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Genetischen Vater nach über 20 Jahren Suche identifiziert

Eine der größten Halbgeschwistergruppen, von der wir im Verein wissen, hat im Frühjahr 2025 ihren genetischen Vater identifiziert. Er hatte in den frühen achtziger Jahren über eine längere Zeit bei der Samenbank Novum Samen abgegeben. Über die Jahre haben sich mehr als acht der durch ihn gezeugten Kinder über DNA-Datenbanken gefunden. Novum behauptete bis zuletzt, keine hinreichenden Unterlagen mehr zu besitzen, um den genetischen Vater zuordnen zu können. Nun haben die Halbgeschwister es mit der Hilfe von DNA-Detektiv Alexander geschafft.

Einige von euch haben ja sehr lange gesucht, über 20 Jahre. Wie geht es euch damit, dass die lange Suche nun beendet ist?

A: Ich freue mich, endlich Klarheit zu haben, wer mein genetischer Vater ist – und wer es nicht ist.

S: Es ist ein tiefes Gefühl von Erleichterung und Abschluss. Über so viele Jahre war da eine offene Frage, ein leerer Platz, der immer wieder ins Leben hineingefunkt hat – mal laut, mal leise. Jetzt zu wissen, wer unser genetischer Vater war, bringt eine innere Ruhe mit sich. Es ist nicht einfach nur ein Name, sondern das Ende einer langen Suche nach einem Teil von sich selbst.

Ihr habt euren genetischen Vater ja letztlich über DNA-Datenbanken identifiziert, aber es war nicht so einfach. Könnt ihr etwas über die Suche erzählen?

A: Außer uns Halbgeschwistern hatten wir nur sehr, sehr entfernte Verwandte identifiziert. Das machte die Suche für uns als einzelne quasi unmöglich. Unser DNA-Detektiv schaffte es trotzdem, unseren genetischen Vater zu finden, indem er mit dem Material suchte, das wir als Halbgeschwister teilen. Dafür war es hilfreich, dass wir mehrere sind.

S: Der Weg war voller Sackgassen, falscher Spuren und sehr viel Geduld. DNA-Datenbanken bieten zwar technische Möglichkeiten, aber sie ersetzen nicht die mühsame Detektivarbeit, die dahintersteht. Ohne die Hilfe von Alexander, unserem DNA-Detektiv, hätten wir es wohl nicht geschafft. Er hat über Jahre hinweg mit unglaublicher Ausdauer ein Puzzle zusammengesetzt, das sich für uns oft wie unlösbar angefühlt hat. Als er dann sagte, er sei sich sicher, wer unser Vater ist, und brauche nur noch eine offizielle Bestätigung, war das ein Moment der Überraschung – und es hat tatsächlich eine Weile gedauert, bis ich realisiert habe, dass die Suche damit zu Ende war.

Leider konntet ihr euren genetischen Vater nicht persönlich kennenlernen. Würdet ihr sagen, dass eure Suche trotzdem ein gutes Ende genommen hat? Konntet ihr einen Eindruck gewinnen, was für eine Art Mensch er war?

A: Ja, auf jeden Fall! Das Hauptziel war ja, zu erfahren, wer mein genetischer Vater ist. Das weiß ich nun. Erfreulicherweise hat seine Familie uns etwas über ihn erzählt, so dass ich nicht nur ein Foto, sondern auch ein inneres Bild von ihm als Person entwickeln konnte. Und wir haben dadurch noch weitere Halbgeschwister gefunden, die ebenfalls aufgeschlossen für Kontakt sind. Das bedeutet mir sehr viel.

S: Natürlich hätten wir ihn gerne kennengelernt – ein Gespräch, ein Blick, ein gemeinsamer Moment hätte mir viel bedeutet. Aber auch ohne diese persönliche Begegnung konnten wir durch Gespräche mit ihm nahestehenden Personen viel über ihn erfahren. Darin wirkte er wie ein kluger, weltoffener und warmherziger Mensch.

Einige von euch haben ja auch einen Rechtsstreit mit Novum über die Auskunft über den genetischen Vater geführt – und obwohl es dazu verurteilt wurde, hat euch das Novum letztlich keine Auskunft gegeben. Seid ihr zufrieden damit, es trotzdem auf diesem Weg versucht zu haben? Was ist euer Fazit zu den Gerichtsverfahren?

A: Das Novum wurde verurteilt, uns Auskunft zu geben. Das ist ein wichtiges Ergebnis, weil es bestätigt, dass das Recht grundsätzlich auf unserer Seite ist. Dass das Gericht trotzdem keine Handhabe sah, das Urteil zu vollstrecken, zeigt, dass das Recht auf Auskunft über die Identität des genetischen Vaters für Spenderkinder, die vor 2018 entstanden sind, noch nicht hinreichend geschützt ist. Umso mehr freue ich mich, die Auskunft dennoch auf anderem Wege erhalten zu haben. In unserem Fall sind unstreitig die Spenderunterlagen noch vorhanden. Angeblich konnte nur nicht zugeordnet werden, welcher Spender zur Entstehung welchen Kindes geführt hatte. Es gab sogar eine ZeugInnenanhörung, in der keine der vom Novum dafür benannten ZeugInnen die behauptete Vernichtung der für uns relevanten Patientinnenakten bezeugen konnte. Im Laufe der Prozesse zeigten sich immer neue Widersprüche. Das Oberlandesgericht Hamm fasste es wie folgt zusammen: „Das Aussageverhalten des Gesellschafters der Schuldnerin ist nicht nur in diesem Punkt, sondern insbesondere auch bezüglich der weiteren, von der Gläubigerin hervorgehobenen Umstände zu der „Vernichtung“ von Akten und weiteren Unterlagen beklagenswert inkonsistent, teils widersprüchlich und auch mit Angaben von Zeugen partiell nicht kompatibel“ (Beschluss des OLG Hamm vom 29.08.2024, S. 5). Dennoch kam das Gericht zu dem Ergebnis „Das zweifelhafte Aussageverhalten der Schuldnerin bzw. ihres Gesellschafters Prof. Dr. Katzorke hat aber aus Sicht des Senats nicht zur Folge, dass der Tatsachenvortrag der Schuldnerin in allen Einzelheiten und damit insgesamt als unglaubhaft zu bewerten ist“ (Beschluss des OLG Hamm vom 29.08.2024, S. 5). So war das Novum zwar verurteilt worden, uns Auskunft zu geben. Weil wir aber nicht nachweisen konnten, dass das Novum für unsere Einzelfälle dazu in der Lage war, konnten wir das Urteil im letzten Schritt nicht vollstrecken lassen. Die Urteile hätten nur dann zwangsvollstreckt werden können, wenn wir hätten nachweisen können, dass nicht generell, sondern auch spezifisch für unsere Einzelfälle dem Novum die Auskunft möglich ist. Trotz widersprüchlicher Vortragsweise der Gegenseite lag die Beweislast dafür unverändert bei uns. Dieser Nachweis war uns mit unseren legalen Möglichkeiten nicht möglich, da wir ohne Einblick in die Praxisdokumentation nicht wissen konnten, ob zufällig die Aufzeichnungen über unseren genetischen Vater oder die Patientinnenakten unserer Mütter (und der der bereits identifizierten Halbgeschwister) alle zufällig doch abhandengekommen sind.

