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Irland schafft anonyme Samenspenden ab

Mit Irland schafft ein weiteres europäisches Land anonyme Samenspenden ab. Ein neues Gesetz mit dem Namen Children and Family Relationships Bill verpflichtet alle Ärzte und Kliniken, ab nächstem Jahr die Identität von Samenspendern an ein nationales Register zu melden. Damit verfolgt Irland in etwa das selbe Modell wir Großbritannien. Wir freuen uns, dass ein weiteres Land die Rechte von Spenderkindern erst nimmt, und hoffen dass noch viele andere folgen werden.

Spenderkinder ist Gründungsmitglied von Donor Offspring Europe (DOE)!

Seit heute ist die Internetseite von Donor Offspring Europe (DOE) online! DOE ist eine Dachorganisation von Spenderkinder-Organisationen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spenderkindern aus Dänemark, UK und der Schweiz.

Die Abkürzung DOE beruht auf dem Gedanken, dass im englischsprachigen Raum ein „John“ oder eine „Jane Doe“ eine Person ungeklärter Herkunft ist. DOE ist vor allem als Plattform gedacht, um Informationen zu teilen, aber auch, um für unsere Ziele wie die Kenntnis unserer Abstammung auf europäischer Ebene einzutreten. Nicht zuletzt hoffen wir, dass wir dazu beitragen können, dass auch in anderen Ländern Spenderkinder-Organisationen entstehen werden.

Auf der Webseite informieren die einzelnen Verbände über die Situation in ihren Ländern aus der Sicht von Spenderkindern, aber es wird in den nächsten Monaten zusätzliche Informationen zu aktuellen Ereignnissen in unseren Ländern sowie europäischem Recht geben.

Kenia bekommt Spenderregister

Bei künstlicher Befruchtung denkt man vielleicht nicht gleich an Kenia – dennoch wird es auch dort gemacht und das kenianische Parlament berät momentan einen Gesetzesentwurf zur Regelung von künstlicher Befruchtung. Die In Vitro Fertilisation Bill 2014 soll vor allem Menschen schützen, die durch künstliche Befruchtung entstehen, die gleiche Rechte besitzen sollen wir Kinder, die durch Geschlechtsverkehr gezeugt werden. Es soll die damit gezeugten Kinder insbesondere vor einer inzestuösen Beziehung schützen.

Das Gesetz sieht die Schaffung einer Behörde vor, die ein Register mit aus solchen Behandlungen resultierenden Geburten und den dazu gehörigen biologischen Vätern führen wird. Mit dem Alter von 18 Jahren kann jeder Auskunft von dieser Behörde verlangen, ob Informationen in dem Register über den Antragsteller vorhanden sind. Der Antragsteller muss vor Auskunftserteilung über die möglichen Konsequenzen der Informationen beraten werden. Minderjährige können nur bei medizinischer Notwendigkeit Auskunft erhalten.

Das Gesetz trifft allerdings keine Aussagen darüber, wie oft ein Samenspender spenden kann und wie viele Kinder er zeugen darf.

Wir freuen uns, dass sich ein weiteres Land entschieden hat, den Bereich der künstlichen Befruchtung rechtlich zu regeln und sich gegen anonyme Spenden auszusprechen. Es ist lange überfällig, dass sich auch der deutsche Gesetzgeber diesen Sachverhalten widmet und die ungeklärten Fragen nicht weiterhin nur Ärzten und Gerichten überlässt.

 

Keine Spendernot in Großbritannien

Am 27. Juli konnte man auf der Online-Seite der BBC folgende Meldung finden: UK facing ‚major‘ sperm shortage – in etwa: Großbritannien wird der Spendersamen knapp. Hintergrund für diese Befürchtung sind Äußerungen der British Fertility Association, weil nach Zahlen der Regulierungsbehörde HFEA eine von vier Samenspenden jetzt schon aus dem Ausland kommt (auch dann sind übrigens nur nicht-anonyme Spenden erlaubt).

Der Artikel führt dann aus, dass man vermutet, dass es weniger Samenspender gibt, seitdem 2005 anonyme Samenspenden verboten wurden. Es gäbe nun zu wenige Spender, obwohl die Nachfrage nach Samenspendern  dank Fortschritten in der Reproduktionsmedizin, die mehr Männern genetisch eigene Kinder ermöglichen, gesunken sei.

Beides ist aber falsch. Die Anzahl der Samenspender ist seit 2005 nach den Zahlen der Regulierungsbehörde HFEA sogar gestiegen. Auf der anderen Seite ist aber auch die Nachfrage gestiegen, weil – anders als in den Anfangszeiten der Samenspende – auch lesbische Paare und alleinstehende Frauen Samenspenden in Anspruch nehmen können. Zu wenige Spender sollte es in Großbritannien aber trotzdem nicht geben: die Zahlen der HFEA zeigen außerdem, dass die bestehenden Spenden nicht ausreichend verwendet werden. Obwohl ein Spender Kinder für bis zu 10 Familien zeugen darf,  werden sie durchschnittlich nur für 1,5 Familien verwendet. Anscheinend haben manche Kliniken Probleme nachzuvollziehen, für wie viele Familien ihre Spender verwendet wurden.

Ein weiterer Grund für den Import von ausländischem Sperma mag finanzieller Natur sein. Zumindest bei Eizellspenden haben viele Reproduktionskliniken wohl lukrative Absprachen mit Zentren in Spanien und Tschechien, wo es nur anonyme Spenden gibt. Den Eltern wird dann mitgeteilt, dass die Warteliste in Großbritannien unglaublich lang sei (tatsächlich beträgt die Wartezeit wohl weniger als ein Jahr) und empfehlen dann eine Partnerklinik, von deren Behandlungshonoraren sie dann einen Anteil für die Empfehlung erhalten.

