Anna

Im Juni 2005 brach meine Mutter das Geheimnis, das sie während 26 Jahren ausschliesslich mit meinem Vater geteilt hatte, mit den Worten : “dein Vater ist nicht dein biologischer Vater”. In diesem Moment war mir alles andere als bewusst, welche Tragweite dieser Satz für mein weiteres Leben haben würde. Es dauerte einige Tage bis die Worte sich mit Inhalt und Bedeutung füllten. Doch je klarer ihre Bedeutung wurde, desto stärker fühlte ich meine Identität bedroht.

Als Älteste von 3 Schwestern war mir zu keiner Zeit in meinem bisherigem Leben der Verdacht aufgekommen, dass ich einen anderen biologischen Vater als meine beiden jüngeren Schwestern haben könnte. Zur Verständlichkeit möchte ich hinzufügen: meine Schwestern sind die leiblichen Kinder meines Vaters und haben somit meinen Eltern bewiesen, dass Ärzte nicht immer für alles eine Erklärung haben. Mein Vater bleibt mein Vater, da er diese Funktion in meinem Leben hat und ich mich ihm gegenüber als Tochter fühle. Meinen biologischen Vater nenne ich Spender.

Da wir drei Schwestern uns äußerlich und auch vom Charakter wenig gleichen und jede von uns auf ihre Art eigen ist, gab es, wie gesagt, keinen Anlass für mich unseren Verwandschaftsgrad anzuzweifeln. Trotz unser Verschiedenartigkeit würde ich das Verhältnis zu meinen Schwestern jedoch als innig und belastbar beschreiben.
Nun kam diese Wahrheit, die solche tiefgreifende Fragen wie “Wer bin ich?”, “Wie ordne ich mich in eine Abfolge von Generationen ein?”, “Wo sind meine Wurzeln?” oder “Habe ich überhaupt ein Recht zu exististieren?” schreiend macht.

Natürlich waren meine ersten Gefühlsregungen nach dem anfänglichen Schock von Wut und Enttäuschung aber auch von grosser Traurigkeit geprägt. Jedoch möchte ich es meiner Mutter hoch anrechnen, dass sie den Mut hatte mir die Wahrheit zu sagen und somit auch das Risiko auf sich nahm unsere Beziehung aufs Spiel zu setzen. Sie hat mich als einen ihr gleichwertigen Menschen anerkannt, indem sie das Wissen über meine Zeugung, das ihr auch einen gewissen Machtvorsprung über mich gab ( da Wissen= Macht), mit mir teilte.

Im letzten Jahr hatte ich, im Rahmen von Dreharbeiten für einen Film, die Mittel intensiver nach meinem Spender zu suchen. Ich machte einen potentiellen Spender ausfindig ( im Donor Sibling Registry), der auch einwilligte mich zu treffen. Es folgten Wochen der Hoffnung und ein DNA- Test, der wieder jegliche Hoffnung zerschlug.

Es ist nicht einfach für die Familienmitglieder die Motive der Spendersuche zu verstehen. Ein Spender aus Fleisch und Blut droht das bestehende Familiengleichgewicht ( oder Ungleichgewicht) ins Wanken zu bringen; einem Geist wird ein Platz gegeben… für mich ein guter Geist….