Am Dienstag, den 13. Juli, wurde um 22.15 Uhr in der ZDF-Sendereihe 37 Grad die Dokumentation Der blinde Fleck in meinem Leben. Die Ungewissheit einer Samenspende von Julia Kaulbars gezeigt. Darin berichtet auf der einen Seite der ehemalige „Samenspender“ Peter wie er sich für seine genetischen Kinder findbar macht und auf der anderen Seite Spenderkind Astrid von ihrer erfolgreichen Suche nach ihrem genetischen Vater. Die Sendung ist weiterhin über den Link abrufbar.
Peter gab von Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre in der Samenbank in Essen Samen ab. Er erfährt, dass viele Spenderkinder auf der Suche nach ihren genetischen Vätern sind und entschließt sich daraufhin, sich in DNA-Datenbanken zu registrieren, damit er gefunden werden kann.
Astrid erfährt im Alter von 40 Jahren von ihrer Entstehungsweise, nachdem sie ihr Leben lang das Gefühl hatte, dass etwas in ihrer Familie nicht stimmt. Daraufhin macht sie sich auf die Suche nach ihrem genetischen Vater.
Wir Spenderkinder wünschen uns sehr, dass weitere „Samenspender“ Peters Beispiel folgen, zu ihren genetischen Kindern stehen und sich am besten in einer DNA-Datenbank registrieren. So können suchende Kinder sie direkt finden. Alternativ freuen wir uns auch, wenn sich ehemalige „Samenspender“ direkt bei unserem Verein melden und zum Beispiel ein Suchprofil auf unsere Homepage setzen.
Rechtliche Ergänzung zur Doku: Auch vor 2018 gezeugte Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern sind. Darauf wies bereits 1970 der Justiziar der Bundesärztekammer im Zusammenhang zur Samenvermittlung hin. Bis 2018 gezeugte Spenderkinder sind dazu jedoch auf die Auskunftsbereitschaft der Ärzte angewiesen, die den Samen vermittelten. Deswegen ist es so wichtig, dass es seit 2018 ein zentrales Register gibt, bei dem Spenderkinder unabhängig von einzelnen Ärzten Auskunft erhalten können.
Am Vortag gab es in Verbindung mit einer Vorschau zur Doku ein Interview mit Spenderkindervorstandsmitglied Anne zu psychologischen Aspekten bei Samenvermittlung im ZDF-Servicemagazin Volle Kanne.
Begriffe wie
„Spende“, „Spender“ oder „Spendersamenbehandlung“
beinhalten eine positive Wertung, die jedoch gleichzeitig die
dahinter stehenden Personen nicht als Mensch sichtbar macht. Wir
bevorzugen daher die Begriffe „Samenvermittlung“, „genetischer
Vater“ sowie „Familiengründung zu dritt“.
Manchmal verwenden wir für den Verein trotzdem die bekannten „Spende“-Begriffe, weil die meisten Menschen sie ohne zusätzliche Erklärung verstehen. Das betrifft auch unseren Vereinsnamen „Spenderkinder“, der kurz und treffend unsere Situation deutlich macht. Um heraus zu stellen, dass wir die Begriffe kritisch hinterfragen, setzen wir sie inzwischen oft in Anführungszeichen.
Weswegen wir die oben genannten Begriffe ablehnen, erklären wir gerne genauer:
1. „Spende“ – positiv besetzter Begriff täuscht über Schattenseite
Der Begriff „Spende“ ist einseitig positiv besetzt: Großzügige Menschen spenden z. B. Geld oder alte Kleider. Bei Samen geht es jedoch um die Zeugung von Kindern. Das hat aber auch weniger positive Aspekte. So wird gezielt ein Mann als genetischer Vater gewählt, der (zunächst) kein Interesse am Kind als Person hat. Das ist potenziell verletzend für den entstehenden Menschen.
Bei einer Spende gibt es eigentlich keine Gegenleistung. Nach § 17 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes ist Organ- und Gewebehandel verboten. Erlaubt ist lediglich eine Aufwandsentschädigung. Dennoch geben viele „Samenspender“ den finanziellen Zugewinn als ein Hauptmotiv an1 und viele Samenbanken werben damit offensiv um „Spender“. Zutreffenderweise müsste man sie daher eigentlich „Verkäufer“ nennen. Für Spenderkinder kann es verletzend sein zu wissen, dass ihr genetischer Vater vor allem finanziell zu ihrer Zeugung motiviert war.
2. „Spender“ oder Vater?
Der Begriff des „Spenders“ verstellt den Blick dafür, dass es sich um den genetischen Vater des Kindes handelt. Er entspricht der Elternperspektive, denen etwas gegeben wird. 2
Die Bezeichnung „Spender“ reduziert die Bedeutung des genetischen Vaters auf eine Funktion. Leiblicher Vater zu sein ist aber kein Beruf wie „Verkäufer“. Es bedeutet, in einer unauflösbaren Beziehung zum Kind zu stehen.
3. „Behandlung“? – Frauen, denen Samen vermittelt wird, sind nicht unfruchtbar
Die
Befruchtung mit dem Samen eines (anderen) Mannes ist keine
Behandlung von Unfruchtbarkeit: An der Unfruchtbarkeit des Partners
ändert sich dadurch nichts.
Bei
lesbischen oder alleinstehenden Frauen liegt üblicherweise keine
Unfruchtbarkeit vor.
Samenvermittlung
ist auch keine Kinderwunschbehandlung. Am Kinderwunsch ändert sich
durch die Befruchtung nichts. Es eine Form der
Kinderwunscherfüllung. Würde die Erfüllung des Kinderwunsches als
Behandlung gewertet, würde das Kind zum Heilmittel und damit zum
Objekt.
4. Familiengründung mit Hilfe Dritter – wem wird geholfen?
Gelegentlich
wird die Bezeichnung „Familiengründung mit Hilfe Dritter“
verwendet. In dieser Bezeichnung ist zwar eine dritte Person
erkennbar. Diese erhält jedoch eindeutig eine Helferrolle und wird
damit nicht als gleichwertiger Elternteil gesehen.
