Archiv der Kategorie: Andere Länder und Internationales

Samenspende und Reproduktionsmedizin in anderen Ländern, Themen von internationaler Bedeutung

„Der fremde Vater“ – Artikel im SZ-Magazin

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 22. November 2019 wird unter dem Titel „Der fremde Vater“ beschrieben, wie Spenderkinder oder ihre Mütter herausfanden, dass der „Samenspender“ eine erbliche Krankheit hat und ein Straftäter ist.

Der genetische Vater im Beitrag hat seinen Samen in den USA abgegeben und angegeben, er sei bester Gesundheit, obwohl er bereits zuvor an Schizophrenie und Größenwahn erkrankt war. Außerdem war er ein polizeibekannter Straftäter.

In Deutschland werden „Samenspender“ mittlerweile üblicherweise auf sexuell-übertragbare Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatits untersucht. Bei vielen Gesundheitsangaben zum familiären gesundheitlichen Risikoprofil verlassen sich Samenbanken jedoch auf das, was der Mann ihnen berichtet. Auch wenn DNA-Analysen möglich wären, gibt es viel zu viele Krankheiten und auch noch zu wenig Wissen über die Entstehung vieler Krankheiten, als dass man alle erblichen Anlagen für sämtliche Krankheiten medizinisch ausschließen könnte. Manche Krankheiten machen sich auch erst später im Leben bemerkbar, so dass ein Mann zum Zeitpunkt der Samenabgabe möglicherweise selbst noch gar nicht weiß, welche Erbanlagen für Krankheiten er weitergibt. Ein polizeiliches Führungszeugnis wird üblicherweise nicht angefordert.

Der Bericht macht verschiedenes deutlich:

  1. Auch in Deutschland sind Regeln notwendig, die es zumindest möglich machen, nachträglich bekanntwerdende Gesundheitsinformationen im Samenspenderregister nachzumelden. Auf diese Verantwortung sollten Männer, die Samen abgeben, damit daraus Menschen entstehen, ausdrücklich hingewiesen werden.
  2. Den genetischen Vater zu identifizieren, ist nur ein Zwischenschritt. Die Frage nach der Kontaktaufnahme, Kontaktgestaltung und die Integration des genetischen Vaters ins eigene Familienbild kann für Spenderkinder eine anspruchsvolle Herausforderung sein.
  3. a) Und wer es bisher nicht wahrhaben wollte: „Wunschkindern“ geht es nicht automatisch gut, nur weil ihre rechtlichen Eltern sich Kinder wünschten. Für das Wohlergehen eines Kindes wäre zum Beispiel ein genetischer Vater hilfreich, der sympathisch ist. b) …nicht alle Männer, die Samen abgeben, sind „nett“.

Les enfants du secret – Dokumentation über französische Spenderkinder auf Arte

Auf Arte wird derzeit die Dokumentation „Les enfants du secret“ (deutscher Titel: Papa ist nicht mein Papa) über die Situation der etwa 70.000 Spenderkinder in Frankreich gezeigt – einer der schönsten und berührendsten Filme, die ich über das Thema Spenderkinder bislang gesehen habe. In Frankreich ist die Anonymität der Spender gesetzlich vorgeschrieben, Spenderkinder haben – anders als in Deutschland – kein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung. Sie dürfen noch nicht einmal den Spender fragen, ob er mit einem Kontakt einverstanden wäre.

Der Filmregisseur Rémi Delescluse ist selbst ein Spenderkind. Er wurde von seinen Eltern im Alter von fünf Jahren aufgeklärt. Als er selbst 31 Jahre später Vater wird, begibt er sich auf die Suche nach seinem genetischen Vater. Auf dieser Suche interviewt er mehrere Reproduktionsmediziner, seine Eltern, Spender und andere Spenderkinder, die überwiegend Mitglieder unserer französischen Schwester-Organisation PMA sind.

Die Dokumentation ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert: sie ist sehr bewegend, da seine eigene Betroffenheit es Rémi ermöglicht, auch sehr persönliche und emotionale Gespräche vor der Kamera zu führen. Gleichzeitig wird klar, dass Spenderkinder auch in Frankreich die gleichen Probleme haben und ähnliche Fragen stellen wie in Deutschland und in anderen Ländern.

Typisch hierfür ist zum Beispiel, dass Rémi bereits im Alter von fünf Jahren aufgeklärt wurde, aber erst 31 Jahre später wieder mit seinen Eltern darüber spricht. Er begründet dies mit den folgenden Worten: „Weil ihr nie darüber gesprochen habt, habe ich mich nicht getraut zu fragen.“ Es entspricht den Erfahrungen einiger unserer frühaufgeklärten Mitglieder, dass die Samenspende trotz der Aufklärung des Kindes ein Tabu in der Familie darstellen kann. Rémis Mutter bestätigt, dass sie auch aus Unbehagen über die Unfruchtbarkeit ihres Mannes nicht darüber gesprochen hätten. Ganz selbstverständlich sagt Rémi inzwischen: ich habe drei Eltern. Auch der Verein Spenderkinder bevorzugt den Begriff der „Familiengründung zu dritt“.

In den Interviews mit der behandelnden Ärztin seiner Mutter und einer Oberärztin in einer der staatlichen Samenbank CECOS schafft Rémi es, seine Perspektive freundlich aber nachdringlich durch Fragen einzubringen. So schafft er es, dass die Ärztin der Samenbank recht offen zugibt, dass sie und andere Ärzte es bereits bei der Schaffung des Systems für wahrscheinlich hielten, dass die Kinder wissen möchten, wer ihr genetischer Vater ist. Sie entschieden sich aber, die Anonymität der genetischen Väter höher zu gewichten. Sie vermuteten, dass Samenspenden nur unter dieser Voraussetzung akzeptiert würden, weil sie ansonsten in der damaligen konservativen Gesellschaft zu sehr mit Ehebruch assoziiert worden wären.

Rémi ist auch dabei, als die Mitglieder von PMA sich entschließen, sich bei einer amerikanischen DNA-Datenbank einzutragen (es sieht im Film aus wie 23andme). Das ist in Frankreich zwar außerhalb eines Gerichtsverfahrens verboten und bei einer Zuwiderhandlung droht ein Bußgeld von 3750 Euro – aber wie die Mitglieder von PMA sagen, lässt ihnen der französische Staat keine andere Wahl, Klarheit über ihre Herkunft und Verwandtschaftsverhältnisse untereinander zu erhalten.

Eine große Rolle in dem Film nimmt die Geschichte von Arthur und Audrey Kermalvezen ein. Beide sind in Frankreich relativ bekannt, da sie Bücher über ihre Geschichte veröffentlicht haben.1 Selbst als sie heiraten wollten, und Auskunft darüber begehrten, ob sie denselben genetischen Vater haben, wurde ihre Klage auf Auskunft abgewiesen. Daher überlegten sie, ob sie ihren Kinderwunsch lieber aufschieben sollten. Schließlich erfuhren sie inoffiziell, dass sie nicht verwandt sind. Über den DNA-Test erfährt Audrey, dass sie zwei Halbschwestern hat, die sie bereits aus dem Verein PMA kennt. Eine ihrer Halbschwestern hatte sie bereits als Anwältin vertreten.

Arthur findet schließlich als erstes französisches Spenderkind seinen genetischen Vater mit Hilfe eines DNA-Tests. Er sagt fast verwundert: „Nach drei Wochen habe ich alles, was ich seit dreißig Jahren wissen wollte.“ Er hat Glück und sein genetischer Vater ist offen für einen Kontakt. Rémi ist bei ihrer dritten Begegnung dabei und es ist rührend zu sehen, wie vertraut die beiden bereits miteinander umgehen. Arthur sagt zur Bedeutung seiner Entdeckung: „Mein Leben hat ein viel stabileres Fundament“. Das entspricht meinen eigenen Gefühlen, als ich vor mehr als einem Jahr meinen Vater ebenfalls durch einen DNA-Test identifizieren konnte – obwohl er – anders als Arthurs Vater – nicht offen für einen Kontakt war.

Arthur macht allerdings auch eine gesundheitlich wichtige Entdeckung: Sein genetischer Vater hat eine Erbkrankheit in Form einer Proteinstörung, die das Risiko für eine Lungenembolie erhöht. Möglicherweise hat Arthur oder eines seiner beiden kleinen Kinder die Störung ebenfalls. Durch dieses Wissen kann er zumindest bewusst mit der Möglichkeit dieser Krankheit umgehen.