S: Ja, es war absolut wichtig – auch wenn das Ergebnis enttäuschend war. Der Rechtsweg war ein deutliches Zeichen: Wir geben uns nicht mit einem „Gibt’s nicht mehr“ zufrieden, wenn es um unsere Herkunft geht. Es war ein Kampf für das Recht auf Wissen – und für die Würde von Spenderkindern generell. Dass die Samenbank trotz Gerichtsurteil keine Auskunft gegeben hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf den mangelnden Willen zur Verantwortung. Ich hoffe, dass unser Fall hilft, gesellschaftlich und rechtlich ein Umdenken anzustoßen.

Wie hat die Aufklärung eurer Herkunft euer Verständnis von Familie und Identität beeinflusst? Gibt es etwas, das ihr anderen Menschen in einer ähnlichen Situation mit auf den Weg geben möchtet?

A: DNA-Datenbanken sind die Aufklärer des 20. Jahrhunderts. Wenn ihr eure genetischen Elternteile oder Halbgeschwister finden möchtet, dann ist das auf diese Weise definitiv möglich, es dauert manchmal nur etwas länger. Habt dann Geduld, macht vielleicht eine Pause, aber lasst euch nicht entmutigen.

S: Man lernt: Familie ist mehr als Biologie – aber Biologie kann dennoch sehr bedeutungsvoll sein. Identität besteht aus vielen Schichten, und für uns war es wichtig, diesen Teil endlich einordnen zu können. Es ist nicht alles, aber es ist auch nicht nichts. Mein Rat an andere: Gebt euch das Recht zu suchen. Das ist kein Verrat an der sozialen Familie, sondern ein Akt der Selbstachtung. Und: Ihr seid nicht allein – viele andere haben ähnliche Fragen und ähnliche Wege hinter sich.

Ihr seid ja recht viele Halbgeschwister. Wie hat euch die Erfahrung, euren genetischen Vater zu finden und gemeinsam diese Suche zu meistern, als Gruppe geprägt? Gibt es Pläne, wie ihr auch in Zukunft miteinander in Kontakt bleiben möchtet?

A: Die Suche war bestimmt eine gute Teambuildingmaßnahme 😊. Ich habe vor, auch weiter in Kontakt mit meinen Halbgeschwistern zu bleiben.

S: Wir sagen manchmal scherzhaft: „Unsere Familie kam über die DNA-Datenbank.“ Aber das trifft es irgendwie auch. Aus Fremden wurden Vertraute. Wir sind inzwischen mehr als nur „Halbgeschwister auf dem Papier“. In den letzten Jahren ist ein starkes Band zwischen uns gewachsen. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt, tauschen uns aus, organisieren Treffen und unterstützen uns auch emotional. Diese Verbindung gibt Halt – und ich möchte sie auf jeden Fall erhalten. Unsere gemeinsame Geschichte verbindet uns auf eine ganz eigene, tiefe Weise.

Artikel Spenderkinder psychologisch begleiten

Spenderkinder-Vorsitzende Anne Meier-Credner hat einen Artikel zur psychologischen Begleitung von Spenderkindern für das Magazin Psylife geschrieben: „Ich möchte wissen, woher ich komme“ – Spenderkinder psychologisch begleiten. Hierin schildert sie die besonderen Herausforderungen: die teilweise vorhandene Erwartung, die eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. eine möglicherweise große Anzahl von Halbgeschwistern, die mögliche Ablehnung durch den genetischen Elternteil oder die Angst vor Ablehnung.

Bei inzwischen vermutlich mehr als 120.000 Spenderkinder in Deutschland und einer Familienkonstellation mit besonderen Herausforderungen sollte die psychologische Behandlung von Spenderkindern keine Seltenheit sein. Auch im Verein Spenderkinder haben sich einige Mitglieder in eine Psychotherapie begeben – von unterschiedlicher Dauer und aus unterschiedlichem Anlass. Fast alle Mitglieder haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Familienkonstellation erst einmal sehr genau erklärt werden musste und die meisten Psychologen zunächst sagten, dass sie hierin bislang noch keine Erfahrungen gemacht haben. Hoffentlich ändert sich das mit Artikel wie diesen und Forschung zu der Situatuon von Spenderkindern in der Zukunft.

Dänemark: Klage gegen anonyme Abgabe von Samen und Eizellen

In Dänemark haben zwei durch Samenvermittlung gezeugte Personen, Ditte und Nette, eine Klage gegen den dänischen Staat eingereicht. Sie machen geltend, dass das Gesetz, das anonyme Vermittlung von Samen und Eizellen erlaubt, ihre Menschenrechte verletzt, insbesondere ihr Recht auf Familienleben.

Bis 2012 waren in Dänemark nur eine anonyme Abgabe von Samen und Eizellen erlaubt. Heute sind in Dänemark sowohl offene als auch anonyme Vermittlungen von Samen und Eizellen erlaubt. Wunscheltern haben die Wahl, ob sie eine anonyme oder eine offene Vermittlung möchten. Meistens sind offene Vermittlungen teurer.

Nette, eine der Klägerinnen, wurde vor 29 Jahren durch eine anonyme Samen“spende“ gezeugt. Von ihrem genetischen Vater kennt sie nur Größe, Gewicht, Augenfarbe und Blutgruppe. Sie stellt sich dieselben Fragen wie viele andere durch Samenvermittlung gezeugte Menschen: Woher komme ich? Was habe ich geerbt? Warum hat mein genetischer Vater seinen Samen abgegeben?

Die Klage argumentiert, dass das dänische Recht gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Artikel 3, 7 und 8 der UN-Kinderrechtskonvention verstößt. Dänemark sei verpflichtet, das Recht eines Kindes auf Identität zu gewährleisten (mehr zum Recht einer Person auf Kenntnis seiner Abstammung unter internationalem Recht auf der internetseite von Donor Offspring Europe). Dazu gehöre auch, unnötige Hindernisse für den Zugang eines Kindes zu Informationen über seine genetische Herkunft zu vermeiden, da der Staat die positive Verpflichtung habe, aktiv dafür zu sorgen, dass auch Spenderkinder Zugang zu Informationen über ihre biologische Herkunft haben.