Leider zeigt dieser Artikel wieder einmal, wie unkritisch viele Medien die Äußerungen von Reproduktionsmedizinern übernehmen – vielleicht auch weil es einfach viel zu gut in die vorgefertigte Meinung passt, dass Samenspender anonym bleiben wollen.

Erfahrungen unserer frühaufgeklärten Mitglieder

Von Spenderkinder-Eltern hören wir regelmäßig die Befürchtung, dass Spenderkinder bei einer Aufklärung über ihre Entstehungsweise im Kleinkindalter zu vielen anderen Personen davon erzählen könnten und dann auf Ablehnung stoßen werden. Einige Eltern verschieben die Aufklärung daher auf einen Zeitpunkt, zu dem das Kind älter ist und ihrer Meinung nach eher versteht, dass es nicht mit jedem darüber reden soll.

Das Problem ist allerdings, dass die Aufklärung nicht einfacher wird, wenn man sie aufschiebt. Es ist außerdem – auch aus der Adoptionsforschung – bekannt, dass eine frühe Aufklärung (d.h. im Kindergartenalter) für eine kontinuierliche Identitätsentwicklung des Kindes besser ist. Nach einer wissenschaftlichen Studie sinkt die Chance, dass die Aufklärung stattfindet, je älter die Kinder werden.

Daher haben wir eine Umfrage unter unseren frühaufgeklärten Mitgliedern (Aufklärung bis 14 Jahre) gemacht, wie sie die Aufklärung wahrgenommen haben – wann sie davon erfahren haben, ob sie mit Personen außerhalb der Familie über die Samenspende gesprochen haben und ob sie das Bedürfnis hierzu hatten. Auf die offen gestellte Fragen haben alle zehn frühaufgeklärte Mitglieder geantwortet, alle weiblich (unsere männlichen Mitglieder sind alle spätaufgeklärt).

Die Ergebnisse sind sehr interessant: Fast alle Frühaufgeklärten haben nur mit wenigen anderen Personen über ihre Zeugungsart gesprochen. Auf negative Reaktionen ist niemand gestoßen, als negative Erfahrung wurde lediglich das Gefühl berichtet, nicht wirklich verstanden zu werden. Jedoch berichtet die Hälfte der Frühaufgeklärten, dass sie von ihren Eltern ein (implizites) Schweigegebot auferlegt bekommen haben bzw. dass mit dem Thema trotz der frühen Aufklärung nicht offen in der Familie umgegangen wurde. In der Rückbetrachtung wünscht sich mehr als die Hälfte der Frühaufgeklärten von ihren Eltern einen offeneren Umgang der Eltern mit dem Thema Samenspende und Unfruchtbarkeit. Eltern sollten sich daher überlegen, ob sie mit der Idee, dass es nicht jeder wissen muss, wirklich ihr Kind vor negativen Reaktionen schützen möchten, oder ob dahinter nicht doch versteckt der Wunsch steht, sich selbst und insbesondere den sozialen Vater zu schützen.

Alter der Aufklärung und Reaktion

Unter den teilnehmenden Frühaufgeklärten waren drei, die als sehr kleine Kinder aufgeklärt wurden (im Folgende als „sehr Frühaufgeklärte“ bezeichnet): zwei wussten schon immer, dass sie durch eine Samenspende gezeugt wurden, eine hat es im Alter von vier Jahren erfahren. Alle berichten, dass die Samenspende für sie etwas Normales war bzw. dass sie positiv reagiert haben.

„Seit meiner Geburt hat meine Mutter hin und wieder erzählt von meiner Zeugung. Ich kann mich daher nicht an einem präzisen Zeitpunkt erinnern. Es war nichts etwas besonderes für mich“

„Mir war es damals egal, da ich ja einen Vater hatte der da war. Für mich war es einfach Alltag (…)“

„Ich war glücklich darüber, dass alles so war, wie es war.“

Dann kommt eine kleine Alterslücke: die anderen Frühaufgeklärten wurden im Alter von sieben (1), neun (1), zehn (3), elf (1) und dreizehn (1) aufgeklärt. Sie schildern gemischte Gefühle, wobei negative Gefühle in allen Altersbereichen vorkam. Interessanterweise meinten die beiden Frühaufgeklärten, die im Alter von 11 und 13 aufgeklärt wurden, dass sie schon vorher eine Ahnung gehabt hätten.

„Ich hatte mit etwas schockierenderem gerechnet und war fast erleichtert. Der Wortlaut war in etwa: „Ja, und? Mein Papa ist doch trotzdem noch mein Papa, oder?“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Ich fand es spannend, habe gefragt warum sie mir das nicht schon früher gesagt haben. Ich wollte alles dazu wissen, was meine Eltern wussten, habe gleich viele Fragen zum Spender gestellt (…)“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Fassungslosigkeit, Enttäuschung, Wut, eine betäubendes Gefühl von Verletztheit“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Im Vordergrund stand bei mir in diesem Moment die Angst mein sozialer Vater hätte mich deshalb weniger lieb oder weniger lieb gehabt als z.B. meinen Bruder, der sein leibliches Kind war.“ – (aufgeklärt im Alter von neun)

„Laut meiner Mutter war ich wohl kurz sehr traurig darüber, nicht wissen zu können, wer mein genetischer Vater ist.“ – (aufgeklärt im Alter von sieben)

„Ich glaube, dass ich ein wenig schockiert war. (…) Außerdem fand ich es spannend, dass ich auf so besondere Weise entstanden bin. Und da ich ohne Geschwister aufgewachsen bin, mir aber immer welche gewünscht habe, fand ich auch den Gedanken schön, dass ich ja möglicherweise doch Geschwister haben könnte.“ – (aufgeklärt im Alter von dreizehn)

„Es hat mich schon irritiert aber eine Ahnung hatte ich schon vorher.“ – (aufgeklärt im Alter von 11)

Wenig Kommunikation mit Dritten über die Samenspende

Mit einer Ausnahme haben fast alle Frühaufgeklärten als Kinder nur mit wenigen Personen über die Samenspende gesprochen. Etwas mehr als die Hälfte, darunter alle sehr Frühaufgeklärten, berichtet, dass sie hierzu nicht das Bedürfnis verspürten oder sie dieses Bedürfnis erst später entdeckten. Teilweise wird dieses Verhalten rückwirkend jedoch als Verdrängung wahrgenommen.

