Archiv der Kategorie: Reproduktionsmedizin

Stellungnahme zur Pressemitteilung des Bundesverbandes Donogene Insemination

Nach dem Urteil des OLG Hamms vom 6. Februar 2013 hat der Bundesverband Donogene Insemination, dessen Vorsitzende der Beklagte ist, eine Pressemitteilung herausgegeben. Diese enthält zahlreiche falsche Behauptungen und erfordert daher eine Richtigstellung:

1. Keine ungeklärte Rechtslage vor dem Urteil

Anders als in der Pressemitteilung behauptet, war die Rechtslage für den Auskunftsanspruch von Spenderkindern und die Aufbewahrungsfrist für Daten vor dem Gewebegesetz 2007 bzw. dem Urteil nicht ungeklärt. Die Aufbewahrungsfrist der Spenderdaten betrug schon vor den 80er Jahren über 10 Jahre, denn in den Berufsordnungen für Ärzte, welche die relevanten Aufbewahrungsfristen enthalten, stand bis in die 90er Jahre geschrieben, dass Unterlagen länger als 10 Jahre aufbewahrt werden müssen, wenn dies die ärztliche Erfahrung gebietet. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung ist seit den 70er Jahren herrschende juristische Meinung. 1989 fiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, dem ein ähnlicher Beschluss im Jahr 1988 vorausging.

Entscheidungen vom BVerfG haben zwar keine direkte Auswirkung, jedoch beeinflussen sie die Beurteilung von Generalklauseln. In diesem Fall hätten Reproduktionsmediziner spätestens zu diesem Zeitpunkt die Konsequenz ziehen müssen, dass die Spenderdaten aufbewahrt werden müssen, um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewährleisten zu können. Es war daher kein Gesetz erforderlich für die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Spenderdaten.

Zusätzlich gibt es seit dem 15.12.1986 die Richtlinien der Ärztekammer „zur Durchführung der In-vitro-Fertilisation mit Embryonentransfer und des intratubaren Gameten- und Embryotransfer als Behandlungsmethoden der menschlichen Sterilität“ mit einer 30jährigen Aufbewahrungsfrist für Behandlungsunterlagen. Die Existenz dieser Richtlinien verschweigt der Bundesverband Donogene Insemination wohlweislich.

Insofern kann von rechtlicher Unsicherheit oder einer anderen Rechtslage vor dem Urteil bzw. dem Gewebegesetz keine Rede sein. Es ist eher so, dass einige Ärzte sich entschieden haben, nicht deutlich genug festgelegte Pflichten zu ihren Gunsten so auszulegen, dass diese nicht anwendbar sind. Dass diese Interpretation nicht zwingend war, wird dadurch deutlich, dass einige Ärzte bereits seit über 10 Jahren die Spenderdaten für längere Zeit aufbewahren.

2. Geforderte Abschaffung des Anfechtungsrechts nicht gerechtfertigt

Der Arbeitskreis für donogene Insemination fordert weiterhin einen gesetzlichen Ausschluss des derzeitigen Rechts von Spenderkindern, innerhalb von 2 Jahren ab 18 bzw. Kenntnis von der Samenspende die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters anfechten zu können. Dies können wir nicht nachvollziehen und halten es auch für falsch.

Der Samenspender kann rechtlich auch anders und vor allem für Spenderkinder auf rechtlich weniger einschneidende Weise vor Unterhaltsforderungen geschützt werden, zum Beispiel in dem ausgeschlossen wird, dass ein Samenspender rechtlich als Vater festgestellt wird. Für Spenderkinder muss es dagegen – als Teil des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung – weiterhin möglich sein, innerhalb einer kurzen Zeit zu entscheiden, ob sie der Zuordnung eines genetisch nicht mit ihnen verwandten Mannes als Vater zustimmen.