Rémi selbst überlegt länger, ob er den DNA-Test wirklich machen möchte. Als er sich dafür entschieden hat, findet er aber leider nicht sofort direkte Hinweise auf Verwandte väterlicherseits. Der Film endet dennoch versöhnlich mit der Geburt von Rémis Tochter. Es ist relativ wahrscheinlich, dass Rémi in den nächsten Jahren nähere Verwandte findet, da sich immer mehr Menschen bei DNA-Datenbanken eintragen lassen.

Zwei Kritikpunkte an dem Film gibt es allerdings doch: 1. Die deutsche Übersetzung des Titels in „Papa ist nicht mein Papa“ ist unpassend. Rémi sagt mehrmals, dass sein sozialer Vater sein Papa sei. Auch viele deutsche Spenderkinder wehren sich dagegen, „Papa“ und „genetischer Vater“ gleichzusetzen. 2. Am Schluss sagt Rémi, dass er seinem genetischen Vater „nur“ „danke“ sagen wolle, dafür, dass es ihn gibt. Manche Spenderkinder empfinden tatsächlich Dankbarkeit gegenüber ihren genetischen Vater. Andere Spenderkinder kritisieren, dass von Ihnen oft Dankbarkeit für ihre Existenz erwartet wird und damit verlang wird, von anderen als unangenehm erlebte Gefühle (wie z.B. Unzufriedenheit über die eigene Entstehungsweise, Trauer über die Unkenntnis des genetischen Vaters oder dessen Desinteresse, Ärger über missbrauchtes Vertrauen, etc.) hinter einer grundsätzlichen Dankbarkeit für das Leben zurückzustellen.

In Frankreich wird derzeit erwogen, die Rechtslage zu künstlicher Befruchtung und den Rechten von Spenderkindern zu ändern. Umfragen zufolge finden inzwischen mehr Franzosen, dass Spenderkinder zumindest das Recht haben sollten, ihren genetischen Vater zu kontaktieren. Außerdem läuft derzeit noch eine Klage von Audrey Kermalvezen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es gibt also Hoffnung, dass die restriktive Rechtslage in Frankreich zumindest etwas gelockert wird.

Der Film kann bis zum bis zum 6. September 2019 in der Arte Mediathek auf Deutsch und auf Französisch angesehen werden. Hoffentlich wird er aber noch öfter gezeigt werden.

  1. Arthur Kermalvezen, Ganz der Papa: Samenspender unbekannt, Patmos 2009; Audrey Kermalvezen, Mes origines : Une affaire d’état, 2014; Arthur Kermalvezen, Le Fils, Iconoclaste 2019. []

Radiosendung „Punkt eins“ zum Thema „Mein unbekannter Vater. Über Samenspender und ihre Kinder“ am 24. April 2019

Der österreichische Radiosender Ö1 hatte am 24. April 2019 in der Live-Sendung „Punkt eins“ das Thema „Mein unbekannter Vater. Über Samenspender und ihre Kinder“. Spenderkinder-Mitglied Sven war einer der beiden Interviewpartner. Weiterer Interviewpartner war Prof. Dr. Heinz Strohmer, Leiter eines Wiener Kinderwunschzentrums. Die Aufzeichnung kann sieben Tage lang nachgehört werden.

Pressemitteilung: Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ wirbt für in Deutschland verbotene Verfahren – Verein Spenderkinder äußert ethische und rechtliche Bedenken

Am 9. und 10. März 2019 findet in Berlin erneut die umstrittene Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ statt. Auf dieser Messe werden offensiv sämtliche in Deutschland aus ethischen und psychologischen Gründen verbotene Verfahren wie Eizellspende, kombinierte Samen- und Eizellspende, Leihmutterschaft bis hin zur PID zur Geschlechterselektion angeboten. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, findet es sehr bedenklich, dass diese Veranstaltung bereits zum dritten Mal in Berlin stattfinden soll, obwohl regelmäßig Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen.

Die gesamte Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, KundInnen zu gewinnen und die – zum großen Teil in Deutschland verbotenen – Dienstleistungen zu vermarkten. Anders wären die zahlreichen ausländischen Aussteller, die zum Teil auch als Sponsoren genannt werden, wohl kaum bereit, an einer Veranstaltung in Deutschland mit entsprechenden Ausstellungsgebühren teilzunehmen.

Nach Werbe-Richtlinie1 ist jegliche Maßnahme, die über die Schilderung der Rechtslage zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in anderen Ländern hinausgeht, Werbung. Hierzu gehört zum Beispiel, wenn ein Aussteller niedliche Babyfotos verwendet, um an den Kinderwunsch der Interessierten anzuknüpfen. Werbung ist auch, wenn eine Klinik ihr Vorgehen bei dem jeweiligen reproduktionsmedizinischen Verfahren schildert.2

Die Themen der im Seminarbereich angebotenen Vorträge zeigen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Hintergründen der Verbote nicht vorgesehen ist. Stattdessen scheint es, als sei es wesentlicher Inhalt der Veranstaltung, Wege zu vermitteln, wie die kindzentriert engen Grenzen der deutschen Rechtslage umgangen werden können.

Der Verein Spenderkinder wendet sich deshalb erneut an die zuständige Ordnungsbehörde in Berlin und fordert ein Einschreiten gegen die Werbung für Eizellspende, anonyme Keimzellspenden und Leihmutterschaft.

  1. Werbe-Richtlinie 2006/114/EG, Artikel 2 Buchst. a []
  2. Unter den Begriff der Werbung können selbst sachliche Informationen fallen, vgl. dazu das Urteil des Amtsgerichts Gießen zu verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbruch nach § 219a StGB (AG Gießen, Urteil v. 24.11.2017, 507 Drs – 501 Js 15031/15). []

Urteil in den Niederlanden im Fall Karbaat – Spenderkinder dürfen DNA mit der des verstorbenen Arztes abgleichen

Am 13. Februar 2019 ist in den Niederlanden ein spannendes Urteil gefallen: Ein Gericht in Rotterdam hat entschieden, dass Spenderkinder, die davon ausgehen, dass der Reproduktionsmediziner Jan Karbaat selbst ihr genetischer Vater ist, dies nun in einem Abgleich mit seiner DNA überprüfen dürfen. Bislang hatten sich vor allem über DNA-Datenbanken etliche Halbgeschwister gefunden. Der Arzt ist im April 2017 im Alter von 89 Jahren verstorben, seine Frau hatte einen Abgleich mit der DNA des Verstorbenen abgelehnt.

In Deutschland gibt es bisher nicht die Möglichkeit, die genetische Vaterschaft gegen den Willen des mutmaßlichen Vaters zu überprüfen, wenn dieser nicht auch als rechtlicher Vater festgestellt werden soll.  Damit Spenderkinder auch dann über ihre Herkunft Gewissheit erhalten können, wenn sie weiterhin ihrem rechtlichen Vater zugeordnet bleiben möchten, oder wenn sie nach Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes gezeugt wurden,  fordern wir auch in Deutschland einen allgemeinen rechtsfolgenlosen Anspruch auf Klärung der Abstammung.

Pressemitteilung: Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ am 13./14. Oktober 2018 in Köln wirbt für in Deutschland verbotene Verfahren – Verein Spenderkinder äußert ethische und rechtliche Bedenken

Am 13. und 14. Oktober 2018 findet in Köln die umstrittene Verbrauchermesse „Kinderwunsch-Tage“ statt. Auf dieser Messe werden offensiv sämtliche in Deutschland aus ethischen und psychologischen Gründen verbotene Verfahren wie Eizellspende, kombinierte Samen- und Eizellspende, PID zur Geschlechterselektion bis hin zur Leihmutterschaft angeboten. Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, findet es sehr bedenklich, dass wiederholt eine Veranstaltung stattfinden soll, bei der Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen.

Die gesamte Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, KundInnen zu gewinnen und die – zum großen Teil in Deutschland verbotenen – Dienstleistungen zu vermarkten. Anders wären die zahlreichen ausländischen Aussteller, die zum Teil auch als Sponsoren genannt werden, wohl kaum bereit, an einer Veranstaltung in Deutschland mit entsprechenden Ausstellungsgebühren teilzunehmen.

Nach Werbe-Richtlinie1 ist jegliche Maßnahme, die über die Schilderung der Rechtslage zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in anderen Ländern hinausgeht, Werbung. Hierzu gehört zum Beispiel, wenn ein Aussteller niedliche Babyfotos verwendet, um an den Kinderwunsch der Interessierten anzuknüpfen. Werbung ist auch, wenn eine Klinik ihr Vorgehen bei dem jeweiligen reproduktionsmedizinischen Verfahren schildert.2

Die im Seminarbereich angebotenen Vorträge machen deutlich, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Hintergründen der Verbote nicht vorgesehen ist. Stattdessen scheint es, als sei es wesentlicher Inhalt der Veranstaltung, Wege zu vermitteln, wie die kindzentriert engen Grenzen der deutschen Rechtslage umgangen werden können.

