Archiv für den Monat: April 2016

Bundesverfassungsgericht: Kein Anspruch auf rechtsfolgenlose Abstammungsklärung

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern entschieden, dass aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Kenntnis der Abstammung nicht folgt, dass ein Verfahren zur sogenannten rechtsfolgenlosen Klärung der Abstammung gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater bereit gestellt werden muss.

Eine rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung bedeutet, dass hiermit keine Konsequenzen in dem rechtlichen Status der Beteiligten folgen, wie zum Beispiel eine Feststellung als Vater oder eine Anfechtung der Vaterschaft. Bislang gibt es eine solche rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung nach § 1598a BGB nur zwischen den Personen, die rechtlich als Vater, Mutter und Kind gelten.

Geklagt hat eine 1950 als uneheliches Kind geborene Frau, deren Antrag auf Feststellung der Vaterschaft im Jahr 1954 gerichtlich abgelehnt wurde. Daher war ihr der Weg über die Vaterschaftsfeststellung verwehrt, die mit modernen DNA-Tests möglicherweise anders als im Jahr 1954 ausgefallen wäre. Nachdem im Jahr 2008 mit § 1598a BGB ein „Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“ geschaffen wurde, versuchte die Klägerin eine Klärung ihrer Abstammung über diese Norm. § 1598a BGB sieht jedoch nur einen Klärungsanspruch des Kindes gegenüber seinem rechtlichen Vater vor (und umgekehrt), nicht jedoch gegenüber dem vermuteten leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass es vom Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt sei, wenn die rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung nur innerhalb der rechtlichen Familie, nicht aber gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater besteht. Die Betonung des Ausgestaltungsspielraums des Gesetzgebers bedeutet jedoch, dass es verfassungsrechtlich möglich ist, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf rechtsfolgenlose Abstammungsklärung auch außerhalb der rechtlichen Familie einführt – er ist verfassungsrechtlich nur nicht dazu verpflichtet.

Der Verein Spenderkinder fordert den Gesetzgeber daher auf, ein Verfahren zur rechtsfolgenlosen Vaterschaftsfeststellung zuführen. Auch für Menschen, die durch Samenspende entstanden sind, kann die rechtsfolgenlose Klärung der genetischen Vaterschaft wichtig sein. Spenderkinder haben zwar einen Anspruch gegenüber dem Arzt oder der Reproduktionsklinik, die Identität des Samenspenders zu erfahren. Es kann jedoch unklar sein, ob dieser tatsächlich der genetische Vater ist. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel in einem Zyklus die Proben von zwei verschiedene Spender bei der Mutter verwendet. Der Weg über eine normale Vaterschaftsfeststellung ist nur möglich, wenn man keinen rechtlichen Vater hat. Der Großteil der durch Samenspende gezeugten Menschen hat aber einen rechtlichen Vater und möchte bzw. kann diese rechtliche Vaterschaft auch nicht anfechten

Es kann nicht die Lösung sein, dass eine endgültige Klärung der Vaterschaft mittels eine DNA-Tests nur dann erreicht werden kann, wenn die Vaterschaft des bisherigen rechtlichen Vaters angefochten wird. Grundrechte der betroffenen Männer können dadurch geschützt werden, dass begründete Anhaltspunkte für die Vermutung vorgebracht werden müssen und Ansprüche auf Grund von Vermutungen ins Blaue als unbegründet abgelehnt werden können.

Urteil des BVerfG zu Abstammungsklärung am Dienstag

Das Bundesverfassungsgericht wird am Dienstag sein Urteil zur so genannten rechtsfolgenlosen Abstammungsklärung verkünden – ein wichtiges Urteil auch für Spenderkinder.

Der Fall: Geklagt hat eine 1950 als uneheliches Kind geborene Frau. Im Jahr 1954 nahm sie (bzw. ihre Mutter für sie) den vermuteten Vater auf „Feststellung der blutsmäßigen Abstammung“ in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage nach Einholung eines Blutgruppengutachtens und eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens im Jahr 1955 rechtskräftig ab. Die Klägerin erfuhr mit 14 von ihrer Mutter von der Identität des Mannes. Daraufhin bestand ein sporadischer Kontakt zu ihm, der jedoch nach dem Tod der Mutter im Jahr 1972 abbrach. Die Frage ihrer Abstammung ließ sie jedoch nicht los. In den Medien wird sie so zitiert, dass sie ein Bekenntnis des genetischen Vaters möchte, dass sie zu ihm gehört (mehr zu ihr persönlich in einem SZ-Artikel). 2009 forderte sie ihn zu einem DNA Test auf, er lehnte jedoch ab. Die Klage wurde vom Amtsgericht und dem Oberlandesgericht abgewiesen.