Auch
diese Bezeichnung entspringt der Elternperspektive: Dem Kind hilft
dieser Elternteil überhaupt nicht, vielmehr muss das Kind davon
ausgehen, dass er kein Interesse an ihm hat.
5. Angewiesen auf Keimzellen Dritter – ein Kind zur Linderung der eigenen Not?
Gelegentlich
kann man Formulierungen lesen, dass Wunscheltern auf eine
Samenvermittlung oder andere Formen der Keimzellvermittlung
angewiesen
seien.
Das
stimmt natürlich nicht: Es gibt auch andere Formen der
Familiengründung wie Co-Parenting. Außerdem kann man sich auch
bewusst entscheiden, einen Wunsch nicht zu erfüllen.
Eine
„Angewiesenheit“ setzt die Erfüllung des Kindeswunsches
absolut. Das Fortpflanzungsrecht beinhaltet die Freiheit, die
eigenen Fortpflanzungsfähigkeiten zu nutzen. Es gibt aber keinen
Anspruch, die dafür erforderlichen Ressourcen bereitgestellt zu
bekommen, weder einen fortpflanzungswilligen Partner/Partnerin noch
die Erfüllung des Kinderwunsches an sich.
Wird
ein Kind als Heilmittel zur Linderung der Not seiner Eltern
betrachtet, berührt das seine Würde im Kern. Es existiert dann zum
Zweck Anderer und nicht mehr zum Selbstzweck.
Auf unserer Internetseite haben wir seit dem Jahr 2013 jeweils eine Nachricht veröffentlicht, wenn eines unserer Mitglieder den genetischen Vater oder Halbgeschwister gefunden hatte (am besten auffindbar unter Stichworte – Verwandtentreffer).
Obwohl die Geschichten vom Suchen und Finden teilweise wirklich schön waren, haben wir im Sommer 2018, ungefähr nach dem 20. Halbgeschwistertreffer, damit aufgehört. Inzwischen gibt es so viele Erfolgsmeldungen, dass wir gar nicht mehr hinterherkommen würden, für jede eine eigene Meldung zu verfassen (und vermutlich möchte das auch niemand lesen). So haben allein im Jahr 2020 mindestens acht Spenderkinder herausgefunden, wer ihr genetischer Vater ist. Außerdem hatten wir mindestens 15 neue Halbgeschwistertreffer. Wir hatten also in diesem Jahr genauso viele Treffer wie in zuvor in fünf Jahren (2013 bis Mitte 2018).
Außerdem schien uns die Zählweise nach Treffern nicht mehr ganz zu passen, weil einige Halbgeschwister-Treffer oder Vater-Kind-Treffer später erweitert wurden, wenn weitere Spenderkinder einen DNA-Test gemacht hatten. Daher sind wir im Sommer 2018 dazu übergegangen, nur noch Gruppen zu zählen. Stand September 20231 haben wir
73 Halbgeschwistergruppen, die aus zwei bis neun Familien bestehen, und
53 Vater – Kind(er) Gruppen.
Die Zählung in Gruppen ist für uns aufschlussreicher, weil wir daran besser nachvollziehen können, für wie viele Familien der Samen einer Person in welchem Zeitraum eingesetzt wurde. Die drei größten Halbgeschwistergruppen aus Bad Nauheim, Essen und München bestehen jeweils aus neun Familien. Bei diesen Gruppen gehen wir davon aus, dass es noch wesentlich mehr Halbgeschwister gibt, die lediglich nichts von ihrer Abstammung wissen oder nicht in DNA-Datenbanken registriert sind. Und das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Von einigen Personen wissen wir, dass sie über viele Jahre, zum Teil bis zu 25 Jahre lang, wöchentlich Sperma zur Vermittlung abgegeben haben. Ein Arzt aus München hat in einem Gerichtsprozess erwähnt, dass er über 100 Schwangerschaften durch einen Mann dokumentiert hat. Viele Ärzte haben die ihnen bekannt gewordenen Schwangerschaften vermutlich lieber erst gar nicht dokumentiert.
Von insgesamt 265 Spenderkindern, von denen wir wissen, dass sie einen beliebigen DNA-Test gemacht haben, haben 184 Personen Halbgeschwister oder den genetischen Vater oder beide gefunden (Stand Januar 2021). Es ist wahrscheinlicher, Halbgeschwister zu finden als den genetischen Vater. Bei den Vater-Kind-Gruppen wurde die Verwandtschaft zum Teil durch Auskunft durch Ärzte oder Kliniken entdeckt. Die Halbgeschwister-Verbindungen wurden mit zwei Ausnahmen ausschließlich durch DNA-Datenbanken aufgedeckt.
Wir werden versuchen, die Zahlen regelmäßig zu aktualisieren [↩]
Als Alternative zu einer Samen“spende“1 (im Folgenden Samenvermittlung) über eine Samenbank oder einen Arzt, die zunächst anonym erfolgt, werden oft die private Samenvermittlung und Co-Parenting genannt. Die wesentlichen Unterschiede zu einer ärztlichen Samenvermittlung sind, dass die Wunscheltern sich den genetischen Vater des Kindes selbst aussuchen und es wahrscheinlicher ist, dass die Eltern es über seine Entstehung schon früh aufklären.
Beide Konzepte sind recht unterschiedlich. Der entscheidende Unterschied aus Sicht des Kindes ist, dass der genetische Vater bei Co-Parenting eine Bedeutung im Leben des Kindes einnehmen soll, bei einer privaten Samenvermittlung eher nicht. Dennoch können die Übergänge zur privaten Samenvermittlung fließend sein, z. B. wenn der Vater das Kind einmal im Jahr besucht oder er eine väterliche emotionale Beziehung zum Kind entwickelt oder auch in finanzieller oder anderweitiger Hinsicht Verantwortung für das Kind übernimmt.2
1. Private Samenvermittlung
Bei einer privaten Samenvermittlung gibt ein Mann ohne Zwischenschaltung eines Arztes oder einer Samenbank seinen Samen einer Frau (alleinstehend oder mit Partner/in), zu der er keine Liebesbeziehung hat, damit ein Kind entsteht. Wie bei einer ärztlichen Samenvermittlung ist dabei meist nicht gewollt, dass der genetische Vater als Person eine Bedeutung im Leben des Kindes einnimmt und Verantwortung übernimmt.