Der Verein Spenderkinder wendet sich deshalb auch an die zuständige Ordnungsbehörde in Köln und fordert ein Einschreiten gegen die Werbung für Eizellspende, anonyme Keimzellspenden und Leihmutterschaft.

  1. Werbe-Richtlinie 2006/114/EG, Artikel 2 Buchst. a []
  2. Unter den Begriff der Werbung können selbst sachliche Informationen fallen, vgl. dazu das Urteil des Amtsgerichts Gießen zu verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbruch nach § 219a StGB (AG Gießen, Urteil v. 24.11.2017, 507 Ds – 501 Js 15031/15). []

Organisation gegen Leihmutterschaft in Österreich gegründet – Unterschriftenaktion zum Mitmachen

In Österreich hat sich die Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ gegründet, ein Zusammenschluss von Experten und Expertinnen verschiedener Fachgruppen, der sich für ein weltweites Verbot von Leihmutterschaft einsetzt.

Die Forderung wird auf der Seite in einer ausführlichen Stellungnahme begründet. Wer den Inhalten zustimmt, kann die Unterschriftenaktion mit seiner Stimme unterstützen.

Der Verein Spenderkinder positioniert sich eindeutig gegen Leihmutterschaft. Mit der belgischen Spenderkinderorganisation Donorkinderen und der niederländischen Initiative Stichting Donorkind haben wir im vergangenen Jahr eine gemeinsame Erklärung gegen Leihmutterschaft abgegeben. Darin geht es um kommerzielle Leihmutterschaft.

Auch nicht-kommerzielle Leihmutterschaft ist ethisch bedenklich. Hauptaspekt ist hierbei, dass der entstehende Mensch dann zwar nicht gegen Geld „gehandelt“ sondern unentgeldlich „verschenkt“ wird. In beiden Fällen wird mit dem Menschen jedoch umgegangen, wie mit einem Objekt. Wenn ein Mensch wie ein Objekt behandelt wird, verletzt das seine Würde als Subjekt. Davon abgesehen widerspricht die vorsätzliche Trennung eines neugeborenen Kindes von der Mutter, die es ausgetragen hat, den Ergebnissen der pränatalen Bindungsforschung. Es ist allgemein bekannt, dass bereits während der Schwangerschaft ein intensiver Austausch und idealerweise positiver Beziehungsaufbau zwischen Mutter und Kind stattfindet. Ein vorsätzlicher Beziehungsabbruch nach der zudem hochgradig sensiblen Phase der Geburt, ist definitiv nicht im Interesse des Kindes.

Arthur Kermalvezen, der Author des Buches „Ganz der Papa: Samenspender unbekannt“, hat seinen genetischen Vater gefunden!

Das französische Spenderkind Arthur Kermalvezen (34) hat mit Hilfe eines DNA-Tests endlich herausgefunden, wer sein genetischer Vater ist. Bekannt geworden ist Arthur durch das Buch mit seinen Erfahrungsbericht, das unter dem Titel „Ganz der Papa: Samenspender unbekannt“ 2009 auch ins Deutsche übersetzt wurde.

In der französischen überregionalen Tageszeitung „Libération“ gab es dazu einen berührenden Artikel: Samenspende: Der Tag, an dem Arthur Kermalvezen seinen Erzeuger wiedergefunden hat.

Arthur und seine Partnerin Audrey Kermalvezen, ebenfalls Spenderkind, sind beide in unserer französischen Schwesterorganisation Procréation Médicalement Anonyme aktiv und setzen sich dafür ein, dass Spenderkinder in Frankreich erfahren können, wer ihre genetischen Elternteile sind. In Frankreich ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass ärztlich vermittelte Samenspenden anonym stattfinden. Audrey, Anwältin und spezialisiert auf Bioethik, hat deshalb eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Das Urteil steht noch aus.

In der Zwischenzeit haben die beiden und acht weitere französische Spenderkinder ihre DNA an die Datenbank von 23andMe geschickt, wo sie mit der DNA vieler anderer Menschen, die sich dort haben registrieren lassen, abgeglichen wurde. Auf diese Weise stellte sich heraus, dass zwei von ihnen Audreys Halbgeschwister sind und Audrey und ihr bereits bekannter Bruder den gleichen genetischen Vater haben. Arthur fand einen Cousin. Dessen Familie ist relativ übersichtlich. So konnte er schnell ausmachen, dass nur sein Großonkel zur fraglichen Zeit in Frankreich Samen abgegeben haben könnte. Arthur ließ ihm einen Brief zukommen und Weihnachten meldete sich sein genetischer Vater bei ihm.

Leider hat Arthurs genetischer Vater eine seltene Genanomalie, die für verschiedene Krankheiten prädispositioniert. Arthur ist froh, auch das erfahren zu haben und möchte nun sich und seine beiden Kinder darauf testen lassen. Dieses Beispiel bestätigt, wie wichtig es ist, dass auch nachträglich bekanntwerdende gesundheitliche Informationen über Keimzellspender bei einer zentralen Stelle erfasst werden, um nötigenfalls die Kinder informieren zu können. Auch in Dänemark hat es in der Vergangenheit einen Fall gegeben, bei dem ein Spender unwissentlich eine genetische Erkrankung an mehrere Spenderkinder weitergegeben hatte.

Die Geschichte aus Frankreich zeigt einmal mehr, dass die ärztlicherseits zugesicherte Anonymität nicht im Sinne der entstehenden Menschen ist. Mit zunehmender Popularität und Verfügbarkeit preiswerter DNA-Tests ist die Identifizierung der genetischen Elternteile wohl auch in Ländern, in denen die Keimzellspende noch anonym praktiziert wird, zunehmend zu einer Frage der Zeit geworden.

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu Eizellspende im Ausland – Konsequenzen im Inland?

Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet die Eizellspende in Deutschland. Dennoch wird sie auch von Menschen aus Deutschland im Ausland in Anspruch genommen. Dieser sogenannte „Reproduktionstourismus“ und seine Folgen werden immer wieder als Argumente angeführt um eine Lockerung der Rechtslage in Deutschland zu fordern. Auf dem Forum Bioethik am 22. März 2017 in Berlin, wendet sich der Deutsche Ethikrat unter dem Titel „Eizellspende im Ausland – Konsequenzen im Inland“ diesem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch zu.

Sollte die Eizellspende auch in Deutschland erlaubt werden, weil sie im Ausland stattfindet? Aus Sicht des Vereins Spenderkinder sprechen gute Gründe für die Beibehaltung des Verbots. Sollte die Eizellspende in Deutschland trotzdem zugelassen werden, dann nur unter umfangreichen begleitenden Regelungen in einem Fortpflanzungsmedizingesetz.

Diskussion der Argumente zur Zulassung der Eizellspende in Deutschland:

  1. „Die Eizellspende wird sonst im Ausland durchgeführt. Menschen stimmen ‚mit den Füßen‘ ab.“

Die Tatsache, dass etwas im Ausland erlaubt ist und von Menschen aus dem Inland dort praktiziert wird, kann nicht als Argument für eine Zulassung im Inland gelten. Eine mündige Gesellschaft sollte unabhängig vom Ausland selbst überlegen, an welchen Werten und ethischen Grundlagen sie sich – verankert auch in ihren Gesetzen – orientieren möchte. Der Verstoß gegen ein Verbot oder die ‚Unart‘ „mit den Füßen abzustimmen“ kann nicht dazu führen, dass man diese Handlung erlaubt. Stattdessen sollte ein Verbot die Wirkung entfalten, dass die Betroffenen zumindest über den Grund des Verbots (s.u.) nachdenken und für die Umgehung einen deutlich höheren Aufwand betreiben müssen.

  1. „Im Ausland sind Spenderinnen oft anonym und das Kind kann sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht geltend machen. Die dadurch entstehenden Menschen werden vermutlich große Schwierigkeiten haben, die Identität ihrer genetischen Mutter zu erfahren.“

 Das Argument, nur bei einer Zulassung der Eizellspende in Deutschland könne das Recht der betroffenen Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung gewahrt werden, weil Frauen aus Deutschland dann keine zwingend anonymen Eizellspenden in Tschechien und Spanien mehr in Anspruch nehmen müssten, überzeugt nicht:

a) Menschen, die unbedingt eine Eizellspende in Anspruch nehmen wollen und das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung achten wollen, können bereits jetzt ein Land wählen, in dem die Spende offen erfolgt, zum Beispiel die Niederlande, Großbritannien oder Österreich.

b) Mit der Not der Kinder zu argumentieren, wirkt in diesem Zusammenhang scheinheilig. Es gibt sicherlich noch einiges dafür zu tun, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung in Deutschland und anderen Ländern auch für Spenderkinder respektiert wird. Die Zulassung der Eizellspende in Deutschland ist von allen der arbeitsärmste, der mit den meisten Vorteilen für Eltern,die Reproduktionsmedizin und der am wenigsten nachhaltige.