Das dänische Recht sichert Spenderkindern jedoch keinen Zugang zu Informationen über ihre genetische Herkunft, da die anonyme Vermittlung von Samen und Eizellen weiterhin erlaubt sind. Dem Kind wird somit jegliche Möglichkeit genommen, Informationen über seine biologischen Eltern zu erhalten. Im Fall von Nette und Ditte bedeutet dies, dass sie keine Informationen über ihre biologischen Väter erhalten können.

Viele Nachbarländer wie Schweden, Norwegen, Deutschland, die Niederlande und Frankreich haben ihre Gesetze bereits geändert und erlauben nur noch eine offene Vermittlung von Samen und Eizellen. Im vergangenen Jahr entschied das belgische Verfassungsgericht, dass anonyme Vermittlung von Samen- und Eizellen die Rechte von Spenderkindern verletzt und dass das Recht entsprechend geändert werden muss.

Eine erfolgreiche Klage könnte auch das dänische Gesetz ändern. Dies würde die Rechte der rund 20.000 Kinder, die in Dänemark durch Eizell- und Samenspenden gezeugt wurden, unmittelbar verbessern. Da dänischer Samen in viele andere Länder geliefert wird und viele Eltern auch nach Dänemark kommen, um Samen und Eizellen zu kaufen, würde dies auch die Rechte vieler Spenderkinder in anderen Ländern verbessern. Eine endgültige Entscheidung wird voraussichtlich in zwei Jahren getroffen.

Die Kläger wären für jede Unterstützung ihres Rechtsstreits sehr dankbar, da der Rechtsstreit eine erhebliche finanzielle Belastung für sie darstellt.

Eine Spende kann auf das Konto des dänischen Vereins für Spenderkinder „Donorbørns Vilkår“ überwiesen werden (Mobilepay: 292267) oder per Banküberweisung an die Reg.-Nr.: 5364, Kontonr.: 0244922, IBAN: DK4753640000244922.

Weitere Informationen zur Klage befinden sich auf der Internetseite von Donorbørns Vilkår unter sowie auf den Instagram- und Facebook-Seiten der Organisation.

Samen aus dem Ausland – Nachteile für Spenderkinder

Ein nicht unerheblicher Teil des in Deutschland vermittelten Samens stammt vermutlich aus dem Ausland, überwiegend aus Dänemark. Das ist in anderen europäischen Ländern ähnlich: nach einem Bericht auf Euronews aus dem Jahr 2023 geben einige niederländische Fruchtbarkeitskliniken an, dass mehr als 60 % ihrer Behandlungen mit Sperma einer dänischen Samenbank durchgeführt werden, in Belgien soll es ähnlich sein. () Berichten zufolge gibt es sogar europäische Länder, die fast ausschließlich Samen aus dem Ausland importieren und im eigenem Land keine Personen anwerben, die ihren Samen abzugeben.

In einem Interview äußert der Gründer der dänischen Samenbank Cryos, dass 90 % des dänischen Samens exportiert wird und 60 % der Kinderwunschbehandlungen in Dänemark an Personen aus dem Ausland erfolgt.

Importiert eine dänische Samenbank Samen zur Vermittlung nach Deutschland, muss dieser im Samenspenderregister registriert werden, von dem die Kinder Auskunft verlangen können (§ 5 Absatz 1 Satz 2 Samenspenderregistergesetz).

Grund für den Erwerb von Samen aus dem Ausland sind vermutlich die stark serviceorientiert arbeitenden, den Elternwunsch betonendende Samenbanken. In diesen können Wunscheltern zum Teil wie in einem Shopping Katalog blättern und Bilder der Personen ansehen, deren Samen oder Eizellen erworben werden können. Oft werden die Personen mit Beruf, Eigenschaften und weiteren Informationen beworben (warum das kein angemessener Umgang ist, erklären wir in dem Beitrag Samen und Eizellen im Shopping-Portal). In einem Tagesschau-Artikel berichtet eine Solo-Mutter, dass viele alleinstehende Frauen lieber nach Dänemark fahren würden, weil sie dort weniger Hürden ausgesetzt seien und Atmosphäre und der Service dort besser seien. Auch unter queeren Eltern ist es üblich, für eine Samenvermittlung nach Dänemark zu gehen oder Samen aus Dänemark zu beziehen – obwohl lesbische und auch alleinstehende Frauen inzwischen auch in Deutschland Samenvermittlungen erhalten können.

Aus Sicht der durch ausländischen Samen gezeugten Kinder gibt es deutliche Nachteile:

Samenvermittlung im Ausland

Erfolgt die Vermittlung des Samens im Ausland, gilt in Bezug auf das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung das Recht dieses Landes. In Dänemark ist anonyme Samenvermittlung nach wie vor zulässig (zwei dänische Spenderkinder haben jüngst eine Klage dagegen eingereicht). Wird nicht ausdrücklich eine offene Spende vereinbart, die oft teurer ist, wird der Samen anonym vermittelt. Wir hatten in der Vergangenheit Kontakt zu Wunscheltern, denen dies nicht bewusst war und die mit Bestürzung auf die Information reagiert haben, dass ihr Kind nicht erfahren kann, wer sein genetischer Elternteil ist. Wenn eine offene Spende vermittelt wird, kann das Kind oft erst mit 16 oder 18 Jahren Auskunft verlangen. In Deutschland besteht keine Altersgrenze für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr können Kinder den Auskunftsanspruch zwar nur selbst geltend machen (§ 10 Absatz 1 Satz 2 Samenspenderregistergesetz). Vorher können sie ihn jedoch vertreten durch die Eltern geltend machen.

Vermittlung ausländischen Samens in Deutschland

Wird ausländischer Samen in Deutschland vermittelt, gilt das Samenspenderregistergesetz. Das bedeutet: zulässig ist nur eine offene Samenvermittlung, die Person, von der der Samen stammt, wird im Samenspenderregister registriert und das Kind kann von diesem Auskunft über die Identität des genetischen Elternteils verlangen.