„Ich habe nicht darüber gesprochen, weil ich es nicht als Problem sah, sondern als etwas ganz normales.“

„Ich habe bis ich erwachsen wurde nur mit meinen Eltern darüber gesprochen. Später habe ich es meinem Mann erzählt.“

„Nach dem Gespräch habe ich ganz lange gar nicht über das Thema nachgedacht. Die Beschäftigung damit kam dann erst in der Pubertät. Da dann zum einen in Form von ganz klassischen Fragen nach der Identität: Wer ist mein biologischer Vater? Wie sieht er aus? Was macht er? Was habe ich mit ihm gemeinsam? In der Zeit hatte ich dann auch das Bedürfnis mit anderen Menschen darüber zu sprechen.“

„Die ersten Jahre habe ich das Thema verdrängt. Erst in den letzten Jahren habe ich es geschafft diese „Vergangenheit“ zu akzeptieren und mich jemanden anzuvertrauen.“

„Das kam erst im erwachsenenalter mit 28/29, als ich mir das Thema mal genauer angeschaut habe. davor war viel Verdrängung im spiel bzw. auch zur Seite schieben nach dem Motto „ich kann ja eh nichts dran ändern“.

„Bei mir war es so, dass ich erst mit knapp 30 Jahren angefangen habe, mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, wer dieser Mann ist.“

Zwei Frühaufgeklärte, die zehn bzw. dreizehn bei der Aufklärung waren, wollten von Anfang an darüber reden, taten dies aber nicht, weil sie von ihren Eltern vermittelt bekommen hätten, dass es sich um ein Geheimnis handele, über das man nicht spreche, und das auch nicht ihnen allein gehört, sondern ihrer Familie, die sie nicht verraten dürften.

„Ich habe anderen davon erzählt, habe mir als Kind aber gut überlegt wem, weil mit klar war, dass ich damit nicht nur etwas über mich, sondern auch über meine Eltern preisgebe, von dem ich weiß, dass meine Eltern das nicht gegenüber allen Menschen möchten.“

Zwei Frühaufgeklärte, eine davon sehr frühaufgeklärt, schildern, dass sie von Anfang an bzw. später davon erzählen wollten, weil sie stolz waren bzw. es cool fanden, so entstanden zu sein.

„Wenn mein Vater mir peinlich war, hab ich immer schnell dazu gesagt, dass er nicht mein leiblicher Vater ist. Auch sonst, habe ich einfach nie ein Geheimnis daraus gemacht.“

Keine negativen Reaktionen, sondern höchstens Unverständnis

Keine der Frühaufgeklärten hat je dezidiert ablehnende oder negative Reaktionen erlebt, wenn sie Dritten von ihrer Zeugung durch Samenspende erzählt haben haben. Viele schildern, dass ihre Zeugungsart auf Überraschung oder Interesse stieß, aber auch, dass viele es nicht sonderlich aufregend fanden.

„Den meisten war es einfach ziemlich egal und kaum einer hat dazu noch Fragen gehabt.“

„Alle haben ähnlich reagiert wie ich, als ich es erfahren habe, fanden es auch mehr oder weniger spannend und konnten mein Interesse, zu wissen, wer der Spender ist, gut verstehen.“

„Ich habe nie eine ablehnende Haltung erlebt, alle waren interessiert und haben Fragen gestellt aber es war in Ordnung für sie.“

„Ablehnend hat niemand reagiert, einige waren überrascht und auch interessiert, einmal bekam ich als Reaktion, dass man mir das gar nicht ansehen oder anmerken würde, das fand ich dann schon verwirrend.“

Als negative Reaktionen empfanden jedoch einige Frühaufgeklärten, dass ihr Gegenüber sprachlos war oder unsensibel reagierte oder sie das Gefühl hatten, dass kein wirkliches Interesse bestand.

„Ich habe es ganz wenigen Personen erzählt, teilweise war es gut aber andererseits nicht immer positiv. Oft wissen die Personen nicht wie sie mit diesen Thema umgehen sollen, weil es eben ein Tabu ist.“

„Ich habe es dann mit ca. 22 meinem damaligen Freund erzählt, was nicht sooo ein tolles Erlebnis war, weil ich glaube, dass er nicht so richtig wusste wie er damit umgehen soll.“

Niemand hat je bereut, es erzählt zu haben, teilweise bestand nur die Sorge, dass die dritte Person es weiter erzählen könnte.