  • Um wirklich etwas für die Verbesserung der Situation der Kinder zu tun, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die meisten Eltern, die schließlich ins Ausland gehen, werden zuvor Kontakt zu einer deutschen Reproduktionspraxis aufnehmen. Wichtig wäre, bereits bei diesen Kontakten, sowie auch bei psychosozialen Beratungskontakten, konsequent und proaktiv auf die notwendige Aufklärung des Kindes über dessen Entstehungsweise, sowie über das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, zu informieren und den Wunscheltern schriftliches Informationsmaterial darüber mitzugeben.
  • Um dieses Wissen in der Gesellschaft zu verankern, wäre zudem eine deutschland- oder sogar europaweite Aufklärungskampagne über die Notwendigkeit frühzeitiger Aufklärung und das Recht des Kindes, seine genetische Herkunft zu erfahren, sehr sinnvoll.
  • Die Nachfrage reguliert das Angebot. Wichtig wäre es, dass auch Wunscheltern ihren Einfluss als KundInnen verantwortungsbewusst nutzen und bewusst und konsequent Agenturen boykottieren, die anonyme Spende anbieten und offensiv offene Keimzellspenden fordern würden.
  • Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird auch aus Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention1 abgeleitet und ist in der UN-Kinderrechtskonvention2 verankert, die von allen Mitgliedsstaaten (abgesehen von den USA) unterzeichnet wurde. Wünschenswert für die Kinder in anderen Ländern wäre deshalb, wenn eine Auseinandersetzung mit den ausländischen Kliniken stattfände, die mit der anonymen Vermittlung von Keimzellen die Kinderrechtskonvention missachten. Das erste Spenderkind aus Frankreich – wo immernoch Anonymität für Samenspender vorgeschrieben ist – klagt deshalb jetzt vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.3 Wer setzt sich für die Kinder in Tschechien und Spanien ein?
  • Eltern, die bereits ein Kind durch anonyme Keimzellspende im Ausland bekommen haben, sollten angeregt werden, sich wenigstens im Nachhinein für die Rechte ihrer Kinder stark zu machen und nachträglich Daten der SpenderInnen für ihre Kinder anfordern, damit die Kinder nicht in 20 oder 30 Jahren alles mühsam selbst rekonstruieren müssen.
  1. c) Der Reproduktionstourismus von Deutschland aus könnte auch dadurch eingedämmt werden, indem das Verbot der ärztlichen Vermittlung stärker durchgesetzt wird und die Werbung von tschechischen und spanischen Kliniken über Internet-Suchmaschinen in Deutschland untersagt wird.
  1. „Die Gesundheit der Spenderinnen ist im Ausland durch unzureichende begleitende medizinische Versorgung gefährdet – in Deutschland könnten wir besser für die Spenderinnen sorgen und die Ausbeutung von Frauen verhindern.“

Die Zulassung der Eizellspende im Inland mit entsprechender Information und Nachsorge würde die Problematik der Spenderinnen im Ausland nicht lösen. Hilfreicher wäre eine offensive Aufklärung im Inland (und Ausland) über die gesundheitlichen Risiken einer Eizellspende für die Spenderin. Dies könnte zur besseren Aufklärung potenzieller Spenderinnen beitragen und gleichzeitig Menschen, die über eine Eizellspende im Ausland nachdenken, für die Problematik der Spenderinnen sensibilisieren. Wenn die KundInnen Wert auf eine gute Aufklärung und Nachsorge der Spenderinnen achten, wird dies im Ausland am ehesten etwas verändern.

Die Idee einer vorbildlichen medizinischen Versorgung der Spenderinnen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Eizellspende ein nicht ungefährlicher hormoneller und chirurgischer Eingriff unter Narkose bleibt, der auch bei einer Risikominimierung durch entsprechende genetische Screenings und vorsichtige Hormongaben immer mit gesundheitlichen Risiken für die Spenderin verbunden bleibt. Auch wenn die Risiken für die Spenderin verglichen mit anderen medizinischen medikamentösen oder chirurgischen Eingriffen gering sein sollten, ist es fraglich, ob die Kosten-Nutzen-Abwägung verhältnismäßig ist und einen drittnützigen medizinischen Eingriff rechtfertigt.4 Unfruchtbarkeit gilt gemäß WHO zwar als Krankheit, nicht jedoch Kinderlosigkeit.Es gibt kein Recht auf ein Kind. Die Erzeugung einer Schwangerschaft ändert die Unfruchtbarkeit nicht und ein Kind als „Mittel“ zur Genesung zu instrumentalisieren, würde dem Kind als Subjekt nicht gerecht. Trotz mittlerweile über 30jähriger Eizellspendeerfahrung in den USA gibt es bislang keine systematischen Untersuchungen zu möglichen Langzeitfolgen für die Spenderin.5 Die Hormonbehandlung führt selbst nach medizinscher Optimierung in etwa 3 Prozent der Fälle zum sogenannten „Hyperstimulationssyndrom“, mit den möglichen Symptomen wie lebensbedrohlichen Flüssigkeitsansammlungen in Bauchraum, Lunge oder Herz, was Atemnot, Nierenversagen, Thrombosen oder dem Tod zur Folge haben kann.6 Wird in Folge eines schweren Überstimulationssyndroms ein operativer Eingriff notwendig, kann dieser die zukünftige Fruchtbarkeit der Spenderin beeinträchtigen. Bei der operativen Entnahme der Eizellen kann es zu Blutungen, Organverletzungen oder Infektionen kommen. Es ist unklar, ob die Hormonbehandlung grundsätzlich das Risiko für die Spenderin erhöhen kann, später an Brust- Eierstock- oder Gebärmutterkrebs zu erkranken.7

  1. „Das Embryonenschutzgesetz ist von 1990 und mittlerweile überholt.“

Wenn sich die Hintergründe ändern, vor denen ein Gesetz entstand, kann dies ein Anlass sein, bestimmte Regelungen neu zu diskutieren. In der Begründung zum Embryonenschutzgesetz wird das Verbot der Eizellspende damit erklärt, dass noch keine Erkenntnisse darüber vorlägen, wie die entstehenden Menschen mit dem Umstand der gespaltenen Mutterschaft umgehen und es wird die Befürchtung geäußert, dass die Identitätsfindung dadurch wesentlich erschwert sein könnte.8 

Auch wenn die ersten durch Eizellspende entstandenen Menschen erwachsen geworden sind, gibt es bislang keine wissenschaftlichen Langzeitstudien über die Auswirkungen des Umstands der gespaltenen Mutterschaft auf die Identitätsentwicklung und wie diese Menschen selbst den Umstand der gespaltenen Mutterschaft und grundsätzlich ihre Entstehung durch Eizellspende erleben. Dem Verein Spenderkinder sind keine Studien bekannt, die sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt haben. Möglich sind daher nur Blicke auf Fallberichte. Diese zeigen, dass durch Eizellspende entstandene Menschen durchaus Schwierigkeiten beschreiben, die mit ihrer Entstehungsweise verknüpft sind. Um die Unbedenklichkeit der Eizellspende wissenschaftlich zu belegen, müsste die Bedenklichkeit falsifiziert werden. Positive Gegenbeispiele helfen hier nicht weiter.

  1. „Entstehung durch Eizellspende schadet dem Kind nicht.“

Dazu liegen keine systematischen Langzeiterhebungen vor. Die Studien von Golombok und anderen9 können (bei aller methodischen Kritik) lediglich zeigen, dass Familien nach Eizellspende „gut funktionieren“, die Kinder im Durchschnitt eine gute soziale Bindung zu ihren Wunscheltern aufweisen sowie sozial und emotional altersgemäß entwickelt sind. Das zeigt, dass eine gute Eltern-Kind-Beziehung auch ohne genetische Verbindung möglich ist. Es zeigt nicht, wie es den Kindern mit ihrer Entstehungsweise im Laufe ihres Lebens geht. Für das Kind stellen sich jedoch die Fragen „Wie lebt es sich damit, dass meine genetische und meine biologische Mutter entscheidend zu meiner Entstehung beigetragen haben? Wie lebt es sich damit, dass meine genetische Mutter keinen Wert auf eine soziale Beziehung zu mir legt?“ Von Samenspenderkindern weiß man, dass die Entstehungsweise – wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter, mit zunehmender emotionaler Loslösung von der Herkunftsfamilie, an Bedeutung gewinnt.