Unabhängig vom Ort der Vermittlung gelten bei Samen aus dem Ausland folgende Nachteile:

  • Die Kinder können eine sehr hohe Anzahl von Halbgeschwistern haben. In Dänemark gilt eine Obergrenze von 12 Kindern pro Spender, aber nur innerhalb von Dänemark. Der Export in andere Länder stellt daher eine Möglichkeit dar, noch weitere Kinder mit demselben genetischen Elternteil zu zeugen. Im April 2025 wurde bekannt, dass mit Samen eines dänischen Mannes mit hohem Krebsrisiko mindestens 67 Kinder in verschiedenen europäischen Ländern gezeugt wurden. Für Spenderkinder kann es belastend sein, eine so hohe Anzahl von Halbgeschwistern zu haben (siehe unser Beitrag 100 Halbgeschwister und mehr). Es verringert auch die Wahrscheinlichkeit, eine echte Beziehung zu dem genetischen Elternteil aufbauen zu können, der potentiell sehr viele Anfragen von Kindern erhalten kann.
  • Wenn die Spenderkinder Kontakt zu Halbgeschwistern oder dem genetischen Elternteil aufnehmen möchten, werden sie dies voraussichtlich in einer anderen Sprache tun müssen. Zwar lernt inzwischen jeder Englisch an der Schule, aber um einen echten Kontakt zu einem anderen Menschen, einem unmittelbaren Verwandten, aufbauen zu können, muss man eine Fremdsprache gut beherrschen. Dies kann eine Kontaktaufnahme, die bereits mit vielen aufrüttelnden und verunsichernden Emotionen verbunden sein kann, weiter erschweren. Hinzu kommt, dass die Halbgeschwister voraussichtlich über ganz Europa verstreut sind und ein persönliches Treffen nicht so einfach möglich ist.

67 Kinder durch Samenvermittlung eines Mannes mit Krebs-Gen gezeugt

Die in Dänemark sitzende European Sperm Bank hat den Samen eines Mannes vermittelt, der eine Genmutation hatte, die zu einer stark erhöhten Krebswahrscheinlichkeit führt. In acht europäischen Ländern wurden so zwischen 2008 und 2015 mindestens 67 Kinder gezeugt. Mindestens 23 dieser Kinder tragen die Mutation, mindestens zehn sind bereits an Krebs erkrankt.

Der Fall wurde in den Medien bekannt, als eine Expertin für genetische Krebsanlagen am Universitätsklinikum der nordfranzösischen Stadt Rouen im Mai auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik (ESHG) in Mailand davon berichtete.

Die Mutation befindet sich auf dem TP53-Gen, das ein Tumorsupressor-Protein codiert. Bei der Mutation ist die Menge des erzeugten Proteins zu gering. Der Spender selbst ist bis heute gesund. Zum Zeitpunkt der Spende im Jahr 2008 sei die Mutation nicht nachweisbar gewesen.

Die betroffenen Kinder müssen nun engmaschige Vorsorgeuntersuchungen einhalten. Die Erkrankung selbst ist nicht heilbar, aber bei frühzeitigem Erkennen einer Krebserkrankung besteht die Aussicht auf erfolgreiche Behandlung. Leider besteht eine Chance von 50 %, dass sie das Gen an ihre eigenen Kinder weitergeben werden.

Der Samen wurde nach Belgien, Bulgarien, Zypern, Deutschland, Spanien, Ungarn, Irland, Griechenland, die Niederlande und Polen vermittelt. Die in Deutschland betroffenen Familien sind dem Verein Spenderkinder nicht bekannt.

Mit 52 betroffenen Kindern stammt eine besonders hohe Anzahl betroffener Familien aus Belgien. Hierdurch wurde deutlich, dass sich einige belgische Kliniken nicht an die seit 2007 geltende gesetzliche Obergrenze gehalten hatten. Nach dieser darf der Samen einer Person höchstens an sechs Frauen gegeben werden. Die Kliniken behaupteten zunächst, ihnen habe der Gesamtüberblick in Belgien gefehlt. Einige Kliniken hatten die Zahl von sechs Frauen jedoch schon allein bei ihnen überschritten.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Spender eine genetische Krankheit an eine große Anzahl von Nachkommen weitergibt. Schon vor 12 Jahren gab es bei der dänischen Samenbank Nordic Cryobank einen ähnlichen Fall : Ein Samenspender, der die genetische Krankheit Neurofibromatose Typ 1 (kurz: NF1) trug, auch Morbus Recklinghausen oder Periphere Neurofibromatose genannt, gab diese an mindestens 9 der 45 durch ihn gezeugten Kinder weiter. Die Samenbank hatte hier zunächst die betroffenen Familien nur zögerlich informiert.

Der Fall zeigt deutlich, dass die grenzüberschreitende Vermittlung von Samen auch europaweit einheitlich geregelt sein muss.

Wenn eine Person über Samenvermittlung eine erhebliche Anzahl von Nachkommen zeugt, erhöht dies das Risiko, dass auch Krankheiten an viele Kinder weitergegeben werden. Dieses Risiko ist mit Samenvermittlung eng verbunden. Eine derart hohe Anzahl von Kindern ist bei natürlichen Zeugungen extrem selten. Die Spenderkinder-Organisationen anderer Länder berichten auch von weiteren Fällen, in denen mit der Samenvermittlung vermutlich eine genetische Erkrankung übertragen wurde. Diese Fälle sind bislang jedoch noch nicht öffentlich. Neben diesen gesundheitlichen Risiken birt eine zu hohe Zahl von Nachkommen auch Risiken für das Wohlbefinden der so entstandenen Kinder (siehe hierzu unser Artikel 100 Hakbgeschwister und mehr).

Nationale Obergrenzen für die Anzahl der gezeugten Kinder oder entstehenden Familien sind besser, als wenn ein Land wie Deutschland keine Obergrenze hat. Wenn der Samen europaweit vermittelt wird, können hierdurch aber dennoch eine erhebliche Anzahl von Kindern gezeugt werden. Daher sollte eine europaweite Obergrenze geschaffen werden.

Die Handhabung in Belgien zeigt zudem, dass die Einhaltung der Obergrenzen auch kontrolliert werden muss.

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Obergrenze von Familien, die durch Samenvermittlung einer Person entstehen können. Ein Spender kann an mehreren Samenbanken spenden. Das Samenspenderregister könnte eine Obergrenze gut kontrollieren, da ihnen die Identität der Samen abgebenden und empfangenden Personen bekannt ist. Dies gehört jedoch bislang nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Samenspenderregisters.

Der Verein Spenderkinder fordert eine Begrenzung auf sechs Familien. Diese Grenze sollte vom Samenspenderregister kontrolliert werden und auch international gelten.

SWR Nachtcafé „Und das soll Familie sein“ mit Dietrich

Diese Woche war Dietrich, der Vater von Spenderkinder-Mitglied Britta, beim SWR Nachtcafé zum Thema „Und das soll Familie sein“ zu Gast. Ihr könnt die Sendung auch über die ARD Mediathek ansehen.

