Archiv für den Monat: Mai 2014

Teilnahme an der Tagung des deutschen Ethikrates

Stina und Anne haben an der diesjährigen Tagung des deutschen Ethikrates zum Thema (zum Thema) „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. Individuelle Lebensentwürfe – Familie – Gesellschaft“ am 22. Mai in Berlin teilgenommen. Bei der Tagung wurde diskutiert, was Familie heute vor dem Hintergrund von Reproduktionsmedizin bedeutet, inwiefern Menschen ein Recht auf Fortpflanzung haben und ob bestimmte Verfahren – die Eizellhüllenspende, Eizellspende, Leihmutterschaft und social freezing – in Deutschland zugelassen werden sollten.

Schon im Vorhinein hatten wir kritisiert, dass das Programm nur vorsah, dass über die mit Reproduktionsmedizin gezeugten Menschen gesprochen wird, wir als unmittelbar Betroffene aber nicht selbst eine Stellungnahme dazu abgeben konnten. Vielleicht ist bei manchen Menschen immer noch nicht angekommen, dass es uns gibt und wir auch nicht mehr alle im Kindesalter sind. Daher konnten wir unsere Perspektive nur wie jeder andere Teilnehmer nach den Vorträgen am Mikrophon äußern.

In dem morgendlichen Vortrag von Georg Griesinger vom universitären Kinderwunschzentrum Lübeck übermögliche reproduktive Verfahren wurde sehr deutlich, dass Kinderwunsch für viele Ärzte eine Dienstleistung ist, bei der die Frage, wie es den damit verbundenen Menschen damit geht, eher untergeordnet ist. Frau Prof. Coester-Waltjen, deren Meinung wir im Zusammenhang mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung sehr schätzen, forderte in ihrem rechtlichen Vortrag die Zulassung von Eizellspende in Deutschland und die Anerkennung von Leihmutterschaftsverträgen aus anderen Ländern. Auch hierbei kamen die Belange der gezeugten Kinder – gespaltene Mutterschaft und Behandlung des mit einer Leihmutterschaft gezeugten Kindes als Handelsobjekt – nicht vor.

In dem Vortrag von Claudia Wiesemann, Mitglied des Deutschen Ethikrates, wurde die „reproduktive Autonomie“ der Eltern stark betont. Die Darstellung dieses „Rechts“ vor dem Hintergrund von in der Vergangenheit in einigen Ländern erfolgten Zwangssterilisationen und -adoptionen und der Vergleich mit dem Recht auf Bildung ließen das Recht auf die Inanspruchnahe von Reproduktionsmedizin jedoch geradezu zwingend erscheinen und ließen aus unserer Sicht außer Acht, dass bei Reproduktionsmedizin ein neuer Mensch entsteht, dessen Rechte ebenfalls geachtet werden müssen. Pervertiert auf die Spitze getrieben wurde das ganze mit dem Argument, dass Eizellspende gerade zum Schutze des Kindeswohls in Deutschland erlaubt werden müsse, damit Paare nicht auf anonyme Spenden im Ausland zurückgreifen „müssten“, so dass es dem Kind nahezu unmöglich ist, seine Abstammung zu erfahren.

Kindzentrierter gab sich Eberhard Schockenhoff, MItglied des Deutschen Ethikrates, der vor allem auf die Bedeutung der Familie für die Entwicklung eines Kindes hinwies, in der sich das Kind bedingungslos angenommen weiß. Er wies darauf hin, dass es für Kinder wichtig sei, zwei Eltern zu erleben, die auch untereinander füreinander da sind und dem Kind eine erwachsene Beziehung vorleben. Kritisch äußerte er sich in diesem Zusammenhang für Singlefrauen, die eine Samenspende zur Befriedigung ihres Kinderwunsches in Anspruch nehmen. Er erinnerte daran, Kinder als Subjekte und nicht als Projektion elterlicher Wünsche wahrzunehmen.

In dem Forum zu Eizellspende und Leihmutterschaft waren die Vorträge immerhin kritisch zu diesen Verfahren, allerdings vor allem aus Gründen des Schutzes der Eizellspenderin und der Leihmutter. In der Diskussion verglich dann ein Mitglied des Ethikrates eine Eizellspende sogar mit einer Blutspende, die ja auch risikoreich sei, und natürlich durfte auch das beliebte Argument nicht fehlen, das die damit gezeugten Kinder doch „gewolllt“ seien, was viele wohl als gleichbedeutend mit dem Kindeswohl sahen. Stina trug am Publikumsmikrophon die Position von Spenderkinder zu Eizellspende vor und wies darauf hin, dass Samenspenden in Deutschland immer noch unzureichend rechtlich geregelt sind und dies der Zulassung neuer Reproduktionsverfahren voran gehen müsse.

Zu dieser eher elternbezogenen und reproduktionstechnologie-freundlichen Diskussion hob sich die Abschlussdiskussion mit den Politikern Hubert Hüppe (CDU), Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) und Kathrin Vogler (Die Linke) wohltuend hervor (Audioprotokoll). Diese ließen insbesondere nicht das Argument gelten, man müsse Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland anerkennen, weil es ansonsten im Ausland durchgeführt würde. Dies würde ansonsten zu einem Ethikdumping führen.