Aufschlussreich könnte ergänzend auch die Fragestellung sein, wie Menschen die Eizellspende aus der Perspektive der Kinder erleben. Dazu könnten sie gebeten werden, sich probehalber vorzustellen, sie seien durch eine Eizellspende entstanden. Aus dieser Perspektive heraus könnten sie gefragt werden, ob sie sich diese Entstehungsweise für sich selbst wünschen würden, oder eher nicht.

Erst wenn eine gründliche, wissenschaftliche Prüfung ergibt, dass die Entstehung durch Eizellspende für die entstehenden Menschen im gesamten Verlauf ihres Lebens höchstwahrscheinlich kein Problem darstellt, sollten weitere Überlegungen für eine mögliche Zulassung in Deutschland erwogen werden. Zeigt sich aber eine widersprüchliche Befundlage oder gar eine negative, sollte auch dies akzeptiert werden und die Idee, auf diese Weise Menschen zu erzeugen gesellschaftlich selbstverständlich nicht gefördert werden.10

  1. „Eizellspende ist wie Samenspende – nur dass die Frau unfruchtbar ist.“

Zwischen der Eizellspende und der Samenspende bestehen Gemeinsamkeiten, aber auch erhebliche Unterschiede.

a) Für die Spenderin ist die Eizellspende – anders als die Samenspende für den Spender – mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden (siehe unter 3.).

Ein weiterer sehr bedenklicher Aspekt bei der Eizellspende ist die mögliche Kommerzialisierung. Weil die Gewinnung der Eizellen viel aufwendiger ist, erhalten die Spenderinnen eine „Aufwandsentschädigung“ von z.B. etwa 900 Euro in Spanien. Eine solche Summe ist finanziell stark motivierend, insbesondere für wirtschaftlich schlechter gestellte Frauen mit wenigen Erwerbsalternativen, und stellt eigentlich keine Spende mehr dar. Für die „Spenderin“ kann die Inaussichtstellung einer solchen Summe dazu führen, dass sie nicht an die Folgen ihrer Spende (die Entstehung eines Menschen, der sie möglicherweise einmal kennenlernen möchte) und die Gefahren für ihren eigenen Körper denkt.

b) Für die Kinder besteht ein Unterschied in dieser Form der Entstehung darin, dass bei der Samenspende eine eindeutige Unterscheidung in sozialen und genetischen Vater möglich ist, während bei der Eizellspende beide Mütter biologisch existenziell zur Entstehung des Kindes beitragen. Das könnte sich erschwerend auf die Identitätsentwicklung des Kindes auswirken (siehe Punkt 4 u. 5).

Für die entstehenden Menschen kann es außerdem eine Verletzung darstellen, wenn sie davon ausgehen können,dass ihre genetischen Eltern ihre Keimzellen nur aufgrund des Geldes „gespendet“ haben.

Die Eizellspende kann darüber hinaus als künstlicher als eine Samenspende angesehen werden. Bei der Samenspende hat die Mutter biologisch betrachtet ein Kind mit einem anderen Mann (wenn auch ohne sexuellen Akt), während bei der Eizellspende die Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wird, ein Transfer, der auf natürlichem Wege nicht vorkommt. Auch dies könnte eine Belastung für die entstehenden Menschen darstellen.

Umfrageergebnisse zur Eizellspende im Verein Spenderkinder im März 2017

Eine aktuelle Umfrage (März 2017) im Verein Spenderkinder, an der sich bislang 27 von 130 Mitgliedern beteiligten, ergab, dass über 80 Prozent der Spenderkinder Samen- und Eizellspende gar nicht oder nur für teilweise vergleichbar halten. Als Hauptargument wurde der Aufwand und die gesundheitlichen Risiken für die Spenderin benannt, gefolgt von den Herausforderungen einer gespaltenen Mutterschaft für die Identitätsbildung des Kindes. Hinsichtlich der Identitätsfindung vermutet gut ein Drittel der Befragten keine erhöhten Schwierigkeiten bei einer Entstehung durch Eizellspende im Vergleich zu einer Entstehung durch Samenspende, während knapp die Hälfte von mehr Problemen ausgeht. Während eine Hälfte der Befragten sich vorstellen konnte, mit einer Entstehung durch eine Eizellspende gut zurechtzukommen, gab die andere Hälfte an, froh zu sein, dass dem nicht so ist, bzw. sich diese Entstehungsweise nicht für sich selbst zu wünschen. Kein Spenderkind stimmte einer Erlaubnis der Eizellspende in Deutschland uneingeschränkt zu. Knapp ein Viertel tendiert zu „eher ja“, knapp die Hälfte wählte „eher nein“ und knapp ein Drittel entschied sich für „nein, auf keinen Fall“. Die überwiegende Mehrheit konnte sich für sich selbst nicht vorstellen, eine Eizellspende in Anspruch zu nehmen und würde – ob mit oder ohne Vergütung – selbst keine Eizellen spenden. Die befragten Spenderkinder waren im Alter zwischen 19 und 43 Jahren (Durchschnitt: 33 Jahre), davon 22 Frauen und 5 Männer. Das Aufklärungsalter über die eigene Entstehungsweise lag zwischen „von Anfang an“ und 40 Jahren. Ziel der Umfrage war es, ein Meinungsbild zur Eizellspende innerhalb einer Gruppe von selbst durch Keimzellspende entstandenen Menschen zu erhalten. Die Gütekriterien der Umfrage sind offensichtlich eingeschränkt, vor allem durch die geringe Teilnehmeranzahl. Künftige professionelle Studien sollten idealerweise direkt und in größerem Rahmen durch Eizellspende entstandene erwachsene Menschen untersuchen.

Fazit

Die Ausführungen zeigen, dass zum gegenwärtigen Stand der Forschung und Erfahrung vieles gegen eine Zulassung der Eizellspende spricht und es viele gute Gründe für die Beibehaltung des Verbotes in Deutschland gibt.

Nur weil etwas woanders praktiziert wird, heißt das nicht, dass es gut ist und dass wir das auch in Deutschland praktizieren sollten. Für die Zulassung der Eizellspende spricht vor allem eine zweckorientierte ethische Haltung, bei der das Ziel, die Entstehung eines Menschen, die gewählten Mittel rechtfertigt. An welchen ethischen Grundsätzen wollen wir uns in Deutschland in der Zukunft orientieren? Wohl allen Menschen gemeinsam ist, dass sie als Individuen und nicht als Produkte oder Wunschobjekte wahrgenommen werden wollen. Das versuchen auch Spenderkinder weltweit zu vermitteln. Können wir den Gedanken aushalten, dass bei Familiengründung durch Keimzellspende immer eine Belastung für das Kind bleibt? Lassen Sie uns nicht der Illusion erliegen, man könnte jede mögliche Belastung wegregeln. Der technische Fortschritt bringt es mit sich, dass wir viele Möglichkeiten haben und uns selbst begrenzen müssen, um das, was wir tun, langfristig auch verantworten zu können.

Die Erfahrung der Verfügbarkeit und des Definiertwerdens von außen setzt sich fort, wenn Wunscheltern und die, die sich mit ihnen identifizieren, anfangen zu entscheiden, was für die Kinder eine Belastung sein darf und was nicht. Warum fragen wir die Kinder nicht selbst? Wer nicht selbst betroffen ist, kann sich auch selbst fragen, „wie würde es mir wohl gehen, wie würde ich es erleben, wenn ich durch eine Eizellspende entstanden wäre?“ Wir können nun auf wissenschaftliche Untersuchungen warten, die vielleicht zeigen, dass auch ein Teil der Kinder keine negativen Aspekte der Eizellspende wahrnimmt. Ethisch unbedenklich wird die Eizellspende dadurch nicht.11

Eine Zulassung in Deutschland sollte allenfalls unter strengen Voraussetzungen erfolgen