Motivation von „Spendern“ und Empfängerinnen
Zur Motivation für eine private Samenvermittlung existieren unseres Wissens nach keine Untersuchungen, daher beruhen unsere Einschätzungen vor allem auf Medienberichten, eigenen Kontakten und Internetrecherchen. Manche privaten Samen“spender“ sind finanziell motiviert, weil die „Spender“ (in dem Fall dann eher “Verkäufer”) ohne Einschaltung einer Samenbank mehr Geld fordern können, als sie normalerweise als „Aufwandsentschädigung“ von einer Samenbank erhalten würden. Andere private Samen“spender“ möchten gern Kinder zeugen, zum Teil ausdrücklich sehr viele Kinder.3 Andere schätzen das Gefühl, von den empfangenden Frauen gebraucht zu werden, den Wunscheltern “helfen” zu können4 oder als attraktiver genetischer Vater angesehen zu werden. Manche privat „spendende“ Männer wollen sich und ihr Erbgut “streuen”.5 Manche haben auch sexuelle Interessen und bestehen auf eine „natürliche“ Zeugung, d.h. dass sie fordern, zur Zeugung des Kindes Geschlechtsverkehr zu haben. In Fällen, in denen weder finanzielle Forderungen gestellt noch “unmoralische Angebote” unterbreitet werden, ist es schwieriger auf die Motivlage der “Spender” zu schließen. In einigen Fällen mag der Wunsch nach einem leiblichen Kind eine Rolle spielen, in anderen Fällen (insbesondere bei Bekannten der Wunscheltern) ist auch der Wunsch zu helfen als Motiv denkbar.
Frauen oder Paare wählen eine private Samenvermittlung aus finanziellen Gründen, weil sie einen persönlicheren Kontakt wünschen als bei einer Vermittlung über eine Samenbank oder weil sie den genetischen Vater ihres Wunschkindes persönlich kennenlernen möchten.6 Damit sind allerdings auch gewisse Risiken verbunden: Die Männer werden nicht auf übertragbare sexuelle Krankheiten oder Erbkrankheiten getestet.
Eine finanzielle Verantwortung des genetischen Vaters für das Kind ist meist von beiden Seiten beider Elternteile nicht vorgesehen. Allerdings können private Samen“spender“ als rechtlicher Vater des Kindes festgestellt werden, denn der gesetzliche Ausschluss einer Feststellung als Vater gilt nur bei ärztlicher Samenvermittlung. Eine Feststellung als rechtlicher Vater des Kindes kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden, da es sich um ein Recht des Kindes handelt, auf das Eltern nicht stellvertretend verzichten können. Ebenso ist es möglich, dass der Samen”spender” Umgang mit dem Kind beansprucht oder, im Fall von alleinstehenden oder lesbischen Müttern, das Sorgerecht oder sich auch als Vater anerkennen lassen möchte.
Private Samenvermittlung aus Sicht des Kindes
Private Samenvermittlung entspricht eher dem Interesse des Kindes, wenn es eine Beziehung zu dem genetischen Vater aufbauen kann. Wenn vereinbart wird, dass der genetische Vater keine Rolle im Leben des Kindes spielen soll, entspricht private Samenvermittlung nicht dem Interesse des Kindes.
Nachteilig kann bei einer privaten Samenvermittlung sein, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung nicht gewährleistet wird.7 Manche private Samen“spender“ möchten sogar ausdrücklich anonym bleiben. Treffen zwischen Samen”spendern” und Wunscheltern finden dann im privaten Rahmen statt, bspw. in Hotels, und die Männer geben keine oder falsche Identitätsdaten an. Damit ist nicht gewährleistet, dass das Kind die Identität des genetischen Vaters erfahren kann.8 Manche privaten Samen“spender“ möchten ausdrücklich nicht anonym bleiben, laufen aber Gefahr, dass sie anonym bleiben, weil die Wunscheltern die Kinder nicht aufklären. Bei unserem Verein haben sich private Samen”spender” gemeldet, bei denen die Wunscheltern keinen Kontakt ermöglichen. Bei Samenvermittlungen über Samenbanken oder Ärzte werden die Daten des genetischen Vaters dagegen im Samenspenderregister gespeichert und das Kind kann sie dort anfordern (ohne Altersgrenze).
Nachteilig kann ebenfalls sein, dass manche genetische Väter sehr viele Kinder zeugen möchten. In den Niederlanden hat die dortige Spenderkinder-Organisation Stichting Donorkind den privaten „Spender“ Jonathan Jacob Meijer wegen erhöhter Inzest-Gefahr verklagt, weil er mehr als 450 Kinder gezeugt haben soll. Vielen Empfängern war dies nicht bewusst. Für die Kinder kann es schwierig sein, eine so große Anzahl von Halbgeschwistern zu haben (siehe auch 100 Halbgeschwister und mehr).