Wir sind in Zukunft gerne bereit, auch in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Donogene Insemination an der Verbesserung der gesetzlichen Situation von Samenspendern zu arbeiten, für die der Verein Spenderkinder ebenfalls seit mehreren Jahren eine gesetzliche Freistellung von Unterhalts- und Erbansprüchen fordert. Eine Zusammenarbeit wird jedoch nicht einfacher, wenn der Bundesverband Donogene Insemination versucht, die in der Vergangenheit gemachten Fehler klein zu reden und zu beschönigen. Dies lässt uns Spenderkinder sehr daran zweifeln, ob in diesem Verband ein Sinneswandel stattgefunden hat.

Zeit-Dossier über Spenderkind Sonja

In dem heutigen Dossier der Zeit ist ein Artikel über unser Mitglied „Sonja“ mit dem Titel „Ich will wissen, wer er ist“. Sonja hat vor einem Jahr von ihrer Zeugung durch eine Samenspende bei der Praxis novum in Essen erfahren. Der Artikel von Henning Sussebach handelt von ihren Gefühlen nach dieser Offenbarung, aber auch, wie sie bisher vergeblich versucht, die Identität ihres genetischen Vaters von novum zu erfahren.

Sehr interessant sind wieder einige Aussagen von Prof. Katzorke, Mitbegründer von novum, der vor 1981 auch an der Uniklinik Essen tätig war. Besonders schlimm ist folgende Machtdemonstration: „Manchmal, auf Empfängen, stehen ihm junge Menschen gegenüber, und Katzorke denkt: Du ahnst gar nicht, dass auch du in meinem Labor entstanden bist.“ Schön auch, dass sein Hintergrund ein bisschen dargestellt wird: selbstverständlich Millionär, eine große private Kunstsammlung, für die er extra ein neues Haus gebaut hat, und er fährt einen Jaguar. Da fällt es doch leicht, anderen Menschen zu helfen, auch wenn die erzeugten Produkte, die Kinder, eine „Zeitbombe“ sind und irgendwann mit Fragen auf ihn zukommen.

Bloße Neugier?

Ich habe mir heute den Echtzeit-Bericht "Der unsichtbare Dritte" angesehen und finde ihn insgesamt sehr gut. Dominique fasst sehr gut zusammen, was auch ich fühle: einerseits diese Leere wenn es um Sachen geht, die man eventuell geerbt hat; und gleichzeitig aber auch den Wunsch, nicht sein ganzes Leben lang nach dem Spender suchen, sondern sich auf die Zukunft konzentrieren zu wollen.

Der Auftritt von Prof. Katzorke ist aber wieder bemerkenswert. Auf die Frage hin, ob die Kinder die jetzt nach ihrer Herkunft suchen, ihm nicht irgendwie leid tun, sagt er ganz klar nein, denn man habe ja damals den
Willen der Eltern erfüllen wollen. Eine sehr elegante Umschreibung für: Die Kinder haben mir kein Geld gezahlt. Der Beitrag bemerkt sehr richtig, dass (spätestens) seit 1989 jeder das Recht auf erlangbare Informationen über die eigene Herkunft hat – und dass die Ärzte in der Praxis aber die Anonymität der Spender höher werten. Wer oder was legitmiert die Ärzte eigentlich zu einer solchen Wertung? Von einem Geheimhaltungsinteresse des genetischen Vaters ist in besagtem Urteil des Bundesverfassugsgerichts nicht die Rede.

Prof. Katzorke meint außerdem, dass noch nicht klar wäre, inwiefern "bloße Neugier" zur Kenntnis der Spenderdaten berechtigen würde. Damit übersieht (?) er nur leider, dass es ein ziemlicher Unterschied ist, ob man wissen möchte, wann der Nachbar nach Hause kommt oder aber von wem
man an die 50 % der genetischen Anlagen geerbt hat. Bloße Neugier ist das nicht – es ist eine Frage, die zumindest mich oft beschäftigt und nicht nur mein "maximales Wohlbefinden" beeinträchtigt. Und nebenbei bemerkt: in dem Urteil steht auch nichts davon, dass man ein ganz besonderes Erkenntnisinteresse haben muss. Dass niemand einfach mal so fragt, wer denn sein genetischer Vater ist, sollte doch wohl klar sein. Stina

Gedanken zu dem Frontal21-Beitrag

Prof. Katzorke, Vorsitzender des Arbeitskreises Donogene Insemination, sagt in dem Beitrag, dass der Samenspender bei seiner Spende nur für Sekunden in der Rolle des Erzeugers aufgetreten ist. Aufgrund des Wunsches von Kindern wie mir solle nun auf einmal in die Vaterrolle schlüpfen, obwohl er nie der Vater gewesen ist. Das alles lässt ihn darauf schließen, dass Vaterschaft ein soziales Phänomen ist.