Wenn Eizellspenden in Deutschland trotz dieser Bedenken zugelassen werden sollten, dann nur unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Um die Fehler nicht zu wiederholen, die bei der Samenspende gemacht wurden, kann das Verfahren nicht einfach zugelassen werden, sondern muss von umfassenden Regelungen im Rahmen eines Fortpflanzungsgesetzes begleitet werden.
  • In diesem sollte umgesetzt werden, dass das Kind sein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung von Anfang an wahrnehmen kann, und die Spenderin im Geburtsregister eingetragen wird.
  • Zusätzlich sollte die Spenderin in einem einzurichtenden unabhängigen Zentralregister erfasst werden, über das das Kind auf Wunsch zunächst nicht-identifizierende Informationen über die Spenderin erhalten kann.
  • Frauen, die Eizellen spenden, sollten verpflichtet werden, später bekanntwerdende Informationen über mögliche erbliche Gesundheitsbelastungen an das einzurichtende zentrale Register nachzumelden.
  • Wunscheltern und die Spenderin sollten unbedingt verpflichtend vorab eine psychosoziale Information/Beratung wahrnehmen, in der sie u.a. auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hingewiesen werden, was für die Spenderin bedeutet, dass sie einer Kontaktaufnahme durch das Kind aufgeschlossen gegenüber stehen sollte und die Wunscheltern bereit sein sollten, ihr Kind dabei zu unterstützen.
  • Zur Verhinderung der Kommerzialisierung der Eizellspende sollten nur unentgeltliche Eizellspenden zugelassen werden.
  • Da Frauen – anders als Männer – auf natürliche Weise nur bis zu einem bestimmten Alter schwanger werden können, sollte eine Altersgrenze für die Empfängerinnen festgelegt werden, um die Zeugung so natürlich wie möglich zu halten. Eine Eizellspende sollte außerdem nicht nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Familienplanung zu lange aufgeschoben wurde.
  • Eine Kombination von Eizell- und Samenspenden (teilweise als Embryonenspende bezeichnet) muss verboten bleiben. Kein Kind sollte zwei Spender als Eltern haben, die sich noch nicht einmal kannten, weil diese vollkommen künstliche Erzeugung sehr hohe Anforderungen an die Identitätsfindung stellt.
  • Werbung für anonyme Eizellspenden, wie sie im Moment zum Beispiel bei der Eingabe des Suchworts „Eizellspende“ bei Internet-Suchmaschinen erscheint, sollte verboten werden.
  1. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II, S. 685, 953 (bereinigte Übersetzung von 1998). []
  2.  UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, BGBl. 1992 II, S. 122. Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 der UN-Kinderrechtskonvention gestehen dem Kind ein Recht zu, seine Eltern zu kennen und auf Wahrung seiner Identität. Eine detailliertere Darstellung bietet Ulrike Riedel in ihrem Beitrag zur anonymen Geburt bei Babyklappen unter https://www.tdh.de/was-wir-tun/themen-a-z/babyklappe-und-anonyme-geburt/warum-tdh-dagegen-ist/rechtliche-aspekte-babyklappe-anonyme-geburt/verfassungsrechtliche-aspekte-ulrike-riedel/ (l.v.09.05.2017). []
  3. Spendenaufruf von Audrey Kermalvezen für ihre Klage: https://www.lepotcommun.fr/pot/whmkeuk6 (l.v.14.03.2017).  []
  4.  Vgl. dazu Sigrid Graumann: „Eizellspende und Eizellhandel – Risiken und Belastungen für die betroffenen Frauen.“ In: Umwege zum eigenen Kind, Göttinger Schriften zum Medizinrecht. Bd.3, Göttingen 2008. []
  5.  Fordern eine Langzeit-Follow-up-Studie zur Gesundheit von Eizellspenderinnen, psychische und physische Langzeitgesundheit von Eizellspenderinnen sei unklar: Woodriff, M., Sauer, M.&Klitzmann, R. (2014). Advocating for longitudinal follow-up of the health and welfare of egg donors. Fertility and Sterility, 102(3), 662-666. []
  6.  Youssef, M., van der Veen, F., Al-Inany H., et al. (2011). Gonadotropin-releasing hormone agonist versus HCG for oocyte triggering in antagonist assisted reproductive technology cycles. Cochrane Database SystRev 1:CD008046: berichtet höhere Werte von 6% des schweren Hyperstimulationssyndroms und weist auf 6 Todesfälle bei 100.000 Spenderinnen hin: Pearson, H. (2006). Health effects of egg donation may take decades to emerge. Nature 442, 607-608. Ein Risiko von knapp 12 Prozent für das Hyperstimulationssyndrom berichten Kramer, W., Schneider, J. und Schultz, N. (2009). US oocyte donors: a retrospective study of medical and psychosocial issues. Human Reproduction, 24(12), 3144-3149. Die Zahlen sollten in jedem Fall mit Sorgfalt betrachtet werden, da die Daten häufig nicht unabhängig von persönlichen Interessen erhoben und ausgewertet werden. Auch eine vermeintlich geringe Wahrscheinlichkeit schwerer Komplikationen von 3 Prozent, bzw. eine Mortalitätsrate von 0,00006 kann als hoch angesehen werden, wenn diese Risiken ganz ohne medizinische Notwendigkeit in Kauf genommen werden. []
  7.  z.B. Schneider, J., Lahl, J. und Kramer, W. (2017). Long-term breast cancer risk following ovarian stimulation in young egg donors: a call for follow-up, research and informed consent. Reproductive healthcare 34(5), 480-485; Steinbrook, R. (2006). Egg Donation and Stem-Cell Research. N Engl J Med 354, 324-326. []
  8.  Aus der Begründung des Embryonenschutzgesetzes: „Wenn auch die Transplantation von Eierstöcken und eine Übertragung fremder Eizellen heute technisch möglich sind, so liegen andererseits doch keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen — etwa in der Pubertätszeit — seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, daß genetische wie austragende Mutter gleichsam seine Existenz mitbedingt haben. So wird das Kind entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zwischen ihm und der austragenden Mutter geprägt. Unter diesen Umständen liegt die Annahme nahe, daß dem jungen Menschen, der sein Leben gleichsam drei Elternteilen zu verdanken hat, die eigene Identitätsfindung wesentlich erschwert sein wird.“ (Bundestagsdrucksache 11/5460, S.7, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/11/054/1105460.pdf). []
  9. z.B. Golombok, S., Blake, L., Casey, P., Roman, G., &Jadva, V. (2013). Children Born Through Reproductive Donation: A Longitudinal Study of Psychological Adjustment. Journal of Child Psychology and Psychiatry, and Allied Disciplines, 54(6), 653–660. http://doi.org/10.1111/jcpp.12015; Blake, L., Casey, P., Jadva, V. &Golombok S. (2013). ‘I Was Quite Amazed’: Donor Conception and Parent–Child Relationships from the Child’s Perspective. Children & Society. http://doi:10.1111/chso.12014. Murray, C.,MacCallum, F. &Golombok, S. (2006). Egg donation parents and their children: follow-up at age 12 years. Fertil Steril, 85(3), 610–618. []
  10.  In einer Metaanalyse wurde bei Schwangerschaften durch Eizellspende ein erhöhtes Risiko für Geburts- und Neugeborenenkomplikationen, sowie ein moderat erhöhtes Risiko für Präeklampsie und hypertensive Störungen während der Schwangerschaft identifiziert: Storgaard, M., Loft, A., Bergh, C. et al. (2017). Obstetric and neonatal complications in pregnancies conceived after oocyte donation: a systematic review and meta-analysis. Obstetrics&Gynaecology, 124(4), 561–572; ebenfalls ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko bei Eizellspende weist die Meta-Analyse von Blázquez und anderen aus: Blázquez, A., García, D., Rodríguez, A. et al. (2016). Is oocyte donation a risk factor for preeclampsia? A systematic review and meta-analysis. J Assist Reprod Genet, 33(7), 855-863; ebenso: Masoudian, P.,Nasr, A., Nanassy, J. et al. (2016). Oocyte donation pregnancies and the risk of preeclampsia or gestational hypertension: a systematic review and metaanalysis. American Journal ofObstetrics&Gynecology, 214 (3), 328 – 339; weisen ebenfalls ein deutlich erhöhtes Risiko für Bluthochdruck in der Schwangerschaft nach Eizellspende aus: Letur, H.,Peigné, M., Ohl, J. et al. (2016). Hypertensive pathologies and eggdonation pregnancies: Results of a large comparative cohort study. Assisted reproduction, 106(2), 284-290; ebenfalls: Pecks, U., Maass, N. &Neulen, J. (2011). Oocyte donation: a risk factor for pregnancy-induced hypertension—a meta-analysis and case series. DtschArzteblInt, 108(3): 23–31; Dude und andere (2016) weisen u.a. auf ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten bei Schwangerschaften durch Eizellspende hin: Donoroocytesareassociatedwithpretermbirthwhencomparedtofreshautologous in vitro fertilizationcycles in singleton pregnancies. FertilityandSterility, 106(3), 660-665. []
  11.  Auf die Ausführung grundsätzlicher ethisch bedenklicher Aspekte zur Eizellspende aus der Sicht des Kindes und der Frau als „Spenderin“ wurde in dieser Stellungnahme aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. []

Aufklärungsquote von Spenderkindern in Deutschland – was ist bekannt?