Britta und Dietrich haben sich im Jahr 2019 über eine DNA-Datenbank gefunden. Dietrich hatte Anfang der 80er Jahre in der praxis von Dr. Poluda in München Samen gespendet. Seitdem erzählen sie gerne von ihrer Geschichte als Beispiel dafür, wie bereichern eine Familienerweiterung sein kann (Brittas Geschickte auf unserer Internetseite).

Die Sendung ist insgesamt sehenswert, auch wegen der anderen Gäste unter dem Aspekt, wie unterschiedlich Familiensysteme aussehen können. Dietrich ist am Ende dran.

ARD Doku: „Ein Samenspender und seine 30 Kinder“

Seit Anfang Oktober ist in der ARD Mediathek eine Dokumentation über den privaten Samenspender Gerrit abrufbar, der 30 Kinder gezeugt hat.

Das Erste zeigt den Film am 6. November um 23.20 Uhr.

Gerrit wurde vor mehr als zehn Jahren privater Samenspender, weil er einen eigenen Kinderwunsch hatte, aber Kinder nicht in sein damaliges Leben mit vielen Reisen passten. Er ist ein offener Spender: die Kinder, die durch seine Spende entstehen, haben die Möglichkeit, Kontakt zu ihm und Halbgeschwistern aufzunehmen. Inzwischen hat er auch drei Kinder aus einer eigenen Beziehung.

Unser Mitglied Sina hat die Dokumentation mit gemischten Gefühlen gesehen. Einerseits verspürte sie Freude über die Offenheit und das Glück der lesbischen Mütter und der Solo-Mütter und die nahbare und reflektierte Art von Gerrit. Andererseits habe sie erschreckt, wie schnell die Halbgeschwistergruppe auf 30 angewachsen sei. Es stelle sich die Frage, wie sehr sich die Mütter darauf verlassen können, dass er wirklich mit dem Spenden aufhört und wie groß die Gruppe der Kinder vielleicht doch werden könnte.

Die nicht kontrollierbare Zahl der Kinder sowie die fehlende Absicherung, dass das Kind tatsächlich von seiner Zeugungsart erfährt, kann problematisch bei privaten Samenspenden sein (siehe dazu auch unser Beitrag Private Samen“spende“ und Co-Parenting). Im Jahr 2023 wurde der niederländische Samenspender Jonathan Jacob Meijer aus den Niederlanden gerichtlich verboten, weitere Kinder zu zeugen, nachdem bekannt geworden war, dass er über 500 Kinder gezeugt hatte (siehe auch unser Beitrag hierzu).

Der mögliche Kontakt zum genetischen Vater und den Halbgeschwistern kann aber sehr positiv bei privaten Samenspenden sein. So sieht es auch unser Mitglied Sina: Es sei toll, dass die Kinder direkt voneinander wüssten und sich treffen könnten. Sie selbst hätte sich gefreut, ihre erst vor kurzem gefundene Halbschwester schon als Kind gekannt zu haben. Trotzdem sei ihr schwer ums Herz geworden, als eine achtjährige Tochter von Gerrit gesagt habe, sie würde sich eigentlich mehr Kontakt zu ihm wünschen.

Sina hatte an einigen Stellen außerdem das Gefühl, dass die Erwachsenen nicht über ihre eigenen Wünsche hinaussehen können: Wenn Gerrit sage, als er ein Baby auf dem Arm halte, das sei nicht sei Kind, stimme faktisch nicht. Es sei sein Kind, wenn auch nicht sozial, doch zumindest biologisch. Sie könne auch nicht mitgehen mit der Aussage einer Mutter, dass es das wichtigste sei, dass die Kinder Wunschkinder seien. Zwar sei es toll, geliebt zu werden, aber damit seien auch Erwartungen verbunden. Sowohl die Mütter wie auch Gerrit würden sich nicht damit beschäftigen, wie es den Kindern damit geht und in Zukunft gehen wird. Trotzdem würde sie sich freuen, wenn es mehr solcher für Kontakt offener, reflektierter Samenspender gäbe. Für die Kinder sei es wichtig und absolut richtig, dass sie mit dem Wissen um ihre Zeugung aufwachsen.

Videoinstallation Dein Papa ist nicht Dein Papa

Spenderkind Julia Walerian hat für ihre Bachelorarbeit in Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin eine Videoinstallation mit dem Titel „Dein Papa ist nicht dein Papa“ gestaltet.

Darin sprechen eine Solomama, ein Reproduktionsmediziner, Spenderkind Verena, ein Samenspender und Verenas sozialer Vater (Verenas Vater) in einer virtuelle Diskussion miteinander. Um die verschiedenen Stimmen klar voneinander abzutrennen, werden die Protagonisten in der Installation jeder für sich, auf einem eigenen Monitor gezeigt. Das Ganze bekommt durch einen semitransparenten Raumtrenner einen intimen Rahmen. Ziel der Arbeit ist es, dass die Betrachtenden den verschiedenen Ansichten zuhören können, um sich dadurch ein ganzheitlicheres Bild der Debatte zu Samenspende und der Bedeutung der eigenen Abstammung zu verschaffen.

Dazu sagt Julia: „Denn nur wenn wir einander zuhören, werden wir weiterkommen, weil wir Zusammenhänge besser verstehen können. So helfen die Argumente anderer, den eigenen Standpunkt zu überdenken und die eigene Haltung zu hinterfragen. Das gelingt nur, wenn man sich auf einen Perspektivwechsel einlässt und sich mit den Argumenten anderer auseinandersetzt.

Weitere Infos sowie den Trailer zum Projekt findet ihr auf der Internetseite des Projekts.

Julia erzählt mehr von der Instalation und über Ihre eigene Geschichte in einem Artikel im Frameless Magazin.

Den Film der Videoinstallation ist auf YouTube zu sehen.

Die Videoinstallation wurde bislang zweimal ausgestellt: im Rahmen einer Fachtagung des Netzwerk Qualitative Familienforschung und beim Fachtag des Arbeitskreis Frauengesundheit. Julia würde sich freuen, wenn die Videoinstallation weitere Ausstellungsorte finden würde – Anfragen leiten wir gerne an Julia weiter.

Vaterschaftsanfechtung durch ein Spenderkind

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Menschen, deren rechtlicher Vater nicht ihr genetischer Vater ist, können die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters anfechten (§ 1600 Absatz 1 Nummer 4 BGB) und damit beseitigen. Das gilt auch für Spenderkinder. ((Die Einwilligung in eine Samenspende führt nur dazu, dass die Mutter und der Vater die Vaterschaft nicht anfechten können. Das gilt aber nicht für das Kind.))