Die Position des Vereins Spenderkinder zu Eizellspende

Immer wieder vergleichen Medienberichte die in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verbotene Eizellspende mit Samenspenden und stellen das Verbot als unfaire Ungleichbehandlung dar. Auch bei der diesjährigen Tagung des Ethikrats wird das Verbot der Eizellspende (neben Leihmutterschaft) diskutiert werden. Aber ist eine Eizellspende wirklich mit einer Samenspende vergleichbar? Aus unserer Sicht sprechen gute Gründe für die Beibehaltung des Verbots. Sollte Eizellspende in Deutschland trotzdem zugelassen werden, dann nur unter umfangreichen begleitenden Regelungen in einem Fortpflanzungsmedizingesetz.

Gesetzgeber möchte mit Verbot gespaltene Mutterschaft verhindern

Nach der Begründung des Embryonenschutzgesetzes aus dem Jahr 1989 (Bundestags-Drucksache11/5460) soll mit dem Verbot der Eizellspende eine Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische Mutter – die Eizellspenderin – und eine austragende Mutter verhindert werden. Der Gesetzgeber befürchtet, dass diese gespaltene Mutterschaft zu besonderen Schwierigkeiten bei der Selbstfindung des Kindes führt und negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung hat, weil dieses entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zur austragenden Mutter geprägt wird.

Unterschiede zur Samenspende

Einige unserer Mitglieder können diesen Grund gut nachvollziehen. Der Unterschied zur Samenspende ist, dass das Kind bei einer Eizellspende genetisch von der einen Mutter abstammt, während die andere Mutter durch das Austragen ganz existenziell dazu beigetragen hat, dass sich der Embryo zu einem ausgewachsenen Menschen entwickelt. Beide Mütter übernehmen also biologische, existenzielle Komponenten, während bei der Samenspende die Aufteilung in biologisch und sozial klar ist. Diese Aufspaltung empfinden einige von uns als deutliche Herausforderung für das Selbstbild. Diese könnte noch schwieriger dadurch werden, dass die Bindung zur Mutter eine andere als zum Vater ist.

Auch halten einige von uns die Eizellspende für schwieriger, weil sie künstlicher als eine Samenspende ist. Bei der Samenspende hat die Mutter ein Kind mit einem anderen Mann (wenn auch ohne sexuellen Akt), während bei der Eizellspende die Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wird, wo sie auf natürlichem Wege nicht herangewachsen wäre.

Andere Mitglieder von Spenderkinder sehen die gespaltene Mutterschaft bei einer Eizellspende nicht grundsätzlich als Problem, so lange die Eltern – wie sie es bei der Samenspende sollten – von Anfang an offen mit dieser Entstehungsweise umgehen und die Eizellspenderin gegenüber dem Kind nicht anonym ist.

Kommerzialisierung als besonderes Problem der Eizellspende

Ein weiterer sehr bedenklicher Aspekt bei der Eizellspende ist jedoch die mögliche Kommerzialisierung. Die Entnahme von Eizellen ist ein nicht ungefährlicher medizinischer Eingriff, der eine belastende Hormonbehandlung zur Stimulierung der Eierstöcke und eine Entnahme unter Narkose erfordert. Die Hormonbehandlung kann in Extremfällen zu Nierenversagen und Thrombosen führen. In Spanien beträgt die „Aufwandsentschädigung“ für eine Eizellspende wegen dieser Risiken daher etwa 900 Euro. Eine solche Summe ist finanziell stark motivierend und stellt eigentlich keine Spende mehr dar. Für die „Spenderin“ kann die Inaussichtstellung einer solchen Summe dazu führen, dass sie nicht an die Folgen ihrer Spende (die Zeugung eines Kindes, das sie möglicherweise einmal kennenlernen möchte) und die Gefahren für ihren eigenen Körper denkt. Für uns Spenderkinder ist die Vorstellung außerdem belastend, dass unsere genetischen Eltern ihre Samen- oder Eizellen nur aufgrund des Geldes „gespendet“ haben.

Fortpflanzungstourismus kein Argument für Zulassung in Deutschland

Das Argument, nur bei einer Zulassung der Eizellspende in Deutschland könnte das Recht der betroffenen Kinder auf Kenntnis ihrerAbstammung gewahrt werden, weil deutsche Frauen dann keine zwingend anonymen Eizellspenden in Tschechien und Spanien mehr in Anspruch nehmen müssen, finden wir dagegen nicht überzeugend. Der Verstoß gegen ein Verbot kann nicht dazu führen, dass man diese Handlung erlaubt. Auch hat ein Verbot die Wirkung, dass die Betroffenen zumindest über den Grund des Verbots nachdenken und für die Umgehung einen deutlich höheren Aufwand betreiben müssen. Im Übrigen könnte der Reproduktionstourismus von Deutschland aus auch eingedämmt werden, indem das Verbot der ärztlichen Vermittlung stärker durchgesetzt wird und die Werbung von tschechischen und spanischen Kliniken über Internet-Suchmaschinen in Deutschland untersagt wird.