Auch die Motivation des genetischen Elternteils kann bei privater Samenvermittlung dem Kindeswohl zuwiderlaufen. Vor allem eine primär finanzielle Motivation ist verletzend für das Kind, wenn sich der genetische Elternteil nicht für das Kind interessiert. Es kann aber auch verletzend für das Kind sein, wenn der “Spender” nur aus dem Grund heraus Samen weitergab, um den Wunscheltern zu “helfen”, und nicht an das dadurch entstehende Kind gedacht hat. Möchte der genetische Vater möglichst viele Kinder zeugen, sinkt mit der Anzahl der Kinder die Chance, eine echte Beziehung zu ihm aufzubauen. Narzisstisch motivierte Personen sind außerdem oft keine sonderlich guten Eltern, weil sie vor allem Selbstbestätigung in ihren Kindern suchen, aber wenig bis gar nicht auf deren Bedürfnisse achten.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich private Samenvermittlung und Co-Parenting nicht immer trennscharf voneinander unterscheiden lassen. Insbesondere in Fällen, in denen sich Samen”spender” und die beteiligte(n) Frau(en) bereits kennen – und der “Spender” nicht finanziell oder sexuell motiviert ist – werden sich Kind und genetischer Vater vermutlich kennenlernen und eine Beziehung entwickeln. In diesen Fällen ist es schwierig abzugrenzen, ob es sich noch um eine „Spende“ handelt oder schon Co-Parenting mit einer nur geringen Partizipation des zweiten genetischen Elternteils.
2. Co-Parenting
Auch bei Co-Parenting gibt eine Person ihren Samen an eine weitere Person (alleinstehend oder mit Partner*in), zu der er keine Liebesbeziehung hat, damit ein Kind entsteht – allerdings soll der genetische Elternteil eine aktive Rolle im Leben des Kindes übernehmen. Diese Rolle kann sehr unterschiedlich aussehen und von geteiltem Sorgerecht zu regelmäßiger tageweiser Betreuung oder gelegentlichen Besuchen reichen, manchmal wohnen die Eltern bewusst in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander. Oft übernimmt der genetische Elternteil auch finanzielle Verpflichtungen für das Kind. Teilweise ist er offiziell als Vater des Kindes in der Geburtsurkunde eingetragen.
Da der genetische Elternteil seine Elternrolle aktiv wahrnimmt, handelt es sich eigentlich nicht um eine Samenvermittlung. Im Gegenteil: da der genetische Vater von Anfang an im Leben des Kindes präsent sein soll, stellt das Konzept des Co-Parenting einen unmittelbaren Gegensatz zum Konzept einer Samenvermittlung dar und berücksichtigt die Interessen des Kindes in stärkerem Maße. Aus Sicht der Vereins Spenderkinder wäre es daher wünschenswert, wenn mehr Menschen Co-Parenting als Alternative zu einer Samenvermittlung wählen würden.
Motivation
Co-Parenting wird meistens von alleinstehenden Personen oder lesbischen Paaren gewählt, die möchten, dass der genetische Elternteil eine Rolle im Leben des Kindes spielt. Eine Mutter beschreibt ihre Motivation in der Broschüre des LSVD folgendermaßen: „Aber es ging uns vielmehr um das Beste für das Kind. Und unserer Meinung nach ist die Identität des Vaters ein wichtiges Puzzleteil für die Identität des Kindes. Und eine männliche Bezugsperson wollten wir definitiv immer fürs Kind.“9
Heterosexuelle Paare entscheiden sich unserem Eindruck nach eher selten für Co-Parenting, vermutlich weil der präsente genetische Vater als zu starke Konkurrenz zum Wunschvater empfunden wird. Die genetischen Väter sind meist alleinstehende Männer oder Männer in homosexuellen Beziehungen mit unerfülltem Kinderwunsch. Als wichtigste Voraussetzung nennt ein lesbisches Paar im Buch „Kinder machen“ von Andreas Bernard nicht attraktives Aussehen oder intellektuelle Brillanz, sondern dass es sich um einen Mann handele, mit dem man ein solches Abkommen verbindlich schließen könne und bei dem sie sich vorstellen können, dass sie in den nächsten Jahrzehnten gut miteinander auskommen.10
Co-Parenting aus Sicht des Kindes
Kindern geht es gut, wenn sich ihre Eltern grundsätzlich verstehen und Konflikte konstruktiv lösen. Die Herausforderung bei Co-Parenting besteht darin, dass Menschen zusammen ein Kind bekommen, die keine traditionell hierfür vorausgesetzte Liebesbeziehung haben.11
Bei Co-Parenting-Vereinbarungen mit mehr als zwei Eltern kann es für die Kinder bereichernd sein, dass sie durch das Nebeneinander von sozialen und genetischen Eltern mehr als die klassischen zwei Elternteile haben. Diese sind durch die geteilte Verantwortung oft etwas entlastet, weil sie hierdurch mehr Unterstützung erhalten. Damit ist auch verbunden, dass es mehr als zwei Großelternpaare und mehrere Tanten und Onkel gibt, die aktiv am Leben des Kindes teilhaben können.
Wählen Eltern Co-Parenting für das erste Kind, sollten auch spätere Geschwisterkinder einen präsenten genetischen Vater haben. Unter Geschwistern kann es zu Enttäuschungen, Neid und vielen anderen negativen Gefühlen kommen, wenn ein Kind einen präsenten Vater hat und der Vater des Geschwisterkindes ein Samen“spender“ ist, der keine Bedeutung im Leben des Kindes einnehmen soll/möchte.
Grundvoraussetzung: Genaue Absprachen
Voraussetzung für eine erfolgreiche Co-Parenting-Beziehung sind meist umfangreiche Absprachen, wie die Elternrollen verteilt und ausgeübt werden sollen. Hierbei kann schwierig sein, dass die Tragweiten der Absprachen schwer vorauszusehen sein können oder dass die Absprachen mit der Zeit nicht mehr den Interessen der Beteiligten entsprechen, zum Beispiel wenn sich der genetische Vater stärker oder weniger stark als vereinbart einbringen möchte. Es liegt in der Natur sozialer Beziehungen, dass sie sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln und sich diese Entwicklung nicht vorab festlegen lässt. Die Absprachen stellen dennoch sicher, dass die Eltern sich über diese Aspekte Gedanken machen und Lösungen vorher diskutieren. Wichtig für diese Form der Familiengründung ist, dass sich alle Beteiligten ausreichend Zeit nehmen, um sich kennenzulernen und zu klären, ob die Vorstellungen über die Rechte und Pflichten miteinander kompatibel sind. Auch die Ansichten aller Beteiligten zum Thema Kindererziehung sollten vorab besprochen werden: soll das Kind getauft oder geimpft werden, auf was für eine Art von Kita oder Schule soll es gehen, wie viel finanzielle Verantwortung soll jeder Elternteil tragen, wie viel Zeit soll es bei welchem Elternteil verbringen, kann es ein Geschwisterkind geben?