Wenn die Anfechtung erfolgreich ist, hat die Person, die angefochten hat, keinen rechtlichen Vater mehr. Man kann entweder eine Leerstelle im Personenstandsregister lassen und nur noch eine rechtliche Mutter haben oder den genetischen Vater in einem weiteren Verfahren als rechtlichen Vater feststellen lassen1

Geschätzt haben etwa zehn Prozent der Mitglieder des Vereins Spenderkinder die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters angefochten. In dem meisten dieser Fälle hatten die Spenderkinder eine schlechte Beziehung zu ihrem rechtlichen Vater. Teilweise hatten sich die Eltern bereits getrennt und der Kontakt war seit längerem abgerissen. Daher war es den Spenderkindern wichtig, sich auch rechtlich zu lösen. Anderen Spenderkindern war wichtig, dass öffentliche Register ihre genetische Abstammung richtig wiedergeben. Zum Teil haben Spenderkinder auch erst nach dem Tod des rechtlichen Vaters dessen Vaterschaft angefochten, weil sie sich während seiner Lebzeit verpflichtet gefühlt haben, auf seine Gefühle Rücksicht zu nehmen.

Sind mit der Anfechtung Risiken verbunden?

Ob die Anfechtung der Vaterschaft mit Risiken verbunden ist, hängt von der individuellen Situation des Spenderkindes ab:

Erbe

Mit der Anfechtung der Vaterschaft verliert das Kind die Stellung als gesetzlicher Erbe des Vaters, weil sie nicht mehr miteinander verwandt sind. Der Vater kann das Kind aber – wie jeden anderen Dritten – natürlich als Erben in seinem Testament einsetzen. Das Erbrecht hat aber nur Bedeutung, wenn es überhaupt etwas zu erben gibt.

Unterhalt

Mit Wegfall der rechtlichen Verwandtschaft entfällt die Verpflichtung, sich als Verwandten gerader Linie Unterhalt zu gewähren (vgl. § 1601 BGB). Das wirkt sich aber auf beide aus: der Vater ist bei erfolgreicher Anfechtung gegenüber dem Kind nicht mehr zu Unterhalt verpflichtet und das Kind nicht mehr gegenüber dem Vater. Für ein erwachsenes Kind kann die Anfechtung unter Umständen günstig sein, weil es dann bei hohen Pflegekosten des Vaters nicht unterhaltspflichtig ist.

Staatsangehörigkeit

Eine Anfechtung kann Auswirkungen auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben, wenn sich diese von dem rechtlichen Vater ableitet. Ein Verlust der Staatsangehörigkeit wegen einer Vaterschaftsanfechtung ist jedoch nach dem 5. Geburtstag einer Person nicht möglich (§ 17 Absatz 2 Satz 2 Staatsangehörigkeitsgesetz).

Zeugnisverweigerungsrecht

Verwandte in gerader Linie sind im gerichtlichen Verfahren zur Zeugnisverweigerung berechtigt, das entfällt mit Anfechtung ebenfalls.

Familienname

Nach einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung muss das Spenderkind seinen Familiennamen nicht ändern. Es kann aber beantragen, dass es den Namen als Geburtsnamen erhält, den die Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt geführt hat (§ 1617b Absatz 2 Satz 1 BGB). Ist das kein andere Name, weil die Eltern verheiratet waren und den Namen des Vaters als Ehenamen geführt haben, kann das Spenderkind eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nach § 3 Absatz 1 Namensänderungsgesetz beantragen und sich darauf berufen, dass mit der Anfechtung ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

Geburtsurkunde

Nach erfolgreicher Anfechtung informiert das Gericht auch das zuständige Standesamt2. Das Spenderkind kann eine Neuausfertigung der Geburtsurkunde erhalten.

Anfechtungsfrist zwei Jahre

Die Vaterschaftsanfechtung muss innerhalb einer Frist von zwei Jahren erklärt werden. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (§ 1600b Absatz 1 BGB). Sie läuft aber frühestens ab dem 18. Geburtstag (§ 1600 Absatz 3 BGB). Hat ein Kind also im Altern von 6 Jahren von der Samenspende erfahren, kann es bis zum 20. Geburtstag die Vaterschaft anfechten. Erfährt ein Spenderkind erst mit 26 Jahren von der Samenspende, läuft die Frist ab diesem Zeitpunkt.

Die Fristen berechnet sich ab der tagesgenauen Kenntnis von der nicht bestehenden Abstammung zum rechtlichen Vater3. Die Frist wird eingehalten, wenn der Anfechtungsantrag fristgerecht bei Gericht zugeht.

Wiederaufleben der Anfechtungsfrist z. B. bei Tod des Vaters

Die Anfechtungsfrist von zwei Jahren kann aber auch mehrere Jahre nach dem Ablauf erneut zu laufen beginnen. Das Gesetz stellt hierfür auf die Kenntnis von Umständen beim Kind ab, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden (§ 1600b Absatz 6 BGB).

Ein sehr wichtiger Grund für das Wiederaufleben ist der Tod des rechtlichen Vaters. Es wird angenommen, dass sich das Kind zu Lebzeiten des rechtlichen Vaters zu Rücksicht verpflichtet gefühlt hat und man ihm deswegen nicht zumuten konnte, fristgemäß anzufechten. Ab Kenntnis des Todes beginnt die Frist daher erneut zu laufen. Eine andere Fallgruppe ist eine spätere Scheidung der Eltern – aus den oben genannten Gründen. oder wenn der rechtliche Vater eine Straftat gegen das Kind begeht.

Voraussetzungen der Anfechtung

Die Anfechtung muss beim Amtsgericht (als Familiengericht) erklärt werden, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat4. Erforderlich ist ein Antrag, in dem folgendes angegeben wird (§ 171 FamFG):

  • das Ziel (Anfechtung der Vaterschaft),
  • die betroffenen Personen (Beteiligte: Mutter, Vater, Kind),
  • die Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen sowie
  • der Zeitpunkt, zu dem die Umstände bekannt wurden.

Es ist für die Anfechtung nicht erforderlich, dass Mutter oder Vater noch am Leben sind. Wenn der Vater nicht mehr lebt und auch kein DNA-Material vorhanden ist, kann dies allerdings die Einholung eines Abstammungsgutachtens erschweren.

Auch ein minderjähriges Kind kann die Vaterschaft anfechten. Hierbei stellen sich jedoch schwierige Fragen zur Vertretung und inwiefern die Anfechtung dem Kindeswohl dient.

Was passiert im Anfechtungsverfahren vor Gericht?

Die Vaterschaftsanfechtung durch das Kind ist erfolgreich, wenn keine genetische Verwandtschaft besteht und die Anfechtungsfrist eingehalten wurde. Es sind keine Gründe für die Anfechtung erforderlich (z. B. dass keine soziale Beziehung zum Vater mehr vorhanden ist). Zum Teil bestehende soziale Erwartungen wie dass ein Spenderkind gegenüber dem rechtlichen Vater dankbar sein muss, dürfen keine Rolle spielen.

