Beide Vorführungen waren gut besucht und das Publikum rege an den Diskussionen beteiligt. Rasch wurde deutlich, dass der Film nur die Spitze des Eisbergs in Worte und Bilder fassen kann. Die psychologische Dynamik der Thematik wurde beispielsweise komplett ausgespart, während sie sicherlich genug Stoff für einen weiteren Dokumentarfilm böte, wie die Diskussionen schnell erkennen ließen.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Dokumentarfilm auch in Deutschland gezeigt würde, um für die sehr vielschichtige Thematik zu sensibilisieren.

Radiobeitrag bei NDR Info am 21. März 2016

Unter dem Titel „Samenspender-Kinder: Die Suche nach dem Vater“ berichtete NDR Info am 21. März 2016 über die Schwierigkeiten von Spenderkindern, trotz bestehenden Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung, zu erfahren, wer ihre biologischen Väter sind. Spenderkinder-Mitglied Mia gewährt dabei Einblick in ihre persönliche Suche.

Etwas unglücklich ist der Titel: Bei einer Familiengründung durch Samenspende wird die Vaterschaft auf zwei Väter aufgespalten, das entstehende Kind hat einen sozialen und einen biologischen Vater. Wir Spenderkinder möchten nicht den einen mit dem anderen ersetzen, sondern beide nebeneinander kennen, weil beide zu uns dazugehören.

Leseempfehlung: „Spenderkinder – Was Kinder fragen werden, Was Eltern wissen sollten“ von Wolfgang Oelsner und Gerd Lehmkuhl

„Die Transparenz von verzweigten, oft versteckten Dynamiken schärft ein Problembewusstsein für die Betroffenen.“

Am 29. Februar 2016 ist das Buch „Spenderkinder – Was Kinder fragen werden, Was Eltern wissen sollten“ erschienen (Verlag Fischer & Gann, 243 Seiten, ISBN 978-3-903072-16-9). Die beiden Autoren Wolfgang Oelsner, Pädagoge und Kinder- und Jugendlichenanalytiker, und Gerd Lehmkuhl, Arzt und Psychologe, bringen vor allem familiensystemisches Erfahrungswissen aus ihrer langjährigen Berufspraxis ein. Im Gegensatz zu den bisher erschienenen Büchern zu dieser Thematik beleuchten die Autoren die Familiengründung durch Samenspende aus einer kindzentrierten Perspektive.

Für das Buch wurden zehn Spenderkinder-Mitglieder im Alter zwischen 25 und 48 Jahren interviewt und werden als Fallvignetten vorgestellt, ergänzt durch vergleichende Fallbeispiele von Kindern, die durch Adoption oder eine Patchworkfamilie ein familiäres Umfeld erleb(t)en, in dem soziale und genetische Elternschaft ebenfalls auseinanderfielen. Die Autoren arbeiten Parallelen heraus und weisen auf wiederkehrende Fragen und Bedürfnisse der entstandenen Menschen hin. Sie treten deutlich für einen offenen und wahrheitsgetreuen Umgang und für die Offenlegung versteckter Dynamiken ein, wozu das Buch einen großen Beitrag leistet. Dabei enthalten sich die Autoren jedoch eines grundsätzlichen Werturteils über die Verantwortbarkeit einer Familiengründung durch Samenspende. Stattdessen identifizieren sie sogenannte „Kannbruchstellen“ (= Schwierigkeiten bei dieser Form der Familiengründung, die sich aufgrund der Familienkonstellation ergeben können), die Eltern, oder Menschen, die darüber nachdenken, ob eine Familiengründung durch Samenspende für sie infrage kommt, kennen sollten.

Die interviewten Spenderkinder erfuhren zum Teil bereits im Alter von 9 bis 10 Jahren, zum Teil erst später von ihrer Entstehungsweise. Einige können mit ihren Eltern darüber sprechen, andere vermeiden es, weil sie den Eindruck haben, dass es ihre Eltern belasten würde. Nur eine Interviewpartnerin spricht sich ausdrücklich gegen Samenspende aus. Allen mittlerweile erwachsenen Spenderkindern ist gemeinsam, dass sie ein Verbot von anonymen Samenspenden, eine möglichst frühe Aufklärung der Kinder sowie eine qualifizierte psychosoziale Vorbereitung aller Beteiligten für notwendig halten.