Erstmal reichen für eine Zeugung wohl immer nur Sekunden, egal ob per Spende oder auf dem üblichen Weg. Das kann also keinen Unterschied machen. Prof. Katzorke versteht aber wieder überhaupt nicht, worum es mir und anderen Spenderkindern geht, obwohl ich ihm das schon einmal in einem persönlichen Brief geschildert habe und man es auch hier nachlesen kann. Ich suche keinen Vater, denn ich habe schon einen und möchte eigentlich keinen zweiten. Was ich aber möchte, sind wenigstens Mindestangaben über meinen Erzeuger, meinen genetischen Vater. Ich möchte gerne wissen, wie er aussieht, was er beruflich macht, was ihn interessiert, wer meine genetischen Großeltern waren, ob ich Halbgeschwister habe, ob es vielleicht vererbbare Krankheiten in der Familie gibt …

Für solche Angaben reichen zwei Stunden für einen Brief oder ein Treffen in einem Cafe. Mehr möchte ich nicht – und das geht eigentlich allen Kindern, die ich kenne, genauso. Und ich frage mich: Ist das so viel verlangt? Uns ist sehr wohl bewusst, dass der Spender nicht unser Vater sein wollte. Aber 2 Stunden und ein paar Angaben stören einen Menschen nicht in seinem jetzt vielleicht bürgerlichen Leben mit eigener Familie. Außerdem unterstellt Prof. Katzorke ja geradezu, dass der Spender uns nicht kennenlernen möchte – vielleicht ist er ja auch neugierig?

Und außerdem frage ich mich: sagt Prof. Katzorke das, weil er Spenderkinder wie mich nicht versteht? Oder sagt er es als Abwehrstrategie, weil die meisten Menschen das Entsetzen eines Mannes eher nachvollziehen könnnen, der vor 25 Jahren einmal unter Zusicherung der Anonymität gespendet hat und auf einmal Vater sein soll, als wenn wir nach unserer Identität suchen und deswegen ein paar Angaben haben möchten? Wie gesagt: Vater nein, aber Erzeuger: Ja!

Ehemalige Patientin kritisiert Reproduktionsmedizin

Auch einige ehemalige Patienten der Reproduktionsmedizin stehen dieser inzwischen kritisch gegenüber. Dr. Magdalena Telus berichtete im Deutschen Ärzteblatt vom 24.12.2001, dass sie bei ihrer eigenen Behandlung nicht über die psychischen und sozialen Folgen aufgeklärt wurde. Die körperlichen Risiken wurden verharmlost und ihr Zögern mit dem Motte „nur labile Frauen reagieren so“ abgehandelt. Die Ärzte hätten einen ungeplanten Aktionismus gezeigt, der ihr den Eindruck vermittelt habe, einer unberechenbaren Maschine ausgeliefert zu sein. Die allgemeinen Denkfiguren in der Reproduktionsmedizin seien darauf ausgerichtet, dass Kinderlosigkeit eine Krankheit und Reproduktion Pflicht sei und alles wegen der Wichtigkeit der genetischen Verwandtschaft geschehen müsse.

Aufgrund der Behandlung trug Frau Dr. Telus einen Schaden davon, welcher von der Ärztekammer Nordrhein als Kunstfehler anerkannt wurde. Mit dem nun in Essen seit August gegen die Praxis stattfindenden Gerichtsverfahren möchte sie über ihren Einzelfall hinaus auf die Gefahren hinweisen, die sich für Frauen aus reproduktionsmedizinischen Behandlungen ergeben können. Ich wünsche ihr mit beiden Anliegen viel Erfolg. Stina