Wenn überhaupt, Zulassung in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen

Wenn Eizellspenden in Deutschland trotz dieser Bedenken zugelassen werden sollte, dann nur unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Um die Fehler nicht zu wiederholen, die bei der Samenspende gemacht wurden, kann das Verfahren nicht einfach zugelassen werden, sondern muss von umfassenden Regelungen im Rahmen eines Fortpflanzungsgesetzes begleitet werden.
  • In diesem sollten die Forderungen umgesetzt werden, die wir für Samenspenden aufgestellt haben, insbesondere die Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung durch Eintragung der Spender in die Geburtsurkunde oder in einem unabhängigen Zentralregister, und eine vorherige verpflichtende Beratung für die Empfängerin.
  • Zur Verhinderung der Kommerzialisierung der Eizellspende sollten nur unentgeltliche Eizellspenden zugelassen werden. So könnten zum Beispiel Frauen, denen Eizellen für eine In-vitro-Fertilisation entnommen werden, überzählige Eizellen spenden. Entsprechend der Regelungen bei Organspenden könnten außerdem Spenden von Verwandten und engen Freunden erlaubt werden, wenn diese über die möglichen emotionalen Komplikationen aufgeklärt wurden.
  • Da Frauen – anders als Männer – natürlich nur bis zu einem bestimmten Alter schwanger werden können, sollte eine Altersgrenze für die Empfängerinnen festgelegt werden, um die Zeugung so natürlich wie möglich zu halten. Eine Eizellspende sollte außerdem nicht nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Familienplanung zu lange aufgeschoben wurde.
  • Eine Kombination von Eizell- und Samenspenden (fälschlicherweise teilweise als Embryonenspende bezeichnet) muss verboten werden. Kein Kind sollte zwei Spender als Eltern haben, die sich noch nicht einmal kannten, weil diese vollkommen künstliche Erzeugung sehr hohe Anforderungen an die Selbstfindung stellt.
  • Werbung für anonyme Eizellspenden, wie sie im Moment zum Beispiel bei der Eingabe des Suchworts „Eizellspende“ bei Internet-Suchmaschinen erscheint, sollte verboten werden.

Überarbeitung von Psychologisches online

Bestimmte Annahmen wie „Die Spender wollen doch eh nur Geld“ oder „eine frühe Aufklärung verstört Spenderkinder“ sind leider weit verbreitet. Sieht man sich jedoch die dazu vorhandenen Studien an, stellt man fest: das stimmt gar nicht. Die am häufigsten geäußerte Motivation von Samen- und Eizellspendern ist, anderen helfen zu wollen, und früh aufgeklärte Spenderkinder wie auch deren Eltern berichten ausschließlich positive Erfahrungen mit früher Aufklärung.

Seit ein paar Tagen ist nun das lang gehegte Projekt von uns fertig gestellt, die Seite Psychologisches zu überarbeiten. Neu ist, dass zu den einzelnen, mit Familienbildung durch Reproduktionsmedizin verbundenen Themen die Ergebnisse der dazu vorhandenen Studien vorgestellt werden. Alle Quellen sind mit Fußnoten mit der genauen Fundstelle belegt. Viele der Studien sind online kostenlos zugänglich, so dass alle, die noch mehr dazu wissen möchten, auch das Original nachlesen können. Das lohnt sich durchaus, da eine kurze Darstellung der Ergebnisse natürlich nicht einen ganzen Aufsatz zu dem Thema mit O-Tönen der Befragten ersetzen kann. Manche Studien betreffen Samen- und Eizellspende, Studien die ausschließlich Eizellspenden betreffen, haben wir wegen des Verbots in Deutschland jedoch nicht aufgenommen.

Über die Repräsentativität der Studien kann man natürlich geteilter Auffassung sein. Da es teilweise schwierig ist, an die Beteiligten heranzukommen, nehmen natürlich eher Personen teil, für die dieses Thema einen nicht unwichtigen Teil ihres Lebens darstellt. Wahrscheinlich nehmen daher eher aufklärende Eltern, Eltern mit einer positiven Familiensituation, offene Spender und an ihrer Abstammung interessierte Spenderkinder an den Studien teil. Fast unmöglich ist es, die Situation von nicht über die Zeugung durch Samenspende aufgeklärten Spenderkinder zu untersuchen. Oft sind die Teilnehmerzahlen gering, oder die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgt über einschlägige Netzwerke wie das Donor Siblings Registry. Trotzdem sind die Studien wichtig, denn sie basieren immerhin auf einer Untersuchung und den Erfahrungen der Betroffenen – alles andere ist nur Spekulation.

Wir hoffen, dass die Zusammenstellung eine Hilfe für alle sein wird, die sich mehr mit Fragen der Motivation der von einer Familienbildung durch Samen- und Eizellspende betroffenen Personen auseinandersetzen möchten. Wir freuen uns außerdem über Nachrichten zu neuen oder noch nicht aufgeführten Studien.