Der rechtliche Hintergrund: Im Jahr 1988 hat das Bundesverfassungsgericht die herrschende juristische Meinung bestätigt, dass es ein Recht auf Kenntnis der Abstammung gibt. Nach dem Urteil „Heimliche Vaterschaftstests“1 wurde in das Bürgerliche Gesetzbuch im Jahr 2008 ein „Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“ eingefügt. Nach allgemeiner Auffassung gewährt § 1598a BGB jedoch nur einen Klärungsanspruch des Kindes gegenüber seinem rechtlichen Vater, nicht jedoch gegenüber dem vermuteten leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater. In einem solchen Fall bleibt eine Klage auf rechtliche Feststellung der Vaterschaft. Die ist aber nur möglich, wenn keine rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes besteht und ist mit rechtlichen Verpflichtungen wie Unterhaltszahlungen verbunden. Im Fall der Klägerin ist außerdem eine Feststellung der Vaterschaft wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils aus dem Jahr 1954 nicht möglich. Zu dieser Zeit waren Abstammungsgutachten jedoch  ungenauer als heute.

Bei der Frage um die so genannte folgenlose Abstammungsklärung handelt es sich um ein wichtiges Urteil auch für Spenderkinder: viele Spenderkinder haben einen rechtlichen Vater, dessen Vaterschaft sie nicht anfechten möchten. Wenn sie die Identität ihres Spenders genannt bekommen (oder begründete Vermutungen haben, wer er sein könnte), haben sie jedoch keine rechtlichen Möglichkeiten, den Spender dazu zu bewegen, die Frage der genetischen Abstammung auch tatsächlich durch einen DNA Test zu klären. Genauso wenig haben sie eine Möglichkeit öffentlich festzuhalten, wer ihr genetischer Vater ist. Durch Samenspende gezeugte Menschen äußern oft ein Bedürfnis, die Frage einer bestehenden genetischen Vaterschaft nicht nur für sich selbst zu klären, sondern diese Antwort auch in öffentlichen Dokumenten zum Ausdruck zu bringen. Unabhängig von einer sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater stört sie, dass öffentliche Dokumente falsche Tatsachen über ihre genetische Abstammung enthalten.2

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte am 24. November 2015 öffentlich zu der Verfassungsbeschwerde. Welche Richtung das Bundesverfassungsgericht einschlagen wird, ist noch nicht klar. Nach dem Anwalt der Klägerin habe das Gericht anerkannt, dass es viele Fälle wie den der Klägerin gebe und dass sich daraus ein dringender Klärungsbedarf ergebe. Doch das Gericht habe auch zu bedenken gegeben, dass DNA-Tests potenzieller Väter nicht „ins Blaue hinein“ gefordert werden dürften. Auch müssten bei einer so festgestellten Vaterschaft die Folgen auf das soziale Umfeld des Vaters bedacht werden.

Der Verein Spenderkinder hofft, dass das Bundesverfassungsgericht sich grundsätzlich für einen Anspruch auf Vaterschaftsklärung als Teil des Rechts auf Kenntnis der Abstammung aussprechen wird. Dass die Klägerin 65 Jahre alt ist und diese Frage immer noch klären möchte, zeigt, welchen hohen Stellenwert die Frage der Abstammung für Menschen besitzen kann. Es ist richtig, dass andere Personen davor geschützt werden müssen, ins Blaue hinein mit Ansprüchen auf DNA-Tests überzogen zu werden. Dieser Schutz sollte aber auch in den Details eines solchen Anspruchs umgesetzt werden können. Etwas ähnliches gibt es auch schon im derzeitigen § 1598a BGB: Nach dessen Absatz 3 setzt das Gericht das Verfahren aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes begründen würde.

  1. Urteil vom 13. 02. 2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753. []
  2. The Telegraph vom 2. Juli 2014: My life was a lie . . . now gaps on my birth certificate tell the truth about my father, http://www.telegraph.co.uk/news/10978332/My-life-was-a-lie-…-now-gaps-on-my-birth-certificate-tell-the-truth-about-my-father.html; ABC Net vom Birth certificate should be honest to aid genealogy, donor-conceived SA man Damien Adams says http://www.abc.net.au/news/2015-07-20/sperm-donor-not-reflected-on-birth-certificate-damien-adams/6634734; Kramer/Lado, Biology and Birth Certificates: Our Right to Accuracy, Donor Siblings Registry Blog https://www.donorsiblingregistry.com/blog/?p=618 []

Fünfter Halbgeschwister-Treffer

Wir konnten uns vor ein paar Tagen über den fünften Halbgeschwister-Treffer in unserem Verein freuen.

Entdeckt wurde die Verwandtschaftsbeziehung über den US-amerikanischen DNA-Test Family Finder, den wir zur Suche nach Verwandten benutzen. Manuel war dort schon seit über drei Jahren registriert, Désirée ist erst vor ein paar Monaten zu unserem Verein gestoßen und hat den Test gemacht. Zwischen beiden besteht ein Altersunterschied von zehn Jahren.

Beide wurden in der Praxis von Dr. Poluda in München gezeugt – von der wir erst vier Mitglieder haben. Daran sieht man gut, dass weder das Alter entscheidend ist für die Beurteilung der Chance, einen Treffer zu haben, noch die Zahl der Spenderkinder von derselben Klinik, die bislang bei Family Finder registriert sind. Es ist immer ein bisschen Glück dabei, und für viele eher eine Investition in die Zukunft.

Manuel und Désirée freuen sich über den Austausch und planen auch ein Treffen. Und wir hoffen, dass noch viele Spenderkinder (und nicht nur unsere Mitglieder) den Test machen werden und wir uns noch über viele Treffer freuen können.