Für diesen Klärungsprozess gibt es Listen.12 Allgemein werden bei Co-Parenting möglichst präzise, auch schriftliche Absprachen im Vorhinein empfohlen. Sören Kittel, einer der Autoren des Regenbogen-Väterbuches, sagt dazu: „Da kann man tatsächlich nicht zu klein denken: Wer macht was, wie werden Wochenenden/Feiertage aufgeteilt, auch im Fall eines Streits der Eltern. Dann natürlich und ganz besonders auch das Finanzielle. Wer zahlt was? Von Unterhalt bis Nachhilfe.“13 Gleichzeitig sollte gegenseitige Sympathie vorhanden sein, eine grundsätzliche Bereitschaft Kompromisse zu schließen sowie die Bereitschaft, Absprachen ggf. anzupassen und Fehler auch zu verzeihen.
Co-Parenting mit mehr als zwei Eltern
Bei Co-Parenting mit mehr als zwei Eltern besteht die Situation, dass ein Kind rechtlich nur zwei Eltern haben kann.14 Oft verspricht der genetische Vater, das Kind nach der Geburt von der Partnerin der Mutter adoptieren zu lassen. Eine solche Absprache ist jedoch rechtlich nicht bindend, so dass viel auf dem Vertrauen der Eltern untereinander beruht. Das gilt genauso für die Vereinbarung, dass der genetische Vater nach der Freigabe zur Adoption ein Umgangsrecht mit dem Kind haben soll.15
Insbesondere bei Co-Parenting Konstellationen mit drei oder mehr Eltern wird zum Teil berichtet, dass es nach der Geburt zu einer Distanzierung kam und der genetisch nicht mit dem Kind verwandte Elternteil eifersüchtig auf den genetischen Vater reagierte. In dem Buch „Kinder machen“ von Andreas Bernard wird die Situation kurz nach der Geburt folgendermaßen geschildert: „Im ersten Jahr nach Charlottes Geburt kommt ihr leiblicher Vater immer am Montagnachmittag zu Besuch, zwei Stunden lang. Liane zieht sich dann lieber in den ersten Stock des Hauses zurück; sie hat ihre Unbefangenheit im Umgang mit Alex in dieser Zeit, in der die Stiefkindadoption noch nicht vollzogen ist, ein wenig verloren.“16 Die Situation entspannt sich erst nach einigen Jahren. Rückblickend sagt die leibliche Mutter dazu, sie hätten sich nach der Geburt zunächst abschotten müssen, um zu sehen, wie es zu dritt als Kernfamilie überhaupt funktioniere, ob es für ihr Kind sofort klar sein würde, das ihre Frau und sie die Eltern seien, so wie auch ihre Frau mit der Situation zurechtkommt.17 Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Unsicherheiten und negativen Emotionen gegenüber dem Vater des Kindes so erheblich waren und sich die Beziehung zwischen Vater und Müttern so zuspitzte, dass der genetische Vater entgegen vorheriger Absprachen keinen Kontakt mehr zu dem Kind haben sollte.18
Der Grund für diesen Verhaltenswechsel ist vermutlich, dass das Bild der klassischen bürgerlichen Familie bestehend aus (nur) zwei Eltern auch dann in der eigenen Wertvorstellung präsent sein kann, wenn man sich zuvor bewusst für eine Familie mit mehreren Eltern entschieden hat. Zwei Elternteile haben außerdem eine genetische Verbindung zum Kind und zusätzlich eine soziale, während weitere Wunschelternteile ausschließlich eine soziale Verbindung haben. Da soziale Beziehungen erst wachsen müssen und auch nicht vorab bestimmt werden kann, wie sie sich entwickeln werden, kann dies für die Wunscheltern beunruhigend sein. Daher kann es zu einer Verunsicherung hinsichtlich der eigenen Mutterrolle bei der Co-Mutter kommen und gleichzeitig Ängste und Einstellungen hervorrufen, die bewirken können, dass die Co-Mutter neben der biologischen Mutter keinen weiteren Elternteil – und eben auch nicht den Vater des Kindes- akzeptieren kann.19 Wahrscheinlich ist es am besten, sich im Vorhinein bewusst zu sein, dass es zu diesen Gefühlen kommen kann, um sie dann offen zu kommunizieren und im Interesse des Kindeswohls zu entscheiden. Um das Problem auch rechtlich zu lösen, sollten individuelle Absprachen zu Umgangskontakten auch bei einer Adoption eine höhere Verbindlichkeit erhalten, damit ein Umgang nicht gegen das eigentliche Interesse des Kindes an Kontakt zu leiblichen Elternteilen abgebrochen werden kann.20
Weitere Links zu Co-Parenting
Alexander Schug, Sören Kittel, Uli Heissig, Gianni Betucci: Das Regenbogenväter-Buch. Ratgeber für schwule Papas (und alle, die es werden wollen). Omnino-Verlag, 368 Seiten, 22 Euro.
Jochen König: Mama, Papa, Kind? Von Singles, Co-Eltern und anderen Familien. Verlag Herder. Jochen König hat auch einen Blog.
Sven Riesel: Spenderkind, Sohn, Vater, Samenspender? Rollenverortungen innerhalb meiner Familien, in: Katharina Beier/Claudia Wiesemann u. a. (Hg.), Assistierte Reproduktionsmedizin mit Hilfe Dritter, Berlin 2020, S. 287-300.