Bei diesen geschilderten negativen Reaktionen kommt es vermutlich darauf an, mit welcher Intention von der Zeugungsart berichtet wurde: wenn man das Gefühl hatte, damit etwas Wichtiges mitzuteilen, kann mangelndes Interesse oder Einfühlungsvermögen verletzend sein, nicht jedoch, wenn von der Zeugungsart beiläufig erzählt wird. Die Frühaufgeklärten, die mit dieser Mitteilung über ihre Zeugungsweise eine besondere Öffnung vornahmen, machten hierdurch jedoch auch positive Erfahrungen:

„Mit ca. 17 wollte ich es jemanden außerhalb der Familie erzählen. Das habe ich so mit meiner Mutter besprochen (…) (Der Gesprächspartner hat) damals in dem Gespräch sehr die Bedeutung der sozialen Familie betont. Aber nicht in so einer „soziale Familie zählt und damit abgehakt“ Weise, sondern schon sehr einfühlsam. Ich denke damals war es auch genau das, was ich gebraucht habe. Die Bestätigung, dass ich trotzdem zu unser Familie dazugehöre.“

„Die meisten Reaktionen haben mir sehr gut getan. Einfach schon die Tatsache, dass ich bei den Menschen keine Notlügen mehr erzählen muss, tut gut bzw. die Erfahrung, dass ich ganz offen darüber sprechen kann, wenn ein Gespräch Gedanken an dasThema bei mir auslöst.“

Das Verhalten der Eltern – „es muss ja nicht jeder wissen“

Das Verhalten der Eltern ist nach den Berichten unserer frühaufgeklärten Mitglieder sehr unterschiedlich. Lediglich eine der sehr Frühaufgeklärten wurde von ihrer Mutter explizit ermutigt, darüber zu sprechen. Sie tat dies jedoch aus eigener Entscheidung heraus zum Schutz vor schlechten Erfahrungen nicht. Zwei Frühaufgeklärte sagen, ihre Eltern hätten ihnen die Entscheidung überlassen, wem sie davon erzählen.

„Darüber reden durfte ich, meine Mutter hat kein Geheimnis daraus gemacht, es war nur erst komisch, mir stellte sich schon die Frage ob ich normal bin, in dem Alter konnte ich das nicht richtig einordnen.“

Drei Frühaufgeklärte schildern, dass ihre Eltern ihnen gesagt hätten, dass nicht jeder von der Samenspende wissen müsse. Zwei davon, beide sehr frühaufgeklärt, nahmen dies nicht als Einschränkung wahr.

„Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich meiner Freundin von meiner Zeugung erzählt hatte, erklärte sie mir, dass ich vielleicht nicht mit jedermann darüber sprechen sollte. Die Entscheidung darüber zu sprechen oder nicht war mir gelassen.“

„Meine Eltern haben mir erklärt, dass ich es nicht jedem erzählen soll, und es war in Ordnung für mich, da ja nicht alle so offen damit umgehen können. Bei mir in der Familie wussten es alle als ich klein war, nur meine Oma nicht, weil meine Eltern ihre Reaktion nicht einschätzen konnten.“

Die Dritte empfand diesen Zusatz jedoch als Einschränkung:

„Mir war klar, dass diese Einschränkung vor allem meine Eltern schützen sollte, insbesondere meinen Vater. Und ich habe das ernstgenommen. Erst später im Studium bin ich offener mit dem Thema umgegangen, als mein Umfeld meine Eltern in der Regel nicht kannte.“

Vier Frühaufgeklärte berichten, dass ihre Eltern trotz der Aufklärung die Samenspende als Geheimnis betrachteten und dass sie ohne Erlaubnis der Eltern nicht mit Dritten darüber reden durften. Dies führte dazu, dass auch innerhalb der Familie nicht offen darüber gesprochen wurde.

„Ich hatte schon total das Gefühl, dass es ein Geheimnis wäre – zwischen meiner Mutter und mir, ein Geheimnis der Familie – das ich auf keinen Fall einfach so ausplaudern dürfte. Erst recht nicht ohne vorher ihre „Erlaubnis“ dazu eingeholt zu haben.“

„Meine Mutter war sehr darauf bedacht, dass es geheim bleibt. Wir haben leider auch innerhalb der Familie nicht offen darüber gesprochen. (…) Meine Eltern waren vermutlich selbst sehr unsicher im Umgang mit dem Thema.“

„Mir ist das Thema einmal meinem Onkel gegenüber rausgerutscht, ich glaube ich habe etwas in der Art gesagt wie „das ist nicht mein Papa, ich bin durch eine Samenspende entstanden“, so oder so ähnlich. Jedenfalls habe ich es als ganz natürlich angesehen (als Kind) und wollte auch damit normal umgehen. Kassiert habe ich einen bösen Blick meiner Mutter, der mir symbolisiert hat, dass ich da gerade etwas gesagt habe, über das man nicht spricht. Danach habe ich lange Zeit nie wieder darüber gesprochen, weil ich dadurch – ich glaube die Reaktion von ihr war ein Schlüsselerlebnis – dachte, es sei etwas Abartiges, über das man nicht sprechen dürfe.“

Retrospektive

Sechs der Frühaufgeklärten, darunter aber keine der sehr Frühaufgeklärten, wünschen sich rückblickend eine Aufklärung in noch früherem Alter und mehr Offenheit in der Familie mit der Samenspende.

„Im Nachhinein würde ich schon sagen, dass die Aufklärung zu spät war und es meiner Entwicklung gut getan hätte, wenn ich es schon immer gewusst hätte.“

Sie empfinden es als positiv, früh aufgeklärt worden zu sein, fühlten sich aber dennoch mit einem impliziten Schweigegebot belastet oder mit der Nachricht allein gelassen.