Der Verein Spenderkinder setzt sich für eine möglichst frühe Aufklärung von Spenderkindern über ihre Entstehungsweise ein. Eine möglichst frühe Aufklärung eines Menschen über seine Herkunft wird auch von psychologischer Seite empfohlen um eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu gewährleisten.1 Erfährt ein Mensch erst als Erwachsener, dass er andere als die bisher als solche geglaubten genetischen Elternteile hat, muss er wesentliche Grundlagen seiner Identität neu aufbauen. Das kann psychisch eine große Herausforderung sein. Zudem erleben es viele erwachsene Menschen als Vertrauensbruch, wenn die Personen, denen sie am meisten vertrauten, sie jahrelang falsche Tatsachen glauben ließen. Auch wenn in den letzten Jahren die Anzahl der aufklärenden Eltern zugenommen zu haben scheint,2 klären immer noch viele Eltern ihr Kind nicht oder zu spät auf. In einer aktuellen Metaanalyse von Tallandini und anderen (2016) konnte zwischen 1996 und 2015 eine steigende Tendenz zur Aufklärung von Spenderkindern nicht bestätigt werden: Die Aufklärungsrate korrelierte nicht mit dem Publikationsjahr der jeweiligen Studie.3

Bagatellisierung von Seiten der Eltern, Berater und Ärzte

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat im Januar einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem unter anderem gefordert wird, dass die Tatsache der Zeugung durch eine reproduktionsmedizinische Maßnahme im Geburtenregister vermerkt wird. In einer gemeinsamen Stellungnahme zu dem Antrag lehnen die Elternorganisation DI-Netz, das Beratungsnetz Kinderwunsch in Deutschland (BKiD) und der Arbeitskreis Donogene Insemination (AK-DI) diese Forderung vehement ab.4 Gleichzeitig werfen sie unserem Verein vor, in der Öffentlichkeit bewusst mit einer niedrigen Aufklärungsrate von 10 Prozent aus einer alten Studie aus den 80er Jahren zu argumentieren.5

Dieser Vorwurf gegenüber unserem Verein ist nicht richtig. Zwar verweisen wir in dem Text zu Aufklärung auf unserer Internetseite auf eine niedrige Aufklärungsquote von etwa 5-10 Prozent. Diese Zahl bezieht sich jedoch auf die Zahl der aufgeklärten Spenderkinder insgesamt – was auch die Spenderkinder beinhaltet, die in den 70er und 80er Jahren gezeugt wurden, als Ärzte ausdrücklich die Geheimhaltung gegenüber den Kindern empfohlen haben. Unmittelbar im nächsten Satz weisen wir mit einem expliziten Verweis auf einige aktuelle Studien darauf hin, dass bei jüngeren Familien mit einer höheren Aufklärungsbereitschaft von bis zu 30 Prozent gerechnet wird. Uns die gezielte Verbreitung falscher Daten vorzuwerfen, ist daher ein ziemlich unfaires Mittel der Auseinandersetzung – das umso fragwürdiger ist, als mit Herrn Prof. Katzorke einer der Unterzeichner der Stellungnahme selbst in einigen Publikationen auf diese niedrige Aufklärungsrate verwiesen hat.6 Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wie die Datenlage zur Aufklärungsrate tatsächlich aussieht.

Welche Erkenntnisse zur Aufklärungsrate liegen bislang vor?

Nach einer aktuellen Meta-Studie von Tallandini aus dem Jahr 2016, die 26 Studien aus den Jahren 1996 bis 2015 umfasst, haben 21 Prozent der Samenspende-Eltern und 23 Prozent der Eizellspende-Eltern ihre Kinder aufgeklärt.7 Bei der Betrachtung einzelner ausländischer Studien zeigen sich darin Aufklärungsraten zwischen 8 und 35 Prozent.8

Aufklärungswille vermutlich höher als tatsächliche Aufklärungsrate

Die Rate der aufklärungswilligen Eltern ist in einigen Studien deutlich höher. Insbesondere eine schwedische Studie von 2011 fällt positiv auf: Darin äußern 90 Prozent der Eltern die Absicht, ihre Kinder aufzuklären.9 Allerdings bedeutet dieses Vorhaben nicht unbedingt, dass dies auch tatsächlich umgesetzt wird. Tallandini et al. (2016) beobachteten diesbezüglich, dass zwar 52 Prozent der Eltern von Kindern im Alter unter 10 Jahren angaben, diese aufklären zu wollen, dass aber nur 9 Prozent ihre Kinder zwischen 10 und 22 Jahren auch tatsächlich aufgeklärt hatten.10 Auffällig ist die Heterogenität der Studien: Neben der optimistisch stimmenden Isaksson-Studie gibt es andere – darunter auch einige recht aktuelle – in denen ein Großteil der Eltern die Kinder (die alle im Kindergartenalter oder älter sind) nicht aufgeklärt hat und ein Teil davon auch in Zukunft nicht aufklären möchte.11

Stichprobenzusammensetzung legt eher Über- als Unterschätzung der Aufklärungsrate nahe

Bei allen Studien lässt sich die Frage aufwerfen, inwieweit die Ergebnisse verallgemeinert werden können bzw. welche zusätzlichen Faktoren das Studienergebnis möglicherweise beeinflusst haben. Bei den Studien zur Aufklärungsrate ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass keine Zufallsstichproben aus allen Eltern gezogen wurden, sondern die Teilnahme freiwillig erfolgte. Daher kann man eine Stichprobenselektion derart vermuten, dass eher aufklärungsbereite Familien sich bereiterklären, an Studien, insbesondere an Langzeitstudien, teilzunehmen weil dies eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema beinhaltet.12 Möglicherweise hat auch allein die Fragestellung nach der Aufklärungsabsicht einige Eltern dazu angeregt, über das Thema Aufklärung weiter nachzudenken und sich schließlich dafür zu entscheiden.13 Eine weitere Schwäche sind die insgesamt eher kleinen Stichprobengrößen. Trotz der sicherlich bestehenden methodischen Schwächen bilden die vorliegenden Untersuchungen aber Tendenzen ab. Insbesondere aufgrund der freiwilligen Teilnahme vermutlich eher offener Eltern und durch die Thematisierung der Aufklärung ist eher von einer Über- als von einer Unterschätzung der tatsächlichen Aufklärungsrate auszugehen.

Geringe Aufklärungsquote für Deutschland naheliegend

Ohne eine Würdigung der ausländischen Studienlage vorzunehmen, verweisen BKiD, DI-Netz und der AK-DI in ihrer Stellungnahme lediglich darauf, es lägen keine belastbaren Daten vor und insbesondere keine Daten aus Deutschland. Auf dieser Grundlage stellen sie eine geringe Aufklärungsrate für Deutschland in Frage. Diese Vorgehensweise ist wissenschaftlich fragwürdig. Vielmehr mangelt es an Argumenten, weshalb die internationalen Ergebnisse ausgerechnet auf Deutschland – zumindest der Tendenz nach – nicht übertragbar sein sollten.

Fehlende Regelungen und jahrzehntelanges Klima der Geheimhaltung deuten auf geringe Aufklärungsquote hin

Es fällt auf, dass die Aufklärungsrate zwischen den Ländern erheblich variiert, zwischen 90 Prozent aufklärungswilliger Eltern in einer schwedischen Studie14 und überhaupt keinen aufklärungswilligen Eltern in Italien15. Selbst wenn sich daraus keine konkreten Zahlen für Deutschland ableiten lassen, so können die ausländischen Studien zumindest als Anhaltspunkte dienen, in welchem Bereich sich die tatsächliche Aufklärungsquote vermutlich bewegt. Schweden war eines der ersten Länder, in denen die anonyme Samenspende verboten wurde (1985) und in dem gesellschaftlich ein Klima der Offenheit herrscht, während in Italien ein konservativeres Familienbild vorherrscht und die Samenspende für viele Jahre komplett verboten war. Auch in Deutschland hüllte sich die Praxis der Samenspende jahrzehntelang in Schweigen und bis vor Kurzem wurde Spendern noch Anonymität zugesichert.16
Das stimmt mit den Beobachtungen der Ethnologin Maren Klotz überein, dass deutsche Eltern größere Angst vor der Aufklärung ihrer Kinder äußerten als britische Eltern, was sie der größeren Verunsicherung der Eltern durch fehlende Regelungen und der Spannung zwischen Geheimhaltungsdruck durch die Kliniken und moralischem Aufklärungsdruck zuschreibt.17 In Großbritannien werden die Spenderdaten in einem Register festgehalten und die Klinik muss den Eltern die Aufklärung der Kinder empfehlen. Vergleichbare Regelungen gibt es in Deutschland nicht.