Das Gericht wird einen Termin bestimmen, zu dem alle Beteiligten persönlich erscheinen müssen. Es muss eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt werden5. Die Beteiligten werden dazu angehört, aber auch vernommen. Das Gericht prüft von Amts wegen, ob eine genetische Verwandtschaft besteht. Daher ist ein Anerkenntnis durch den Vater nicht dadurch möglich, dass er auch nicht mehr Vater sein möchte. Grund hierfür ist, dass ein allgemeines öffentliches Interesse daran besteht, dass der familienrechtliche Status wahrheitsgemäß zugeordnet wird und Bestand hat. Auskunftsperson (vergleichbar dem Zeugen) könnte bei einer Samenspende auch der damals behandelnde Arzt sein, falls er sich noch erinnert oder noch Unterlagen besitzt.

Ist ein genetisches Abstammungsgutachten erforderlich?

Das Gericht ordnet bei einer Vaterschaftsanfechtung in der Regel an, dass ein genetisches Abstammungsgutachtens eingeholt wird, um zu überprüfen, ob eine genetische Verwandtschaft zwischen Kind und Vater besteht6. Zum Teil wird auch die Mutter mitgetestet. Die Untersuchungen für die Abstammungsfeststellung müssen die Beteiligten dulden (§ 178 FamFG). Das Gericht kann die Mitwirkung an der Untersuchung mit Zwangsgeld durchsetzen. Für die Probeentnahme wird in der Regel ein Schleimhautabstrich, Speichel, eine Blutprobe, Gewebeproben oder Haare mitsamt der Haarwurzel verwendet.

Ein Auszug aus einer DNA-Datenbank wie Ancestry, 23andme, MyHeritageDNA oder FTDNA ist vor Gericht nicht verwertbar, weil die DNA-Datenbanken eine andere Testmethode verwenden und die Identität der Getesteten nicht überprüfen.

Wurde vor dem gerichtlichen Verfahren mit Zustimmung der anderen Beteiligten ein privates Abstammungsgutachten erstellt, kann das Gericht dieses Gutachten zur Entscheidungsgrundlage machen, wenn die anderen Beteiligten einverstanden sind und keine Zweifel an der Richtigkeit des privaten Gutachtens bestehen7. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass das private Gutachten durch ein nach § 5 Absatz 1 Gendiagnostikgesetz zertifiziertes Institut erstellt wurde. Außerdem muss das Institut bei der Erstellung des Gutachtens die Standards der Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung und an die Qualifikation von ärztlichen und nichtärztlichen Sachverständigen eingehalten haben.

Abstammungsgutachten, denen die anderen Getesteten nicht zugestimmt haben (so genannte heimliche Vaterschaftstests), sind rechtswidrig und daher vor Gericht nicht verwertbar.

Einige Familiengerichte haben bei einer Vaterschaftsanfechtung durch das Kind wegen einer Samenspende darauf verzichtet, ein Abstammungsgutachten einzuholen. In einem Fall lagen neben den Aussagen der Eltern ein Schreiben der Reproduktionsklinik vor, in dem der Samenspender gegenüber der Antragstellerin bezeichnet wurde8. Da aber auch eine solche Auskunft nicht zweifelsfrei ergibt, dass die Abstammung zum rechtlichen Vater nicht besteht, kann es sein, dass das Gericht auch in vergleichbaren Fällen anordnet, dass ein genetisches Gutachten eingeholt werden muss.

Das AG Pankow hat bei einer Samenspende von der Einholung eines genetischen Gutachtens abgesehen, weil der rechtliche Vater bereits verstorben war, kein DNA-Material von ihm vorhanden war, der Vortrag der anderen Beteiligten übereinstimmend war und ein Auszug aus einer DNA-Datenbank vorlag, wonach ein anderer Mann als genetischer Vater gelistet wurde9.

Was kostet die Vaterschaftsanfechtung?

Die Gerichtsgebühren einer Vaterschaftsanfechtung betragen 219 Euro10 Sie werden bereits mit der Stellung des Anfechtungsantrags bei Gericht fällig. Nur wenn sie von dem anfechtenden Kind gezahlt werden, wird der Antrag auch an die anderen Beteiligten zugestellt.

Zu den Gerichtsgebühren hinzu kommen die Kosten der Beweisaufnahme, insbesondere wenn das Gericht anordnet, dass ein genetisches Abstammungsgutachten eingeholt werden muss. Die Kosten für ein gerichtlich angeordnetes Abstammungsgutachten sind unterschiedlich, können aber bis zu 1.000 Euro betragen.

Außergerichtliche Gutachten sind ab ca. 300 Euro erhältlich und damit deutlich günstiger. Sie müssen aber vor dem Verfahren mit Einvernehmen von Vater und Mutter erstellt werden und beide müssen mit der Verwertung im gerichtlichen Verfahren einverstanden sein. Ein außergerichtliches Gutachten eignet sich also nicht, wenn die Eltern die Anfechtung nicht unterstützen oder sie sogar ablehnen.

Alle Beteiligten müssen die Kosten eines Anwalts selbst tragen, wenn sie einen engagieren.

Ist die Anfechtung erfolgreich, müssen die Beteiligten die Gerichtskosten (bestehend aus den Gerichtsgebühren und den Kosten der Beweisaufnahme) zu gleichen Teilen tragen (§ 183 FamFG). Das bedeutet: Leben Mutter und der bisherige Vater noch, muss jeder (Kind, Mutter, Vater) 1/3 der Gerichtskosten tragen. Da das Kind, wenn es die Anfechtung erklärt hat, die Gerichtsgebühren bereits vorstrecken musste, hat es einen Anspruch auf anteilige Kostenerstattung gegen die anderen Beteiligten.

Was ist, wenn ein Spenderkind die Kosten des Verfahrens nicht tragen kann?

Hat ein Spenderkind nur ein geringes Einkommen oder Vermögen, kann es Verfahrenskostenhilfe für eine Vaterschaftsanfechtung beantragen (76 Absatz 1 FamFG). Hierfür finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe muss zusammen mit dem Anfechtungsantrag und einem Formblatt über die persönlichen Verhältnisse eingereicht werden.

Die Verfahrenskostenhilfe kann auch die Kosten für einen Rechtsanwalt umfassen. Da bei der Vaterschaftsanfechtung keine anwaltliche Vertretung erforderlich ist, wird dies nur gewährt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 78 Absatz 2 FamFG). Die Verfahrenskostenhilfe muss unter Umständen zurückgezahlt werden. Über das Verfahren, den Umfang und die eventuelle Rückzahlungspflicht bei Prozesskostenhilfe informiert das Bundesministerium der Justiz auf seiner Internetseite.