„Ich hätte es fairer gefunden, wenn meine Eltern selbst offen zu ihrer Entscheidung und der Unfruchtbarkeit meines Vaters gestanden hätten und mir tatsächlich und ohne indirektes Schweigegebot überlassen hätten, damit umzugehen wie, und darüber zu reden mit wem ich möchte. Psychologisch betrachtet haben sie mich mit ihrer Offenheit einerseits und dem Schweigegebot andererseits in einen Loyalitätskonflikt zwischen meinen und ihren Bedürfnissen gebracht. Man könnte es auch als Parentifizierung verstehen, wenn durch die Aufklärung ein Elternteil plötzlich schutz- und schonungsbedürftig durch das Kind wird. Diese Rolle habe ich meinem Vater gegenüber auf jeden Fall inne (und hatte ich auch als Kind) und das finde ich nicht gut.“

„Es zeigt (.) wie empfänglich Kinder für die ungeschriebenen Gesetze der Geheimhaltung von Familiengeheimnissen sind. Ich habe jetzt erst das Gefühl selbstständig mit dem Thema umzugehen. Das Gefühl, dass es „mein“ Thema ist und nicht das meiner Mutter und das ich damit umgehen kann wie ich will bzw. wie es mir gut tut.“

„Rückblickend bin ich hier sehr wütend gewesen, auf diese Tabuisierung, weil ich glaube, es hätte mir sehr gut getan, darüber zu sprechen. Vielleicht auch an die Hand genommen zu werden, und bewusst motiviert werden, mich damit auseinander setzen. Ich weiß, meine Mutter hätte mir immer Antworten gegeben, wenn ich gefragt hätte oder was wissen wollte. Aber es wäre doch schön gewesen, wenn sie es gewesen wäre, die mich hier an die Hand nimmt und in der Phase der „Realisation“ begleitet. Und dazu gehört auch, dass das Thema in der Familien präsent gehalten wird, dass man darüber spricht, vielleicht auch andere Gleichgesinnte ausfindig macht, trifft. Das hätte mir sicherlich viele schwere Phasen im Erwachsenenalter erspart.“

„Ich denke, es ist auch sehr wichtig, dass man als Kind selbst entscheiden kann ob es ein Geheimnis bleibt oder nicht. Denn man selbst muss damit umgehen können, man selbst hat Vorrang vor den Anliegen der Eltern.“

„Eigentlich finde ich schon allein die Befürchtung von Eltern bedenklich, „dass die Kinder bei einer frühen Aufklärung im Kleinkindalter zu vielen anderen davon erzählen und dann abgelehnt werden.“ Meines Erachtens sollten die Eltern ihren Kindern vermitteln können, dass ihre Entstehung völlig ok ist. Dafür ist ein offener Umgang mit dem Thema wichtig und der sollte eben auch einschließen, dass es ok ist mit anderen darüber zu sprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Ablehnung erfährt (weil es Mitschüler/innen davon erzählt, dass es durch eine Samenspende entstanden ist), ist aus meiner Sicht geringer, wenn das Kind ganz selbstbewusst damit umgehen kann und auch neugierige Frage zu diesem Thema selbstsicher beantworten kann.(…) Ich denke die Eltern können hier wählen, welches das geringere Übel ist:
1) Riskieren, dass ihr Kind die eigene Entstehung niemals als ganz normal empfindet (und im schlimmsten Fall sein Leben lang darunter leidet), indem sie ihm möglichst spät davon erzählen, wie es entstanden ist. So können sie sicherstellen, dass ihr Kind niemanden von diesem Thema erzählt.
2) Dem Kind einen entspannten Umgang mit dem Thema ermöglichen und dabei das Risiko eingehen, dass es eventuell Ablehnung erfahren könnte. Ablehnung kann es auch aus vielen anderen Gründen erfahren, bspw. weil es die falschen Schuhe trägt oder nicht so gut (oder besser) lesen oder rechnen kann als die anderen Kinder. Eltern können ihr Kind aus meiner Sicht vor solcher Ablehnung nicht vollständig beschützen. Sie können nur versuchen ihr Kind möglichst selbstbewusst zu erziehen.“

Fazit

Die von manchen Eltern geäußerten Befürchtungen, frühaufgeklärte Kinder könnten mit zu vielen Personen außerhalb der Familie über die Samenspende sprechen und auf Ablehnung stoßen, werden durch die Erfahrungen unserer frühaufgeklärten Mitglieder nicht gestützt. Fast alle Frühaufgeklärten, auch die im sehr jungen Alter aufgeklärten, haben nur mit wenigen über ihre Zeugung durch Samenspende gesprochen. Auf explizite Ablehnung ist niemand gestoßen, als negativ wurde nur mangelndes Einfühlungsvermögen oder Desinteresse geschildert.

Bedenklich ist aber, dass mindestens die Hälfte der frühaufgeklärten Mitglieder den Wunsch der Eltern, darüber nicht mit jedem zu sprechen, als implizites Schweigegebot oder sogar als Tabuisierung empfunden hat, der sie in ihrem Umgang mit ihrer Zeugungsart beeinträchtigt hat. Das zeigt, wie empfänglich Kinder für die ungeschriebenen Gesetze der Geheimhaltung von Familiengeheimnissen sind, und das aufklärende Eltern sich bewusst sein sollten, dass sie ein solches Geheimhaltungsgebot möglicherweise – bewusst oder unbewusst – übermitteln. Interessanterweise hat keine der sehr Frühaufgeklärten ein Schweigegebot wahrgenommen – vielleicht, weil diese Eltern aufgrund der sehr frühen Aufklärung tatsächlich offen mit dem Thema umgingen.

Deutlich wird, dass frühe Aufklärung nicht mit einem offenen Umgang mit der Samenspende gleichzusetzen ist. Dieser findet noch nicht allein dadurch statt, dass die Eltern einmalig mit ihrem Kind darüber sprechen, wie es entstanden ist. Viele unserer Mitglieder wünschen sich rückblickend einen offeneren Umgang mit der Samenspende derart, dass Eltern dem Kind auch nach der Aufklärung des Gefühl vermitteln, dass sie sich mit Fragen über das Thema an sie wenden und darüber mit anderen sprechen können oder dass sie das Kind aktiv dazu motivieren, sich mit der Samenspende auseinander zu setzen.