Planning Mathilda – Blog von Jennifer, die ihr Kind zusammen mit einem Freund bekommen hat
„Alle Familien sind richtig“ – Interview in der taz vom 9.2.2021 mit der Soziologin Christine Wimbauer, die ein Buch über Co-Elternschaft geschrieben hat (Co-Parenting und die Zukunft der Liebe, erschienen im Transcript-Verlag).
Siehe zum Beispiel Der Superspreader, tageszeitung vom 26.7.2020; Sven Riesel: Spenderkind, Sohn, Vater, Samenspender? Rollenverortungen innerhalb meiner Familien, in: Katharina Beier/Claudia Wiesemann u. a. (Hg.), Assistierte Reproduktionsmedizin mit Hilfe Dritter, Berlin 2020, S. 287-300. [↩]
Eine der Mütter in dem taz-Artikel Der Superspreader beschreibt den privaten „Spender“ folgendermaßen: „B. sei perfekt, (…) Nett, schlau, selten anwesend, aber erreichbar.“ tageszeitung vom 26.7.2020. [↩]
In der Zeit, als Samenbanken Samen oft noch unter rechtlich eigentlich unzulässigen Anonymitätsvereinbarungen vermittelten, war private Samenvermittlung eher nachverfolgbar als eine nicht ordentlich dokumentierte oder ärztliche Samenvermittlung. Spätestens seit der gerichtlichen Klärung, dass Spenderkinder ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung haben und seit Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes kann aber von einer ordentlichen Dokumentation der Ärzte ausgegangen werden. [↩]
Zwar besteht die Möglichkeit zur anonymen Zeugung von Kindern mit der zunehmenden Verbreitung von DNA-Datenbanken faktisch nicht mehr, die Recherchearbeit kann dennoch erheblich sein. [↩]
Jansen, E.; Bruns, M.; Greib, A. & Herbertz-Floßdorf, M. (2014). Regenbogenfamilien – Alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte (2. komplett überarbeitete Auflage). Familien- und Sozialverein des LSVD (Hrsg.). Köln: LSVD, S. 67. [↩]
Andreas Bernard, Kinder machen, Fischer 2014, S. 484. [↩]
Eine Liebesbeziehung kann die Kompromissfähigkeit erhöhen, aber natürlich können auch Liebesbeziehungen enden und die verletzten Gefühle eine gemeinsame Ausübung des Sorgerechts im Interesse des Kindes stark erschweren. [↩]
z. B. in der Broschüre des LSVD oder dem Regenbogen-Väterbuch von Schug/Kittel/Heissig/Betucci. [↩]
Die Probleme der Regenbogenväter: Berliner schreiben ersten Ratgeber für schwule Papas, tip-berlin, 23.07.2020. [↩]
Siehe hierzu Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 2021 – XII ZB 58/20 : zwar besteht ein Umgangsrecht auch grundsätzlich nach der Freigabe zur Adoption, wenn es nicht ausgeschlossen wurde, aber das Umgangsrecht muss dem Wohl des Kindes dienen. Das kann fraglich sein, wenn zwischen den Erwachsenen so erhebliche Konflikte bestehen, dass das Kind in einen Loyalitätskonflikt geraten könnte. Der Fall wird geschildert in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 12.07.2020, Semmling darf nicht Papa sein, S. 28. [↩]
Andreas Bernard, Kinder machen, Fischer 2014, S. 486. [↩]
Andreas Bernard, Kinder machen, Fischer 2014, S. 487-488. [↩]
Semmling darf nicht Papa sein, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 12.07.2020, S. 28. [↩]
Jansen, E.; Bruns, M.; Greib, A. & Herbertz-Floßdorf, M. (2014). Regenbogenfamilien – Alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte (2. komplett überarbeitete Auflage). Familien- und Sozialverein des LSVD (Hrsg.). Köln: LSVD; S. 66. [↩]
Das Campusmagazin KURT der TU Dortmund berichtet in seiner Dezemberausgabe über Julias erfolgreiche Suche nach ihrem leiblichen Vater und darüber, wie es danach weiterging (ab S. 6). Gleich im Anschluss folgt ein Interview mit Anne zur aktuellen Rechtslage für Spenderkinder (S. 10).
Die Geschichte, wie Spenderkindermitglied Britta ihren leiblichen Vater Dietrich über eine DNA-Datenbank gefunden hat, war am 2. Juni im hessischen Rundfunk zu hören. Wer sie live verpasst hat, kann den Text noch nachlesen. Dietrich ist einer der wenigen Männer, die offen dazu stehen, dass sie sich zum Zeitpunkt der „Samenspende“ noch keine Gedanken darüber gemacht haben, dass daraus Menschen entstehen, die sie später vielleicht kennenlernen möchten. Dietrich hat sich vom Geld für die „Aufwandsentschädigung“ ein Klavier gekauft. Welche Erinnerungsstücke sich wohl in Wohnungen anderer Männer finden?
Als er später von der Suche vieler Spenderkinder erfuhr, registrierte er sich in einer DNA-Datenbank, damit seine leiblichen Kinder eine Chance hätten, ihn zu finden. Zu solch einem Verantwortungsbewusstsein möchten wir gerne weitere ehemalige „Samenspender“ ermutigen.
Brittas Geschichte ist typisch für die Suche vieler Spenderkinder. Obwohl sie wusste, wie sie entstanden ist und auch Interesse hatte, mehr über ihren leiblichen Vater zu erfahren, hat sie sich erst nach einigen Jahren auf die Suche gemacht. Zum einen scheint die Chance, den leiblichen Vater zu finden, vielen Spenderkindern sehr gering. Zum anderen ist es keine schöne Aussicht jemanden zu finden, der – vereinbahrungsgemäß – nichts von einem wissen möchte.
Die Geschichte von Britta und Dietrich stimmt deswegen hoffnungsvoll, dass es auch anders gehen kann.