Wissens- und Nachdenkeswertes zum Verständnis der Perspektive der Kinder
Die Autoren umrahmen und ergänzen die Falldarstellungen mit Gedanken zur Auswirkung suggerierter Machbarkeit in der Reproduktionsmedizin und mit einem groben Überblick über die Verfahren der künstlichen Befruchtung sowie den Möglichkeiten durch eine Pflegschaft oder Adoption für ein Kind zu sorgen. Dabei werfen die Autoren die Frage auf, wer im ersehnten Beziehungsverhältnis für wen da sein wolle, da der Wunsch für ein Kind zu sorgen sich nicht ohne weiteres auf unbegleitete Flüchtlingskinder oder Pflegekinder erstrecke, für die es in Deutschland noch immer zu wenige Pflegeeltern gebe.

Nachdenklich stimmen die Autoren auch die unterschiedliche Gewichtung des Einflusses von Genetik und Umwelt in der Reproduktionsmedizin nach dem „Pippi-Langstrumpf-Prinzip“; während einerseits die gute genetische Ausstattung der Spender als vertrauenswürdige Erbmasse hervorgehoben werde, werde nach der Geburt der Einfluss der Umwelt betont. Eine extrem asynchrone Gewichtung identifizieren Oelsner und Lehmkuhl zwischen den Ergebnissen der pränatalen Bindungsforschung, die, ernstgenommen, Gedanken an eine in Deutschland verbotene Leihmutterschaft im Keim ersticken würden.

Um ein besseres Verständnis der Kinder zu ermöglichen, stellen die Autoren wichtige Aspekte der Entwicklungspsychologie sowie Studienergebnisse zu Untersuchungen mit Spenderkindern vor. Rechtliche und ethische Aspekte runden die Darstellung ab. Kritisch sehen Oelsner und Lehmkuhl die häufig bemühte Ableitung, dass Kinder, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin entstehen, Wunschkinder und deshalb automatisch frei von Schwierigkeiten in späteren Entwicklungsphasen seien. Stattdessen geben sie zu bedenken, dass diese Kinder ganz besonders herbeigesehnt würden und ihr Aufwachsen deshalb unter ganz besonderem Druck stehe.

Was Kinder fragen werden
Abschließend fassen sie ihre Beobachtungen thematisch sortiert zusammen: Die Kinder werden fragen, wo sie herkommen und wo sie hingehören. Alle interviewten Spenderkinder wünschten zu erfahren, wer ihr biologischer Vater als Mensch ist. Diese beiden zentralen Fragen sind nur zum Teil mit Fakten zu beantworten, sondern erfordern auch eine Einordnung des Kindes von sich selbst, die nicht von außen vorgegeben werden kann. Oelsner und Lehmkuhl haben als wichtigen Schritt von Spenderkindern beobachtet, dass diese sich im Erwachsenenalter zunehmend als Subjekte wahrnähmen, die sich sträubten, ohnmächtiges Objekt anderer zu sein. Das zeige sich auch in eigenen, von denen der Eltern abweichenden Ansichten und Einordnungen.

Was Eltern wissen sollten
Eltern sollten wissen, dass es sinnvoll ist, von Anfang an offen mit dem Thema umzugehen und sie das Fremde nicht versuchen sollten zu ignorieren oder zu verleugnen, sondern zu integrieren. Die spätaufgeklärten Spenderkinder berichteten, dass das Vorspielen falscher Tatsachen sie an ihren eigenen Wahrnehmungen zweifeln ließ, weil Wort und Wahrnehmung nicht zusammenpassten.

Der biologische Vater des Kindes, der mit seinen genetischen Anlagen im Kind präsent ist, könne bei den Eltern zu Verunsicherung hinsichtlich ihrer Elternrolle führen. Sie sind nicht die alleinigen Erzeuger des Kindes, sondern eine weitere, meist unbekannte, Person ist beteiligt. Das habe Auswirkungen auf die psychologische Dynamik in der Familie. Die Eltern erlebten häufig „Schuldgefühle, Angst vor Stigmatisierung und Sorge, dass der soziale Vater zurückgewiesen werden würde, wenn die Wahrheit herauskäme“ (S.74). Diese Dynamiken, die auch in Familien auftreten könnten, die einen offenen Umgang mit der Samenspende wählen, raten die Autoren – mit Verweis auf die Verantwortung für den Lebensweg der Kinder – unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung an Ort und Stelle zu bearbeiten.