Dagegen fühlte sich keine unserer Frühaufgeklärten zu früh aufgeklärt, zu viel Offenheit ausgesetzt oder von den Eltern nicht genügend vor möglichen negative Reaktionen Dritter geschützt. Eltern sollten sich daher überlegen, ob sie mit der Idee, dass es nicht jeder wissen muss, wirklich ihr Kind vor negativen Reaktionen schützen möchten, oder ob dahinter nicht doch versteckt der Wunsch steht, sich selbst und insbesondere den sozialen Vater zu schützen oder zu entlasten. Auf jeden Fall sollten sie vorsichtig sein, ihrem Kind nicht ein Schweigegebot oder sogar eine Tabuisierung des Themas implizit zu vermitteln, dass ähnlich belastend wirken kann wie eine späte Aufklärung im Erwachsenenalter.

Redaktionskonferenz auf DR Wissen heute zum Thema Samenspende

Die Sendung Redaktionskonferenz auf Deutschlandradio Wissen beschäftigt sich heute von 18:15 bis 20 Uhr unter dem Titel Die Elternmacherin mit Samenspende. Gast ist die Familientherapeutin Dr. Petra Thorn, zwischendrin gibt es ein Interview mit Spenderkinder-Mitglied Stina. Die Sendung kann live über den Internet-Stream angehört werden oder nachher als Podcast.

Rezension des Buches Ungestillte Sehnsucht von Millay Hyatt

Ich habe lange Zeit gezögert, ein Buch über Kinderwunsch zu lesen. Vielleicht weil ich befürchtet habe, die absolute Verteidigung dieses Wunsches und aller möglichen Mittel auf Buchformat ausgewalzt zu bekommen. Über eine Talkshow zu Reproduktionsmedizin bin ich dann auf Millay Hyatts Buch Ungestillte Sehnsucht aufmerksam geworden, habe es gelesen und bin sehr angetan. Ich wünschte, mehr Wunscheltern würden dieses Buch lesen und sich ebenfalls derart differenzierte Gedanken machen.

Millay Hyatt erfährt mit 30 Jahren, dass sie frühzeitig in die Wechseljahre gekommen ist. Die Verarbeitung dieser Diagnose, die Überlegung woher ihr Kinderwunsch kommt und welche Schritte sie bereit ist für ein Kind zu gehen, schildert sie in ihrem Buch, begleitet von den Geschichten von anderen Menschen mit Kinderwunsch, darunter auch homosexuelle und alleinstehende Menschen. Bei manchen wird der Kinderwunsch später erfüllt – durch Reproduktionsmedizin, Adoption, oder auch anderweitigen Kontakt zu Kindern – während andere nach erfolglosen Behandlungen mit dem Wunsch abschließen.

Achtung der Individualität des Kindes und seiner Bedürfnisse

Beeindruckt hat mich Millay Hyatts konsequente Sicht des Kindes als Individuum und ihre Orientierung am Kindeswohl, die ich mir bei mehr Kinderwunscheltern wünschen würde. Sie sagt ganz deutlich am Ende des Buches: „(.) es gibt kein Recht darauf, Kinder zu haben. (…) Ein Kind ist auch kein Geschenk, dass mir jemand (eine Behörde, abgebende Eltern, die Medizin) zukommen lässt, um mir meinen Wunsch zu erfüllen. Ein Kind ist ein Mensch, der noch nicht eigenständig ist und (seine) Eltern braucht.“

Eines der von ihr porträtierten Paare bekommt im Alter von 45 bzw. 60 Jahren ein Kind mit einer anonymen Eizellspende aus Spanien. Das kritisiert sie nicht ausdrücklich, deutlich wird aber, dass dies ein Weg ist, den sie selbst nicht gehen würde. Das Angebot einer Freundin aus den USA, ihre Leihmutter zu sein, lehnt sie ab, als sie im Internet Berichte von Kindern von Leihmüttern findet, die diese Praxis entwürdigend finden und Gefühle äußern, verlassen und verkauft worden zu sein. Eine Eizellspende möchte sie wegen der Gesundheitsgefahren für die Spenderin und deren Anonymität in vielen Ländern nicht. Nach einem längeren Prozess des Abschieds der Idee von einem genetisch eigenem Kind entschließt sie sich mit ihrem Mann zu einer Adoptionsbewerbung, legt aber Wert darauf, dass es eine ethisch arbeitende Agentur ist, damit nicht zur Erfüllung ihres Kinderwunsches ein Kind von seiner Familie getrennt wird. Sie kritisiert die zu oft auftretende Verdinglichung von Kinder und der Nichtachtung ihrer Würde.

Nicht richtig finde ich allerdings ihre Darstellung, dass vor allem die Verheimlichung der Zeugungsart und mangelnde Offenheit in der Familie den mit Samen- oder Eizellspende gezeugten Menschen zu schaffen macht. Das wirkt so, als könnten anonyme Spender unter diesen Umständen doch okay sein. Das ist aus unserer Sicht nicht so. Auch früh aufgeklärte Spenderkinder wollen wissen, von wem sie abstammen, und das Unwissen darüber macht ihnen ebenfalls zu schaffen.