Auf Grund dieser Überlegungen ist es wahrscheinlich, dass die Aufklärungsrate in Deutschland eher niedriger ist als in den dargestellten Studien. Es gibt jedenfalls keine Hinweise dafür, weswegen sie höher sein könnte.

Praktische Erfahrungen deuten eher auf Angst vor und Vermeidung von Aufklärung hin

Hält man unbeirrbar an den methodischen Mängeln der ausländischen Studien fest und lehnt deshalb eine Auswertung und deren Übertragbarkeit auf die Situation in Deutschland komplett ab, so bleiben empirisch überhaupt keine Anhaltspunkte – weder für eine niedrige, noch für eine hohe Aufklärungsquote. Was bleibt, sind jedoch die praktischen Erlebnisse, Begegnungen mit Eltern auch junger Spenderkinder, die ihre Kinder nicht aufklären möchten, was in direkten E-Mails und Kommentaren an unseren Verein oder aber in einschlägigen Foren deutlich wird. Wie hoch deren Prozentsatz gemessen an der Gesamtanzahl der Eltern auch sein mag – so lange die Aufklärung von Spenderkindern nicht für alle Eltern selbstverständlich ist, kann man nicht ernsthaft behaupten, dass Samenspende-Eltern keiner Motivation zur Aufklärung ihrer Kinder bedürften.

Fazit

Es spricht viel dafür, dass nach wie vor auch in Deutschland zu wenige Kinder über ihre Zeugung durch eine Samenspende aufgeklärt werden und daher ein Bedarf besteht, Eltern stärker zur Aufklärung zu motivieren.

Das Vorgehen, die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der Eltern trotz mehrerer Studien mit gegenteiligen Ergebnissen in Frage zu stellen, wirkt dabei vielmehr wie ein mehr oder weniger starkes Bedürfnis, Hinweise zu leugnen, die ein schlechtes Bild auf Samenspende-Eltern werfen könnten. Wir würden uns stattdessen wünschen, dass insbesondere Eltern und Beratungsfachkräfte konsequent für das Thema frühe Aufklärung eintreten: Elterliche Verantwortung zu übernehmen, bedeutet aufzuklären und nicht, dass man es den Eltern überlässt, ob sie aufklären.

Dabei ist es Aufgabe des Staates, das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung zu schützen und Vorkehrungen zu treffen, dass Kinder auch unabhängig von ihren Eltern die Wahrheit über ihre Herkunft erfahren können und auch um Inzest nach Möglichkeit ausschließen zu können.

  1. vgl. z.B. Blyth E, Langridge D, Harris R (2010), Family building in donor conception: parents’ experiences of sharing information, Journal of Reproductive and Infant Psychology (2) 28, S. 116–127, S. 124-125; Oelsner W, Lehmkuhl G (2016), Spenderkinder. Was Kinder fragen werden und was Eltern wissen sollten, Munderfing: Fischer & Gann. []
  2. Greenfeld DA. (2008), The impact of disclosure on donor gamete participants: donors, intended parents and offspring. CurrOpinObstetGyn;20, S. 265–268.:Söderström-Anttila V, Sälevaara M, Suikkari AM. (2010), Increasing openness in oocyte donation families regarding disclosure over 15 years. Hum Reprod25, S. 2535–2542.; MacCallum F, Keeley S. (2012), Disclosure patterns of embryo donation mothers compared with adoption and IVF. Reprod Biomed Online 24,S. 745–748. []
  3. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S.9. []
  4. DI-Netz, BKiD und AK DI, Gemeinsame Stellungnahme zum Gesetzesantrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung“ vom 24. März 2016 – siehe auch gesonderter Beitrag „Eintragung des Spenders in das Geburtenregister – das Recht von Spenderkindern auf Wahrheit“.) Sie stellen in diesem Zusammenhang in Frage, ob es überhaupt notwendig sei, die Motivation der Eltern zur Aufklärung ihrer Kinder zu stärken und ob dies Aufgabe des Staates sei. ((S. 2 []
  5. Fußnote 2: „Die medial kursierende Zahl von 10% Aufklärungsrate bei Samenspende stammt aus einer kleinen Studie einer Forschergruppe um Susan Golombok aus den späten 1980er Jahre mit 111 Patienten aus den Ländern Spanien, Italien, den Niederlanden und Großbritannien (Deutschland wurde nicht erfasst). Die geschätzte Zahl von 10% Aufklärungsquote wird in Deutschland derzeit durch den Verein „Spenderkinder“ lanciert.“ []
  6. siehe z.B. Katzorke T (2008) Entstehung und Entwicklung der Spendersamenbehandlung in Deutschland. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 5(1), S.14-20, 20; Katzorke T (2003), Donogene Insemination –  Gegenwärtiger Stand der Behandlung in der BRD, Gynäkologische Endokrinologie, S. 85-94, 88. []
  7. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 9. []
  8. 8% bei Owen L, Golombok S (2009), Families created by assisted reproduction: Parent-child relationships in late adolescence, Journal of Adolescence 32, 835-848; 8,6% bei Golombok S et al. (2002), The European study of assisted reproduction families: the transition to adolescence. Human Reproduction Vol. 17 No. 3, S. 830-840; 17% bei Sälevaara M, Suikkari A-M, Söderström-Anttila V (2013), Attitudes and disclosure decisions of Finnish parents with children conceived using donor sperm. Human Reproduction, Vol. 28, No. 10, S. 2746–2754; 28% bei Readings J, Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S (2011), Secrecy, disclosure and everything in-between: decisions of parents of children conceived by donor insemination, egg donation and surrogacy. Reprod Biomed Online; 22: 485 – 495; 35% bei Daniels K, Gillett W, Grace V (2009), Parental information sharing with donor insemination conceived offspring: a follow-up study. Human Reproduction, Vol.24, No.5 S. 1099–1105; 35% bei Kovacs G T, Wise S, Finch S (2013), Functioning of families with primary school-age children conceived using anonymous donor sperm. Human Reproduction, Vol.28, No. 2, S. 375–384. []
  9. Isaksson S et al. (2011), Two decades after legislation on identifiable donors in Sweden: are recipient couples ready to be open about using gamete donation? Human Reproduction, Vol.26, No.4 pp. 853–860. []
  10. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S.10. []
  11. z.B. haben 61% zum Zeitpunkt der Studie noch nicht aufgeklärt, insgesamt 43% haben sich ausdrücklich gegen Aufklärung entschieden bei Lycett E, Daniels K, Curson R, Golombok S (2005), School-aged children of donor insemination: a study of parents‘ disclosure patterns. Human Reproduction Vol. 20, No. 3 S.810-819; 92% haben noch nicht aufgeklärt, 81% haben sich explizit dagegen entschieden bei Owen L, Golombok S (2009), Families created by assisted reproduction: Parent-child relationships in late adolescence, Journal of Adolescence 32, 835-848; 53% haben nicht aufgeklärt und haben es auch nicht vor bei Daniels/Gillet/Grace (2009), Human Reproduction Vol. 24, S. 1099–1105, 1102; 72% haben noch nicht aufgeklärt, 39% der Eltern wollen ausdrücklich nicht aufklären bei Readings J, Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S. (2011), Secrecy, disclosure and everything in-between: decisions of parents of children conceived by donor insemination, egg donation and surrogacy. ReprodBiomed Online; 22: 485 – 495. []
  12. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 11. []
  13. Daniels et al. (2009) untersuchten 43 Familien, von denen 15 (35%) ihre 17-21jährigen Kinder aufgeklärt hatten. Zu einem Folgezeitpunkt hatten sich weitere 5 Familien für eine Aufklärung entschieden – Daniels K, Gillett W, Grace V (2009), Parental information sharing with donor insemination conceived offspring: a follow-up study. Human Reproduction, Vol.24, No.5 pp. 1099–1105. []
  14. Isaksson S et al. (2011), Two decades after legislation on identifiable donors in Sweden: are recipient couples ready to be open about using gamete donation? Human Reproduction, Vol.26, No.4 pp. 853–860. []
  15. Golombok S et al. (2002), The European study of assisted reproduction families: the transition to adolescence. HumanReproduction Vol. 17 No. 3 830-840 []
  16. Thorn P, Katzorke T, Daniels K (2008), Semen donors in Germany: A study exploring motivations and attitudes. Human Reproduction Vol. 23(11) pp. 2415–2420. []
  17. Klotz M (2013), Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956. []