Ein Jahr nachdem Spenderkindermitglied Britta über eine DNA-Datenbank ihren Vater Dietrich gefunden hatte, hat Sunny beide für ihren You-Tube-Kanal Reagenzglasbaby interviewt. Die Botschaft der Beiden hat Sunny extra für unsere Homepage nochmal zusammengefasst:
Der Verein Spenderkinder startet am 1. März 2020 eine SocialMedia-Kampagne, um auf den Wunsch vieler durch „Samenspende“ gezeugter Menschen hinzuweisen, ihre leiblichen Väter zu kennen. Unter dem Hashtag #zeigedich werden in den nächsten Wochen regelmäßig unvollständige Bilder der Vereinsmitglieder auf Instagram, Twitter und Facebook gepostet. „Wir hoffen, dass wir mit den Bildern ehemalige „Samenspender“ erreichen“, beschreibt Anne Meier-Credner, Vorstandsmitglied des Vereins, das Ziel der Kampagne. Es ist das erste Mal, dass sich so viele Spenderkinder mit einem Foto zeigen.
In
Deutschland haben alle Menschen – auch Kinder eines „Samenspenders“ – ein Recht
darauf, zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern sind. Das war
Reproduktionsmedizinern bereits in den 70er Jahren bekannt.[1]
Dennoch haben viele den „Samenspendern“ Anonymität versprochen. „Wir haben über
10 Jahre lang an die Reproduktionsmedizin appelliert, Verantwortung zu
übernehmen und uns bei der Rekonstruktion zu helfen. Jetzt wenden wir uns
direkt an unsere genetischen Väter und hoffen, dort auf mehr
Verantwortungsbewusstsein zu treffen“, so Meier-Credner, „Spenderkinder
wünschen sich einen genetischen Vater, der seine Vergangenheit als ‚Spender‘ nicht
verleugnet. Es ist stark, Verantwortung zu übernehmen und zu seinen Kindern zu
stehen.“
Viele
Spenderkinder sind in den großen DNA-Datenbanken Ancestry, 23andMe, FamilyTreeDNA und MyHeritage registriert, um genetische
Verwandte zu finden. Der Verein Spenderkinder freut sich sehr, dass sich
bereits einige ehemalige „Spender“ aus eigener Initiative bei DNA-Portalen
registrieren lassen und möchte dazu weiter ermuntern. Je mehr Menschen sich in DNA-Datenbanken
registrieren lassen, desto mehr Chancen haben Spenderkinder, ihre genetischen
Väter auch über andere Verwandte zu finden.
Wer Spenderkinder bei der Suche unterstützen möchte, kann die
Suchprofile z.B. über Twitter teilen und möglichst viele Menschen darauf
aufmerksam machen. Männer, die ihren Samen über Samenbanken haben vermitteln
lassen, werden gebeten, sich beim Verein Spenderkinder zu melden (info@spenderkinder.de).
[1] 1970 erklärte der damalige Justiziar Dr. Arnold Hess auf dem Deutschen Ärztetag, dass der Arzt dem Kind Auskunft geben müsse, wenn er nicht schadensersatzpflichtig werden wolle (DtÄbl 1970, 1982). 1985 bestätigten zwei Essener Reproduktionsmediziner: „Ein wesentliches juristisches Problem dieser Behandlungsmethode ergibt sich aus der bewussten Verletzung des im Grundgesetz verankerten Rechtes auf Kenntnis der biologischen Abstammung. Juristisch spricht man von der planmäßigen Vereitelung der Abstammung, die missbilligt wird“. (Katzorke, K. & Propping, D.; 1985. Voraussetzungen und Ergebnisse der heterologen (donogenen) Inseminationsbehandlung. Pro Familia Magazin, Schwerpunktthema: Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin. S. 20-22.)
Spenderkinder-Mitglied Britta identifizierte ihren Vater DIetrich im Mai 2019 über eine DNA-Datenbank. Beide haben sich über den Treffer gefreut, auch Dietrichs Frau wusste von Anfang an Bescheid und unterstützte das Kennenlernen der Beiden. Beste Voraussetzungen also auf allen Seiten.
In dem Artikel beschreiben Britta und Dietrich sehr ehrlich ihre Gedanken und Gefühle, von der Entscheidung „Samen zu spenden“ bis zu ihrem Kennenlernen und der großen Herausforderung, die gefundenen Verbindungen in den Alltag zu integrieren.
Der Artikel widmet sich damit einem Thema, das Spenderkinder und ihre Verwandten zunehmend beschäftigt: Wie geht es weiter, wenn der genetische Vater und Halbgeschwister gefunden wurden? Wie entwickeln sich die emotionalen Beziehungen zueinander weiter? Welcher Platz ist im Alltag füreinander?
Als der Film „The Kids are alright“ im Jahr 2010 in die Kinos kam, war ich sehr interessiert – immerhin ging es das erste Mal in einem Film um erwachsene Spenderkinder, die Kontakt zu ihrem genetischen Vater aufnehmen, was das Familiengefüge ziemlich durcheinander bringt. In vielen Filme davor geht es vor allem um die Wunscheltern oder den Samenspender, und die Kinder kommen nur als Nebenrolle vor. Irgendwie habe ich den Film dann aber doch bis heute nie gesehen – vielleicht auch weil mich das mit dem Titel vermittelte Klischee stört, dass es den Spenderkindern gut geht (siehe dazu unser Artikel Wie gut geht es Spenderkindern wirklich).
Im Dezember 2019 habe ich ihn aber erstmals gesehen und mein Urteil ist gemischt. Der Film ist unterhaltsam, die Dialoge gut und die Schauspieler sind hervorragend, aber es handelt sich um einen Film aus der Perspektive von Wunscheltern und das mit der erzählten Geschichte vermittelte Familienbild ist überraschend konservativ.
Es geht um Wunscheltern, nicht um Spenderkinder
Die erste Erkenntnis war, dass der Titel „The kids are alright“ sich eher auf den Kontrast zu den Eltern bezieht, die stark mit Problemen von Menschen im mittleren Alter beschäftigt sind. Bei den Frauen ist die Beziehung etwas eingeschlafen, der etwa vierzigjährige immer noch alleinstehende Vater fragt sich, ob er nicht doch eine Familie hätte gründen sollen. Damit ist aber klar: die Hauptpersonen sind auch in diesem Film nicht die Spenderkinder, sondern die Wunscheltern und ihre Perspektive.