Beschäftigung mit Kinderwunsch auch als Chance, sich selbst besser kennenzulernen

Millay Hyatt schildert auch die Notwendigkeit, sich mit dem Kinderwunsch selbst zu beschäftigen und nicht nur damit, wie man ihn erfüllen kann. Sie gibt sie zu, dass es in den ersten Jahren ihrer Kinderwunschgeschichte vor allem um sich selbst ging. Mit der Zeit wich jedoch ihr Bedürfnis, möglichst schnell ein Kind zu bekommen, der Sorge um die Bedürfnisse des Kindes. Ihren unerfüllten Kinderwunsch sieht sie auch als Chance, sich selbst besser kennenzulernen und von der Situation, ein Kind haben zu wollen, zu ein Kind lieben zu wollen über zu gehen.

Neben Paaren, die ihr Wunschkind doch noch bekommen haben, schildert sie genauso die Geschichten von Paaren, die sich vom Kinderwunsch verabschiedet haben und trotzdem ein erfülltes Leben führen, weil sie zum Beispiel die Beziehung zu ihrem Partner noch mehr zu schätzen gelernt haben. Das fand ich wiederum sehr tröstlich. Wir von Spenderkinder möchten keinem Menschen mit Kinderwunsch sagen, dass er sich mit einem Leben ohne Kinder abfinden soll. Genauso befremdlich finde ich aber die oft vehement vorgetragene Ansicht, man könne sich ein Leben ohne Kinder auf keinen Fall vorstellen. Ein Kind als alleinige Sinnstiftung zu sehen, spricht von einer seltsamen Konzeption des eigenen Lebens – vor allem da man sich ja klar machen muss, dass das Kind nur einen Teil des Lebens wirklich präsent sein wird.

Unabhängige Beratung erforderlich

Die von Millay Hyatt und ihren Interviewpartnern geschilderten Gefühle und Geschichten haben mich in der Ansicht bestätigt, dass unsere Forderung sehr wichtig ist, dass Wunscheltern vor Inanspruchnahme von Samenspenden zu einer unabhängigen Beratung verpflichtet werden sollten.

Dabei ist eine freiwillig aufgesuchte Beratung natürlich wirksamer. Wie Millay Hyatt jedoch schreibt, ist die Hemmschwelle von Kinderwunschpatienten groß, sich selbst einzugestehen, man könnte ganz gut eine Außenperspektive oder Unterstützung gebrauchen, wenn man in dem Prozess drin steckt. An anderer Stelle schildert sie, dass viele Wunscheltern gar nicht oder nur mit wenigen Menschen über ihren Kinderwunsch oder die reproduktionsmedizinische Behandlung sprechen – auch aus Angst, nicht verstanden zu werden. Diese fehlende Kommunikation ist aber weder gut für sie und wird es bestimmt auch nicht einfacher machen, mit dem entstehenden Kind hierüber zu sprechen. Wir von Spenderkinder stellen immer wieder fest – auch bei unseren eigenen Eltern – dass der Scham über die eigenen Unfruchtbarkeit und die daraus resultierende Scheu, über den Kinderwunsch zu sprechen, eine der Hauptgründe für das spätere Verschweigen uns gegenüber darstellt. Eine Kinderwunsch-Beratung könnte daher auch Kontakt zu anderen Betroffenen wie zum Beispiel DI-Netz vermitteln.

Sog der Erfüllungsmaßnahmen

Die unabhängige Beratung ist auch deswegen nötig, weil die Reproduktionsmedizin auch nach der Ansicht von Millay Hyatt nicht am Wohl der Patienten ausgerichtet ist, sondern nur auf die Erzielung einer Schwangerschaft. Die meisten Betroffenen, mit denen sie spricht, hätten das starke Gefühl, alles was in Reichweite ist versuchen zu müssen. Sei man aber einmal in den Sog der Erfüllungsmaßnahmen geraten, könne es sehr schwer sein zu erkennen, wie weit zu weit ist.

Eine gewinnbringende Lektüre

Für mich war es sehr gewinnbringend, Millay Hyatts Buch zu lesen, und ich glaube dass ich ein tieferes Verständnis für die Situation von Eltern mit Kinderwunsch dadurch bekommen habe. Das soll übrigens nicht bedeuten, dass ich – oder die anderen Spenderkinder-Mitglieder – vorher kein Verständnis für Kinderwunsch-Eltern hatten. Schließlich stammen unsere eigene Eltern auch aus diesem Personenkreis, ich kenne einige Kinderwunsch-Eltern in meinem Alter, und viele von uns haben auch selbst Kinder. Genauso wenig bedeutet es, dass ich deswegen jetzt alles akzeptiere, was manche Eltern zur Erfüllung ihres Kinderwunsches machen. Das tut Millay Hyatt genauso wenig, denn sie fordert zum Beispiel nicht, dass Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland zugelassen werden sollten.

Aber ich verstehe jetzt vielleicht besser, in welchem Sog sich manche Eltern befinden. Vieles, was Millay Hyatt schreibt, habe ich so oder so ähnlich gewusst oder geahnt, auch weil ich mir nach meiner späten Aufklärung selbst sehr viele Gedanken darüber gemacht habe, woher eigentlich der Kinderwunsch kommt. Aber es so fundiert, differenziert und auch hinterfragend zu lesen, war ein echter Genuss, und ich wünsche dem Buch noch viel mehr Leser.

Teilnehmer für Online-Studie des DSR und Wellesley College and Middlebury College gesucht

Das Donor Siblings Registry in Zusammenarbeit mit dem Wellesley College and Middlebury College suchen Teilnehmer (Spenderkinder, Eltern, Spender) für ihre Studie “Donor Gametes, Donor Siblings, and the Making of New Families.” Die Studie soll Einstellungen zu Eizell-, Samen und Embryonenspende untersuchen und die Beziehungen zwischen Familien mit dem selben Spender, die Kontakt zueinander geknüpft haben. Die Teilnahme am englischsprachigen Online-Formular dauert etwa 15 Minuten.