Als weitere Dynamik, die sich bei einigen der interviewten Spenderkinder (Stefanie, Frank, Jule, Klara, Sunny, Johanna) zeigte, arbeiteten Oelsner und Lehmkuhl eine Rollenumkehr in der Eltern-Kind-Beziehung heraus, die sich darin ausdrücke, dass die Kinder Verantwortung für die Gefühle ihrer Eltern übernähmen und ihre Eltern schonten, indem sie ihnen beispielsweise nicht von ihrem Interesse an ihrem biologischen Vater erzählten um insbesondere den sozialen Vater nicht zu verletzen. Wie stark sich diese Rollenumkehr mit den elterlichen Bitten „verstehe und entlaste mich“ – wenn sie nicht reflektiert wird – auch bei Singlemüttern bemerkbar machen kann, wird anhand eines entsprechenden Beispiels veranschaulicht.

Kannbruchstellen
Die beiden Autoren identifizieren sogenannte „Kannbruchstellen“: Spenderkinder stehen zu ihrem biologischen Vater, dem Samenspender, in einer Art von Beziehung. Das erschwere es ihnen, die oftmals eher distanzierte Haltung ihrer Eltern ihm gegenüber einzunehmen, was häufig auch nicht ihren eigenen Bedürfnissen entspräche. Begebe sich das Kind auf genealogische Spurensuche, berge das ein hohes Kränkungspotenzial, das thematisiert werden solle, um die Beziehung zu den Eltern darunter nicht leiden zu lassen. Oelsner und Lehmkuhl formulieren es in der Sprache der Märchen, auf die sie auch an anderen Stellen zur Veranschaulichung zurückgreifen: „Erst wenn der soziale Vater innerlich „Ja“ zu dem Dritten mit seinem Gefolge sagen kann, wird der „Gast“ wirklich willkommen sein“ (S.218).

Nahezu alle Befragten Spenderkinder erlebten ihre sozialen Väter als stumm – ein Bild, das sich übrigens in aktuellen Kinderwunschforen wiederfindet, in denen fast ausschließlich Frauen schreiben. Eine abweichende genetische Abstammung müsse einer guten Beziehung keineswegs im Wege stehen, könne jedoch unreflektiert rasch als stets verfügbare innere Ausrede genutzt werden um anstrengenden zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen aus dem Wege zugehen. Die Autoren warnen davor, bei Fremdheitsgefühlen vorschnell auf die fremden Gene zu verweisen. Fremdheitsgefühle und Verunsicherung der Kinder könnten außerdem die Familie belasten, wenn unaufgeklärte Kinder sich nicht trauten, ihre Zweifel zu äußern, weil sie spürten, dass sie ihre Eltern damit in unerwünschte Situationen brächten.

Nagelprobe für die Eltern
Wer sich ausgehend von den auf dem Cover genannten Begriffen „Künstliche Befruchtung, Samenspende, Leihmutterschaft und die Folgen“ technische Details und Informationen zum Ablauf erhofft, wird sicherlich enttäuscht sein. Zwar werden einführend auch hierzu Informationen zusammengestellt, diese sind jedoch eindeutig nicht Schwerpunkt des Buches und – vielleicht auch deshalb – eher ungenau. Schwerpunkt sind die psychologischen Zusammenhänge und Auswirkungen. Diese werden sehr nachvollziehbar und gründlich aufgedeckt.

Von Eltern, die sich bewusst für eine Familiengründung durch Samenspende entschieden haben, ist eine gehörige Portion an Kritikfähigkeit gefragt, sich auf die Wahrnehmung der möglichen Schwierigkeiten einzulassen, die auch mit einer frühen Aufklärung nicht aufgelöst werden können. Das Buch beschäftigt sich ausdrücklich nicht mit der Perspektive der Eltern und verfolgt auch nicht die Absicht, Eltern Mut oder Trost zu spenden oder gar eine Absolution für ihre Entscheidung für eine Familiengründung durch Samenspende zu erteilen. Diese Verantwortung bleibt bei den Eltern und ist – nach offenlegen der Schwierigkeiten – vielleicht schwieriger als zuvor zu tragen. Ein sehr lesenswertes Buch für Eltern, die sich nicht nur Gedanken darüber machen wollen, was Spenderkindern wichtig sein könnte, sondern bereit sind, den Kindern selbst zuzuhören.