Braucht man einen Anwalt für die Vaterschaftsanfechtung?

Vor dem Familiengericht besteht kein Anwaltszwang11. Ein Spenderkind kann also ohne Anwalt bei Gericht auftreten. Aber ist es auch empfehlenswert, als Kind ohne Unterstützung eines Anwalts die Vaterschaft anzufechten? Dabei muss man berücksichtigen, dass man auch bei einer erfolgreichen Anfechtung die Kosten für den Anwalt selbst zahlen muss (wenn keine Rechtsschutzversicherung für Familienrecht besteht).

Die Vaterschaftsanfechtung durch ein volljähriges Kind ist rechtlich nicht sonderlich schwierig, da es – bis auf die fehlende Verwandtschaft und die Einhaltung der Anfechtungsfrist – keine weiteren Voraussetzungen gibt. Wer bereit ist, sich gut vorzubereiten, kann sich auch selbst vor dem Familiengericht vertreten. Für den Anfechtungsantrag gibt es Muster, man kann aber notfalls auch zur Geschäftsstelle des Gerichts gehen und sich helfen lassen. Im Anfechtungsverfahren besteht anders als im normalen familiengerichtlichen Verfahren nur ein eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz12. Das Gericht darf von Amts wegen nur Tatsachen berücksichtigen, die für die Vaterschaft sprechen. Tatsachen, die dagegen sprechen, muss der Antragsteller selbst vorbringen. Bei einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten wird das Gericht aber vermutlich schon in gewissem Umfang unterstützen.

Wir würden die Unterstützung durch einen Anwalt empfehlen, wenn man sich selbst nicht gut vorbereiten kann / möchte, die anderen Beteiligten voraussichtlich Einwände vorbringen werden, die Einhaltung der Anfechtungsfrist angezweifelt werden könnte oder das Gericht dazu bewegt werden soll, kein Abstammungsgutachten einzuholen. Allerdings haben einige Spenderkinder Schwierigkeiten gehabt, einen Anwalt oder eine Anwältin zu finden, die bereit waren, die Vaterschaftsanfechtung zu übernehmen. Grund hierfür könnte sein, dass die gesetzlichen Gebühren vergleichsweise gering sind.

  1. Eine Feststellung ist nach § 1600d Absatz 4 BGB ausgeschlossen, wenn das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde. Das gilt allerdings erst seit dem 1. Juli 2018 für Kinder, die seitdem gezeugt wurden. []
  2. § 56 Absatz 1 Nr. 1 Ziff b) Personenstandsverordnung. []
  3. § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 BGB. []
  4. § 170 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG, § 23a Absatz 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz. []
  5. § 177 Absatz 2, 3 FamFG []
  6. Musielak/Borth FamFG § 177 Rn. 2. []
  7. § 177 Absatz 2 Satz 2 FamFG. []
  8. AG Nürnberg, Beschluss vom 8.10.2013, Az. 107 F 2604/13. []
  9. AG Pankow/Weißensee, Beschluss vom 29.10.2018, Az. 26 F 5828/18. []
  10. Stand Oktober 2024, nach § 47 Absatz 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert bei einer Vaterschaftsanfechtung 2.000 Euro. Daraus ergeben sich Gerichtsgebühren von 219 Euro. []
  11. §§ 114, 10 FamFG. []
  12. § 177 FamFG. []

Neue Fachpublikation zu innerfamiliären Herausforderungen erwachsener Spenderkinder

Der Bioethiker Tobias Bauer und die Psychologin Anne Meier-Credner haben einen weiteren Fachartikel über ihre Befragung von Spenderkindern in Deutschland veröffentlicht:

Bauer, T., & Meier-Credner, A. (2024). Intra-familial dynamics of knowledge and ignorance experienced by donor-conceived adults in Germany. SN Social Sciences, 4, 163. https://doi.org/10.1007/s43545-024-00967-w, frei verfügbar abrufbar auf der Journal-Website.

Der Artikel sensibilisiert dafür, welche Herausforderungen Spenderkinder neben ihrer Aufklärung erleben: Sie müssen das neue Wissen nicht nur in ihre eigene Identität integrieren, sondern sind auch damit konfrontiert, wie ihre Familienmitglieder mit dieser Tatsache umgehen. Dabei sind innerfamiliäre Dynamiken von Wissen und Nichtwissen zentral.

Grundlage für den Artikel sind Daten der Spenderkinderstudie2020, die mit 59 Teilnehmenden zwischen 21 und 46 Jahren die bislang größte Studie an Spenderkindern aus Deutschland ist. Die Teilnehmenden wurden zwischen 1974 und 1999 gezeugt und im Alter von 5 bis 46 Jahren aufgeklärt.

Eine thematische qualitative Textanalyse ergab vier Hauptthemen mit denen sich erwachsene Spenderkinder konfrontiert sehen:

1. Die Nicht-Absolutheit des Nichtwissens vor der Aufklärung: So hatten manche Spenderkinder z.B. bereits vor ihrer Aufklärung Vermutungen zu ihrer anderen Herkunft.

2. Neue Nichtwissensbereiche nach der Aufklärung: z.B. darüber, wer der genetische Vater ist und wie viele Halbgeschwister es gibt, aber auch darüber, wer sonst von ihrer Entstehungsweise weiß und wie sie mit den Geschwistern, mit denen sie aufgewachsen sind, verwandt sind.

3. Umgangsweisen mit dem neu erworbenen Wissen: Manche Spenderkinder streben die Weitergabe ihres Wissens an. Andere möchten, dass – zumindest bestimmte Personen – nichts von ihrer anderen Herkunft erfahren. Wissende Familienmitglieder vermeiden das Thema teilweise untereinander.

4. Konkurrierende Besitzansprüche auf Wissen und Nicht-Wissen: z.B. wenn Eltern das Recht ihrer Kinder auf Wissen nicht anerkennen oder wenn Eltern und Spenderkinder sich uneinig darüber sind, welche weiteren Personen informiert werden sollen. Dazu gehören auch Konstellationen wie die, dass ein Kind bereits um seine Entstehungsweise und die seiner noch unwissenden Geschwister weiß.

Der erste Artikel zur Spenderkinderkinderstudie2020 beschreibt die vielfältigen Umstände, unter denen die Teilnehmenden von ihrer Entstehungsweise erfahren haben und welche Einflüsse der Aufklärung auf die Beziehung zu verschiedenen Familienmitgliedern sie berichten.