Die Studie zielt von den Fragen her zwar eher auf die USA und Nutzer des Donor Siblings Registry, aber ist offen für alle Nationalitäten. Das Donor Siblings Registry hat schon an einigen sehr interessanten Studien mitgewirkt, daher empfehlen wir eine Teilnahme, auch damit die Forscher ihre Ergebnisse auf mehr Fallzahlen basierend erhalten können.

Es gibt getrennte Fragebögen für Spenderkinder ab 13 Jahren, Spenderkinder-Eltern und Spender.

 

Teilnahme an der Tagung des deutschen Ethikrates

Stina und Anne haben an der diesjährigen Tagung des deutschen Ethikrates zum Thema (zum Thema) „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. Individuelle Lebensentwürfe – Familie – Gesellschaft“ am 22. Mai in Berlin teilgenommen. Bei der Tagung wurde diskutiert, was Familie heute vor dem Hintergrund von Reproduktionsmedizin bedeutet, inwiefern Menschen ein Recht auf Fortpflanzung haben und ob bestimmte Verfahren – die Eizellhüllenspende, Eizellspende, Leihmutterschaft und social freezing – in Deutschland zugelassen werden sollten.

Schon im Vorhinein hatten wir kritisiert, dass das Programm nur vorsah, dass über die mit Reproduktionsmedizin gezeugten Menschen gesprochen wird, wir als unmittelbar Betroffene aber nicht selbst eine Stellungnahme dazu abgeben konnten. Vielleicht ist bei manchen Menschen immer noch nicht angekommen, dass es uns gibt und wir auch nicht mehr alle im Kindesalter sind. Daher konnten wir unsere Perspektive nur wie jeder andere Teilnehmer nach den Vorträgen am Mikrophon äußern.

In dem morgendlichen Vortrag von Georg Griesinger vom universitären Kinderwunschzentrum Lübeck übermögliche reproduktive Verfahren wurde sehr deutlich, dass Kinderwunsch für viele Ärzte eine Dienstleistung ist, bei der die Frage, wie es den damit verbundenen Menschen damit geht, eher untergeordnet ist. Frau Prof. Coester-Waltjen, deren Meinung wir im Zusammenhang mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung sehr schätzen, forderte in ihrem rechtlichen Vortrag die Zulassung von Eizellspende in Deutschland und die Anerkennung von Leihmutterschaftsverträgen aus anderen Ländern. Auch hierbei kamen die Belange der gezeugten Kinder – gespaltene Mutterschaft und Behandlung des mit einer Leihmutterschaft gezeugten Kindes als Handelsobjekt – nicht vor.

In dem Vortrag von Claudia Wiesemann, Mitglied des Deutschen Ethikrates, wurde die „reproduktive Autonomie“ der Eltern stark betont. Die Darstellung dieses „Rechts“ vor dem Hintergrund von in der Vergangenheit in einigen Ländern erfolgten Zwangssterilisationen und -adoptionen und der Vergleich mit dem Recht auf Bildung ließen das Recht auf die Inanspruchnahe von Reproduktionsmedizin jedoch geradezu zwingend erscheinen und ließen aus unserer Sicht außer Acht, dass bei Reproduktionsmedizin ein neuer Mensch entsteht, dessen Rechte ebenfalls geachtet werden müssen. Pervertiert auf die Spitze getrieben wurde das ganze mit dem Argument, dass Eizellspende gerade zum Schutze des Kindeswohls in Deutschland erlaubt werden müsse, damit Paare nicht auf anonyme Spenden im Ausland zurückgreifen „müssten“, so dass es dem Kind nahezu unmöglich ist, seine Abstammung zu erfahren.

Kindzentrierter gab sich Eberhard Schockenhoff, MItglied des Deutschen Ethikrates, der vor allem auf die Bedeutung der Familie für die Entwicklung eines Kindes hinwies, in der sich das Kind bedingungslos angenommen weiß. Er wies darauf hin, dass es für Kinder wichtig sei, zwei Eltern zu erleben, die auch untereinander füreinander da sind und dem Kind eine erwachsene Beziehung vorleben. Kritisch äußerte er sich in diesem Zusammenhang für Singlefrauen, die eine Samenspende zur Befriedigung ihres Kinderwunsches in Anspruch nehmen. Er erinnerte daran, Kinder als Subjekte und nicht als Projektion elterlicher Wünsche wahrzunehmen.

In dem Forum zu Eizellspende und Leihmutterschaft waren die Vorträge immerhin kritisch zu diesen Verfahren, allerdings vor allem aus Gründen des Schutzes der Eizellspenderin und der Leihmutter. In der Diskussion verglich dann ein Mitglied des Ethikrates eine Eizellspende sogar mit einer Blutspende, die ja auch risikoreich sei, und natürlich durfte auch das beliebte Argument nicht fehlen, das die damit gezeugten Kinder doch „gewolllt“ seien, was viele wohl als gleichbedeutend mit dem Kindeswohl sahen. Stina trug am Publikumsmikrophon die Position von Spenderkinder zu Eizellspende vor und wies darauf hin, dass Samenspenden in Deutschland immer noch unzureichend rechtlich geregelt sind und dies der Zulassung neuer Reproduktionsverfahren voran gehen müsse.

Zu dieser eher elternbezogenen und reproduktionstechnologie-freundlichen Diskussion hob sich die Abschlussdiskussion mit den Politikern Hubert Hüppe (CDU), Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) und Kathrin Vogler (Die Linke) wohltuend hervor (Audioprotokoll). Diese ließen insbesondere nicht das Argument gelten, man müsse Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland anerkennen, weil es ansonsten im Ausland durchgeführt würde. Dies würde ansonsten zu einem Ethikdumping führen.