Man könnte einen sehr interessanten Film über die Schwierigkeiten von Spenderkindern machen, wenn sie einen weiteren Elternteil und neue Halbgeschwister in ihre Familiengefüge integrieren müssen. Der genetische Vater ist meistens nicht wie im Film alleinstehend, sondern hat eine eigene Familie, die auch von den Veränderungen betroffen ist. Dazu kommt, dass es möglicherweise auch sehr viele Halbgeschwister gibt. Insbesondere der nur-soziale Elternteil kann durch die Kontaktaufnahme verletzt und verunsichert sein, was viele Spenderkinder in einen Loyalitätskonflikt bringt.
Diese Konflikte klingen in dem Film nur an: das erste Telefonat und Treffen zwischen den Kindern und dem Vater ist etwas unentspannt. Sie können kaum miteinander reden, so sehr sind sie von der Kluft zwischen Anonymität und biologischer Verwandtschaft überfordert.1 Schön ist, dass der Vater so offen für Kontakt ist und die Kinder tatsächlich mag und ihnen das auch sagt. Ansonsten kommen die Kinder aber ziemlich gut klar mit ihrer neuen Verwandtschaft.
Diese Probleme der Familienintegration werden auch realistisch dargestellt, indem die beiden Kinder den Müttern zuerst nicht sagen, dass sie Kontakt zum Spender aufgenommen haben, weil sie die beiden nicht verletzten wollen. Ich weiß von mehreren Spenderkindern, deren soziale Eltern nicht wissen, dass sie über ihre Zeugungsart Bescheid wissen und eine Beziehung zu ihren Vater aufgebaut haben. Und tatsächlich äußert die eine Mutter, dass sie den Wunsch ihrer Kinder schon versteht, sich aber doch fragt, ob sie nicht genug ist. Später äußert diese Mutter Frustration darüber, dass ihre Kinder begeister vom genetischen Vater sind und viel Zeit mit ihm verbringen.
Der genetischer Vater als Bedrohung der sozialen Familie
Mein zweiter großer Kritikpunkt ist, dass der genetische Vater als Gefahr für die Familie dargestellt wird, der zu Recht ausgeschaltet werden muss. Bereits der Aufbau einer Beziehung zu den Kindern führt zu Konflikten mit den Mütter, dann fängt er aber auch noch ein Verhältnis mit der einen Mutter an. Dass es zu so etwas kommt, halte ich für extrem konstruiert, aber die Befürchtung besteht anscheinend immer im Hinterkopf – vielleicht diese Verbindung als so naheliegend erscheint, wenn die Personen zusammen ein Kind gezeugt haben. In der älteren Literatur über Samenspende wird diese auch oft mit einem Ehebruchs verglichen. Der Film vermittelt damit aber die Wertung, dass die Integration des genetischen Vater die Familie zerstören kann. Leider ist die Lösung aber nicht, dass die Erwachsenen sich zusammenreißen und ihre Probleme im Interesse der Kinder klären, auch einen Beziehung zum genetischen Vater zu haben.
Die „Lösung“ ist stattdessen Ausschluss: Der Film endet damit, dass der Vater während des Abschiedessens für die Tochter draußen vor der Tür steht, vergeblich versucht sich bei der Tochter zu entschuldigen und ihm empfohlen wird, dass er seine eigene Familie gründen soll, wenn er so gerne eine hätte. Der Vorwurf ist klar: Der genetische Vater gehört nicht zur Familie der Spenderkinder und versucht aber, sich reinzudrängen. Diesen Vorwurf kennen viele Spenderkinder auch von der anderen Seite, nämlich wenn ihnen vorgeworfen wird, dass sie versuchen die Familie des genetischen Vaters durch ihre Kontaktaufnahme zu stören.
Die Spenderkinder scheinen den Ausschluss des Vaters okay zu finden – als wäre die Grenzverletzung durch die Affäre nur von ihm ausgegangen. Nachher versöhnen sich die Mütter wieder, als sie ihre Tochter ins College bringen. Das wirkt so, als wäre der Kontakt zum genetischen Vater eine Phase, die jetzt wieder vorbei ist, während die soziale Kernfamilie trotz aller Konflikte wie bisher weiterbesteht. „Das Versprechen der Reproduktionsmedizin, das Gück der sozialen Allianzen hat über den Einbruch des Biologischen und den von weiterher kommenden Sog der Deszendenz gesiegt.“2
Kaum Kritik in der öffentlichen Diskussion
Die Regisseurin Lisa Cholodenko ist selbst lesbisch und hat mit einer früheren Partnerin ein Kind mit einer Samenvermittlung bekommen. Es kann also gut sein, dass die mit dem Film vor allem die Vorstellung bestimmter Wunscheltern stützen möchte, dass eine soziale Verbindung zwischen Eltern und Kind ausreicht und der Vater aus ihrer Familie herausgehalten werden sollte.
Bedenklich ist, dass diese Aspekte in der öffentlichen Diskussion kaum vorkamen – der Film wurde sehr gut besprochen und für vier Oscars prämiert. Eine kritische Besprechung habe ich erstmals von Andreas Bernard in dem Buch Kinder machen gelesen. Vielleicht wäre das inzwischen anders, wo viele Spenderkinder dank DNA-Tests ihre genetischen Verwandten identifizieren und zum Teil auch eine Beziehung zu ihnen aufbauen konnten.
Andreas Bernard, Kinder machen – Samenspender, Leihmütter, künstliche Befruchtung; Frankfurt am Main 2014, S. 85. [↩]
Andreas Bernard, Kinder machen – Samenspender, Leihmütter, künstliche Befruchtung; Frankfurt am Main 2014, S. 87. [↩]